STUDIEN ZUR DEUTSCHEN K.UNSTGESCHICHTE
129. HEFT
DIE GRABDENKMALER
DES WURTTEMBERGISCHEN FURSTENHAUSES
UND IHRE MEISTER IM XVI. JAHRHUNDERT
VON
Dr. THEODOR DEMMLER
MIT 3i LICHTDRUCKTAFKLN
STRASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & MUndel)
1910
PINE ARTS
N
VI33
"vvl
INHALT.
Seite
Vorwort XI
Literatur. XVII
Erster (archivalischer) Teil.
Einleitung 1
I. Der Beginn kiinstlerischer Tatigkeit im Tiibinger Chor . 10
H. Die Ueberfuhrung der Giitersteiner Monumente naoh Tu-
bingen und die Tatigkeit der Bildhauer Josef Schmid und
Jacob Woller 14
III. Das Grabmal fur Herzogin Sabina von Sem Schlor ... 31
IV. Die Grabmaler far Prinz Eberhard und fiir Herzogin Anna
Maria v.on Leonhard Baumhauer 36
V. Die Stuttgarter Grabdenkmaler seit Herzog Christophs Zeit 41
VL Der Bildhaner Paul Mair von Augsburg 57
Zweiter (kunstgeschichtli che r) Teil.
•
Einleitung 81
I. Josef Schmid von Urach 90
II. Jacob Woller von Gmund 123
III. Leonhard Baumhauer von Gmiind 136
IV. Sem Schlor von Laudenbach 173
An hang (Urkunden-Material zu Teil I) I
Register XXXV
278
75 ?*
VERZEICHNIS DER TAFELN.
G. D. = Grabdenkmal.
Aufstellungsort : K ire he, wo nichts anderes bemerkt ist.
Tafel 1. G. D. des Grafen Ludwig von Wurttemberg (f 1450).
G. D. der Prinzessin Anna von Wurttemberg (f 1530).
Tafel 2. G. D. der Grafin Mechthild (f 1482); alle drei friiher in Guterstein,
O.-A. Urach.
Situationsplan des Tiibinger Chors von 1556.
(Skizzen im St.-A. Stuttgart).
Tafel 3. Paul Mair, G. D. des Johann Philipp Schertlin (f 1568).
Paul Mair, G. D. des Sebastian Schertlin (f 1577). Burtenbach,
B.-A. Gunzburg.
Tafel 4. Paul Mair, G. D. des Hans von Stammheim (f 1575) und seiner
Gemahlin. Geisingen, O.-A. Ludwigsburg.
Tafel 5. Paul Mair, Holzmodell fur ein ErzguBdenkmal des Grafen Hein-
rich von Mompelgard (+ 1519). Urach, Goldener Saal des
Schlosses.
Tafel 6. Josef Schmid, Tumba des Grafen Eberhard im Bart (f 1496)
(Figur). Tubingen, Stiftskirche.
Josef Schmid, G. D. des Balthasar von Gultlingen (f 1563) mit
Gemahlin. Berneck O.-A. Nagold.
Tafel 7. Josef Schmid, G. D. des Johann von Ehingen (f 1562). Kilchberg,
O.-A. Tubingen.
Tafel 8. Jakob Woller, G. D. des Jakob von Kaltenthal (f 1555). (An-
sicht von vorn und von der Seite.) Muhlhausen a. N.,
Veitskapelle.
Tafel 9. Jakob Woller, G. D. des Grafen Ludwig von Wiirttemberg (f 1450)
und seiner Gemahlin. Tubingen, Stiftskirche.
Tafel 10. Leonhard Baumhauer, drei Jugendwerke.
Hans Wolf von Ziilnhardt (f 1557). Diirnau, O.-A. Goppingen.
Hans Konrad von First (f 1561). Tubingen. Stiftskirche.
Heinrich von Ostheim (f 1560). Tubingen. Stiftskirche.
— VIII —
Tafel 11. Leonhard Baumhauer, G D. des Jerg von Ehingen (f 1561)^
Kilchberg, O.-A. Tubingen.
Tafel 12. Jjeonhard Baumhauer, Brunnenfigur und Brunnensaule vom altea
Marktbrunnen in Reutlingen. Stadtische Sammlung. Reut-
lingen.
Tafel 13. Leonhard Baumhauer, G. D. des Wolf Dietrich v. Megetzer
(f 1569) mit Gemahlin.
Leonhard Baumhauer, G. D. des Hans TruchsaB von Hofingen
(f 1576) mit Gemahlin. Tubingen, Stiftskirche.
Tafel 14. Leonhard Baumhauer, G. D. des Herzogs Christoph von Wurt-
temberg (f 1568) Tubingen, Stiftskirche.
Tafel 15. Leonhard Baumhauer, G. D. des Veit von Sternenfels (f 1571)
Zaberfeld, O.-A. Brackenheim.
Leonhard Baumhauer, G. D. des Stefan Chomberg (f 1566:. Tu-
bingen Stiftskirche.
Tafel 16. Leonhard Baumhauer, G. D. des Sebastian Dreher (f 1582).
Leonhard Baumhauer, G. D. des Veit Dreher (f 158 . ).
Leonhard Baumhauer, G. D. des Sebastian Besserer (f 1593).
Leonberg, Stadtkirche.
Tafel 17. Sera Senior, G. D. des Friedrich von Sturmfeder (f 1555) mit
Gemahlin. Oppenweiler, O.-A. Backnang.
Sem Senior, G. D. der Agata Schenczin (+ 1559).
Sem Senior, G. D. der Katharina Ehrerin (f 1562). Hall, Mi-
chaelskirche.
Tafel 18. Sem Senior, G. D. des Josef Vogelmann (f 1568). Hall, Michaels-
kirche.
Sem Senior, G. D. des Wolfgang von Stetten (f 1547) mit
Gemahlin und der Anna von Layen (f 1568). Kocher stetten,
O.-A. Kunzelsau.
Tafel 19. Sem Senior, Kruzifix auf dem Friedhof Neuhausen a. F. (1563).
Sem Senior, Kruzifix auf dem Friedhof Hall (1565).
Tafel 20. Sem Senior. G. D. des Grafen Albrecht von Hohenlohe (f 1575).
Figur. Stuttgart, Stiftskirche.
Tafel 21. Sera Schlor, G. D. der Anna von Stammheim (f 1584).Geisingen,
O.-A. Ludwigsburg.
Sem Schlor, G. D. der Aebtissin Christina von Schwalbach (f 1588).
Oberstenfeld, O.-A. Marbach. Stiftskirche.
Tafel 22. Erhard Barg und Sem Schlor, G. D. des Ebcrhard von Stetten
(t 1583 1 mit Gemahlin. Kocherstetten, O.-A. Kunzelsau.
Schule des Sem Schlor. G. D. des Albrecht von Crailsheim (+ 1593)
mit Gemahlin. Braunsbach, O.-A. Kunzelsau.
Tafel 23. Sem Schlor, Tafeln zum Glaubensbekenntnis. Stuttgart, Hof des
alten Schlosses.
Tafel 24. Sem Schlor, die Grafenstandbilder in der Stuttgarter Stiftskirche.
Gesamtansicht
Tafel 25. Sem Schlor, dasselbe; 4. und 5. Standbild (von links).
— IX —
Tafel 26. Sem Schidr, dasselbe. 2. and 3., sowie 5. and 6. Standbild.
Tafel 27. Sem Senior, dasselbe. 7. and 8., sowie 9. Standbild.
Tafel 28. Sem Senior, dasselbe. 10. and 11. Standbild.
Sem Schlor, Portal an der SchloBkapelle in Stuttgart. Detail.
Tafel 29. Sem Schlor, Zwei Reliefs vom ehemaligen Stattgarter Lusthaus,
SchloB Lichtenstein.
Tafel 30. Sem Schlor (?), Biiste vom ehemaligen Lusthaus. SchloB Lichten-
stein.
VOU WORT.
Die vorliegende Arbeit hat ihren Schcerpunkt im zweiten,
hunslgeschichtlichen Teil. Der erste, der im toesenllichen
die Ergebnisse archivalischer Forschungen zusammenfaGl,
schafft die geschichtliche Orundlage fihr einzelne, bisher nicht
genii gend gehlarte Partieen aus der OescMchte der wiirttem-
bergischen Fur s tend enkmaler. Wenn ich in diesem ersten
Teil manches mitgefeilt habe, was filr die Kunstgeschichte nicht
unmitlelbar bedeutsam und verwertbar erscheint, so erhlart
sich das teils aus dem Beslreben, den Stoff nicht allzusehr
zu zerstiicheln, teils aus dem Wunsch, Irrtnmer endgultig zu
berichtigen, die in der Barstellung der Vor gauge seit lingerer
Zeit fortgeschleppt tour den.
Fin archivalischer Anhang (citiert mit *Urh.*) legt die
wichtigsten Schriftsliicke im Wortlaut vor.
Die Durchforschung der Landschreiberei-Rechnungen hat
nicht bloO fur den behandelten Gegensland, sondern filr die
ganze Oeschichte der hunstlerischen Tdligkeit in Wiirttemberg
in dem bedeutsamen Jahrhundert von 1534—1634 manches
JVeue zu Tage gefordert. Es ist mein Wunsch, dieses Material
in einer Form zu vertiffenllichen, die eine rasche Uebersicht
ermoglickl, mid so zu dem Werh AlfredKlemm' s ilber die
toiirttembergischen Baumeister und Bildhauer^ dessen Reich-
— XII —
haltigkeit und Zuverlassigkeil ick immer wieder zu bcwundcrn
Oelegenkeit katte, eine Erganzung zu licfem.
In der Reike der behandelten Fiirstendenkmiler feklen
noch drei. Dasersle, die Tumba der Prinzessin E caCkristina
(+ 1575), ist nach meiner Meinung der Werkstatt Jokanns
von Trarback zuzuteilen. Fiir die beiden andcrn, die Alabaster-
denkmdler Her tog Ludwigs (+ 1593) und seiner ersten
Gemaklin Dorotkea Ursula (+ 1583) ist der aus Omiind
gebiirtige Bildkauer Christopk Jelin in Tubingen urkundlick
gesickert. Beide Ueister gekdren in einen andern kunst-
gesckicktlieken Zusammenhang als die kier bekandelten. Das
Material ikrer Arbciten ist sekr umfangreick und erfordert
cine besondere Darstellung auf breitei-er Orundlage. Ick ko/fe
diest bald nackkolen und dabei manckcs, was in diesem Band
fragmenlarisck bleiben muOte, in einen groDeren Zusammea-
kang einreiken zu konnen.
Die besprockenen und die bloO genannten Denkmaler kenne
ick aus eigener Ansckaunng. — Die Abb ildungen konnen
bei der Masse des Materials nattlrlick nur eine Austrakl geben.
Ick kabe mick in der Hauptsacke fiir solcke Denkmaler ent*
sckicfen, die bisker nickt im Bild cero/fentlickt mircn. Die
Art des Aufsfellungsorts bringt es mil sick, dad auck unroll-
kommrne Abbildungen in Kauf genommen werden mussen.
Durck die kuldco/l gewakrle Erlaubnis Seiner Durck lauckt
des Her zogs Wilkelm con Crack trurde ick in den Stand gc-
setzt. die auf SckloO Licktenstein btfindlicken Reste der Lust-
kaus-Skulpturen zu studieren und teilxreise abzubilden. Fur
die L'eherlassunng ton Pkotograpkieen bin ick besonders den
Herren Konrad Freikerm von Giiltlingen und Wilkelm Frei-
kerrn Srkerte/ ton Iiurtenback cerpflicktet. In den slaatlicken
Arckiren zu Stuttgart und Ludirigsburg, trie in dem sliidtiscken
zu Augsburg fand ick d<is grtiDte Entgegenkommen. Es ist
mir ein Bcdtir/nis. fiir die L'ntcrstHtzung, die ick dart trie
bei ciwr groGen Zakl roti Fr'undcn der Gesckirkte und
— XIII —
der Kunst unseres Vaterlandes genossen kabe. auch an dieser
£ telle Dank zu sag en.
Die Arbeit war, mit Ausnakme des Kapitels iiber Sckl&r.
abgescklossen, als mir die Dissertation von K. Kffpchen, iiber *Die
figurlicke Orabplastik in Wur Member gisc A- Franken im Mittel-
alter und in der Renaissance* {flalle-19Q9) zu Qesicht kam. Ich
habe zu verschiedenen Einzelheiten in Anmerkungen nock
Stellung genommen. Zu dem ganzen Unternekmen mockte ich
an dieser Stelle ausspreckcn, dad ick trotz des umfangreicken
Materials und der groDen Gesicktspunkte der Ver/asserin,
ikren einzelnen Abgrenzungen besonders im zweilen Teil
(S. 48 ff.) skeplisck gegenubersteke. Mir sckeint sick aus dem
Denkmaler- Material der SckluB zu ergeben, daH sckon die
Aussckeidung des Gesamtslofls, wie K. Kdpcken sie versuckt
hat, wenigstens filr die Zeit der Renaissance nickt durck-
fukrbar isl. Nickt als ab das Gebiet, das dem keutigen
Wiirttembergisck-Franken entsprickl, in dieser Zeit keine
Eigentumlickkeilen bewakren wilrde. Aber einmal uberwiegt
das fiir ganz Siiddeutsckland Gemeinsame solcke Besonder-
heiten, die in einer bestimmten Werkstatt gepflegt wur den,
bedeutend. Ferner aber — gerade die kervorragenden und
einfluBreicken Meister im 16. Jakrkundert zeigen eine Beweg-
lichkeity die der landsckaftlick gegliederten Kunstgesckickte
fortwakrend die grddten Verlegenkeiien bereiten mud. Die
Beispiele sind mit Handen zu greifen. Sem Scklor ist der
anerkannte Hauptmeister im keutigen Wiirttembergisck-Franken
fur die Zeit von 1550 — 90. Sckon in seiner Jug end kommt
er bis in die Oegend von Worms. Seine Hauptwerke steken
in Stuttgart, in Tubingen und sonst im sckwdbiscken Gebiet.
Was soil es keiDen, wenn K. A'opcken, die vorker einen ernst-
haflen Versuck mackt, Scklors Stil zu ckaraklerisieren, diese
Arbeilen [mit Ausnakme derjenigen in Oppenweiler) mit ein
jiaar Zeilen abtul (S. 99) oder gar nickt erwaknt (Sabina-
Denkmalf), we'd sie eben auOerkalb ikres Gebiels liegen. —
— XIV —
Josef Schmid, ein Uracher Meister, begegnet uns, abgesehen
von seiner schwabischen Heimat, im Frdnkischen, in Heidel-
berg und im heutigen Rheinhessen. Er hat gerade in Fran-
ken nach Kopchens Ansicht einen gewissen EinflvJ} auf Schldr
gexconnen: mussen voir nicht, urn diesen EinfluO richtig ab-
\uschatzen, zunachst die Frage stellen, was er nach Franhen
mitgebracht und was er empfangen hat? — Fur die Jahre vor
1550 ist in Wurttembergisch- Franhen Loy Bering, fiir die
Zeit nach 1570 Johann von Trarbach • , spater die Familie Kern
von bestimmendem EinfluD : ist es nicht die ndchstliegende Auf-
gabe* von diesen in ihrer Eigenart deutlich faDbaren Meistern
auszugehen und ihre schulbildende Kraft zu bestimmen*, ohne
Rvcksicht auf die Landesgrenzen? K. Kopchen hat das beildufig
an manchen Stellen versucht ; mir scheint es, als ob fur das
16. Jahrhundert der Ausgangspunkt der Forschung aufunserem
Qebiet durchweg die Tatigkeit beslimmter Meister oder Werk-
statten sein sollte. So alleinbekommenwir einen soliden Unterbau
fur eine Geschichte der bildnerischen Tatigkeit. Welche land-
schaftlichen Oebiete sich als selbstandige Kunstzonen auseinan-
derlosen, das ladt sich zum voraus nicht sicher ausmachen.
Soviet darf man aber sag en : ein Gebiet wie Wiirttembergisch-
Franken ist zu klein und zu wenig in sich abgeschlosse7i, als
daO man es fur sich behandeln konnte. Diese Anschauung wird
sich dem, der mil dem Material einigermatien verlraul ist,
schon beim Lesen der Schrift von K. Kopchen aufdrdngen.
1 S. 93 wird Johann von Trarbach etwas dunkel n ein Meister aus Un-
terfranken und dem Moselgebiet* genannt Meines Wissens ist nie bestritten
warden, dab er in Simmern seinen Wohnsitz hatte, also oben auf dem Huns-
ruck, nicht aUzuweit von dem im Moseltal gelegenen Trarbach, vermutlich
seiner Heimat. (Klemm, 8. 166. Wagner, V. J. H. 1888, 137 ff. Mont,
Archiv fur christliche Kunst XVII {1899) 68. Gradmann, Wurtt Franhen,
N. F. VI., 120). Wie Christoph von Urach, wie Schmid und Schldr und
spdter die Kern von Forchtenberg, ist er ein weitbekannter und weitgereisier
Mann gewesen.
2 FHir Bering ist dies durch Mader geschehen.
— XV —
Einerseits werden Musterbeispiele des schwdbischen Stilcharah-
ters in den Komburger Schenken-Steinen, also dock zicmlich tief
im frankischen Gebiet gefunden {S. 22); andererseits wird
dieses frankische Oebiet innerhalb Wilrttembergs dann dock nicht
ausgeschdpft: in der Umgebung von Heilbronn vermiOt man
vor allem Kochendorf, und bei Hall hat Braunsbach, bei
Crailsheim Lendsiedel, weiter jagstabwdrts Ddrzbach Denk-
maler, die fur das Vorhaben der Verfasserin immerhin der
Beachtung wert war en; von andern zu schweigen, die zwar im
schwdbischen Gebiet liegen, aber deutlich den von Kd'pchen be-
stimmten frankischen Stilcharakter zeigen.
DaO trotzdem die Schrift, vor allem filr die vor der
Renaissance liegende Zeit, als ein Versuch zur Systematisierung
des Denkmdlerbestands zu begrilBen ist, leidel keinen Zweifel.
Ich mochle nur soviet mil dem Vorausgehenden bewiesen haben ,
daO Untersuchungen, die nicht zusammenfassen, sondern filr
eine spalere gro/Jere Zusammenfassung vorarbeiten wollen, noch
auf ziemlich lang hinaus methodisch berechtigt und wihnschens-
wert sind, auch dann, wenn sie zundchsl an S telle des von Kd'p-
chen gezeichneten Gesamtbildes kein neues zu setzen, sondern nur
einzelne Linien deutlicher zu verfolgen und schdrfer herauszu-
heben vermd'gen.
LITERATUR
(zugleich Verzeichnis der Abkurzungen).
Geschichtliche Qaellen.
Crasias. Bd. II = Martini Crnsii etc. Annalium Suevicorum Dodecas
tertia, etc. Francoforti MDXCVI.
Sattler, Graven = Christian Friderich Sattlers etc Geschichte des
Herzogtums Wnrtemberg anter der Regiernng der Graven.
Zwote Auflage. Tubingen 1775 ff.
— Herzoge = Daw. <nnter der Regiernng der Herzogen*. Tubingen
1769 ff.
(Zitiert nach Banden und Seitenzahl.)
Stalin, W. G. = Christof Friedrioh von 8t&lin, Wirtembergische Ge-
Bchichte.
Ill = Dritter Theil, Stuttgart 1856.
IV, 1 = Vierter Theii, 1. Abt. Stnttgart 1870.
IV, 2 = Vierter Theil, 2. Abt., Stuttgart 1878.
Hejd, Ludw. Friedr., Uirich, Herzog zn Wurttemberg.
2 Bde. Tubingen 1841. 3. Bd. 1844.
Pfaff. Karl, Geschichte der Stadt Stuttgart 2 Teile. Stuttgart 1845.
Hartmann, Julius, Chronik der Stadt Stuttgart, Stuttgart 1886.
Klupfei & Eifert. Geschichte und Beschreibung der Stadt und Uni-
versitat Tubingen. 2 Bde. Tubingen 1849.
(Wfirtt) Vjh. = Wurttembergische Vierteljahrshefte.
A- D. B. = Allgemeine Deutsche Biographic.
Arehivalische Quelle n.
1. Gedrucktes Material:
W i n 1 1 e r 1 i n . Die Grabdenkmale Herzog Christophs, seines Sohnes
Eberhard nnd seiner Gemahlin Anna Maria in der Stiftskirche
zu Tubingen. — Aus der: « Festschrift zur vierten Sakular-
feier der Universitat, dargebracht von der K. off. Bibliothek».
Stuttgart 1877.
D.
— XVII 1 —
Dienerbuch = Fiirstlich Wiirtterabergisch Dienerbuch vom IX. bis
XIX. Jahrhunderts, herausg. von Eberhard Emil von Georgii-
Georgenau. Stuttgart 1877.
Schiess = Briefwechsel der Briider Ambrosias and Thomas Blaurer.
1509—48. I. Bd. bearb. von T. Schiess. Freiburg 1908.
(Zitiert nach Briefnummern.)
2. Handschriftliches Material :
St A. = Staatsarchiv.
L. R -= Landschreiberei-Rechnungen des Herzogtnms Wurttemberg. K.
Filialarchiv Ludwigsburg.
E. K. = Rechnung des Kirchenkastens, ebenda.
(Zitiert nach Jahrgangen und Seitenzahlen, bezw. Rubriken.)
Urk. = Anhang zu dieser Arbeit, enthaltend Abschriften von Urkunden u. a.
Euns tges c h i cht lich e Literatur.
Liibke, Geschichte der Plastik. 2 Bde. 3. Ann". 1880.
Bode, Geschichte der deutschen Plastik. 1887.
Ortwein, Deutsche Renaissance. Leipzig (o. J.).
El e mm, Wurttembergische Baumeister und Bildhauer bis urns Jahr 1750.
(Sonderdruck aus den Wurtt. Vjh. 1882).
Rott, Ott Heinrich und die Eunst.
(Mitteilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses. Bd.
V, Heft 1 u. 2. Heidelberg 1905.)
Deri, Das Rollwerk in der deutschen Ornamentik des sechzehnten and
siebzehnten Jahrhunderts Berlin 1906.
L i 1 1 , Hans Fugger und die Eunst.
(Studien zur Fuggergcschichte, heraasg. von Jansen, 2. Heft.
1908.)
K. Kopchen, Die figiirliche Grabplastik in Wurttembergisch-Franken
im Mittelalter und in der Renaissance Hallenser* Disser-
tation 1909.
Wale her, Die schonsten Portratbusten des Stuttgarter Lusthauses,
5 Hefte; GroBfolio mit Text. 1887—91. Nachtrag 1892.
Eunsttopographische Literatur.
Inv. =. Inventar, und zwar
1) Die Eunst- und Altertumsdenkmale im Eonigreich Wurttemberg.
Inv en tar.
Bd. 1. Neckarkreis. 1889. Bearb. von Eduard Paulas.
Bd. II. Schwarzwaldkreis. 1897. Bearb von dems.
(Die Anhange von Alfred Elemm.)
Bd. III. Jagstkreis. 1. Halfte. 1907. Bearb. von Gradmann.
2) Eunstdenkmaler im Groftherzogtum Hessen.
Ereis Offenbach. 1886. Bearb. von Schafer.
Ereis Worms. 1887. Bearb. von Worner.
— XIX —
Kreis Erbach. 1891. Bearb von Schafer. #
Ehemaliger Kreis Wimpfen. 1898. Bearb. von Schafer.
3) Knnstdenkmaler des Grofiherzogtums Baden.
Bd. IV. Kreis Mosbach.
1. Abteilung (Amt Wertheim) 1896. Bearb. von Oechelhauser.
Sattler, Top. = Christian Friderich Sattler's «Historische Beschreibung
des Herzogturas Wiirtemberg> etc.
Stuttgart and EBlingen. 1762.
O/A. Beschr. = Wurttembergische Oberamts-Beschreibungen (64 Bde.).
Stuttgart (Stadt). 1856.
Tubingen. 1867.
Urach (2. Bearbeitung). 1909.
Das Konigreich Wurttemberg. Eine Beschreibung nach Kreisen,
Oberamtern und Gemeinden. Herausg. vom Statist. Landes-
amt. 4 Bde. 1904-07.
Dehio = Handbnch der deutschen Knnstdenkmaler, Bearb. von Georg
Dehio. Bd. III. Suddeutschland. 1908.
Baumhauer, Johann Friederich, Inskriptiones, quae sunt Tubingae etc.
Tubingen 1524. (Druckfehler fur 1624).
Jung, Jakob Friedrich, Tubinga jubilans etc.
(Festgedicht zum Reformation sf est 1717).
Zeller. Andreas Christoph, Ausfiihrliche Merkwurdigkeiten der Hoch-
f&rstlich-Wurttembergischen Universitat und Stadt Tubingen.
T&bingen 1743.
Lenz, Sammlung samtlicher noch vorhandener Epitaphien fur die Stifts-
und Hospitalkirche zu Tubingen. Tubingen 1796.
Bunz, Die Stiftskirche zu St. Georg in Tubingen. Tubingen 1869.
Tiedemann und Merckel, Beschreibung der fiirstlichen Denkraale und
Grabschriften in der Stiftskirche zu Stuttgart. Stuttgart 1798.
I. (ARCHIVALISCHER) TEIL
EINLEITUNG.
In der Geschichte der Grabmonumente des wurttem-
bergischen Furstenhauses bilden die Jahre 1535 — 1608 den be-
deutsamsten Abschnitt. Nach vorwarts und ruckwarts zeigt
dieser Zeitraum natiirliche Grenzen. Er beginnt mit der Ruck-
kehr Ulrichs in sein Land und mit der Einfuhrung der Refor-
mation in Wurttemberg und er schlieflt mit der Erbauung der
Furstengruft unter dem Chor der Stuttgarter Stiftskirche im
Jahr 1608. — Von den vorher geschaffenen Denkmalern sind
uns nur zwei im Original erhalten, beide nicht mehr an ihrem
urspriinglichen Ort; seit dem Tod Herzog Friedrichs (1608)
verzichtet man darauf, die verstorbenen Fursten durch offent-
lich sichtbare Denkmaler zu ehren: die Sarge in der Stutt-
garter Gruft scheiden, ganz abgesehen von ihrer ungiinstigen
Aufstellung, aus unserer Betrachtung aus.
Den Einsatzpunkt bildet Herzog Ulrichs EntschluB, d i e
Chore der beiden bedeutendst en Kirchen seines
Landes zu Grablegen seines Hauses auszuge-
stalten, ein Plan, der von seinen beiden Nachfolgern in
mehrfachen Anlaufen fortgefuhrt worden ist. Sind wir auch,
wie es scheint, nicht mehr im Besitz authentischer Urkunden,
die die Absichten Herzog Ulrichs klarlegen, so darf doch auf
Grund dessen, was tatsachlich geschehen ist, kaum bezweifelt
werden, daB der Plan der ganzen Anlage schon zu Ulrichs
Zeiten gefafit worden ist.
D. l
— 2 -
Pfaff berichtet in seiner «Geschichte der Stadt Stuttgart* *
«Herzog Ulrich versetzte 1535 in ihn (d. h. den Chor der Stutt-
garter Stiftskirche) die bisher aufierhalb der Kirche gegen Osten
gelegenen Grabsteine, welche aber hier durch den bestandigen
Wandel stark abgetreten und verderbt wurden>. Leider ist es
mir nicht moglich gewesen, den urkundlichen Beleg fur diesen
Satz aufzufinden. Pfaffs wortliche Zitate in den unmittelbar
folgenden Satzen sind nicht aus den Urkunden selbst, sondera
ganz offenbar aus Sattler (Herzoge V, S. 30 f.) entnommen.
Sie werden uns weiter unten zu beschaftigen haben. Nur ge-
rade die MaBregel von 1535 laBt sich, soweit ich sehe, nicht
aus Sattler belegen. In etwas anderer Form findet sie sich
aber auch in der <Beschreibung der furstlichen Denkmale und
Grabschriften in der Stiftskirche zu Stuttgart> von Tiedemann
und Merckel (1798), wo es S. 6 heifit, die noch vorhandenen
furstlichen Gebeine seien 1321 aus Beutelspach nach Stuttgart
gefuhrt und dort <zuerst auf dem Kirchhof bei der Stiftskirche
gegen Aufgang der Sonnen, und dann im Jahre 1535 von Herzog
Ulrich in dem groBen Chor der allhiesigen Stiftskirche auch
gegen Aufgang begraben (worden), allwo sie bis anno 1608
gelegen>. Anders Hartmann, Chronik der Stadt Stuttgart (1886)
S. 9, 15 und sonst. Nach ihm hatte man vielmehr anzunehmen,
daB die Gebeine und etliche Beutelspacher Epitaphien sofort in
den Chor kamen. Die Ursache der Zerstorung der Grabsteine
lage vor allem in dem 1414 erfolgten Einsturz des Chorgewolbes.
Allein, abgesehen davon, daB dann schwer verstandlich ware,
wie Pfaffs Angabe entstehen konnte, ist gerade fur das Ereignis
von 1414 auch eine andere Version im Umlauf, deren Zuver-
lassigkeit ich freilich nicht zu kontrollieren vermag. Der
anonvme Sammler der «Materialien zu einer Geschichte des
Stifls Beutelspach und der jetzigen Stiftskirche in Stuttgart*
(Augsburg 1781) hat (S. 16) die ausdriickliche Nachricht, daB
jene Beschadigung nur das Denkmal Ulrichs des Stifters be-
troffen hat. — So mochte ich Pfaffs Angabe doch fur zuver-
lassig halten, nicht bloB, weil sie so bestimmt auftritt und den
Ort anzugeben weiB, wo die Steine fruher lagen, sondern weil
i Stuttgart 1845, Bd. I, S. 66.
— 3 —
auch andere Grunde dafiir sprechen, dafi Ulrich in jener Zeit
den Chor einer neuen Bestimmung zuzufuhren beabsichtigte.
Vor allem ist hier zu erinnern an die Absehaflung des MeB-
gottesdiensts, die in der Stiftskirche am 2. Februar 1535 er-
rolgte 1 . Da6 der Altar im Chor zu der neuen Feier der
Kommunion nicht gebraucht werde und daher entbehriich sei,
wird von Lucas Osiander im Jahre 1575 ausdrucklich erwahnt
und zwar nicht als eine erst kurzlich eingetretene Tatsache
<s. u.)- Da scheint es doch nahezuliegen, daB der Herzog in
dem leer und still gewordenen Chor die auBerhalb der Kirche
dem Verfall preisgegebenen Grabsteine seiner Vorfahren unter-
bringen lieB. Es war eine stattliche Anzahl, mindestens 17
oder 18, wie uns die noch erhaltenen Zeichnungen aus dem
Jahre 1574 zeigen. Sie wurden samtlich in den FuBboden
eingelassen, in dem richtigen Geftihl, daB man es mit Grab-
plalten, nicht Epitaphien zu tun hatte; aber natiirlich auf
Kosten ihrer Erhaltung. Der so mit Wappengrabsteinen be-
deckte Boden des Stuttgarter Chors erschien ganz oder nahezu
gefullt. Es erscheint begreiflich, daB der Herzog sich nach
einem zweiten iihnlichen Raum umsah als Grablege fur das
herzogliche Haus.
Er fand ihn im Chor der Tiibinger Stiftskirche. I-ie.ser,
das friiheste und beste Stuck der seit 1470 durchgefiihrten Er-
weiterung der Kirche, muBte schon deshalb geeignet erscheinen,
veil er durch den Lettner von dem Hauptraum getrennl war.
Dazu kam, daB hier grundlicher als anderwarts mit den Ueilig-
tumern des alien Gottesdienstes aufgeraumt worden war.
E.s ist der Muhe wert, kurz auf diese Vorgange einzugehen,
nicht bloB, weil die Entfernung der alten Kultgegenstande die
negative Grundlage bildet fur die kunstlerische Tatigkeit der
folgenden Jahrzehnte, sondern weil ihre Darstellung bei Heyd,
bei Keim und vollends bei Klupfel Eifert in manchen Punkten
ungenau und irrig ist.
Vor allem sind zwei Anlaufe bilderstiirmerischen Charakters
auseinander zu halten. Der eine (allt ins Jahr 1536, der
i Pfaff, a. a. 0., S. 33G; Heyd. Herzog Ulrich III, S. 95 (Anmerk.).
Crusios, Bd. U, S. 6*29.
- 4 —
andere 1540. Der erste erfolgte in Uebereinstimmung mit der
die cBilder> strenger verwerfenden Richtung des Reformators
Ambrosius Blarer. Aber die Zerstorungen, die damals erfolgten,
kommen nicht auf Rechnung dieses feinen und friedsamen
Geistes, der nie ein Bildersturmer gewesen ist. Die entseheiden-
den Belegstellen sind folgende:
1. Hildebrand 1 an Blarer 1536 Oktober 27; in der Nach-
schrift (bei SchieB Nr. 739): Altaria demoliri hodie
sunt incepta. Jam proximus ardet Ucalegon. Defecit
me tempus; rogo boni consulas tumultuariam epistulam.
2. Blarer an Machtolf 1536 Nov. 27 (bei SchieB Nr. 748) :
Man rumpt yetz unser Kirchen hie zu Tuwingen uB.
Der herr well ouch unsere hertzen von aller abgotterey
und unreinikait suberen.
3. Das bei Besold, Virg. sacr. Mon. S. 199—206 abge-
druckte Protokoll des sogen. Uracher <G6tzentags> vom
9. und 10. September 1537 in welchem (S. 201) Blarer
ausdrucklich feststellt, daB er dem Vogt zu Tubingen,
Niirtingen oder Neuffen keinen Befehl gegeben habe,
die Bilder wegzutun etc. «Sondern sie haben das ohn-
zweiffei auB Bevelch seines Gnadigsten Herrn geton.
Oder weil S. F. G. dero aigen Capell mit alien Bild-
niissen ausgeraumbt, haben sie vielleicht daraus ab-
genommen, daB dardurch S. F. G. als Landesfiirst und
Gesetzgeber hab wollen zu verstehen geben, daB kein
BildnuB in denen Kirchen zue gedulden etc. (S. 202:
Paul Phrygius bezeugt dasselbe fur Tubingen).
Aus diesen Stellen geht zunachst hervor, daB die Tiibinger
Zerstorungen, die am 27. Oktober 1536 begannen, und einen
Monat nachher noch andauerten, ziemlich umfangreich gewesen
sind. Es wird sich, den Stellen nach zu schlieBen, um eine
vollige Entfernung, teilweise wohl Vernichtung der Altar-
schreine handeln, weil bei den Schnitzfiguren derselben die
Gefahr der <Anbetung> besonders grofi war. Die Altare selbst
teilten in Tubingen alle dieses Schicksal, wahrend z. B. in
> Keira, Blaurer, S. 74, hat diesen Brief irrtamlich dem Gabelkhover
zageschrieben.
- 5 —
Stuttgart der Hochaltar stehen blieb. Die Meinung Heyds
(a. a. 0. Ill, 180), es seien nach Entfernung der Altare noch
Gemalde zuruckgeblieben, beruht offenbar auf dem Mifiver-
standnis des Wortes <Bilder>, unter denen eben nicht die im
Erlafi von 1540 und sonst deutlich von ihnen unterschiedenen
Gemalde, sondern plastische Arbeiten aus Holz und Stein zu
verstehen sind, die ja fast durchweg bemalt waren.
Blarer selbst war weder beim Beginn der Zerstorung an-
wesend, noch hat er sie selbst veranlaBt. Schon hier erkennen
wir, daB er dem Zerstorungseifer ktihl gegeniiber stand, und
daB die treibende Kraft vielmehr bei dem Herzog und seinen
Beamten gesucht werden muB.
Zwischen dem Bildersturm von 1536 und dem von 1540
liegt der Versuch uber die Behandlung der Bilder einheitliche
Grundsatze aufzustellen. Bekanntlich gingen die Meinungen
der Theologen hier in Theorie und Praxis auseinander. Aber
auch auf dem Uracher Gotzentag, am 9. September 1537 l ,
konnten sie sich nicht einigen. Wir haben uber diese Ver-
sammlung den unmittelbar nachher, am 12. September ge-
schriebenen Brief Blarers an Machtolf (bei SchieB Nr. 784).
DaB dieser das Gefuhl einer Niederlage wiederspiegele, wie die
Calwer Kirchengeschichte (S. 715, Anm. 139) behauptet, ist
irrefiihrend. Im Gegenteil : Blarer, dem die ganze Sache wenig
wichtig erschien *, wuBte offenbar im voraus, daB die dem
Herzog anheim gestellte Entscheidung sich dem Zwinglischen
Standpunkt (vollige Entfernung der Bilder) nahern werde.
Der Erfolg hat ihm recht gegeben. Allerdings erging, so-
weit wir wissen, ein ausdriicklicher Erlafi erst reichlich zwei
1 Das Datum dieser Verhandlnng wird seit Besold falsch auf den
10. September 1537 angegeben. Aas dem Brief Blarers an Machtolf vom
12. September (bei SchieB Nr. 784) geht aber hervor, daB die Verhand-
lungen am Sonntag stattfanden, also am 9. September, und am Montag
lediglich die schriftlichen Gutachten an die herzoglichen Rate iibergeben
warden. Zwick (an Vsdian 1537 Sept. 25) hat offenbar nur von dem Sonn-
tag gewnfit: er nennt den 16. September.
* Er sagt in jenem Brief: «Es ist doch ain grofi straff and plag iiber
unB, das wir so wol vyl wichtiger sachen uBzerichten hetten und aber
mit solichem Kindswerck umgond und das die stummen gotzen ain solich
geschray sollen machen.*
— 6 —
Jahre nachher, am 20. Januar 1540, also zu einer Zeit, wo
Blarer langst nicht mehr im Lande war, ein neuer Beweis, wie
wenig er als Anstifter der Zerstorungen in Anspruch zu
nehmen ist. Dieser ErlaB vom Jahre 1540, den Sattler (Her-
zoge HI,* Beilagen S. 235) mitgeteilt hat, leitet, wie anderswo,
so auch in Tubingen, eine zweite Phase der Bildervernichtungen
ein. Er befahl ausdrucklieh, <das alle Biilder und gemalt in
den Kurchen abgethon werden sollten>. In Tubingen hat man
daraufhin den Versuch gemacht, die steinernen Statuen an den
Chorwanden, Christus und die Apostel darstellend, zu ent«-
fernen. Unsere Nachrichten dariiber sind sparlich. Sicher aber
isl hierher zu ziehen die oft zitierte Nachricht bei Bez (Heyd
III, 180), mit der eine der Chroniknotizen der Handschrift 35
des St. A ubereinstimmt: «In Tubingen hat man den 3. Mai
angefangen, die Bilder zu zerhauen und das Gold abzuschaben*
(das letztere war im ErlaB vorgeschrieben). Genaueres gibt
Crusius (der freilich nicht mehr weifi, dafl Blarer, der 1538
das Land verlassen hatte, mit diesen Geschehnissen nichts zu
tun hatte), wenn er aus dem Jahre 1589 berichtet : «Statuae
lapideae magnae Christi et apostoli Matthiae, quae olim Blaurero
ecclesiam reformante depositae fuerant 'caeterarum depositionem
difficultas impedierat) restitutae sunt intra chorum Sangeorgiani
templi, in sublimi, ubi reliqui apostoli sunt, infra Mausolea
principum». (Bd. II, S. 821 f.).
Die Ansicht, daB die Statuen schon 1537 hatlen entfernt
werden sollen und ihre Erhaltung nur der Weigerung der
Tiibinger zu danken hatten (so Bunz, S. 20), finde ich nirgends
bezeugt. Wenn Sattler (Top. II, S. 24) angibt, die Statuen
Christi und Matthiae seien die einzigen gewesen, die man habe
entfernen konnen, und man habe sie deshalb in den Chor ver-
setzt, so zeigt dies, daB er die Situation gar nicht kennt. Das
mag bei ihm zu entschuldigen sein. Unbegreiflich dagegen ist,
wie Eifert, der eine Geschichte der Stadt Tubingen geschrieben
hat, und den ein Blick in den Chor hatte eines besseren be-
lehren konnen, die Dinge vollig auf den Kopf stellt. Er be-
richtet namlich bei seiner Darstellung des Bildersturms (S. 127)
geradezu : «Nur ein Teil der Bilder, die den Chor umstanden,
namlich das Bild Christi und des Apostels Matthias, waren
— 7 —
nicht wegzubringen und sie wurden am Ende stehen gelassen*.
Die bei ihm und Bunz, natiirlich ohne Beleg, sich fmdende An-
gabe, die Seitenaltare seien erst 1540 entfernt worden, ist eine
mu&ige {Combination der Quellenstellen, die alle Wahrscheinlich-
keit gegen sich hat.
Auch nach den Ereignissen von 1536 und 1540 war der
Chor nicht unbenutzt. Bis zur Neuerbauung des 1534 abge-
brannten Sapienzhauses im Jahre 1548 fanden dort die Vor-
lesungen der theologischen Fakultat statt (Crusius, Bd. II,
S. 632, zus. mit 664). Da dies aber wohl schon in den 30 er
Jahreu nicht als eine endgiiltige Unterkunft fur die Fakultat
angesehen wurde, so ist es wohl verstandlich, dafi Ulrich den
Chor schon damals zum Mausoleum bestimmte. In diesem Sinn
wird man die 1537 erfolgte Ueberfuhrung der Gebeine Eber-
hards im Bart und ihre Bestattung unter dem Chorboden zu
deulen haben. Denn wenn auch damals zunachst kein sicht-
bares Denkmal die Ruhestatte des Grafen geziert haben sollte 1 ,
<o war doch die Errichtung eines solchen in diesem Raum nur
eine Frage der Zeit, und Ulrichs Wunsch, ebenfalls dort be-
stattet zu werden, zeigt, daB der Herzog nicht bloB an die
Sicherung der Ueberreste Eberhards gedacht hat.
Die feierliche Ueberfuhrung der Leiche Eberhards aus dem
verodeten Einsiedel , dessen klosterliche Herrlichkeit ihren
Stifter nur so kurze Zeit iiberdauert hatte, wird von Crusius
'Bd. II, S. 632) auf den 26. Mai 1537 datiert. Zugleich bemerkt
er, es sei der Himmelfahrtstag gewesen. Nun fiel Himmelfahrt
1536 auf den 25., 1537 auf den 10., 1538 auf den 30., und
erst 1541 auf den 26. Mai. Man hat also die Wahl, den
Monalstag oder die Angabe des Festes fiir falsch zu halten.
Das Jahr ist jedenfalls gesichert. Crusius selbst hatte zwar
1 Hie Ged&ehtnistafel, die die Universitat ihrem Stifter Eberhard im
Bart gewidmet hatte, eine ornamentierte Bleiplatte (s. a.), hing wahrschein-
lich schon damals im Chor. wenn anch nicht an ihrer jetzigen Stelle. In
tiner Rede, die Joachim Camerarins nach der Ueberfuhrung, am 12. Juni
1537, gehalten hat. heiBt es gegen den SchluB: lam etiam oratione nostra
monnmentum ponamus Eberhardo Principi, et marmora vel potius
aera insigniamns versibos etc.. eine Stelle, die sich am ungezwungensten
erklart, wenn der Redner jene Qedachtnistafcl vor Augen hatte.
— 8 -
fruher (S. 506), wo er Eberhards Tod und Begrabnis erwahnt,
die Zeilangabe: Postea 1538 fal. 1537) Templo ibi dejecto a
Duce tertio Tybingam Sangeorgianae ecclesiae chorum
ad Mausolea Wirtembergicorum procerum translatus est. Allein
die vorher angefiihrte Stelle mit ihrer genaueren Angabe nimmt
sich doch wie eine Korrektur der unbestimmten Datierung aus ;
und, abgesehen von dem Datum der erwahnten Gedachtnisrede
des Joachim Camerarius hat auch der anonyme, moglieherweise
alte Chronist, dessen Angaben in Handschrift 35 des St. A.
abschriftlich erhalten sind, 1537 als Jahreszahl 1 .
Nur ein einziges Aktenstuck, soweit ich habe finden
konnen, bewahrt noch eine Erinnerung an diese Ueberfnhrung.
Ein Gutachten der Rate Herzog Christofs, das ins Jahr 1554
zu setzen ist, macht Vorschlage tiber die damals geplante
Ueberfuhrung fiirsllicher Gebeine von Guterstein nach Tubingen.
Dabei heifit es am Schlufi, Herzog Christof sollte womoglich
selber mitreiten, <wie dann hochgedaohler E. F. G. her vatter
unseres behalts mitt Herzog Eberharls Translation vom ein-
siedel bis gen Luslnau gezogen>.
Von dem Grabmal Eberhards auf dem Einsiedel hat si<;h
nichts erhalten. Crusius nennt (II, 506) einige Distychen von
Heinrich Bebel als «Epitaphium ad tumbam ejus positum» und
zitiert noch eine zweite Inschrift. Beide Texte stimmen nicht
uberein mit der Umschrift der im Tiibinger Chor befindlichen
ornamentierten Bleiplatte. Die Behauptung, diese stamme aus
dem Einsiedel *, kann also durch nichts gestiitzt werden. Viel-
mehr spricht alles dafiir, dafi sie, die den Verstorbenen <hujus
scholae fundator* nennt, als eine von der Universitat gestiftete
Ehrentafel von Anfang an in der Tiibinger Kirche hing.
Aus dem Bisherigen geht hervor, dati Herzog Ulrichs Tatig-
keit im Stuttgarter und Tiibinger Chor im wesentlichen eine
vorbereitende war. Er hat die Ueberreste der Vorfahren ge-
borgen, die vorhandenen Denkmaler zu schiitzen versucht, und
1 «In diesem (Jahr 1537) wart Herzog Eberhart der Bartmann wideram
auBgraben aus S. Peters Kloster genant Im Schonbuoch oder StaothauB
oder im einsiedel and wider vergraben zu Tuwingen in S. Jorgen Kirchen.»
t Inventar (Schwarzwaldkreis S. 516). Neaestena die Beschxeibang
des Oberamts Urach (1909), 8. 600.
- 9 -
ihnen eine Statte geschaffen, die ganz von selbsl zu monumen-
talen Schopfungen anregen muBte. Das letztere ist am be-
deutsamsten : der Plastik entstanden eben dort, wo der bilder-
feindliche Ulrich zehn Jahre zuvor die alten Apostelstatuen
hatte herabwerfen wollen, neue fiir den Wandel der Zeiten
typische Aufgaben. Die Kunst der Steinmetzen tritt in den
Dienst des Fiirstenhauses, dessen Verherrlichung durch die
Pracht der Grabmonumente von nun an ihre wichtigste Be-
schaftigung bildet.
Mit dem Augenblick, wo der Altar und der Altargottes-
dienst aus dem Chor verschwindet, ist dessen Charakter ein
anderer geworden. In Stuttgart und Tubingen, ebenso wie in
Pforzheim und Wertheim entsteht etwas, was an die alten
Grabdenkmaler in den Kirchen, ja auch an die Grabkapellen
des Mittelalters nur auBerlich anknupft : die Chore (und die
Kirchen uberhaupt) bieten sich jetzt dar als besonders ge-
eignete und wiirdige, keineswegs aber als notwendige Statten
fur die furstlichen Mausoleen. Auch wenn der Sinn des
spateren 16. Jahrhunderts weniger als es der Fall war, auf
den Prunk gerichtet gewesen ware, hatten doch ganz natur-
licherweise die Grabdenkmaler, die nun nicht mehr sich unter-
ordnen, sondern den Haum beherrschen wollen, eine lautere^
Sprache als friiher finden miissen.
I.
DER BEGINN KUNSTLER1SCHER TATIGKEIT IM TfjBINGER
CHOR.
Ueber die fruhesten wie uber die spatesten Monumente der
Tiibinger Grablege sind, soweit un*ere Kenntnis reicht, nur
sehr sparliche zeitgenossische Nachrichten auf uns gekommen.
Doch hat der Meister der steinernen Rahmung urn die
beiden Tafeln fur Herzog Eberhard und Ulrich
an dem Mittelpilaster wenigstens sein Zeichen und die Buch-
staben J. S., wenn auch keine Jahreszahl angebracht. Josef
Schmid, Steinmetz von Urach, ist mit seinem vollen Namen
durch Wintterlin 1 wieder in die Kunstgeschichte eingefuhrt
worden. Die acht Werke, die man ihm innerhalb Wurttem-
bergs mit Sicherheit zuschreiben darf (5 in Tubingen, je eines
in Kilchberg, Stockenburg und Berneck) weisen alle in die
letzten 5 Jahre vor seinem Tod, in die Zeit von 1550—55.
Auch das unsrige kann wohl nicht fruher entstanden sein.
Uenn man mufi annehmen, dafi nicht bloB die Bleiplatte fur
Herzog Eberhard, sondern auch die ErzguBtafel fiir Ulrich
schon fertig war, als der Gedanke jener architektonischen
Umrahmung entstand.
• Abhandlung in der «Festschrift zur vierten Sakolarfeier der Univer-
sitat Tubingen, dargebracht von der E. offentlichen Bibliothek zu Stutt-
gart*, 1877. (Dicse Abhandlung wird iin folgenden mit Wi. und der Seiten-
zahl zitiert.
- 12 —
Die Ulrichsplatte hat das genaue Todesdatum des Herzogs
(6. Nov. 1550); sie kann also keinesfalls vor Ende des Jahres
1550 gegossen worden sein. Nun wissen wir bestimmt, dafi der
Auftrag zu den beiden Figurendenkmalern fur Ulrich und Eber-
hard schon am 24. Nov. 1550 erteilt wurde; und zwar eben
an Josef Schmid, dem Meister jener Umrahmung. Von ihr ist
aber noch keine Rede in dem Kontrakt (Wi., S. 1(5). Wir
kommen also zu dem Ergebnis, daB man, wahrend die Arbeit
an den Denkmalern schon im Gang war, die beiden Verstor-
benen 1 auch durch eine eherne Gedenktafel an der Wand zu
ehren beschloB. Sie sollte offenbar urspriinglich als einziger
Schmuck an der ostlichen Mauer des Chors hangen. Ob Schmid
sie entworfen hat, steht dahin. Ich halte es auf Grund des
Ornaments fur wahrscheinlich. Eine sichere Entscheidung ist
nieht zu geben. Jedenfalls aber kam Schmid, als die Tafel
fertig war, auf den Gedanken, man konnte, urn den Chorab-
schluB reicher und kraftvoller zu gestalten, sie als Gegenstuek
zu der schon vorhandenen Bleiplatte fur Eberhard im Bart be-
handeln, und beide in einen auch auf grofiere Entfernung wir-
kenden architektonischen Rahmen einbeziehen. Die Idee war
glucklich. Sie gab dem altarlosen Chor einen neuen AbsehluB,
den Denkmalern, fiir die man die Form der Tumba gewahlt
hatte, einen glucklichen Hintergrund. Sie war auch entwick-
lungsfahig; und es ist bedauerlich, daB man der Anregung
nicht gefolgt ist, sie an den Seitenwanden des Chors zu ver-
werten.
Dem Gedanken Schmids, der zur Ausfuhrung bestimmt
wurde, stellten sich zunachst zwei Hindernisse entgegen: die
Platten waren von verschiedener Breite, und die eine, die eben
erst fertig gewordene erzgegossene, war ihrer UmriBlinie und
ihrem ornamentgeschmuckten Rande nach durchaus als selb-
standiges Werk gedacht. Schmid hat sich durch beides nicht
abschrecken lassen. An der Verschiedenheit der Dimensionen
lieB sich nichts andern: der Mittelpilaster mufite von der Mitte
etwas nach rechts verschoben werden. Dem Meister war das
1 Man beachte. daB die Verse der Insehrife an dieser Tafel beiden
Fiirsten. Eberhard und Ulrich, gewidmet sind!
— 13 -
sicher nicht gleichgultig. Immerhin konnte ein deutsches Auge
auch hier die Abweichung von der Symmetric ertragen, ja
vielleicht sie als reizvoll empfinden ; sie lenkt den Blick vom
Ganzen auf die Teile, von der Umrahmung auf den besonderen
lnhalt jedes der beiden Kompartimente. Was die Fullung selbst
betrifft, so kam die rechteckige Umrifllinie der spatgotischen
Bleiplatte dem Meister sehr entgegen 1 . Das ErzguB werk muflte
sich eine Vergoldung gefallen lassen, die Schrift und Schrift-
grund, Rahmen und Innenflache ganz gleichmafiig uberzog, —
ganz offenbar, um eben die Zierformen des Randes, die das
Werk in sich abschlieBen, zum Schweigen zu bringen*. Die
Bekronung der Tafel lieB ahnlich wie bei den Steinepi-
taphien der Renaissance rechts und links eine Lucke. Der
Meister war bemuht, diese durch Steinornament zu fullen :
hier entsteht eine nicht gerade gluckliche Parallelitat der beiden
Einfassungen, und die Schwierigkeit des ganzen Unternehmens
wird fur einen Augenblick sichtbar.
Zweifellos hat Schmids Arbeit Beifall gefunden, denn wir
finden ihn auch nachher noch in herzoglichem Dienst : aufier
den Denkmalern fiir Eberhard und Ulrich gehort ihm noch das
mit der Jahreszahl 1555 bezeichnete fur die Prinzessin Anna;
und im jetzigen Prinzenstuhl hat das Epitaph jenes Wilhelm
von Janovicz Behem Platz gefunden, der im November 1550
als Bevollmachtigter des Herzogs mit dem Kunstler verhandelt
hatte 3 . Wie es zu diesen weiteren Arbeiten kam, soil im fol-
genden Abschnitt dargestellt werden.
i War es vielleicht die Freude an diesem dekorativ wundervoilen
Werk und der Wunsch, es besser zur Geltang za bringen, der den ganzen
Plan gezeitigt hat?
2 Wie eine solche Platte sonst bemalt und vergoldet wurde, sieht
man an den beiden Gedenktafeln fur Prinz Eberhard und Herzog Christof
an der Nord- und Siidwand des Chors. Die erstere ist nach dem Muster
der Ulrichsplatte entworfen, aber im Ornament durftiger: trotzdem zieht
sie und ihr Gegenuber allein die Aufmerksamkeit auf sich.
3 Ein eingewanderter bohmischer Edelmann, 1553 Hauptmann auf
dem Asperg, gest. 1562. Vgl. Dienerbuch, S. 366. Stalin. W. G. IV, 436
und 785 Anm. — Das Denkmal entstand aus AnlaB des Todes seiner Frau
im Jahr 1553.
II.
DIE UBERFUHRUNG DER GUTERSTE1NER MONUMENTE
UND
DIE TAT1GKE1T JOSEF SCHMIDS UND JAKOB WOLLERS.
Vorbemerkong:
Die folgende Darstellung schopft, wo nicht andere Quellen angegeben
werden, aus den Akten uber die Translation der Giitersteiner Ueberreate,
die das K. Hausarchiv Stuttgart unter «Herzog Christof 1554. 1556*
(18 Nummern) bewahrt. Schon Bonz hat in seiner Schrift uber <Die Stifta-
kirche zu St. Georg in Tubingen* 1869 (S. Ill, 75—77) diese Sehriftstucke
benutzt. Aber er hat offenbar nur einen ganz fluchtigen Einblick ge-
nommen. Ich gebe deshalb statt einer Korrektur seiner vielfach falschen
und ganz luckenhaften Angaben eine neue Darstellung des Sachverhalta.
Auf einen Abdruck der Aktenstacke, der ursprunglich beabsichtigt war,
glaube ich an dieser Stelle verzichten zu solien: der kunstgeschichtliche
Krtrag ware zu gering. Einiges was ich hier iibergehe, hat, auf Grand
meiner Abschriften, Schumann in der «Beschreibung des Oberamts Urach>
(1909), S. 601 if., raitgeteilt.
Im Kloster Giiterstein, das von den Grafen Ludwig und
Ulrich III. im Jahr 1439 dem Benediktinerorden abgenommen
und zu einer Karthause gemacht worden war, hatten neben
den Eltern Herzog Eberhards 1 seine beiden als Kinder ver-
storbenen Bruder Ludwig und Andreas ihre Ruhestatte gefun-
den. AuBerdem war in der Zeit, als Herzog Ulrich aus dem
1 Oraf Ludwig, gest. 1450. Grafin, spater Erzherzogin, Mechthild,
gest. 1482. Stammbaura z. B. bei Stalin, Wurtt. Gesch. IV, Bd. I, S. VIL
— 15 —
Land verbannt war, eine Tochter von ihm, die 1530 mit 17
Jahren verstorbene Prinzessin Anna, dort bestattet worden.
Der urspriingliche Beslattungsort war die Klosterkirche. Spateiy
nach I486, wurden die Ueberreste Ludwigs und Mechthilds
in die damals fertiggestellte Andreaskapelle uberfuhrt 1 . Die
1530 verstorbene Prinzessin Anna wurde im Grab Mecht-
hilds (in der Kapelle) bestattet und die dabei (ohne Sarg)
gefundenen Gebeine Mechthilds neben den neuen Sarg gelegt.
Seit Ulrichs Riickkehr im .lahr 1534 hatte die Stunde der
Karthause geschlagen. Der Abt entfloh vor der Rache des
Herzogs*. Das Kloster verodete. Seine Schieksale in den
nachsten Jahren sind nicht durchweg aufgeklart. Fiir unsern
Zweck geniigt es, im AnschluB an die Akten des Staatsarchivs
(membrum Guterstein Buschel 1) folgendes festzustellen :
Ulrieh verfiigle die Einziehung 3 der Karthause wahrschein-
lich 1535. Die Monche wurden vertrieben, das Einkommen
profanen Zwecken zugefuhrt. In einem Mandatum vom 3. Marz
1550 befahl zwar Kaiser Karl V. auf Betreiben des Karthauser-
ordens dem wurttembergischen Herzog die Restitution des
Klosters. Ks kam indessen nur zu einem Vertrag, der am
13. Juni 1551 zwischen dem Provinzialvisitator Theodorich
Loher a Stratis und den Bevollmachtigten des Herzogs abge-
Krhlossen wurde. Der Wortlaut ist deshalb irteressant, weil er
uber den baulichen Zustand Gutersteins im Juni 1551, also ein
halbes Jahr nach Christofs Regierungsantrilt, AufschluB gibt.
» Ans einer Urkunde des Staatsarchivs (Membrum Guterstein, Buschel 4)
«Dedicatio et consecratio Ecclesiae et altarium in bono Lapide facta a
vicario Consiantiensi cum adjunctis indulgentiis* vom 16. Juli 1484> gent
nervor. dali damats neu gcweiht wurden: eine groflere Kirche (in honore
Dei et beatae Mariae virginis* mit einem Altar im Chor und zwei Altaren
im Schiff, eine Sakristei lein Altar) und eine kleinere Kirche (St. Andreas)
■lit zwei Altaren. Es wird ein Ablati gewahrt fur Gaben pro fabrica seu
omamentis eorundum ecclesiarum et altarium. Nach der O.-A.-Beschreibung
Crach [$. .VJU) war bei dem Andreaskirchlein Eberhard im Bart der Er-
baaer. Peter von Koblenz der Architekt. Die Nachricht, dab die alten
Denkmaler Ludwigs und Mechthilds beide damals von Eberhard in Auftrag
gegeben wurden, ist vermutlich aus der Frohnrechnungsnotiz von 14*7
aof 148H erschlossen, die a. a. 0. S. G03 mitgctcilt wird. Ob aber dort
aicht blofi e i n Grabstein gemeint ist, lafit sich nicht entscheiden.
* Das nahere bei Schon, Freiburger Diozesanarchiv 18HH.
* Ein InvenUr von 1534 ist erhalten.
— 16 -
Es heiBt dort u. a. : < Visum est quinquennio — —
differre occupationem, reaedificationem et erectionem
•hujus nostrae carthusiae et permittere — duci — regimen ad-
ministrationem et usum omnium bonorum ipsius. Ea tamen
lege, ut nihil de haereditariis alienetur, aedificia, quae
adhuc supersunt, sub tectis construentur illaesa, onera
omnia integre persolvantur. Die 500 Gulden jahrlich,
die der Orden als einstweilige Abfindungssumme erhielt, «elo-
cabuntur pro annuo censu aut conservabuntur ab ipso visita-
tore integre et fideliter pro erectione et reaedificatione supra-
dictae desolatae et destructae carthusiae, ubi restituta
fuerit>
Dieses Sehriftstuck laBt erkennen, daB die Zerstorung der
Karthause schon sehr weit vorgeschritten, daB insbesondere ein
Teil der Gebaude schon ganz abgetragen war. Christof, der
erst seit 6. Nov. 1550 regierte, kann also kaum der Urheber,
sondern nur der Vollender des Abbruchs sein (gegex^ WL, S. 23,
Anm. 4). Seinen Beam ten freilich erschienen die verlassenen
Gebaude jetzt vollends als ein willkommener Steinbruch : 1554
wird der Vorschlag gemacht, die Tuffsteine der Grabkapelle zu
den Bauten auf dem NeufTen zu verwenden und die Uracher
Pfisterei mit «Blatten» derselben Herkunft zu besetzen.
Ueber den Plan des Herzogs, die Gebeine seiner Vor-
fahren nach Tubingen zu uberfuhren und iiber seine Durch-
fiihrung sind wir unterrichtet durch ein Aktenbundel des K.
Hausarchivs.
Ein erstes Gutachten der Rate, undatiert und ohne Unter-
schrift auCert sich iiber die Motive der beabsichtigten trans-
lation*. Unter diesen steht voran die Zugehorigkeit der Be-
statteten zum Fiirstenhaus : es liegt daher in des Herzogs
eigenem Interesse, daB sie <Nachgedenckens» haben, daB sie
<herlieh und vrelich* begraben seien, d. h. doch wohl an einem
Ort und in einer Art, die die Blicke der Nachwelt auf sich
zieht. Dieselben Motive seien bei Eberhards Ueberfuhrung
nach Tubingen maBgebend gewesen. Erst als zweite Ver-
anlassung wird der bauliche Zustand Gutersteins genannt : in
kurzer Zeit konnte es dazu kommen, daB die Toten unter
.freiem Himmel liegen.
— 17 -
Am 29. Mans 1554 ergeht nun an den Obervogt von Urach
und an zwei Spezialkommissare (Severin von Massenbach ;
Hofprediger Johann Engelmann) je eine Instruktion : es soil in
der Stille nach den Begrabnissen geforscht und zum Zweck
der Ueberfuhrung fiir Bleisarge gesorgt werden ; von alien Grab-
steinen saint Wappen und Inschriften sind Zeichnungen einzu-
senden. AuBer den Eltern Graf Eberhards und der Prinzessin
Anna glaubte man in Stuttgart noeh eine «Grafin zu Wurttem-
berg» in der Karthause begraben.
Der Bericht der Abgesandten vom 31. Marz auBert sich
uber den Bel und der Sarge jener drei Furstlichkeiten; von dem
Grab einer weiteren Fiirstin war nichts zu finden 1 . Drei Zeich-
nungen werden eingesandt. Sie liegen noeh jetzt bei den Akten
<vgl. Abb. 1—3).
Es sind Skizzen von drei Grabdenkmalern, die mil der
Feder, (ursprunglich wohl mit dem Stift) auf weiBes Papier ge-
zeichnet sind. Ueber jeder Figur ist die Lange des Steins an-
gegeben :
bei Graf Ludwig: 7 Schuh 8 Zoll = 2 m 23 cm
Grafin Meehthild: 6 Schuh 2 Zoll - 1 m 77 cm
PrinzeB Anna: 5 Schuh 5 Zoll = 1 m 57 cm.
Die Verschiedenheit der MaBe weist zunachst darauf hin,
dafl Ludwig und Mechthild kein gemeinsames Denkmal hatten.
Weiterhin zeigt die Art, wie der Zeichner die Figuren aufge-
nommen hat, daB er sie liegend, nicht stehend gesehen hat.
Wurde es sich nun um Grabsteine handeln, die in den FuB-
boden eingelassen waren, so blieben die Teile der Zeichnungen,
die sich neben dem Figurenstein befinden, unerkliirt.
Bei Graf Ludwig hat man ohne weiteres den Ein-
druck, daB drei Seitenfliichen einer Tumba dargestellt und,
wohl mit Rucksicht auf das Papier, die eine Langseite unter-
halb der Figur, die beiden Schmalseiten links von ihr ange-
ordnet sind. Wir haben also eine Art Werkzeichnung, die die
Figur perspektivisch, schrag von oben gesehen, die senkrechten
Sarkophagseiten aber geometrisch wiedergibt; die geringe Ver-
» Die Griiber der Kinder Graf Ludwig und Andreas werden gar
nicht erwahnt.
u. 2
- 18 —
schiebung der wagrechten Begrenzungslinien bei den Schmal-
seiten soli wohl ein Versuch sein. wenigstens andeutend ihre
tatsachliche Lage zu charakterisieren. — Diese seitlichen
Felder enthielten nach der Zeichnung Reliefs, die schmalen je
zwei Engel, die auf der einen Seite jeder ein Wappen, auf der
andern miteinander ein Inschrifttafelchen halten, das lange
Feld eine Reihe von neun schematisch angedeuteten allegori-
schen Figuren in rundbogigen Nischen. Von Ornamenten hat
der Zeichner sonst nichts aufgenommen.
Die Zeichnung des PrinzeB-Anna- Grabsteins wird
man ebenso aufzufassen haben, wenn auch hier die Wappen-
tafeln 1 an anderer Stelle eingezeichnet sind. Die sieben alle-
gorischen Figuren sind hier durch Beischriften, die sich offen-
bar an dem Denkmal selbst befanden, als Tugenden gekenn-
zeichnet; auch die Worte der Grabschrift sind beigegeben,
freilich nicht innerhalb der Zeichnung.
Bei der dritten Skizze, der des Mechthild- Grabmals,
wiederholen sich die sieben allegorischen Figuren an der Stirn-
seite, nicht aber die Angabe von Schmalseiten einer Tumba.
Statt dessen ist die Figur eingerahmt vori einer flach gewolbten
Nische. Anders wird man die Linien, denen freilich die Schat-
tierung fehlt, nicht deuten konnen. Die Anordnung ist unge-
wohnlich, aber nicht unmoglich bei einer Toten, die man be-
sonders ehren wollte: in einem Nischengrab befindet sich z. B.
der Stein des Bischofs Conrad von Lichtenberg (gest. 1299; in
der Johanneskapelle des StraBburger Munsters *. Und vielleicht
ware dann gerade diese Aufstellung schuld, daB der Stein
besser erhalten blieb und schliefilich allein nach Tubingen kam.
Die Akten, die wir besitzen, schweigen vollig iiber die
Aufstellung und den Zustand der Steine. Der (eigenhandige)
Bescheid des Herzogs auf den Bericht der Kommissare gibt zu-
nachst Anordnungen fur die feierliche Ueberfiihrung der Sarge.
Dann fahrt er fort : «Graf Ludwig und sein gemahel sollen
1 £8 sind die Wappen der Eltern: Ulrich (Wurttemberg) rait dem
Wahlspruch : Stat ammo, und Sabina < Bayern).
* Eine Analogie aus dem 16. Jahrhundert bietet das Nischengrab des
Markgrafen Philipp II. von Baden-Sponheim in Baden-Baden, das von dem
Uracher Meister Christoph herruhrt nnd aus dem Jahr 1537 stammt.
- 19 -
neben Herzog Eberharlen gelegt werden, mein schwester zu
den fueBen, und wie es sich am besten schickt, meines Herrn
Vatters. Die Grabstein mussen auch alle fiirderlich dahin ge-
Gert werden, und was daran zerbrochen wiederumb gemacht
werden l .>
Nun haben wir aber, wie der Augenschein und die Akten
is. u.) zeigen, in Tubingen nur e i n e n der drei alten Steine,
eben den der Grafin Mechthild. Man mufi also annehmen, ent-
weder, daB dem Herzog nachtraglich mundlfch berichtet wurde,
die Grabsteine der PrinzeB Anna und des Grafen Ludwig seien
zu schlecht erhalten, oder aber, daB beim Transport diese
beiden ganz entzwei gegangen sind. Nur das erstere ist wahr-
scheinlich. Bei dem Anna-Stein, der noch nicht 24 Jahre an
seiner Stelle stand, muB dann allerdings wohl an eine gewalt-
same Besehadigung gedacht werden. Waren auf dem Trans-
port die beiden Denkmaler Ludwigs und Annas so stark ver-
unstaltet worden, daB sich in Tubingen die Notwendigkeit
einer Neuherstellung ergab, so bliebe unverstandlich, weshalb
der Tubinger Keller Riepp, der die geringfugige Besehadigung
des Mechthild-Steins erwahnt, davon geschwiegen hatte (Riepps
Bericht s. u. .
Damit kommen wir auf eine Behauptung, die seit Wintter-
Hns Sehrift in alien* mir bekannt gewordenen Veroflentlichungen
wiederkehrt, namlich die, daB Josef Schmid von Urach,
ein Bildhauer, der urns Jahr 1550 arbeitete, der U r h e b e r
desjetzt in Tubingen befindlichen Grab-
1 Bunz a. a. 0.. S. 75), der des Herzogs Handschrift nicht lesen
konnte. hat den Befehl aus dem Text eines Gutachtens der Rate vom
s. April rekonstruiert, wo es heiBt, es moge «alsbald auch verordnet wer-
den, die Grabstein heruber zu fiieren und zu ergenzen, auch volgends
Epitaphia gemacht werden*. Das entscheidende Wort «alle» fehlt dort
luftllig. Es kann also keine Rede davon sein. daB dem Herzog die Steine
nicht gefielen. was Bunz wenigstens als Moglichkeit zulassen will.
* Der Mitarbeiter der Uracher Oberamtsbeschreibung 1901», der Seite
hOft ft die Figur Schmid abspricht, ist zu dieser Auffassung durch mich
bekehrt worden. Hcrr Professor Lange hat. wie er mir mitteilt. in seinen
Uebungen seit Jahren den spatgotischen Ursprung der Figur vertrctcn. In
der Tat kann es sich fur jeden Sachverstandigen nicht darum handeln,
die Datierung um 1500 ausfuhrlich zu begriinden. sondern nur darum. zu
zeigen. dafi der angebliche urkundliche Beleg fur die EntMchung um 1554
bei naherem Zosehen in nichts zerflielit.
— 20 —
steins der Grafin Mechthild sei. — Es bedarf
wahrlich nur eines Blickes auf die Figur, urn die Unmoglichkeit
dieser Behauptung zu erkennen. Ganz abgesehen davon, dafi
sie an Qualitat ihre heutige Uragebung bedeutend iiberragt,
stammt diese Frauengestalt aus einer ganz anderen Welt kiinst-
lerischen Empfindens. Sie ist ein Typus spatgotischer Fein-
gliedrigkeit, gewiB der letzten Phase dieses Stils angehorig, aber
nie und nimmer zu verstehen aus einer Zeit, die den groBen
Wechsel in der Formempfindung und besonders in der Auffas-
sung des menschlichen Korpers sehon hinter sich hatte.
(Nur fiir den, der die Figur nicht aus eigener An-
schauung kennt, sei zu ihrer Charakterisierung folgendes an-
gefiigt: Die Grafin ist nicht als alte Frau, sondern durehaus
in der jugendlichen Anmut spatgotischer Madonnen wieder-
gegeben. l Das feine von der Haube eng umschlossene Gesicht
und die zarten Hande verraten keine Absicht auf PortratmaBig-
keit, aber viel Gefiihl fiir den allgemeinen Reiz jugendlicher
Weiblichkeit. Der Korper zeigt die typische Ausbiegung nach
links 1 . Auf den untersten Partien des Gewandes, das die Fiifie
verhiillt, stemmt sich ein buldoggenartiger Hund energisch
gegen den linken FuB der Figur. Der Nachdruck liegt ganz
auf der Schilderung des Gewandes : die malerische Wirkung
der unregelmaBigen Faltenziige mit ihrem unaufhorlichen
Wechsel von Licht und Schatten, von Erhohung und Vertiefung
ist dem — offenbar gereiften und viel geubten — Kunstler
das Wichtigste gewesen und sie ist ihm gut gelungen. Das
Gewandmotiv ist ein oft gebrauchtes, dessen Reiz sich nie er-
schopft. Die linke Halfte des langen und weiten Mantels,
dessen Saume undulierend fallen, ist uber die Rechte gelegt.
Der linke Arm, im Ellbogen rechtwinklig abgebogen, nimmt
diese linke Halfte auf und drtickt sie gegen die Brust: der
breite Saum, vom Hals ausgehend, umschliefit, aufgerafft, den
Unterarm in weiter, prachtiger Oeffnung, schliipft unter ihm
durch und quillt nach oben, wo unterstutzt von der linken
* Nur die Baube charakterisiert sie als verheiratete Frau.
2 Bei dieser Figur erschien es richtig, rechts und links nicht vom
Standpunkt des Beschauers. sondern von dem der Dargestellten aus zu
bezeichnen.
— 21 —
Hand ein hochaufgeturmter Bausch entsteht. Die rechte Ge->
wandseite hat eine eigentliche Aermeloffnung. Die rechte Hand
greift hervorkommend oberhalb des Bauschs heriiber und fafit
ebenfalls in das Tuch hinein. So entsteht das bekannte Motiv,
das im Beschauer den Eindruck der Bewegung eines schweren,
etwas steifen Stoffes hervorbringt.
Die Analogien zu einer solchen Gewandfigur sind natiir-
lich vor allem in der spatgotischen Holzplastik zu suchen.
Ein steinernes Grabdenkmal, das in denselben Zusammenhang
gehort, ist in Wurttemberg z. B. das der Susanna von Tier-
stein in GroBkomburg (Abb. In v. Jagstkreis I, S. 634); das
Gewand ist dort weniger reich, aber noeh natiirlicher als bei
Mechthild 1 .)
Wie war es moglich, daB bei der Mechthild -Figur der ein-
fache Tatbestand ihrer kiinstlerischen Herkunft verdunkelt
wurde? Die stilistischeri Merkmale wurden geniigen, urn sie
in die Zeit urn 1500, eher fruher als spater, zu setzen. Das
ware aufrecht zu halten, auch wenn alle Urkunden dagegen
sprachen. Tatsachlich ist es ein MiBverstandnis der Urkunden
gewesen, das Wintterlin veranlaBt hat, das Werk dem Josef
Schmid zu geben. DaB freilich der Kunsthistoriker Lubke ihm
1 Neuestens hat K. Kopchen, und zwar offenbar nicht ohne das Denk-
mal selbst gesehen zu haben, Wintterlins und Lubkes These von der Antor-
schaft Schmids nachgeschrieben (S. 29) — ein merkwurdiger Beleg fur die
Tatsache. wie Urteile. die an hervorragender Stelle zu lesen sind, die Un-
befangenheit des Blicks triiben konnen. Die Verfasserin hat sich offenbar
die Konsequenzen dieser Zuschreibung nicht klar gemacht. Wenn man
nach einem Werk suchen wollte. das in der ganzen kiinstlerischen Aus-
drucksweise den Gegcnpol zu der Mechthildfigur darstellt, so wurde man
ohne Bedenken die sicher von Schmid herriihrende PrinzeB Anna nennen
durfen — ein Werk des Jahres 1555, an dem sich der ganze Wandel der
Zeiten seit 1490 ablesen latit. (Vg\. die Ausfiihrungen im II. Teil.)
Interessant war mir. daB auch K. Kopchen die Susanna von Tierstein
fur die Mechihildfigur heranzieht. Sie geht nur zu weit, wenn sie in dem
Faltenwurf des Mechthildmantels eine Wicderholung des Komburger Mo-
tivs sieht. Dagegen mag die Beobachtung, daB der Hund in Tubingen
eine scharfer markierte Muskulatur, uberhaupt einen gedrungeneren Korper
besitzt, wohl damit sich erklaren lassen, daB die Schmidschcn <Ausbesse-
rungen» der alten Statue sich*auch auf den Hund erstreckt haben. lmmer-
hin muB man dabei vorsichtig sein. Gerade das energische Bewegungs-
motiv. das Emporstemmen des Hinterkorpers, hangt so eng mit der Stellung
der Figur zusammeu, daB Schmid es sicher schon vorgefunden hat.
— 22 —
ohne irgend einen Zweifel zu auBern gefolgt tst 1 , mag am
meisten zur Befestigung der falschen Ansicht beigetragen baben.
In Wirklichkeit beweist es nur, wie fluchtig Liibke die von
ihm so hoch gepriesene Figur angesehen und Wintterlins Fest-
schrift gelesen hat*.
Die erste Verwirrung hat Bunz angerichtet. Als es sich
im Jahre 1569 um das Honorar fur neue Grabdenkmaler han-
delte, wurde der Tubinger Keller Rudolf Riepp beauftragt, sich
bei seinem Vater und Amtsvorganger nach den friiher fur die
Bemalung solcher Arbeiten bezahlten Preisen zu erkundigen
(Wi. 24). Der alte Ludwig Riepp schrieb aus diesem oder
einem ahnlichen AnlaB an den Sekretar der Stuttgarter Rent-
kammer, was er iiber Bildhauerhonorare in seinen alten Rech-
nungen finde.
Das (undatierte) Schreiben hat folgenden Wortlaut:
Gihistiger, lieber Her Secretarius!
lch find in meinen Rechnungen der Grabstain halb,
wie folgt:
Item von Anno d. 55, das ich Maister Joseph, Stain-
metzen von Urach selgen, Fur das er an meines gnedigen
Fursten und herrn Hertzog ChristofT von Wirtenberg etc.
Schwester, Graf Ludwigen von Wirtemberg etc. und seines
Gemahels drey Grabstain verdient, geben hab — 112 41. h.
Item von A. 56 bis 57 hat Maisler Jacob woller, Stain-
met/, von Gmiind, was Maister Joseph an yetz gemelten
dreyen Grabstainen nach seinem Absterben zumachen uber-
pliben, Vols auBgemacht. Im daruor geben — 91 U. h.
Under wolchen dreyen grabstainen die Zwen, Namlich
Graf Ludwigs und des Frolis von neuem gemachl, der dritt
etwas uBgepessert, dann der amm heruberfiern vom Gieter-
stain etwas beschedigt worden.
Item von A. 59 bis A. 60 von Errmelts meins gnedigen
Fursten und Hern, Auch jr. F. G. Gemahels Grabstainen,
i Geschichte der Plastik, 3. Aufl., 2. Bti.. S. 874.
54 Lubke kennt Wintterlins Arbeit, hat aber z. B. nioht bemerkt, da!5
durch sie der Farailiennarae Schmids und seine Urheberschaft an den
Denkmaicrn der Herzoge Eberhard im Bart und Ulrich sichergestellt sind.
— 23 —
von herrnberg herab gen Tiiwingen zufiiren, geben — 26 U
5 sh. 6 h.
Item von A. 60 bis A. 61 * vorgemeltem Jacob wollern
von yetz gedachten 2 Grabstainen zuhawen, geben — 196 iL h.
Ew. dienstwilliger Ludwig Ripp
Keller zu Tiiwingen.
Aug diesem Schreiben geht hervor:
1. Fur seine zunachst nicht nfiher bezeichnete Arbeit an
drei Grabsteinen (Anna, Ludwig, Mechthild) erhielt Josef Schmid
1555 die Summe von 112 Pfund Heller.
2. Nach seinem Tod tritt Jakob Woller von Gmiind in
dieselbe Arbeit ein, vollendet sie und erhalt im Jahr 1556 die
Summe von 01 Pfund Heller.
3. Was im ganzen von diesen beiden geleistet wurde
ist folgendes:
a) Ausbesserung des bei der Ueberfuhrung von Guter-
stein etwas beschadigten Mechthildsteins.
b) Neuanfertigung von Grabsteinen fur Anna und
Ludwig.
Es ist also klar, daB wir nur die Aufgabe haben, an
dieser einmaligen, in Tubingen geleisteten
Gesamtarbeit den Anteil Schmids und Wollers zu
scheiden. Bunz hat das ^S. 75 f.) so getan, daB er dem hoher
bezahlten Meister Schmid die nach seiner Meinung kunstlerisch
zusammengehorigen Figuren Ludwig und Mechthild, dem Woller
aber die PrinzeB Anna zuteilte. Er geht dabei von falschen
Voraussetzungen aus, wie unten zu zeigen ist. Immerhin hat
er noch klar gesehen, daB der Mechthildstein eine alte Arbeit
ist, die im Jahr 1555 lediglich etwas ausgebessert wurde,
gleichgultig von wem. Wintterlin dagegen hat in dem Bestreben,
die Haltlosigkeit der Bunzschen Zuschreibung zu erweisen, dem
Rieppchen Schreiben eine Deutung gegeben, die zu volligen
Dnmoglichkeiten fuhrt. Den Satz « Under wolchen dreyen* etc.
namlich halt er einseitig fur eine Bezeichnung des Wollerschen
1 In Wintterlins Ansgabe des Textes hat sich hier der stSrende Fehler
A. 69 statt 61 eingeschlichen.
— 24 —
Anteils statt vielmehr der Gesamtleistung der beiden KQnstler.
So kommt er zu dem Resultat, Schmid habe offenbar in.Urach)
die Mechthildfigur angefertigt, diese sei dann beim Transport
nach Tubingen beschadigt und daher in Tubingen von Woller
ausgebessert worden 1 . Das ist naturlich ganz undenkbar ;
nicht bloB ware es recht unpraktisch gewesen, einen neuen
Grabstein, der fur Tubingen bestimmt war, in Urach anfertigen
zu lassen ; sondern es beweist schon die Tatsache der Honorar-
zahlung durch den Tubinger Keller, daB Schmid und Woller
beide hier gearbeitet haben.
In Wirklichkeit stellt sich also der Vorgang so dar: die
Priifung der Monumente hatte das Endergebnis, daB nur eines,
das der Mechthild, fiir die Tubinger Grablege bestimmt wurde.
Diese Entscheidung erfolgte sicher nicht auf Grund der einge-
sandten Skizzen. Wahrscheinlich wird sie dem Erhallungs-
zustand zuzuschreiben sein. Wissen wir doch, wie grausam
die Jahre seit 1534 dem Kloster mitgopielt hatten. Bei Aftna
mochte vielleicht nuch der Rosenkranz bei der inzwischen
lutherisch gewordenen Fiirstenfamilie AnstoB erregen. — In
Tubingen trat zunachst Josef Schmid in die Arbeit ein. Sein
Anteil an dem, was 1555 und 1556 geschah, ist nicht so
schwer zu bestimmen. Zunachst scheinen Bunz und Wintterlin
zu ubersehen, daB das Grabmal der Prinzefl Anna 1(5)55 ge-
zeichnet ist. Halten wir das zusammen damit, daB Schmid
1555 sein Honorar erhielt, und daB unter den von ihm be-
arbeiteten Denkmalern das Annas zuerst genannt wird, so
durfen wir ihm die Figur unbedenklich zuschreiben. Denn
nach der Honorarsumme war sein Anteil eher groBer als der
Jacob Wollers. Dem letzteren gehort also die Figur des Grafen
Ludwig. Die Beobachtung Wintterlins (S. 25, Anm. 2), daB
Ludwig und Anna zusammengehoren, ist nur insoweit richtig,
als sie gegeniiber dem Mechthildstein selbstverstandlich einen
gemeinsamen Zeitcharakter zeigen. hie Tatigkeit Wollers etwa
auf den ornamentalen Teil einzuschranken, kann ich mich nicht
entschlieBen, weil mir die Figur Graf Ludwigs eine andere
1 Wi. 25, Anm. 2. Ihm folgte Klemm, Wiirttembergische Baomeister
etc., S. 146. Inv. Schwarzwaldkreis, S. 516 f.
— 25 -
Hand zu verraten scheint als die sicher von Schmid herriihren-
den Arbeiteu.
Die Ausbesserung des Mechthildsteins muB sich nach
Bunz auf die ganze Figur bezogen haben. Er schlieflt dies
aus der Uebereinstimmung der Faktur mit der Figur Ludwigs
und aus der Giitersteiner Skizze, die eine andere Anordnung
des Mantels und die Hande gefaltet zeige. Ueber den ersten
(irund lohnt es sich nicht ein Wort zu verlieren. Der zweite
uuW-hte mehr zu bedeuten haben, wenn die fluchtige Skizze
wirklich den Anspruch m^chen konnte, in alien Einzelheiten
zuverl&ssig zu sein. Mir ist das nicht wahrseheinlich. Aber
fur ausschlaggebend halte ich allein die Erwagung, die von dem
jetzigen Zustand der Figur ausgeht. Waren Gewand und Hande
urspriinglich genau so angeordnet gewesen, wie wir es nach
der Zeichnung uns zu denken haben, so ist es nicht verstand-
lich, wie daraus durch «Ausbesserung> das werden konnte,
was wir heute vor uns haben. Das Gewandmotiv ist einheit-
lu-h entworfen und durchgefuhrt und es wird schwer halten,
einzelne Telle daraus zu losen. GewiB ware es technisch nicht
an sich ausgeschlossen, dati die Hande samt dem von der
Linken gehaltenen Bausch des Gewandes eine Tiibinger Er-
ganzung darstellen, deren" Fugen durch die Bemalung verdeckt
waren. Aber man frage sich, ob es irgend wahrseheinlich oder
auch nur moglich ist, dab der Meister des Ludwigs- oder der
des Anna -Steins sich soweit in den Stil einer gotischen Ge-
wandstatue hineingefunden und derselben ein neues Motiv von
solcher Xaturlichkeit angefugt hat, — die Kunste moderner
• Restauratoren> wurden hier im 16. Jahrhundert jedenfalls
uberlw)ten erscheinen.
Mir erscheint es vielmehr hochst wahrseheinlich, dali an
der Figur nur wenige kleinere Stiickchen ausgebroehen waren,
die leieht erganzt werden konnten. An einer Stelle erscheint
eine i unbedeutende) Narbe, andere mogen dureh die Bemalung
verdeckt sein. Nur am Kopfkissen ist die Arbeit der Tiibinger
Meister deutlich siehtbar : dessen Ornamentierung weist mit
ziemlicher Sicherheit auf Josef Schinid. Gerade hier aber ist
often bar, wie dieser Meister keineswegs angstlich daraul be-
darht war, sich in den Zeitcharakter der Figur hineinzufuhlen
— 26 —
<und ihm seine Arbeit anzupassen : er hat hier wie sonst seine
-eigene Formenwelt verwendet.
Es bleibt noch ubrig, den Rest dessen, was die Akten fiber
-die Ueberfuhrung bieten, kurz zu besprechen. Am 8. April
berichtet der Obervogt von Urach, daiJ die bleiernen und hol-
zernen Sarge samt Zubehor in den nachsten Tagen fertig
werden. Ein (undatierter) Zettel, sicher an Balthasar von
Gultlingen ! gerichtet, enthalt eine herzogliche Vollmacht, die
Ueberfuhrung jetzt vorzunehmen und die Einzelheiten anzu-
-ordnen. Gultlingen antwortet am IK April, die notigen Personen
seien auf den Abend des Sonntags Jubilate (15. April' 1554)
nach Urach fcestellt. Die Ueberfuhrung selbsl fand am Montag
dem Itt. April statt. —
Wichtiger ist der nebenhergehende Meinungsaustausch uber
den Ort der neuen B estatt un g i n Tub ingen. Schon
das undatierte Gutachten, das den Schriftwechsel eroffnet, hatte
den Vorschlag gemacht, die Sarge in den Chor zu tragen und
<aufierhalb des Getters>, dieweil cdasselbig etwas enng* und
die Posteritas auch zu bedencken ist», in ein oder zwei Graber
xu legen. Man wollte also hinten im Chor, wo Eberhards und
Ulrichs Denkmaler seit drei Jahren sich befanden, mit Herzog
Christof und seinen Verwandten fortfahren, den &lleren Gliedern
des Furstenhauses jedoch eine weniger hervorragende Stelle
^nvveisen. An Denkmaler dachte man auch fur sie : es sollen
•erhebte Stein oder sonst furstliche Monumenta in die Mauren
aufgerichtt» werden, d. h. man hatte vor allem Wandepitaphien
ins Auge gefaBt, schon wegen des Raums. Der Herzog wunschte,
seine Schwester solle zu FuBen des Vaters (Herzog Ulrich>
ruhen. Das Gutachten der drei Rate vom 8. April erklart das
der Mauer wegen fur unmoglich, worauf eine Randbemerkung
von anderer Hand daran erinnert, es sei Platz genug, den
Grabstein dort in die Mauer einzulassen, cneben dem Epitauio>
(d. h. offenbar neben der Erztafel fur Herzog Ulrich). Gultlingen
i Landhofmeister and Erbk am merer, zuletzt Obervogt in Wildberg,
■f 1563 (nicht 1553, wie Dienerbuch S. 7 angibt Sein Orabmal in Berneck
wird uns unten beschaftigen. Cfr. A. D. Biographic X, 118. Crnsius 11, 721.
2 Das Gitter stand damals weiter innen als jetzt. vgl. unten.
— 27 -
erbittet auch deshalb noeh Instruktion, weil von Herzogin
Sabina ! bekannt sei, daB sie ebenfalls im Tubinger Chor be-
graben sein wolle.
Die Ant wort des Herzogs vom 12. April wiederholt die
oben ausgesprochene Willensmeinung: der Sarg PrinzeB Annas
soil zu FuBen des Vaters liegen, der Stein (oftenbar ist noch
an den von Guterstein gedacht) neben dem Epitaphium in der
Mauer hefestigt werden. Fur Herzogin Sabina bleibe immer
noch Raum genug. — Zwischen dem 12. und 15. April aber
andert er seinen EntschluB und bestimmt fiir die Graber wie
fur die Steine den Platz, den sie heutzutage inne haben. Er
teilt dies unmittelbar dem Tubinger Vollzugsbeamten, dem
Keller mil: dieser soil Gultlingen verstandigen. Auch hier ist
noch vorausgesetzt, daB drei Grabsteine von Guterstein heruber-
kommen; der Keller soil sie auf die Graber «darauflegen und
setzen lassen» ; ein Ausdruck, der es wahrscheinlich macht,
daB die jetzige Form der Denkmaler als Tumben damals schon
in Aussicht genommen war.
Erst reichlich zwei Jahre spater, namlich vom 26. Juli 1556,
datiert das nachste Aktenstuck. Herzog Christof erkundigt sich
nach der Begrabnisstatte der iiberfiihrten Gebeine und nach
dem Abstand der beiden ostlichsten Denkmaler (Eberhard und
Ulrich) von den Nebenmauern, letzteres wohl deshalb, weil
Herzogin Sabina von neuem den Wunsch geauBert hatte, dort
ihre Ruhestatte und ein Denkmal zu erhalten.
Die Antwort ist nicht aus dem Bericht des Kellers sondern
aus der ihm beigelegten getuschten Skizze («AbriB>) zu ent-
nehmen, als deren Urheber wir Jacob Woller anzusehen haben*.
(Abb. 4.)
Diese Skizze gibt in perspektivischer Darstellung ein Bild
des Chorinnern nach dem Stand von 1556. Einbezogen ist
nur der hinter dem Gitler liegende Teil, und von den Um-
fassungsmauern nur, was unterhalb des KafTgesimses der
Fenster liegt. Erklarende Beischriften geben die Mafie an. —
Ueber den Stand der Arbeiten geht aus dem Blatt folgendes
1 Herzog Ulrichs Geraahlin, gest. 1564.
2 Der «Haister so die grabstein volz \— vollends; verfertigt*.
- 28 »
hervor: Im Juli 1556 waren das Doppeldenkmal fur Ludwig-
Mechthild und das fur Anna im groBen und ganzen fertig; sie
hatten auch schon vorlaufig ihren Platz gefunden, freilich oicht
genau da, wo es der. Herzog in dem ErlaB vom 15. April 1554
gewunscht hatte und wo sie heute stehen, sondern entlang den
Wanden; offenbar entsprechend den Begrabnisstatten. Der
Bildhauer wiinscht, die Aufstellung moge so bleiben. Den
PrinzeB-Anna-Stein konne man ja immer noch nach vom
rucken, wenn neben Herzog Ulrich noch ein Begrabnis ange-
bracht werden solle. Man merkt ihm an, er sahe es lieber,
wenn die Stelle freibliebe. Sagt er doch ausdrucklich, daB im
Vordergrund noch Raum fur sieben Denkmaler sei. In der
Tat ist die jetzige Anordnung des Grabsteins fur die Herzogin
Sabina, an der nordlichen Chorschrage, in zwangvoller Enge,
recht unglucklich: sie zerstort die Symmetrie an einem Punkt,
wo das Auge sie sucht. Trotzdem ist, wie es scheint, schon
damals der Platz hart an der Wand fur die Herzogin endgiiltig
reserviert worden. Denn die auf der Skizze angedeutete und
also von Woller vorgeschlagene Fortsetzung der Schmidschen
Wanddekoration iiber die schragen Seiten des Chors ist unaus-
gefuhrt geblieben. Hatte man in freier Weise den Gedanken des
Meisters weitergefuhrt und fur die Inschrifttafeln eine fortlaufende
Rahmung durch Pilaster und Gebalk geschaflen, so hatte der
Raum an Einheitlichkeit und Stimmung entschieden gewonnen.
Das AbschluBgitter war nach Woller 39 Schuh = 11,154 m
von der Wand entfernt ; d. h. es stand damals an der Stelle,
wo sich jetzt der Quergang zwischen der letzten und vorletzten
Denkmalsreihe befindet. Es scheint also erst nach 1583, bei
der Bestaltung der ersten Gemahlin Herzog Ludwigs, seinen
jetzigen Platz erhalten zu haben 1 .
1 Herrn Pfarrer Duncker in Belsen verdanke ich folgenden Akten-
auszug :
•Keller Lad wig Riepp berichtet am 9. Oktober 1553: Das Getter vom
Epitaphio ist vermog E. F. O. beaelch allerdings geruckht. Im selben vil
platten abgangen, an derselben statt man and ere) ho wenn und legen
miissen ...» (St. A. Tubingen Welti. B. 68.)
Diese friihere Versetzung des Chorgitters ist allem Anschein nach
eine Vorarbeit zn der 1554 ausgefuhrten Ueberfiihrung der Gntersteiner
Denkmaler. Ermoglioht war sie dadnrch, daB die theologische Fakultat
den Chor seit 1548 nicht mehr brauchte (vgl. Einleitung).
— 29 —
Jacob Wollers Tatigkeit im Chor war damit nichl
zu Ende. Im Jahr 1559 gab ihm Herzog Christ of sein
eigenes Grabdenkmal und das seiner Gemahlin
in Auftrag. Urkundlich steht dariiber folgendes fest : Im
Rechnungsjahr 1559/60, wohl sehr bald nach Beginn desselben 1 ,
wurden zwei Steine von Herrenberg nach Tubingen geschaflft
(Wi., S. 25): 20 oder 30 Rosse und mehrere Tage hat man
gebraucht, erziihlt Baumhauer, der den Transport mit ansah
(Wi., S. 30). Im folgenden Rechnungsjahr 1560/61 bekam
Woller seinHonorar: 196 Pfund Heller. Die Arbeit war hochst
wahrscheinlich schon im April des .lahres 1560 fertig; denn,
wie ich in der Landschreibereirechnung - finde, waf am
24. April Blasius Berwart 3 in Tubingen <zur Besichtigung
der zwei Grabsteine>, die wohl vor der Abnahme und Be-
zahlung geschah.
Leonhard Baumhauer, der Bildhauer der, seit 1560 in
Tubingen ansaBig, allmahlich in Jacob Wollers Nachfolge ein-
trat und den letzteren seinen «lieben Vatter seeligen* nennt
(Wi., S. 30), hat nach den Akten bei den beiden Monumenten
bloB mitgeholfen. Seine eigene Aussage im Jahr 1570 (Wi.,
S. 30) und die Tatsache der Honorarzahlung an Woller, ferner
Wollers Meisterzeichen an dem Christofstein scheinen dies zu
beweisen. Wenn Baumhauer 1573 den letzteren einfach unter
seine eigenen Werke rechnet (Wi., S. 38), so wurde diese Be-
hauptung an sich nicht schwer zu nehmen sein : er mochte
dort ein Wartgeld herausschlagen und verlafit sich darauf, dafi
die Stuttgarter Herren fur die untergeordneten Personlichkeiten
der einzelnen Bildhauer ein kurzes Gedachtnis haben werden.
1 Das Rechnungsjahr beginnt mit Georgii (23. April).
2 L. R. 60-61, S. 433.
3 Blasius Berwart, Glied einer von Leonberg stammenden Bild-
hauer- und Architektenfamilie, als Werkraeister in Stuttgart 1557—1563
nachweisbar, spater auf der Plassenburg bei Kulmbach und in Kbnigsberg
tatig, gehort zu den Kflnstlern, die, ohne im regelmafiigen Sold der wiirt-
tembergischen Herzoge zu stehen, doch haufig zu besonderen Auftragen
herangezogen wurden. So arbeitet er nicht bloB mit am alten SchloB in
Stuttgart, sondern besichtigt, wie die L. R. zeigen, als Sachverstandiger
in Tubingen 1555 Schmids und 1560 Wollers Arbeiten, in Dornstetten
1563/64 einen verbrannten Hof, in Lauffen a. N. 1560/61 die Neckarbriicke.
Was bisher fiber ihn bekannt war, s. Inv. Neckarkreis, S. 561 ff.
- 30 —
Aber diese gelegentliche Aussage wird bestatigt durch den ge-
wichtigsten Zeugen, durch das Denkmal selbst, das untrugliche
Merkmale von Baumhauers Stil an sich tragt. Hieriiber ist im
zweiten Teil das Notige zu sagen. Da6 Jacob WolJer das Werk
mit seinem Zeichen versah, ist ja trotzdem nicht auffallend:
er war der verantwortliche Meister. Ohnedies liegt es nahe,
da6 er damals schon stark auf Gehulfenhande angewiesen war.
Er bekommt in den folgenden Jahren regelmaBig noch kleinere
Auftrage vom Herzogshaus 1 , aber er muB 1564 wohl gestorben
sein. Es ware doch sonst auffallend, da8 bei der Vergebung
des Sabinadenkmals, im Januar 1565, von ihm gar keine Rede
mehr 1st. DaU Klemm u. a. sein Ende weiter hinaus rucken,
geht zuriick auf einen Fehler, der Wintterlin unterlaufen ist:
der Rechnungsauszug Riepps, den er S. 25 wiedergibt, spricht
in Wirklichkeit nicht von anno 60—69, sondern, wie von vorn-
herein wahrscheinlich, von dem (Rechnungs-) Jahr 1560/61.
Von den beiden Wollerschen Denkmalern ist nur der
Christofstein erhalten; den fur Herzogin Anna Maria, der nicht
den Beifall der Dargestellten fand, mutite im folgenden Jahr-
zehnt Baumhauer durch einen neuen ersetzen*.
1 Das latit sich verfolgen an der Hand der L. R.: 1561(62, nach
S. 423; 1562/63, S. 439. — Der letzte Anftrag 1563/64 S. 434: Jacob
Woller, Bildhauer zu Tubingen «von Neun lewen uf U. g. F. u. F. Wagen
zu machen. — 1. b. und urkunds — tut 32 fl.
2 DaB das Inventor (Schwarzwaldkreis S. 387), dem Woller die beiden
Denkmaler UlrichH und Sabinas zuschreibt. ist naturlich eine Verwechs-
lung. deren Entstehen freilich unbegreiflich ist; denn die beiden Denk-
maler werden nie zusammen genannt Der betreffende Abschnitt ist uber-
haupt wegen seiner vielfachen Irrtumer nur mit grofiter Vorsicht zu
benatzen. Leider sind auch in Dehios neues Handbuch (Bd. Suddeutsch-
land, S. 504) eine ganze Reihe von falschen Angaben ubergegangen.
HI.
DAS GRABMAL DER HERZOGIN S A BIN A VON SEM
SCHLOER.
Aus den Akten des K. Hausarchivs fiber dieses 1565 er-
richtete Denkmal, hat schon v. Rauch 1 ein Schreiben des
herzoglichen Baumeisters Dretsch 2 vom 20. Februar 1565
mitgeteilt. Darnach war Sem Schlor, Bildhauer in Hall, der
schon einige Jahre vorher in der Stuttgarter Schloflkapelle ge-
arbeitet hatte, fur die Ausfiihrung in Aussicht genommen. Er
ist bereit, das Werk nach dem «gemalten Muster>, das ihm vor-
gelegt wurde, urn 70 Gulden auszufiihren, bittet jedoch urn
eine Frist von einem Monat, bis er mit einer Arbeit in Ans-
bach fertig sei. Nach dem Kontrakt, der auf herzoglichen Be-
fehl am 23. Februar mit ihm abgeschlossen wird, soil der Bild-
hauer um Mittfasten :i nach Tubingen kommen und die Arbeit
bis zum Ende fuhren. Er erhalt jetzt bar 10 Gulden, als Ho-
norar 60 Gulden, und fur Zehrung auf der Hin- und Riickreise
6 Gulden. AuBer dem Grabslein selbst samt der «umbschrifft
rait groBen poetischen Buchstaben> nennt der Vertrag «drei
> WurtL Vjh. 1907, 8. 417.
2 Albrecht Dretsch, wie er sich selbst. Aberlin Tretsch, wie ihn seine
Zeitgenossen meist schreiben, war nach den L. R. 1553—1556 als Bau-
Terwalter anf der Festung Hohentwiel. 1555—1576 als herzoglicher Bau-
meister mit festem Gehalt angestellt. Vergleiche iiber ihn Klemm, Repert.
fur Konstwissenschaft IX (1886) Lit. Beil. zum Staatsanzeiger 1887, 232.
« = Laetare (1. April 1565).
— 32 -
•oder vier Understeine*, die wie bei Eberhards und Ulrichs
Monument als liegende Hirsche ausgehauen werden sollen.
Diese Wappentiere als Trager der Grabplalte entsprachen also
dem Geschmack des Bestellers mehr als die Art, wie Schmid
(und Woller) die Giitersteiner Denkmaler nach Art von
Sarkophagen gestaltet hatten : vollkommen geschlossene Seiten-
wande mit flach reliefiertem Ornament, Medaillons und Ranken,
bedeckt. Zweifellos machen diese letzteren einen weit vor-
nehmeren Eindruck: eine schwere Steinplatte von vier Hirschen
tragen zu lassen, ohne dem empfindenden Auge weh zu tun,
dazu gehort eine Kunst des Stilisierens, die die Kunstler des
Tiibinger Chors weder durch Tradition noch durch eigene An-
lage besaBen. Ihre Auftraggeber waren auch wahrscheinlich
vor allem durch heraldische Interessen bestimmt, die ja im
Lauf des Jahrhunderts immer unheilvoller sich in den Grab-
monumenten breit machen. Schmid und Woller dagegen haben,
wie es scheint, einfach die Zierformen der Giitersteiner Denk-
maler 1 in den Stil ihrer Zeit iibersetzt. Darauf leiten wenig-
stens die Skizzen hin.
Was die Akten sonst bieten, ist folgendes : Schon vor dem
12. Oktober 1564 hat der Tiibinger Keller an Dretsch einen
Entwurf eingesandt und dieser ihn dem Herzog vorgelegt. Wahr-
scheinlich war derselbe schon zu Lebzeiten Sabinas auf ihre
Bestellung gefertigt worden. Der Herzog bestimmt auf den Vor-
trag Dretschs hin unterm 12. Oktober :
1. Der Stein soil in Lange und Breite gleich dem des Her-
zog Ulrichs sein.
2. Der Hund (das Symbol der ehelichen Treue) soil durch
ein Schaf ersetzt werden.
3. Wegen des Bildhauers wird der Keller noch Bescheid
erhalten.
4. Einstweilen soil der Grabstein in Herrenberg «geprochen,
bescheyttet und gen Tubingen gefuert werden, an das Ort, da
er gemacht werden soll>.
5. Eine neue Skizze ist einzusenden, mit der befohlenen
Aenderung und mit MaBangaben.
1 PrinzeB Annas Giitersteiner Denkraal war kaum 25 Jahre alt!
— 33 -
(Die bei den Akten liegenden zwei Skizzen entsprechen
beide schon diesen Forderungen. Der ursprungliche Entwurf
ist also nicht erhalten.)
Ein Bericht des Kellers Riepp vom 8. Januar 1565 an den
Herzog gibt an, da6 der Grabstein, der 9 Schuh lang, 5 breit und
2,2 dick sei, in drei Tagen mit 24 Pferden von Herrenberg nach
Tubingen geschaflft wurde, wo er jetzt vor der Pfarrkirche liege.
Von den im ganzen sechs Zeichnungen, die sich bei den
Akten noch vorfinden, stellt je eine die Umschrift des Grab-
steins fur Ulrich und flir Sabina dar, goldene Buchstaben auf
rotem Grund, eine dritte (Federzeichnung) die jetzt an der
Nordwand befestigte Reliefplatte mit dem Doppel-
w a p p e n. Die Beischrift lautet: 4 schuch braytt, 5 schuch
hoch (das ware 114: 143 cm; in Wirklichkeit 113: 135cm).
Die Riickseite tragt neben dem Archivvermerk : «Grabstein.
sine dato.* von Herzog Christofs eigener Hand die Worte: «zu
wissen, wie es mit meiner Frau Muotter sellichen grabstain
geschaffen ob der gebrochen gefiert zu hawen verdingt und wem,
auch wie Theuer*. Diese Anweisung gab oflenbar Veranlassung
zu Riepps Bericht vom 8. Januar 1565. Allein iiber das Wap-
penrelief selbst ist weder aus ihr noch aus den Akten sonst
etwas zu entnehmen. Wenn der Herzog auf die ihm vorgelegte
Zeichnung jene Bemerkung schrieb, so scheint daraus hervor-
zugehen, daB wir es jedenfalls nicht mit einem Teil des von
Schlor auszufiihrenden Grabmonuments zu tun haben, sondern
mit einer entweder damals schon fertigen oder noch auszufiih-
renden Arbeit, die als W a n d e p i t a p h an die Herzogin er-
innern sollte. Die Anfertigung des Steins vor den Verhand-
lungen von 1564/65 ist wahrscheinlicher, weil sonst nicht recht
verstandlich ware, weshalb in dem Kontrakt nicht von ihm die
Rede ist. AuBerdem erklart sich auch die aufiallende Form des
reinen Wappenepitaphs ohne Inschrift und Jahreszahl am ehesten,
wenn wir das Bruchstiick eines (wohl von der Herzogin selbst
noch bestellten) Denkmals vor uns haben, dessen ubrige Teile
verloren gegangen sind oder gar nicht ausgefiihrt wurden 1 .
1 DaB der Herzog eine Epitaphinschrift fur Sabine nicht gewollt
hatte, urn ein Lob dieses nicht vorwurfsfreien Lebens za vermeiden, ist
d. 3
- 34 —
Zwei getuschte Federzeichnungen im Folioformat der Akten
geben je eine Ansicht der Grabsteinplatte selbst mit der liegen-
den Figur Sabinas von oben her. Ferner ist unten auf dein
Blatt ein Stuck der Seitenansicht gegeben, das die Profile der
Platte und die Stelle der Schrift auf der schragen Flache des
Randes veranschaulicht. Beide Zeichnungen sind untereinander
verschieden im Ornament und in der Auffassung der Figur.
Doch braucht darauf nicht eingegangen zu werden: beide haben
Schlor nur ganz im allgemeinen als Vorlage gedient. — Die
erste wurde auf Grund des Befehls vom 12. Oktober 1564
(s. o. S. 32) angefertigt und vorgelegt. Sie erhielt ursprunglich
zwei Beischriften :
1. Der Stain ist lang 9 schuch 2 zol vir ain schuch genom-
men. Braitte des Stains 5 schuch.
(Das ware 2,63 m : 1,43. In Wirklichkeit mifit der Stein
in seinem jetzigen Zustand 2,30 : 1,33 m.)
2. Die rechte untere Ecke ist durch einen Diagonalstrich
abgegrenzt. Dazu die Randbemerkung: «Also kompt die schrege
des Kors das der stain zwin schuch in die maur kumpt oder
man mu6 mit des alten hern stain weichen. Die mur der
Kirchen ist 4 schuch dick, will man darein fahren, hat sein
weg.>
Um also den Stein so lang zu machen als den Ulrichs,
hatte man ihn zum Teil in der Mauer verschwinden lassen
mussen. In Wirklichkeit half man sich anders : man verkurzte
ihn um 30 cm. Statt der vier Kckhirsche, die den Sockel
bilden sollten, begnugte man sich mit zweien : einen stellte
man parallel der Schragwand auf, den zweiten unter dem sud-
westlichen Eck der Platte, aber so, daB er zugleich als Stiitze
mir nicht wahrscheinlioh. Bei der Inschrift fiir den Prinzen Eberhard, der
dann noch viel eher mit Stillschweigen hatte iibergangen werden mussen.
merkt man nichts von dergleichen Bedenken.
Wappenepitaphien kommen auch um 1570 vor, wenn anon nicht allzu
haufig, in Tubingen der Gedenkstein fiir die beiden Frauen des Jacob
Andreae u. a., ein schones Beispiel auch an der Friedhofmauer in Hall.
Aber solche, die von Anfang an ohne Inschrift waren, sind mir nicht be-
kannt. Sollte es sich vielleicht um eine Wappentafel handeln, die zur
Anbringung iiber einem Schloiitor bestimmt war? Vgl. Stuttgart. Leon-
berg: o. a. Beispiele.
V.
DIE STUTTGARTER GRABDENKMALER SEIT HERZOG
CHRISTOFS ZEIT.
Ueber der Geschichte der Fiirstendenkmaler, die heute den
Chor der Stuttgarter Stiftskirche schmucken, schwebt ein merk-
wiirdiges Dunkel. Selbst der Bildhauer, von dem die Grafen-
standbilder alle herruhren, wurde rasch und unverdient lang
vergessen. Gabelkhover, der ihn noch personlich kannte, scheint
ihm in seiner Stuttgarter Chronik keinen Raum gegonnt zu
haben 1 und im 19. Jahrhundert hat noch Pfaff, der im engen
AnschluB an Sattler einiges Material iiber die Vorgeschichte der
Denkmalsreihe beibringt*, keine Kunde von seinem Namen.
1856 wies in der <Beschreibung der Stadtdirektion Stuttgart>
(S. 184) Moser auf eine Notiz der L. R. hin, wonach Simon
Schleer oder Schlor von Schw. Hall fur das 5.-8. dieser Epi-
taphien von Herzog Ludwig 800 Gulden erhalten haben sollte.
Diese Notiz, die es ziemlich wahrscheinlich machte, da6 die
ganze Ahnenreihe dem Haller Meister zuzuschreiben sei, wurde
seither fortwahrend abgeschrieben, aber ohne Nachprufung der
L. R. selbst. Dazu begegnet man der aus Sattler oder Pfaff
erschlossenen, aber unrichtigen Angabe, die Arbeiten hatten
1 Die Notiz bei Hartmann, Chronik der Stadt Stuttgart (S. 72), der
sonst aus Gabelkhover schopft, geht auf Bossert und Kleram zuriick.
2 Pfaff, a. a. 0., Bd. L S. 67; Sattler, Herzoge V, 30 f.
— 42 -
1574 begonnen, und endlich der gleichfalls falschen Nachricht,
sie seien erst unter Herzog Friedrich vollendet worden. Woher
dieses letztere Datum stammt, ist mir unbekannt. Ich finde
es zuerst in der Stadtdir. Beschr. von 1856 (a. a. O.) 1 .
In Wirklichkeit ist das Stuttgarter Furstenbegrabnis nicht
erst seit 1574, sondern langst vorher Gegenstand der Fiirsorge
von Seiten der Herzoge und ihrer Berater gewesen. Nachdem
Herzog Ulrich 1535 den alten Grabsteinen seiner Vorfahren ihren
Platz im Chor, auf dem FuBboden, gegeben hatte, begann eine
neue Periode in der Geschichte dieser Grablege nicht erst unter
Herzog Ludwig, sondern, wie auf so vielen Gebieten, so hat
auch hier Herzog Christof den AnstoB gegeben.
In einern Schreiben vom 5. August 1558 an den Hofge-
richtssekretar Andreas Ruttel 2 erinnert er daran, er habe ihm
schon fruher befohlen, im Benehmen mit dem Baumeister MaB-
nahmen zur Renovation der Grabsteine seiner Voreltern in der
Stiftskirche vorzuschlagen ; und befiehlt Wiederaufnahme dieser
Arbeiten und Vorlegung eines Kostenvoranschlags (Urk. Nr. 3).
In der Tat gibt es ein Gutachten des alteren Ruttel, das
sich auf diesen Gegenstand bezieht. Es findet sich in der Hand-
i Waagen, Kunstwerke und Ktinstler in Dentschland (2. Teil, S. 181),
hat sogar die Angabe, die Denkmaler seien unter Herzog Friedrich (1593 —
1608) entstanden.
* Es ist dies Andreas Ruttel der Aeltere, geburtig aus Rotten-
burg a. N., der friiheste uns bekannte Sammler und Erforscher romischer
Altertumer in Wiirttemberg. Ueber ihn hat Zeller, Wurtt. Vjh. 1909, 241 ff.
gehandelt. Das Biographische hat schon Bossert zusaramengestellt (Blatter
fur Wiirtt. Kirchengeschichte 1886, 59). Er wird 1545 als Registrator
(Archivar) genannt (Dienerbuch 37), und wurde offenbar auch s pater, als
Sekretar des Hofgerichts (1551—65 nach Dienerbuch 79) bei historischen
Fragen konsultiert. DaB er erst 1587 gestorben ware, wie Pfaff, a. a. 0.,
S. 411, angibt, ist sehr unwahrscheinlich: vielmehr diirfte sein Tod nach
1565 fallen. Von ihm zu unterscheiden ist sein gleichnamiger Sohn,
Andreas Ruttel der Jungere, im folgenden Abschnitt oft genannt.
Er bezog die Universitat Tubingen 1546 (« Andreas Ruttel Stutgardiensis
21. Febr.> Tubinger Matrikel. ed. Hermelink I. 324) und wurde Oberrats-
sekretar 1564 (oder schon frfiher : s. Dienerbuch 69). Als Registrator
kommt er 1575 zum erstenmai vor (Dienerbuch 38). Seine Tatigkeit be-
ginnt aber schon fruher, wie die Akten ausweisen (Urk. Nr. 1C). Seine
historischen Arbeiten hat Pfaff in seiner kleinen Schrift uber «Die Quellen
der alteren wiirttembergischen Geschichte etc» (Stuttgart 1831) charak-
terisiert (S. 26). Der von Pfaff als seiu Bruder bezeichnete Friedrich
Ruttel, ebenfalls Hofregistrator, fallt nach Dieuerbuch 38 erst in die
Zeit vor 1634.
- 43 -
sohrift Nr. 1 l l t des Staatsarchivs und in anderer Fassung
auch in dem Aktenbundel, aus dem ich den obigen ErlaB ent-
nommen habe 1 . Allein dieses Gutachten, das aus dem Jahr
1557 stammt, enthalt so, wie wir es besitzen, noch keine Er-
neuerungsvorschlage. Es ist eine genealogische Arbeit tiber
das Furstenhaus, die die Belege zu einem Stammbaum in Form
von Urkunden und Inschriften gibt.
Aus den verschiedenen Gestalten, die diese Ruttelsche
Arbeit allmahlich angenommen hat, und die uns, wie es seheint,
erhalten sind, kann man erschlieBen, daB es weder im Jahr
1558 zu einer Renovation der alten Grabsteine in der Stifts-
kirche kam, noch 1560, als es von neuem vorgelegt wurde
lUrk. Nr. IB). In dem Exemplar von 1566 wird geklagt, wie
schlecht manche der Denksteine erhalten seien, darunter auch
der Clrichs des Vielgeliebten, der erst 1480 gestorben war.
Als die Sache endlich in Flufl kam, im Jahr 1574, war
dem Herzog Christof sein Sohn Ludwig (1568 — 93) und dem
alteren Andreas Ruttel sein gleichnamiger Sohn gefolgt. Ein
tnk-ht erhaltener) Refehl des Herzogs vom 4. Marz 1574* gab
den AnlaB zu einem neuen, erweiterten Gutachten, das den Titel
einer < Probationsschrift » fuhrt und den jungen Ruttel zum Ver-
fasser hat. Hier begegnen wir den ersten praktischen Vorschlagen
zu einer Wiederherstellung der teilweise mutwillig zerstorten,
teilweise abgetretenen Steine. Die Vorschlage, obwohl nicht aus-
tfefuhrt, bieten doch fur die Geschichte der Denkmalpflege und
der Denkmaler selbst ein hohes Interesse. Nioht nur verdanken
wir den damaligen Intentionen des Herzogs eine genaue Auf-
nahme des vorhandenen Bestands an alten Grabsteinen, sondern
ey wird sich zeigen, daB auch der schlieBlich ausgefuhrte Plan
einer neuen Denkmalreihe in Stein auf einzelne hier geaufierte
Gedanken zuruckgegriflen hat. Die Vorschlage selbst sind kurz
folgende:
1. Entfernung des unbeniitzten Altars aus dem Choi-.
2. Aufrichtung der noch unversehrten Bronzegrabmaler
• daselbst herumb* an dor Wand «ob dem <?estiiel>, d. h. wohl
1 Alle* einzelne iiber diese Aktenstiicke s. Urk. Nr. 1.
» Sattler, Herzoge V, 30. vgl. Urk. Nr. 1 iSchluB).
— 44 —
an der Ostwand des Chors, die bisher vom Altar verdeckt war,
aber vom Gestuhl frei ist. Die Grabsteine sollen leicht unter-
mauert und oben mit einem ornamentalen Gesims eingefaBt
werden.
3. Von den zerbrochenen Steinen sollen wenigstens die
messinggegossenen Wappen abgelost, nach dem Muster der ge-
malten Wappen auf den Totenschildern erganzt, und dann
offenbar irgendwie zusamrnengestellt werden ; eine Messingtafel
soil dariiber befestigt werden rait den Jahreszahlen ; die am
wenigsten beschadigten alten Steine, die man umkehren konnte,
sollen zur Fassung des Ganzen dienen.
Unmittelbare Folgen dieses Vorschlags tund.nicht bekannt.
Ungefahr ein Jahr darauf, am 7. Marz 1575, erstatten Riittel
und der Hofprediger Lucas Osiander 1 auf Grund eines Augen-
scheins einen neuen Bericht iUrk. Nr. 4). Dabei erfahren wir,
daB von den Grabsteinen in ihrem damaligen Zustand Auf-
nahtnen gemabht worden waren. Diese Aufnahmen sind er-
halten und zwar in dem Cod. hist. fol. 130 der Landesbiblio-
thek 2 . Freilich tragt dieser auf seinem Einband die Jahreszahl
1583. Allein damit ist ja tiber die Entstehungszeit der ein-
zelnen Blatter, die er enthalt, nicht entschieden. Die Anfer-
tigung der letzteren hat einen Sinn offenbar nur im Jahr 1574,
wo man ernstlieh an eine Erneuerung der alten Steine dachte,
nicht 1583, so man mitten drin war, sie durch neue Denk-
maler zu ersetzen. Wenn HeidelofP annimmt, Herzog Ludwig
habe, eben als er die neuen Statuen errichtete, die alten Steine
nach dem Stand von 1574 (und nach dem damaligen Restau-
rationsplan ! ) zeichnen lassen, so erklart sich diese unmogliche
Annahme bloB daraus, daB Heidelolf der Zahl 1583 auf dem
Einband und auf dem jetzigen (eingeklebten) Titelblatt des
Cod. 130 ein ganz falsches Gewicht beigelegt hat. — Max Bach
(a. a. 0.) hat offenbar richtig gesehen, daB die von PfafT 4 er-
wahnten Steinerschen Visierungen unmoglich, wie Pfaff meint,
1 Der ein8tige Lehrer and jet/ige Vertrauensmann des jungen Herzogs.
2 Eine Beschreibutig desselben hat Max Bach Vjh. 1884, 164 gegebea.
3 Die Kunst des Mittelalters in Schwaben. S. 24, Anm.
* a. a. 0., S. 07 ; gemeint ist die Stelle ira Text, nicht die Anmerkung.
- 35 —
fur den unmittelbar daneben befindlichen Ulrich-Stein diente.
Der einzige eigentliche «Eckhirsch>, d. h. ein Doppeltier, dessen
iwei rechtwinklig aufeinander stoBende Korper in einem Kopf
zusammenlaufen, ist einfach an der Nordwestecke des Ulrich-
monuments weggenommen. An der gegeniiberliegenden Sud-
ostecke, die dem Beschauer allerdings nicht in die Augen fallt,
ist statt eines Tiers ein glatt behauener Sockelstein angebracht.
Fur Schlors summarische und wenig peinliche Art ist dieses
ganze Verfahren, dessen die Akten keine Erwahnung tun, recht
bezeichnend.
Uer Beamte, durch dessen Hand die Skizze zuerst ging,
bemerkt rechts unten : «Wouer die Wappen recht gestellt
tdarinn wir doch etwas zweifeln), hat sein Weg, wa nit, moge
m. g. F. u. H. deshalb gnedigen bericht geben lassen.» Darauf
antwortet der Herzog in einer schwer zu entziflernden Rand-
bemerkung : <Deckh ! soil auff diese seitten khomen, der lewe
pfalz auff die ander seiten, die sehrift wider wie do vor sich
heriimb gehen.>
Fine letzte fliichtige Skizze gibt dann die richtig gestellte
Anordnung der Wappen.
Die Wahl des Haller Meisters fur eine Arbeit in
Tiibingt»n laBt darauf schlieBen, daB der Herzog von Schlors Stutt-
garter Arbeiten fur die SchloBkapelle sehr befriedigt war, und
diesen Bildhauer, der bereits von auswartigen Fursten beschaf-
tigt vvurde, durch einen Auftrag wieder in sein Land zu ziehen
suchte. Den Sabina-Grabstein erklart Dretsch in einem Brief des
.la h res 1573 fur <sonderlich wohl gemacht> (Wi., S. 42), wahrend
WoIIer und Baumhauer nicht denselben Beifall fanden. — Auch
spater war es Schlor, der die umfangreichsten Arbeiten fur das
Herzogshaus auszufuhren hatte und dabei auswartigen Kunstlern
v«»rgezogen wurde.
1 Das Teckache Wappen.
IV.
DIE DENKMALER fur prinz eberiiard und fur her
Z0G1N ANNA MARIA VON LEONHARD ' BAUMHAUER.
Das urkundliche Material besteht hier vor allem aus einer
Reihe amtlicher Schreiben tiber die Anfertigung der beiden
Grabmaler aus den Jahren 1568 — 73. Sie sind samtlich von
Wintterlin in seiner Festschrift (1877) veroffentlioht worden.
Die Darstellung darf also hier sich darauf beschranken, den
Verlauf der Arbeiten im Zusammenhang kurz darzustellen und,
wo dies notig ist, Wintterlin zu erganzen.
Am 2. Mai 1568 war Herzog Christ ofs altester Sohn, Prinz
Eberhard gestorben. Der Vater gibt am 1. August d. J. seinem
obersten Baumeister Dretsch nach dessen Vorschlagen den
Auftrag, Grabstein und Epitaph fur den Prinzen anfertigen zu
lassen. Fur den (Irabstein sollte sein eigener, abgesehen vora
Gesicht, fur dns Epitaph die Bronzetafel fur Herzog Ulrich als
Muster dienen. Mil dem <Fridle Buchsengietier>, der die Platte
zurichten, und <Epitaphium und Carmina etwas clainer Buch-
stabens und geschmeidiger darin schmettzen soll>, ist gemeint
Friedrich Kessler, der wie sein gleichnamiger Sohn
lange Jahre als Geschutzgiefler und wohl auch artilleristischer
Sachverstandiger dem Haus Wiirttemberg gedient hat 1 . Der
1 Die L. R. bezeugen z. B. seine oftmalige Verschickung auf den
Hohentwiel in den Jahren 1585—95.
- 37 -
Entwurf zu dem Epitaph diirfte wohl kaum auf ihn zuriick-
gehen. Es ist namlich an den Denkmalern dieser Jahre auBer
den bei Wintterlin erwahnten Personlichkeiten (Baumhauer,
Schickhart, Kessler) noch ein zweiter Maler beteiligt, dessen
Namen ich aus den L. R. geschopft habe. «Jerg Galler Maler»
hat die beiden Epitaphien fur Herzog Christof und Prinz
Eberhard gemalt und vergoldet 1 . Er war aber kein bloBer
Dekorationsmaler; denn er raaohte im folgenden Jahr 1571/72
eine Visierung fur den neuen Grabstein der Herzogin *. Es
erscheint also immerhin naheliegend, daB er auch die Epitaphien
entworfen hat 8 . Allerdings hat die Autorschaft dieser Werke
nicht viel zu bedeuten. Wenigstens in das Lob, das Wintterlin
(S. 21) dem Eberhard-Epitaph spendet («ein sehr tuchtiges
GuBwerk, einfach aber mit Geschmack ornamentiert*), vermag
ich nicht einstimmen. Ich finde besonders die innere Rahmung
des unteren Teils mit ihrer auBerlichen Aneinanderfugung ganz
verschiedener Zierleisten, ziemlich roh, die einzelnen Formen
(stilisierte Blatter und Delphine, kein Rollwerk), weder in der
Erfindung, noch in der Verwendung bemerkenswert, den GuB
mittelmaBig. Wer die Erztafeln kennt, die gleichzeitig in
Wurttemberg gesehaflen wurden, diirfte mir beistimmen*.
Der Grabstein fur Prinz Eberhard wurde wieder
einem Tubinger Meister Qbertragen, eben jenem Leonhard
Baumhauer *\ den wir schon als Wollers Gehiilfen und Sohn,
d. h. wohl Stiefsohn, angetroffen haben. Dretsch schloB wegen
seiner Jugend keinen Kontrakt mit ihm ab; daraus entstanden
1 Honorar 50 Gulden; die von Ulm bezogene Farbe und sieben Biicher
geschlagenes Gold kosteten 58 Gulden. (L. R. 1570/71. S. 817.)
'•J Honorar 3 Gulden 54 Krcuzer. (L. R. 1571/72, S. 346.)
3 Wo die beiden Erztafeln fur die als Kinder verstorbenen Prinzen
Maximilian (gest. 1556) und Ulrich (gest. 1558) hingekommen sind, weiB
ich nicht zu sagen. Noch Bunz (8. 106) scheint sie an der Nordwand des
Chore gesehen zu haben. Man kann doch nicht annehmen, daB sie noch
in der Wand stecken und ubertiincht worden sind?
4 Vgl. vor allera die 4 Erztafeln der Herren von Ow in der Kirche
zu Bierlingen O./A. Horb. Eine derselben ist vor 1578 entstanden; eine
andere, dem Ornament nach zu schliefien, noch friiher, wohl in den sech-
ziger Jahren. Werke ahnlichen Charakters in der Uracher Amandoskirche
(Chor) und in der Tubinger Stiftskirche lErztafel fiir die Jungfrau Ka-
tharina Schutzin, gest. 1584. Sudseite aafien .
* Er selbst schreibt sich Bomhawer.
— 38 —
spate r unerquickliche Verhandlungen. — Das Eberhard-Denkmal
war vom Bildhauer fertiggestellt im Dezember 1569. Am 30.
Dezember wird es besichtigt und samt den tragenden Eck-
hirschen «ganntz meisterlich, recht und wol gemacht* befunden
(Wi., S. 27). Als Honorar bekam Baumhauer schlieBlich
im ganzen 130 Gulden, d. h. ziemlich mehr als fur die iibrigen
Tubinger Grabmaler bezahlt worden war (Wi., S. 32). Er
hatte 170 gefordert und der Kommission erklart, seine Fach-
genossen wiirden auf Befragen die Arbeit sicher auf 200 Gulden
anschlagen (Wi., S. 28). Die Begriindung, das Werk sei in
der Qualitat dem Wollerschen weit iiberlegen ( Wi., S. 32 oben)
und insbesondere die <Panterbildung>, also die omamentalen
Kiillungen, seien viel besser als bei alien fruheren Grabsteinen,
scheint in Stuttgart einen gewissen Eindruck gemacht zu haben.
In Wirklichkeit waren wohl auch die Preise fiir Bildhauerarbeit
in diesen Jahren uberhaupt in die Hohe gegangen, wie z. B.
Schlors und Mairs spatere Honorierung zeigt. Bedenkt man
die Preise, die der wiirttembergische Hof in jener Zeit fiir
Werke der Kleinkunst ausgab, besonders wenn sie von Augs-
burg oder sonst von auswarts kamen 1 , so erscheinen auch
200 Gulden fur ein derartiges Monument keine ubertriebene
Forderung. In dem Widerstand der Beamten gegen Baum-
hauers Forderungen spiegelt sieh doch eine gewisse Gering-
schatzung der (einheimischen) Steinplaslik. Man mufi zugeben,
daB sie einem Mann wie Baumhauer gegenuber nicht ganz un-
berechtigt war.
Die wechselvolle Gesehiehte des Ersatzdenkmals
fiir Herzogin Anna Maria ist von Wintterlin an
der Hand der Akten ausfuhrlich dargestellt worden (S. 33 IT.).
Es geniigt, wenn auf einige Punkte noch besonders hinge-
wiesen wird :
Herzogin Anna Maria war mit dem Denkmal, das Jacob
Woller anfangs der 60 er Jahre fiir sie verfertigt hatte, vor
allem deshalb nicht zufrieden, weil der Figur die langen Klag-
bander fehlten, die «die fiirstinin unnd andre geborne weibs-
1 Die L. B. bieten dafiir reiches Material.
— 45 —
mit denen des Cod. 130 * identisch sein konnen. Denn dort
handelt es sich ja urn Figuren, im Cod. 130 aber urn Wappen-
steine. Allein Pfaffs Darslellung wirft J wie die Sattlers, dem
er folgt) die Plane von 1574 und 1575 durcheinander. Das
Gutachten von 1575, das er zitiert, hat die Skizzen des Cod.
130 nicht veranlaBt, es setzt ihr Vorhandensein vielmehr schon
voraus. Ihr Entstehungsjahr und ihr Urheber laBt sich, wie ich
glaube, urkundlich nachweisen.
Hans Steiner, der seit 1572 fur den Hof arbeitete, und von
1576 bis zu seinem Tod 1610 besoldeter Hofmaler war, hat
1576 eine eigenhandige Rechnung (Urk. Nr. 19) einge-
mcht, die sich, nur in aridere Schriftstiicke eingeordnet, im
selben Aktenbiindel befindet, wie die bisher besprochenen Gut-
achten. Aus ihr geht hervor, daB er am 10. August 1574
durch Ruttel den herzoglichen Befehl erhielt, zu den furstlichen
Monumenta eine Visierang mit 16 «amatta» farbig herzustellen,
zusammen mit «4 groBen Bildern*. Die amatta sind sicher
die in den L. R. und sonst oft vorkommendeu «Anaten» (Ag-
naten), und zwar sind hier im Gegensatz zu den Figurensteinen
die wappengeschmuckten Denksteine der lurstlichen Vorfahren
jfemeint. Nun enthalt der Cod. 130, abgeseheu von den zwei
D^nkmalem Ulrichs des Stifters und Elisabeths von Branden-
burg. 19 Wappensteine. 16 da von sind in doppelter Fassung
geg*»l*< k n, restauriert und im augenblicklichen Zustand. Zwei
da^egen rnuBte der Kiinstler ganz neu entwerfen, weil keine
alten Vorlagen vorhanden waren. Nimmt man nun an, daB er
diH>e, zusammen mit den beiden ebengenannten Denkmalern,
als «4 groBe Bilder» bezeichnet und hoher berechnet) hat,
hi stimmt die Rechnung genau mit dem Cod. 130 uberein. Nur
der auf S. 19 im alten Zustand gegebene Wappenstein des
Grafen Eberhard von Werdenberg (gest. 1333), der nicht zur
Erneuerung bestimmt war, ware auBer Betracht gelassen*.
Pfaffs Anmerkung (a. a. 0.) ware also richtig, wenn sie
*agen wurde, daB die Zeichnungen des Cod. 130 von Steiners
* Pfaff sehreibt irrtumlich 136.
1 l>och ist naturlich auch nicht ausgescblossen daB die Sammlung
aachtraglich Zuwachs oder Veriest erlitt.
- 46 -
Hand stammen. Nur sind sie nicht, wie er meinte, in Ausfiih-
rung des von ihm zitierten furstlichen Befehls geschaffen worden,
sondern sie haben als Erlauterung das Gut-
achten Andreas Ruttels jun., die sogen.
• Probations schrift* vom Jahr 1574 b e -
g 1 e i t e t. Daher die Eintrage der furstlichen Namen von
Ruttels Hand! — Die Zeichnungen waren dann langere Zeit
im «Studierstiiblein» des Herzogs aufbewahrt (Randbemerkung
Ruttels in Urk. Nr. 19). Moglich, daB sie 1583 zuriickkamen,
und damals, da die geplante Renovation endgultig begraben
war, in den Besitz des Archivars ubergingen, dessen Interesse
und Eifer die eigentlich treibende Kraft im ersten Stadium der
Verhandlungen war. Es liegt nahe, daB er sich von dem Tii-
binger Maler Zuberlin die beiden Blatter hat machen lassen,
die jetzt vorne in den Band eingeklebt als Titelbild und als
symbolische Bezeichnung des Inhalts dienen 1 .
In Wahrheit bezeichnen also diese farbigen Skizzen eine
kurze, rasch vorubergegangene Episode furstlicher Denkmals-
pflege. Herzog Ludwigs Sinn ging nicht aufs Konservieren
und Erganzen, sondern auf eine neue, kunstlerische, das hieB
aber fur ihn moglichst prachtige, Verherrlichung seiner Ahnen.
Es macht ganz den Eindruck, als habe er mundlich sieh in
diesem Sinn geauBert und als sei das neue Riitt el -
Osiandersche (iutachten vom Marz 1575, das nun
die Plane des Vorjahrs plotzlich verwirft, in diesem Sinn ab-
gefaBt worden, weil man iiber die Wunsche des Herzogs unter-
richtet war.
Die beiden Ratgeber gehen gerne auf die furstlichen In-
tentionen ein, wenn man audi dem Ilofprediger anmerkt, daB
er in moglichst diplomatischer Weise fur eine nicht allzu kost-
spielige Losung wirken mochte.
Das Gutachten (Urk. Nr. 4) stellt fest, die Erganzung der
alten Steine ware vergeblicher Kostenaufwand : sie wiirden
1 Beide, nicht bloB das zweite, wie Bach anzonehmen scheint. sind
mit J. Z. gezeichnet. — Sicher ist es li brig ens nicht, daB der Name An-
dreas Kiittel vom in dem Band den Eigen turner bezeichnet. Es kann eben-
sognt der Verfasser des Gutachtens gemeint sein, dessen Beilage die Skizzen
bildeten.
— 47 —
nach wenigen Jahren wieder im selben Zustand sein wie jetzt.
Auch bestehe ein saehliches Bedurfnis nur fur Denkmaler der-
jenigen Glieder des Furstenhauses, die nachweislich in der
Stiflskirche begraben seien. Fiir diese werden nun nicht Stein-
denkmaler empfohlen — sie erfordern lange Zeit, sind zu teuer
und mutwilliger Zerstorung ausgesetzt. MessingguB erscheint
zu kostspielig und wiirde auBerdem noch eine Bemalung er-
fordern. Man soil vielmehr «Eysin Thafeln in form der Eyssin
Oefen», doch «besser erhebt», also in hoherem Relief, gieBen
und sie mit Oelfarben illuminieren, oder, was billiger ware, mit
einer Oelsteinfarbe anstreichen. Fiir die Figuren konnte in
Schontal <formularia von vario habjtu militari antiquissimo>
gefunden werden 1 . Fur vielfarbige Bemalung gibt es «glaub-
wurdige Picturae> ; als Muster fiir einfarbige (mit Oelsteinfarbe)
wird eine leider heute nicht mehr vorhandene Passions-
darstellung in der Schlofikapelle angefiihrt-. AuBerdem seien
auch in der Stiftskirche selber bemalte eiserne Monumente zu
sehen, bei denen der GuB gut ausgefallen sei.
An Freifiguren, wie in Schontal, hat man aber offenbar
nicht gedacht, denn es wird gleich darauf gesagt, die «Tafeln»
muBten 12 Schuh lang und 6 breit sein (3,432: 1,716 nT; auf
Grund dieser MaBe moge von den Formschneidern und GieBern
ein Kostenvoranschlag eingefordert, und dann zur Probe zunachst
ein Monument angefertigt werden. Es empfehle sich, dazu
* Von den heute in Schontal vorhandenen Werken koramt an Erz-
statuen nur eine in Betracht : die Freifigur des Conrad von Weinsberg,
gest. 144(5 (Abb. Erganzungsatlas zum In v. d. Jagstkreises). Dehio setzt
die Statue und ihr Gegenstiick, die Gemahlin des Ritters, wohl etwas spat,
in die Zeit von 1510—20. AuBerdem die 17 Grabsteine der Herren von Ber-
lichingren, im Kreuzgang, die vom 14. bis zum 16. Jahrhundert reichen.
Damals war ihre Zahl noch groBer. Vgl. Bschr. O./A. Kiinzelsau. S. 786.
* Es war dies ein eben erst fertig gewordenes Werk des cGipsers»
Eonrad Wagner, offenbar ein Stuckrelief. fiir das 1674/75 die Stimme von
75 Gulden bezahlt wurde (L. R. 1574/75, S. 353). Den Namen dieses
Stukkateurs habe ich in L. R. 78—81 (Rubrik Besoldungen gemeiner und
allerlei Diener) gefunden. Ich halte es fiir sehr wahrscheinlich, daft Konrad
Wagner zu identifizieren ist mit dem Meister Conrad von Tubingen, der
1551 and 1552 mit seinen Gesellen als Stukkateur auf dem Heidelberger
SchloB tatig war. Vgl. Rott, Ott Heinrich und die Kunst. in den tMit-
teilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses>, Bd. V (1905), S. 75,
102, 217 f.
- 48 —
den 1519 verstorbenen Orafen Heinrich 1 zu wahlen. Denn,
wie schon in friiheren Eingaben betont war, besaB dieser in
der Sliftskirche begrabene Vater Herzog Ulrichs einen Grab-
stein ohne Inschrifl und Wappen. Das erklart sich wohl daraus,
daB im Friihjahr 1519, als er slarb, Ulrich im Kampf mit dem
Schwabischen Bund sein Land verlassen muBte. Der damals
offenbar in aller Stille Begrabene, von dem nur ein Totenschild
Kunde gab, verdiente zuerst ein Denkmal.
Dieser letzte Vorschlag, die Ausfuhrung eines Denkmals
in EisenguB als Probestuck fur eine ganze Ahnenreihe, wurde
zur Ausfuhrung bestimmt.
Der bedeutendste pastier in des Herzogs Sold, der Bau-
meister Dretsch, war an dem Plan, den der Archivar und der
Hofprediger vertreten, so gut wie unbeteiligt. Das Gutachten
hat ihm vorgelegen, ehe es an den Herzog ging und er hat in
einem Schreiben vom 7. Marz 1575 (Urk. Nr. 5) ihm ausdrfick-
lich zugestimmt. Man glaubt dem Wortlaut des Schreibens
anzumerken, daB der energische und lebhafte Mann alt und
miide geworden ist: es war sein letztes Amtsjahr*. Mit dem
einzigen Vorschlag, den er in der Angelegenheit noch machte
(Urk. Nr. 6^ drang er nicht durch: er hatte, offenbar miindlich,
1 Graf Heinrich. Ulrichs des Vielgeiiebten jungerer Sohn. Herzog
Ulrichs Vater, geb. 1448. verbrachte den ietzten Teil seines nnsteten und
unglucklichen Lebens. die Jahre 14iH> — 1519, als Qcfangener auf Hohen-
orach Seine Schicksale bei Heyd, Herzog Ulrich I., 74—85. Stalin. W.
G. Ill, .V»7ff. 600 f. — Bei Heyd, S. 84. ist zu lesen : «Ein glatter Stein
deckte dort (in der Stuttgarter Stiftskirche' sein Grab, bis er von dem
Sohn (Herzog Ulrich' in die Graft zn Tubingen beigesetzt wurde*. Von
dieser Ueberfuhrung hat jedenfalls Ruttel nichts gewuBt, was bei dies em
besten damaligen Kenner der Geschichte des Herzogshauses auffallen miifite.
Wahrscheinlich ist sie nicht. Denn bei den Arbeiten der Jahre 1554—56
ist nie von ihr die Rede. An einer anderen Stelle (Studien der wurttem-
bergischen Geistlichkeit IV, S. 181) hat Heyd mit Berufung auf Wohl-
lebers Chronik die Angabe. es sei dem in der Stuttgarter Stiftskirche
Begrabenen spate r in der Leonhardskirche ein Stein mit einfacher Inschrift
gesetzt word en. Auch da von kann ich bei anderen Zeugen, vor allem in
Schmids Inschriftensammlung /Cod. hist Oct. 18 der Landesbibliothek)
keine Belege linden.
* Seit Georgii 1576 scheint er sich von den Geschaften zuruckgezogen
zu haben. Unter den Besoldungen in L. R. erscheint sein Name zuletzt
lo?o/7G S. 272); im folgenden Jahr fehlt er. 1577/78 (8. 273) erhalt die
Witwe einen Jahresgehalt ihres Mannes durch herzogliches Dekret.
— 39 -
personen pflegen zutragen*. AuBerdem scheinen die Wappen
nicht befriedigt zu ha ben. auf deren genaue Ausfiihrung von
den FQrstlichkeiten immer groBer Wert gelegl worden ist. Es
ist nun interessant, daB Baumhauer, der (Wi., S. 33) sich er-
bietet, die Wappen nachzuliefern und auf den fertigen Stein
taufzuleimen>, fur jedes Wappen 13 Gulden, fur die gesamte
Ausbesserung der Figur aber, die Anfugung der Klagzipfel und
die Anbringung von Falten nur 8 Gulden verlangt. Ganz
analog spricht Dretsch (Wi., S. 42) davon, daB fur «mansbilder
jn ain gantzen kiris» ein viel hoheres Honorar als fur Frauen-
bilder angemessen ist, weil die Rustung viel mehr Arbeit macht.
Man sieht: was geschatzt und bezahlt wird, ist nicht die Qua-
litat des Entwurfs oder gar des Kunstlers, sondern die Mtihe
der handwerklichen Arbeit. Getadelt wird bei dem alten Denk-
mal und spater bei Baumhauers neu gefertigtem die unexakte
Arbeit, die Unahnlichkeit der Gesichtszuge (Wi., S. 42), einmal
auch ein VerstoB gegen die richtigen Proportionen und die Un-
j^cheinbarkeit der ganzen Figur (Wi., S. 47). — Die Wappen
sind es schliefllich auch gewesen, wegen deren sich die Vol-
lendung des Denkmals *, das im Januar 1572 beinahe fertig ist
Wi., S. 37), noch uber ein Jahr hinauszieht.
Baumhauer gerat in dieser Zeit — eine Teurung half noch
dazu, ihm den Verdienst zu schmalern — in groBe Not. Seine
Bitte urn ein Wartgeld aus der Kasse des Herzogs (Wi., S. 38 f.)
wird abgeschlagen. Es tritt dabei eine bemerkenswerte Unter-
scheidung zu Tage, die am Hof zwischen Malern und Bildhauern
?emacht wird. Einen Hofmaler gab es langst, er bezieht an
(it-halt so viel, wie die beruhmten herzoglichen Baumeister
Dretsch, Beer, Schickhart), und erhalt jeden Monat fiir seine
Gesellen eine ziemliche Summe aus der Landschreiberei be-
zahlt : auch ein auswartiger Maler, wie Hans Schickhart in
Tubingen, bezieht jahrelang ein Wartegeld von 20 Gulden'.
1 Man hatte sich klnger Weise nicht auf «Ausbe8serung» des alten
Steins eingelassen, sondern einen neuen bestellt. Wi., S. 4*2.
* Quelle alter dieser Angaben : die L. R. an verschiedenen Orteu.
G*?en Ende des Jahrhunderts macht iibri^ens ein (auswartiger) Bild-
Khnitzer eine Ausnahnie von der Kegel. Es ist Simon Doctor, auf den
ich an anderem Ort zuruckzukommen gedenke.
— 40 —
Dem Bildhauer aber wird geantwortet : «U. g. F. u. H. bedarff
dergleiehen arbeiten nit souil, das er ain sonndere Persohnn
bestendiglichen daruff besolden sollU (Wi., S. 39). GewiB
wird der Maler auch deshalb mehr beschaftigt, weil er zu einer
Menge von alltaglichen Arbeiten verwendet wird, die heute
dem Anstreicher zukoramen. Aber ahnliches gilt auch vom
Bildhauer. Und andererseits ist es dann doch wieder der
Maler, der auch fiir Bildhauerarbeiten die Entwurfe macht *,
und dessen Bilder verhaltnismaBig hoher bezahlt werden als
die selbstandige Arbeit des Steinmetzen. Auch bei Schlor, bei
Roment, bei Georg Miiller, bei Konrad Joss und anderen, die
wir in spaterer Zeit mit plastischen Arbeiten am Hof beschaftigt
sehen, ist es nicht anders: der Bildhauer gilt mehr denn der
Maler noch als blofier Handwerker, mag er auch noch so sehr
den Wert seiner Kunst hervorheben, wie das Baumhauer und
Mair (s. u.) mit grofier Konsequenz getan haben. Bedarf doch
auch im Tubinger Chor das Werk der Plastik noch immer der
Bemalung, uni etwas vorzustellen 2 .
Baumhauer selbst ist, das darf man feststellen, trotzdem die
Herren von der Rentkammer in Stuttgart nicht gut auf ihn zu
sprechen waren, doch durchaus gerecht behandelt worden. Riittel,
der kunstlerische Sachverstandige, erkennt seine Bereitwilligkeit
an, die Mangel, auf die man ihn hingewiesen, zu bessern (Wi.,
S. 47) und nimmt ihn auch sonst in Schutz. Dretsch hat ihn
1575 noch einmal fiir einen groBen Auftrag in Vorschlag gebracht.
Auch die Rentkammer hat seinen Zeitkostenzettel nicht, wie
Wintterlin anzunehmen scheint (S. 39), als einen schlechten Scherz
angesehen. Es wurden vielmehr «dem Bildhawer von Tuwingen,
fiir das er alhie etlich tag gewartet>, 4 Gulden ausbezahlt s .
Dennoch war der Grabstein fiir Anna Maria das letzte
groBere Werk, das er fiir den Herzog ausfiihren durfte. Die
geringe Qualitat dieser Arbeit und sein personliches Verhalten
hatten ihm, wie es scheint, dieGunstdes Herzoghauses verscherzt.
1 So Jerg Galler und spater Hans Steiner (s. u.).
* Gerade darin trat jetzt ein Wandel ein: Eva Christina (gest. 1575 J
ist noch reich und sorgfaltig bemalt, Seniors Stuttgarter Ahnenreihe and
Jelins Werke nicht mehr.
3 L. R. 1573/74, S. 345.
— 49 —
fur die Ausfuhrung des Denkmals in Holz Leonhard Baumhauer
empfohlen, ein letzter Beweis seines Wohlwollens fur den hart
mit der Not ringenden Tubinger Meister ! . Ob Ruttel, der mit
Baumhauer gut bekannt war, diesen Vorschlag unterstutzte,
wissen wir nicht.
Im April 1575 liegen verschiedene Visierungen vor — sie
sind nicht erhalten — , deren <letzte» zur Ausfuhrung bestimmt
wird (Urk. Nr. 0). Zunachst soil aber bei «dem> Form-
schneider naeh den Kosten des Gusses fur dieses Modell ge-
fragt werden.
Nun tritt wieder eine Stoekung von einem Jahr ein, deren
Grunde uns nicht mehr durehsichtig sind. Ueber alles, was
dann von Mai 1576 bis Dezember 1577 geschah, sind wir gut
unterrichtet : Ruttel, der die Verhandlungen meist zu fiihren
hatte, und an dem Werk wohl auch personlichen Anteil nahm,
hat als Archivar nicht nur die Briefe in dieser Sache aufbewahrt,
sondern sie auch durch Notizen erganzt, die auf einer Reihe
loser Zettel und Umschlage zwischen den Akten verstreut liegen.
Als der Plan von Osiander und Ruttel zum BeschluB er-
hoben wurde, handelte es sich zunachst um die Frage,
welchem B i 1 d h a u e r die Herstellung des GuBmodells
zu iibertragen sei. Baumhauer wollte man nicht, jedenfalls,
weil seine letzte Arbeit, das Denkmal fur Herzogin Anna Maria,
zu mancherlei Tadel AnlaB gegeben hatte. Jelin war dem Hof
noch nicht bekannt. An Schlor hat man sich wohl gewendet;
wenigstens glaube ich eine Notiz der L. R. hierher ziehen zu
dftrfen, nach der er im Rechnungsjahr 1576/77 einmal von
Hall nach Stuttgart zitiert wurde *. Aber sei es, daB er iiber-
haupt ablehnte, in Holz zu arbeiten — man kennt keine Holz-
plastik von ihm — , sei es, daB er damals schon an den 4 Fi-
guren beschaftigt war, die die Tore «am Rennplatz im Tiier-
gartenn> schmucken sollten * und diese Arbeit erst beendigen
1 Vgl. Wintterlins Abhandlung (in der €Festschrift zur vierten Sa-
knlarfeier der Universitat. 1877) S. 34, 38 und besonders S. 49 den Brief
an Battel.
* L. R. 76—77, S. 300: «Dem Bildhaucr von Hall alheer und wider
anheimsch 1. Z. — — — 4 Gulden*.
3 L. R. 77/78, S. 356.
D. 4
— 50 -
muBte, es kam zu keinem Auftrag an ihn. Da wendet sich
der Herzog mundlich an einen seiner Rate um Nachforschung
nach einem auswartigen Meister. Dieser Rat war der Jurist
Dr. Georg Gadner, der seine zeichnerische Begabung auch zu
kiinstlerischen Versuchen , neben seinen wissenschaftlichen
Leistungen, nutzbar machte l . Fiir unser Denkmal hat er einen
Entwurf geliefert und auf einen Bildhauer aufmerksam gemacht.
Freilich wird es sich bei ersterem wohl mehr um eine An-
deutung als um eine im einzelnen ausgearbeitete Vorlage fiir
den Bildhauer gehandelt haben. Denn allerdings wird die
Visierung, die dem ausfuhrenden Kunstler vorgelegt werden
sollte, ausdriicklich als sein Werk bezeichnet. Andererseits ist
aber auch bezeugt, daB er kurz vorher, ohne Vorwissen des
Herzogs, den Hofmaler Steiner mit der Anfertigung einer <kleinen
Visierung> zu dem Denkmal beauftragt hatte. (Urk. Nr. 12,
Bescheid, verglichen mit Urk. Nr. 7.) Auf alle Falle ist fest-
zuhalten, daB durch diese Visierungen, wie sich beim Sabina-
Denkmal verfolgen laBt, der Bildhauer sich keineswegs im
einzelnen gebunden erachtete.
Was die weitere Tatigkeit Gadners betrifft, so nahm er
zunachst an einer programmatischen Vorbesprechung teil, die
am 12. Juni 1576 in Stuttgart gehalten wurde (Urk. Nr. 7).
Zu ihr waren auBer den Raten Osiander, Gadner, Riittel, Bal-
thasar Moser, einige Beamte des Eisenbergwerks in Heidenheim
berufen worden, vor allera Michael Thauer, der (nach L. R.
63—64, S. 427) «Faktor der Ysinschmidtin» und auch nach
andern Stellen zweifellos kein Kunstler, sondern Verwalter
jener Anstalt war : ferner ein in Heidenheim angestellter Fonii-
schneider und ein GieBer: von den beiden letzteren ist weder
ihr Name, noch ihre tatsachliche Teilnahme bezeugt.
1 Dr. jar. Georg; Gadner, aus Landshut. stand funfzig Jahre
lang (1555— HUXi) als Rat und Oberrat im Dienst der wurtteinbergischen
Herzoge Seine Hanptverdienbte liegen auf dem Gebiet des Bergbaus und
der Landesverraessung; vgl. WurtL Jahrbucher 189H, 40. Ueber seine
Teilnahme an der Aussohmuckung des groBen Saals im Lusthaus vg-L
Ohnesorge, WendeK Dietterlein (18H3 . S. loflf. Die Tubinger Matrikel {ed.
Hermelink Bd. I, S. 322) hat folgenden Vermerk:
1545* Georgius Gadtner ex Landshuta Bavariae studens Ingolstadtensis.
^. September .
— 51 —
Nach dieser Beratung, deren Ergebnis war, dafi das Monu-
ment in 5 Stucken gegossen werden solle, hat Dr. Gadner die
Xachfrage aufgenommen nach einem Kunstler, der sowohl in
Holz als auch in Stein arbeiten konne, oflenbar weil man sich
ooch nicht binden wollte. Am 26. .lull berichtet er dem Her-
zog, er habe sich in Augsburg nach dem Ruf des Steinmetzen
und Bildhauers Paullus Mair 1 erkundigt und diesen nach
siultgart bestellt, wo er nachster Tage ankommen werde.
Gleichzeitig legt er ein Schreiben des Fuggerischen Rent-
meisters Michael Geitzkofler* vor, das den Meister empfiehlt,
der <fuer andre alhie berhiiembt> sei, freilich nicht ohne voran-
zuschicken, da8 Augsburg im Augenblick keinen «trefflichen
Bildhauer* besitze.
Am Sonntag, 29. Juli 1576, kam Paul Mair in der Tat in
MuUgart an. Das Ergebnis seines sechstagigen Aufenthalts liegt
in seinem eigenhandigen Gutachten und Kosteniiberschlag bei
den Akten (Urk. Nr. 13). Darnach fordert er fiir die Her-
^ellung des Holzmodells, und zwar cbesser als die Visierung*
i:U) Gulden, und meint, das Denkmal muBte 11:5,4 Schuh
m<*!i?en (= 3,14 : 1,54 m).
Beim Giefien ist er unbedingt fiir MessingguB: es sieht
vornehmer aus und das Monument wird lei.chter (etwa 4 1 /* Ztr.).
Ei<en dagegen kommt beim GieBen nicht scharf heraus, latit
1 So schreibt Mair sich selbst.
t Michael Geitzkofler hattc als oberster Finanzbeamter des
irotken deutschen Kunstmacens der Zcit. des Hans Fugger. fortwahrend
nut Kunstlern xu tun. Sein Urteil fallt unter alien Umstanden ins Gewicht.
«»adners Bexiehangen xa Hans Fngger and damit wohl auch xu Geit/.kofler
r^heu mindestens bis 1573 zariick. (Ygl. Lill. Hans Fugger and die Knnst
U«*m. S. 158). Andererseits erscheint Geitzkofler, der offenbar privatim
fielfach Bestellnngen aaf auslandische Waren vermittelte in den warttem-
^ririschen L R. sicher bis 101)8/1)9.
Leber Geitxkoflers Familie and ihre Bexiehangen xu Kanst and Kunst-
r^werbe hat neaerdings Sitte (Stadien xur deutschen Kanstgeschichte.
Heft 101. Straliburg 1908) eine Reihe von Regesten aus Ludwigsburger
Areaivalien veroffentlicht. Auf Michael haben sie wenig Bexug ; Mair wird
licit erwahnt Ieh hebe folgende Angaben heraus:
1. Nach S. 51. errichten die Gebruder Geitxkofler im Jahr 157(5 ihren
Htem in der Pfarrkirche zu Sterzing ein Epitaph, das aber beim Guft
t^ilmeise mi Or at, and in Augsburg ausgebessert werden mufl.
2. Nach S. 37 lebt der «alte Herr Michael Geitzkofler* wohl noch
WW.
- 52 —
sich nicht schneiden, auch nicht hohl herstellen, so da6 das
Denkmal auf 10 Ztr. kame 1 .
Dieser Ueberschlag ging am 4. August mit einem Gut-
achten der Rate von Zulnhardt, Moser und Ruttel an den Herzog
ab. Sie erkennen an, dafi MessingguB am schonsten ware.
Bei den hohen Kosten (400 Gulden fur jedes Denkmal) ist es
aber zu empfehlen, daB zunachst, ehe man zwei * Probemonu-
mente bestellt, bei Ulmer, Niirnberger und Nordlinger Bild-
hauern nochmals Erkundigungen nach dem billigsten Verfahren
eingezogen werden. Uebrigens konnte die genannte Summe
sich noch verringern, da der (neben Drelsch) beigezogene
BuchsengieBer Friedrich (KeBler) sich getrauen wurde, den
GuB im Stuttgarter Zeughaus vorzunehmen.
Der Herzog wendet sich daraufhin nochmals an Osiander,
dessen Antwort vom 7. August auch erhalten ist (Urk. Nr. 16).
Ohne sachlich Neues vorzubringen, bleibt der Hofprediger bei
seiner Empfehlung eines Eisengusses. Der Herzog in seinem
Bescheid vom 9. August stimmt ihm bei, befiehlt jedoch, dem
Vorschlag der Rate folgend, daB iiber die Frage, ob ein Eisen-
guB in Teilstiicken moglich ist, ein technisches Gutachten aus
Niirnberg, Ulm oder Nordlingen einzuholen sei; bis dieses ein-
komme, konnte der EJildhauer mit den Holzmodellen fertig sein T
Dem Paul Mair soil der Auftrag erteilt
werden, die Denkmaler fur Ulrich den Vielge-
1 i e b t e n und Graf Heinrich von Mompelgard
in je funf Stucken zu «schneiden oder hawen* (Urk. Nr. 16,
Bescheid).
Es scheint jedoch, daB die Uebermittlung des Auftrags
nicht oder jedenfalls nicht in bestimmter und endgultiger Form
geschah. Denn vom September 1576 an bittet Mair in einer
Heihe von beweglichen Briefen an Ruttel (Urk. Nr. 17 f., 21 ff.)
i Das Gewicht spielt eine Rolle vor allem wegen des Transports.
2 Acfier Graf Heinrich wird hier noch sein Vater. Ulrich der Viel-
geliebLc. ^enannt, dessen Denkmal ganz zerstort war. Auch Mairs schlieB-
licher Auftrag lautet auf zwei Denkmaler. Er seibst war es, der am 17.
Marz 1577 in einem Brief an Ruttel (Urk. Nr. 24 1 auBerte. man sollte es
zunachst mit einem Probestiick versuchen. Da er nun nach Ablieferang
dieses einen gleich abgelohnt wurde, so ist das zweite Holzmodell sicher
nicht ausgeftihrt worden.
— 53 -
um genauere Weisungen ; er empfangt aber zunachst bloB
miindliche und offenbar ungenugende Auskunft. Mair, der ja
auch von Augsburg aus nicht gerade glanzend empfohlen war,
hat bei seiner Anwesenheit in Stuttgart bei den Beamten eine
etwas kuhle Aufnahme gefunden '. In seiner Angst, der halb
zugesagte Auftrag mochte ihm wieder entgehen und offenbar
nicht daruber unterrichtet, welch bestimmter Befehl vom Herzog
schon vorlag 2 , schreibt er Brief um Brief, und wendet sich
schlfefilich in einer besonderen Eingabe an den Herzog selbst.
Das geschah am 1. Marz 1577, und erst im Lauf dieses Monats
erhielt er die endgiiltige Zusage, dafi er das Heinrich-Epitaph
in Holz ausfiihren durfe (Urk. Nr. 24). Ende April — die
Stuttgarter Behorden ubersturzen sich nicht — sendet Ruttel die
endgultige Visierung samt einem Brief nach Augsburg. Ueber-
bringer ist der Goldschmied Hans Raiser 1 , der offenbar mit
einer Art kunstleriseher Oberaufsicht fiber die Arbeit betraut
worden war. Noch im April hatte, wie Ruttels Notizen (Urk.
Nr. 26, 27) zeigen, der ungeduldig gewordene Herzog zweimal
auf Erfedigung der Sache gedrungen.
Wer das eigentliche Hindernis bildete, ist ungewiB. Ruttel
wohl nicht. Aber vielleicht der EntschluB des Fursten beim
EisenguB zu verharren, der im November 157(5 gefaBt zu sein
scheint (Urk. Nr. 20). Da Mair fur den Fall eines Eisengusses
die Herstellung des Monuments in einzelnen Stucken fur aus-
geschlossen erklarl hatte, so sandte man Balthasar Moser nach
1 Wie sehr Mair dem Wohlwollen der Rate raifltrautc, erhellt be
sondcrs aus Ruttels Bericht vom 5. December 1577. Urk. Nr. 3*.
* Der Bescheid vom 9. August. Urk. Nr. 16, Bescheid. Freilich hat
dieser die Kammerrate nicht abgehalten mit einem Ulmer Meister zu unter-
handeln.
» Hans Raiser von Augsburg hat seit 1562 iiber ;U Jahre lang
den wiirttembergischen Hof regelmaiiig mehrmals im Jahr besucht und
eine unabsehbare Reihe von Werken der Kleinkunst. vor allem silberne
vergoldete Becher, (die etwa die Stellc der heutigen Ordcn einnehmen,) hier
abgesetzt. Die L. R. bieten von seiner und seiner Konkurrenten Tatigkeit
ein interessantes Bild: nicht nur ist die Hohe der umgesetzten Betrage
im Vergleich zu alien andern Ausgaben fur Kunst gcradczu erstaunlich,
sondern es zeigt sich auch. daft bis gegen das Ende des Jahrhunderts
Augsburg die fast ausschliefiiiche Bezugsquelle fur Werke der Goldschmiede-
kunst inicht fiir Medaillen) gewesen ist, bis dann langsam stuttgarter wie
Altermann, und Frankentaler Juweliere wie Gottfried Cohorst neben den
Augsburgern Boden gewinncn.
— 54 ■ —
Ulm, nieht um noch eine Meinung dariiber zu h8ren, sondern
urn einen andern Formschneider zu gewinnen und mit dessen
Angebot auf Mair einen Druck auszuuben. Die Summe, die
der Ulmer Meister nannte, erschien aber den Platen so hoeh,
daB die ganze Angelegenheit zunachst wieder liegen blieb (Urk.
Nr. 20, SchluB) : man hoffte vielleicht, der Herzog werde auf
den kostspieligen Plan, dessen Gelingen unsicher war, nicht mehr
zuriickkommen und die Sache so in aller Stille einschlafen.
•
Bei Gelegenheit der Sen dung Mosers nach Ulm horen wir,
daiJ inzwischen auch ein Kart on fur das Werk hergestellt
worden war. Der Urheber ist wieder der Hofmaler Steiner,
Wie der dritte Posten seiner am 23. Oktober 1576 prasentierten
Rechnung zeigt. Seine «Prinzipal-Visierung> hat genau die
von Ruttel genannten MaBe: 10 : 6 Schuh ( = 2,86 : 1,72 m f .
Trotzdem wurde an dem Plan noch geandert : Steiner hatte
naehher nochmals eine Visierung in kleinem Format zu zeichnen,
die, wenn ich den schwierigen Text richtig deute, der Be-
kronung, die vorher Rollwerkformen aufwies, etwn die Gestalt
gab, die die Ausfiihrung heute zeigt !vierter Posten der Rech-
nung: Urk. Nr. 19).
Geschnitzt wurde das Modell in der Zeit von Mai bis No-
vember 1577 (Urk. Nr. 28;. Nach allerlei Verhandlungen wegen
des Transports (Urk. Nr. 28 ff.), bei denen Raiser die Haupt-
rolle spielt, wird die «geschnittene Form*, etwa 4 1 /* Ztr.
schwer, von Mair selbst nach Stuttgart begleitet. Am 4. De-
zember traf er ein, am 12. richtet Meister Balthasar Kretzmaier
das Modell im Gemach des Herzogs auf; am 13. wird ein
GieBer aus Heidenheim bestellt; aber schon am 14. — es ist
als wollte man Mair loshaben — ergeht der Befehl mit dem
Augsburger abzurechnen; am 15. — dem Sonntag ■■ verhandeln
der Obervogt von Stuttgart und Ruttel mit ihm, und am 16.
wird die Landschreiberei angewiesen, die verabredete Summe
— man einigte sich auf 194 Gulden 15 Kreuzer — auszu-
zahlen, was am 17. geschah s .
i Vgl. Urk. Nr. 19 mit Nr. 20. Mair hatte 11 : 5,4 Schuh vorge-
schlagen {Urk. Nr. 13).
* Vgl. Urk. Nr. 33 mit L. R. 77/78. S. 345 (Urk. III). Die Uifferenz
mit dem urspninglich verlangten Preis von 130 Gulden erklart sich wohl
— 55 -
Am selben Tag erschien der GieBer Gilg Hesser aus K6-
nigsbronn. Ob er noch mit Mair verhandelte, wissen wir nichi.
Wahrscheinlich ist es nicht. Unsere Akten gehen hier zu Ende.
Wir horen noch, daB der GieBer sich beschwert, ein Teil des
Korpers sei fur den GuB zu tief geschnitten, daB Ruttel be-
furchtet, die bereits getroffenen Anstalten zum Abformen des
Bildwerks mochten vergeblich sein; wir horen, daB der Biichsen-
gieBer Kessler die Visierung im Zeughaus aufbewahrt — weiteres
nachzutragen hat der Registrator ofTenbar keine Zeit mehr ge-
funden.
Aber es ist nicht allzuschwer, die Lucke auszufiillen. Die
Beamten, die den Herzog berieten, hatten, wie an Mair selbst,
so auch an dem ganzen Plan einer gegossenen Epitaphienreihe
keine Freude mehr. Ob Ruttel und Osiander, die Verfasser
des Gutachtens vom 7. Marz 1575, umgestimmt oder iiber-
stimmt oder gar nicht mehr gefragt wurden, ist unbekannt: es
andert nichts an der Tatsache, daB der Herzog kurz nach Mairs
zweitem Stuttgarter Aufenthalt (Uezember 1577) anderen Sinnes
wurde. Die von Mair gewiinschte personliche Begegnung mit ihm
(Urk. Nr. 32) hatte nicht stattgefunden, technische Bedenken
waren nicht zu leugnen ; so fiel es dem Beamten offenbar
leicht, den Augsburger endgiiltig abzuschieben, und die Aus-
fuhrung der Denkmaler in Stein durchzusetzen.
Wann man sich dazu entschloB, ist keineswegs so ungewiB
wie Max Bach (a. a. 0.) angenommen hat, vielmehr geben auch
hier die L. R. weit genauere Auskunft, als die diirftige Notiz
in der Stadldirektions-Beschreibung vermulen laBt. Im Jahr
1578/79, also vor Georgii 1579, erhalt Sem Schlor, der Bild-
hauer von Hall, fur das von ihm verfertigte Epitaph Graf Hein-
richs von Wurttemberg 200 Gulden 1 . Man kann also mit
Sicherheit annehmen, daB der neue Plan im .lahr 1578, sehr
daraus, daB der endgultige Plan des Epitaphs prachtiger war, als die 1576
zugrnnde gelegte Skizze. Fiir den Keisekostenersatz ist sie sicher zu hoch.
Vgl. auch Urk. Nr. 34. Der dort mitgeteilte Kostenzettel iiber Mairs Schuld
beim Sonnenwirt Steckh beweist ebenfalls die Kiirze seines Aufenthalts in
Stuttgart.
1 L. R. 78/<9, S. 359. Die samtlichen Notizen uber Schlor sind Urk.
Abschnitt III zusammengestellt.
— 56 —
bald nach Mairs Abfertigung, gefafit worden ist. Dafi man b-chlor
gleich anfangs die ganze Denkmalreihe in Auftrag gegeben hatte,
ist mir nicht wahrscheinlich. Es scheint nach den Ausdrucken
der L. R., als habe auch bei ihm der Graf Heinrich und viel-
leicht noch das zweite Monument als Probestuck gegolten.
Merkwiirdig ist, dafi Schlor nach einer eigenen spateren
Aussage 1 die samtlichen elf Epitaphien in seiner Werkstatt in
Hall 2 ausgefuhrt und auf seine Kosten nach Stuttgart hat trans-
portieren lassen. Die Tatsache, dafi er seit 1577 aus den
Haller Kirchenbuchern auf zehn Jahre verschwindet 3 , darf also
nicht mit einer zehnjahrigen Abwesenheit erklart werden; erst
in den 80 er Jahren fuhrten ihn neue Auftrage auf langere Zeit
in die wiirUembergische Hauptstadt.
Schlor begann also seine A h neu reihe in Slei n
im Jahr 1578 und zwar begann er die Arbeit bei dem jiing-
sten Glied, Grat Heinrich igcst. 1519). Das spateste Denkmal,
Graf Ulrich der Stifter ^gest. 1265), fiillt ins Jahr 1583 oder 84.
Mairs Holzmodcll, das bei dem Sdilorschen Heinrichepilaph
noch als Vorlage gedient hatte, inutile verschwinden: es war
in Stuttgart vollig entbehrlich ge worden. Man hat es da her
— wann weifi ich noch nicht anzugeben — in Urach aufge-
stellt, dem Ort, wo der Dargestellte 29 Jahre lang gelebt hatte,
und wo er gestorben war.
So kommt es, dafi wir im Goldenen Saa)
des Uracher Schlosses ein lindenholz-
geschnitztes Epitaph finden, das aus f n f
Stucken besteht, keine Spuren von Be-
malung aufweist, und in den Formen des
spateren i(>. Jahrhunderts einen schon 1519
gestorbenen, nie zur Regierung gelangten
Agnaten des Ha uses VV ur Itemize rg verherrlicht 1 .
1 Undatierter Brief an Oswald Gabelkhover. St. A.i Inhaltsangabe
bei Klemm, Vjh. 1882, S. i48
2 Ebenso friihere Arbeiten fur Stuttgart. Vgt. Urk. Abschnitt III.
3 Bossert im Schwab. Merkur 1882, S. 105. 14 J.
4 Durch die vorstehende Zuschreibung erledigen sich die Ausfiihrungen
von Schumann (Uracher O./A. Bcschr. S. 600) und Liibke (Geschichte der
deutschen Renaissance I, 82) von selbst.
VI.
DER BILDHAUER PAUL MAIR VON AUGSBURG.
So interessant der Versuch ist, die Augsburger Kunst, die
langst die Bedurfnisse des Hofes an Werken der Kleinplastik
befriedigte, auoh mil monumentalen Aufgaben zu betrauen, so
bezeichnend ist sein Scheitern. Die Ursache ist nieht in irgend
welchen Intriguen einheimischer Kiinstler, sondern schlieBlich
in deni Umstand zu suchen, daB Augsburg damals auf diesem
Gebiet schon nieht mehr konkurrenzfahig war 1 . Ich ha be mit
Absichl hervorgehoben, daB Mair bei den wiirttembergischen
Beamten kein groBes Entgegenkommen fand*. Es ist riotig
hinzuzufiigen, daB seine uns bekannten Werke diese Haltung
rechtfertigen. Die einheimischen Meister, Schlor vor allem, so
wenig man sie iiberschatzen darf, haben an Begabung und an
technischem Konnen den Augsburger doch iibertroffen. So
darf man mit Recht fragen: wie kam man gerade auf diesen
Kiinstler?
Es ist nieht Michael Geitzkofler, der zuerst auf ihn auf-
merksam machte. Gadners Brief an diesen fragte nieht nach
einem Kiinstler uberhaupt, sondern eben nach diesem be-
1 Dabei denke ioh selbstverstandlich nieht an die dort arbeitenden
Auslander, sondern an die bodenstandige Augsburger Schule.
* Bezeichnend nach verschiedenen Richtnngen ist Mairs Absicht, Ruttel
auch ein Werk mitzubringen. das er ihm personlich schenken mocbte. Vgl.
seine Briefe vom 1. und 17. Mara 1577, wo er sein schon miindlich gege-
benes Versprechen erneuert.
— 58 —
stimmten. Mairs eigene Aussagen fuhren uns auf den richtigen
Weg. In dem Bestreben, seine Vielseitigkeit ins rechte Licht
zu setzen, erwahnt er mehrmals (Urk. Nr. 17, 22), er wurde
gerade so gem ein Denktnal aus Marmor anfertigen; erst ktirz-
lich habe er dem Junker Hans Wolf von Stammheim eines
geliefert. Dieses Denktnal, an dem Mair noch im Juni 1576
gearbeitet hat (Urk. Nr. 17), ist uns erhalten. Es befindet sich
nichl weit von Stuttgart, in der Kirche zu Geisingen 0. A.
Ludwigsburg f und ho.ch*t wahrscheinlich ist es diejenige Ar-
beit, die Dr. Gadner auf den Gedanken gebracht hat, den
Kunstler fur die herzoglichen Grabdenkmaler zu gewinnen.
Die Beschaftigung des Augsburger Meisters so fern von
seiner Heimat bliebe damit noch immer unaufgeklart : allein
seine Spur laBt sich von Geisingen aus weiter zurijpkverfolgen.
Das Doppelepitaph dort stellt dar den Hans von Stammheim
zu Stammheim und Geisingen, cKrichshauptmann und des
schwabischen Krais obrister locotenent> gestorben 1575 am
Sebastianstag (Jan. 20) und seine Frau Ursula, geb. Sehertlin
von Burtenbach, gestorben 0. November 1569. Hans von Stamm-
heim war der Schwiegersohn des weit beruhmten Feldherrn
Sebastian Sehertlin von Burtenbach, der, ein geborener Schorn-
dorfer, im Jahr 1531 in Augsburger Dienste getreten und 1532
den Markt Burtenbach- erworben hatte, wo er zwischen seinen
Kriegen als Landedelmann lebte. Der SchluB lag nicht feme,
Paul Mair habe am Ende fur Sebastian Sehertlin gearbeitet und
sei von daher dem Herrn von Stammheim bekannt geworden.
Der Augenschein in der Kirche zu Burtenbach hat meine Ver-
mutung bestatgt. Nicht ein Gedenkstein steht dort, wieDehio* 4
auf Grund der ganz ungenauen Beschreibung bei Steiohele-
Schroder angibt, sondern 3 grofie Marmorepitaphien '. Das
mittlere stellt den Feldherrn selbst dar (gest. 1577 Nov. 18 ,
das rechts hat er seinem Sohn Johann Philipp (1531— 1568
1 Nordwand des Chors.
* Burtenbach liegt an der Mindel eine Stunde oberhalb Jettingen ;
ca. 40 Kilometer westlich von Augsburg.
3 Handbuch Bd. Ill, S. 83.
4 Chornordwand. An der Sudwand ein spateres Denkmal aus der Zeit
des dreifligjahrigen Krieges.
- 59 —
errichten lassen, das links ist dem alteren Sohn Johann Se-
bastian (1523—1500) gewidmet 1 . Das erste und zweite Uenk-
mal diirfen dem Stil naeh mit Sicherheit dem Paul Mair zuge-
schrieben werden, die Autorschaft des dritten mufi unent-
schieden bleiben, bis es gelungen sein wird, Werke aus der
spateren Zeit des Meisters festzustellen, oder urkundliche Be-
lege beizubringen.
Die Besprechung darf bei dem Monument des jiingeren
Sohns beginnen, als dem friihesten Werk Mairs, das sich zur
Zeit auffinden lieB-. — Wir haben es zu tun mit einem reinen
Wandepitaph, das auf volutenartigen Konsolen ruht. Zwischen
ihnen befindet sich die eine Inschriftplatte. Das llauptgeschoB,
das sich daruber erhebt, enthalt die Figur des jungen Ritters
in ziemlich flachem Relief. Die Hintergrundplatte ist als Nische
von sehr geringer Tiefe gebildet, die tlankierenden Pilaster nur
mit ganz einfachen Eintiefungen belebt, die in der Mitte durch
einen Kreis unterbrochen und oben und unten mit einem Halb-
kreis abgeschlossen werden Das Gebalk uber der Figur tragt
eine zweite Inschrift, auf seiner Verkropfung oberhalb der
1 Ueber Sebastian Schertlin vgl. vor allem seine eigene Lebens-
beschreibung. Ich zitiere sie in der Ansgabe von Schonhuth (1858) und
stelle die Lebensdateu der beiden Sohne, die weniger bekannt sind. kurz
znsammen:
1. der jiingere. Johann Philipp. geb. 29. April 1631, diente unter
Herzog Alba in den Niedertanden und tiel vor Maastricht in einem Gefecht
gegen Wilhelm von Oranien am 25. April 156S. Er «studiert» in Tiibingen
1543 (Matrikel I, 312: Philippus Schertlin a Bnrtenbach : 6. August). Seine
Hochzeit (1560 Juni 16) hat der Vater. wie immer mit genauen Angaben
iiber die Kosten, Lebensb. S. 118 beschrieben.
"2. der altere. Johann Sebastian, kaiserlicher Oberst, geb. in Konstanz,
der Heimat der Mutter. (1523 Juli 6), cstudiert* in Lausanne ir»34, Tii-
bingen 1537. Toul 1539, Orleans 1540, war dann ebenfalls Soldat und diente
in vielen Feldzugen, zum Teil nnter seinem Vater. Voriibergehend schon
seit 1555. dauernd seit 1567 stand er in augsburgischen Diensten. Als
einzig uberlebender Sohn trat er nach seines Vaters Tod die Herrschaft
Bnrtenbach an. Er ist der Besteller des Marmordenkmals fur seinen Vater
(Lebensb. S. 175). Als 1588 mit seinem Neffen Hans Wolf von Stammhciin
dies letztere Geschlecht ausstarb, kamen mit ihm die Schertlin ai\ch in den
Besitz von Geisingen. halb Beihingen, Heutingsheim und halb Stammheim.
Hans Sebastian starb 1596 Marz 11.
Quelle : Lebensbeschreibung an verschiedenen Orten.
2 Die Inschriften sind abgedruckt bei Herberger. Sebastian Schertlin
von Bnrtenbach und seine an die Stadt Augsburg gerichteten Briefe. Augs-
burg 1852, S. CXXV.
— 60 —
Pilaster ist je ein Wappen angebracht. Die Itekronung bildet
ein einfacher flacher Dreiecksgiebel. Die Figur, die das Ge-
sicht emporwendet, fallt auf durch das Zusammengedruckte,
Unfreie in ihrer Haltung. Es fehlt ihr der Eindruck wirklichen
Stehens, sie klebt am Hintergrund. Die Einzelheiten des reich
ornamentierten Panzers sind sorgfaltig, kleinlich, ohne Blick
furs Ganze gearbeitet.
Das Denkmal des Feldherrn selber ist dekorativ kein iibler
VVurf. Der Aufbau ist. ganz einfacb, aber gelungen und nicht
obne Vornehmheit. Er fallt nicht wie bei so vielen prachtigeren
Grabmalern der Zeit in seine Teile auseinander. — Die Ver-
bindung des Wandepitaphs mit dem Erdboden ist hier wie
manchmal durch ein Sockelglied hergestellt, das absichtlich
ganz glatt behauen ist und aus anderem Material besteht: es
soli fur den Gesamteindruck nicht mitsprechen. Erst fiber ihm
beginnt der Aufbau mit einem inschriftgezierten Sockel. Die
Stelle der Pilaster vertreten eigentumliche Trager, deren Stirn-
flaclie oben und unten sich zu einer flachgedruckten Volute
aufrollt. Dieselbe ist vorne schuppenformig behandelt und oben
mit einem gefliigelten Engelskopl geziert. Das Mittelstiick
zwischen beiden Voluten zeigt drei senkrechte Kanellierungen
und zwei Reihen von je drei llalbkugeln. Das Gebalk uber der
Figur triigt eine zweite Inschrift. hen oberen AbschluB bildet ein
flacher Blendbogen, in dessen Fulluug das Schertlinsche Wappen
angebracht ist. Es ist das einzige an diesem Epitaph : die sonst
so beliebte Ahnenprobe fehlt, da Sebastian neu geadelt war.
Der Eindruck der Figur ist besonders beim ersten
Anblick schlimm. Gewifi ist eine starke auBerliche Portrat-
ahnlichkeit beabsichtigt. Wir sehen einen alten Mann mit
kahlem Schadel, groBen Augenoflhungen, vortretenden Backen-
knochcn und Stumpfnase. Ein langer Vollbart umrahmt das
Gesicht, diinne Lippen bilden den etwas geoffneten Mund. Alle
diese Zuge mag Sebastian, der ein Alter von 82 Jahren er-
reichte, in seiner letzten Zeit besessen haben 1 . Aber die Art,
1 Das Bildnis im Anjrsburgcr Alaximiliansmuseum ebenso wie das
kleine Stifterportrat anf dem Altarblatt der Burtenbacher Kirche stellen
freilich selbst die Portratahnlichkeit in Frage.
— 61 —
wie sie wiedergegeben sind, isl erschreckend stumpf und derb.
Da8 der Mann geistig etwas bedeutet, ist kaum zu sehen. —
Auch diese Pigur kommt vom Hintergrund nicht lus. Das tritt
besonders stark hervor, sobald man sie etwas von der Seite
betrachlet. Es wird dann ganz deutlich, daB der Eindruck des
Unbedeutenden, Befangenen, Handwerkliehen wesentlich dadurch
mitbestimmt ist, daB der Meister mindestens in jenen Jahren
noch nicht im Stand war, den figuralen Reliefstil zu handhaben.
Diirfte man annehmen, daB Mair auch der Verfertiger des
dritten Epitaphs ist, das den 1696 gestorbenen
Johann Sebastian Schertlin darstellt, so hatte
der Kunstler in der Darstellung des Figurlichen in der Folge-
zeit groBe Fortschritte gemacht. Die Nische ist hier so tref,
daB der FuB des Dargestellten wirklich Platz zum Stehen hat
und nicht, wie bei Sebastian, infolge miBgliickter perspek-
tivischer Dargestellung des FuBbodens, das peinliche Uefuhl ent-
steht, die Figur miisse ins Rutschen kommen. — Die Kopf-
haltung ist naturlich und energiseh, die Brust zwar noch immer
etwas zusammengedriickt ; aber der Mann erscheint gegenuber
den beiden andern doch weit gelenkiger und aktionsfahiger.
Die Details des Panzers, der naturgemaB etw T as spatere Formen
aufweist, sind besser untergeordnet *. — Der Aufbau freilich
ist hier ziemlich gesucht und verkunslelt. Die Pilaster des
auf Konsolen ruhenden Wandepitaphs schlieBen in Brusthohe
der Figur mit einem Kapitell ab; auf diesem sitzt dann eine
unformliche doppelt eingerollte Volutkonsole, often bar weil die
geplante Bekronung fur die dunnen Pilaster zu schwer erschien.
Diese selbst besteht aus stark ausladendem Gebalk, uber dem sich
eine kleine Tafel, bekront von einem Dreiecksgiebel und flankiert
von zwei Voluten, erhebt. Das Zusammengehen der oberen und
unteren Teile, das den Vorzug des Sebastian-Monuments bildet,
ist hier nicht erreicht. Sockel, Gebalk, Giebel und Inschrift-
tafeln ebenso wie die Zierfljichen an den Pilastern bestehen
aus roten in den gelblichen Marmor eingelassenen Flatten.
1 In dieser Hinsicht bedeutet auch bchon Sebastian einen Fortschritt
pegeniiber Hans Philipp, einem richtigen Werk der Kleinkunst in groBem
Format.
— 62 -
Das Material der Denkmaler zeigt, daB das Haus Schertlin
bei solchen Gelegenheiten etwas ausgeben wollte : die beiden
spateren Denkmaler sind ganz aus Marmor, bei dem des Hans
Philipp ist es. wenigstens die Figurenplatte, wahrend die Um-
rahmung aus Sartdstein besteht. Es macht ganz den Eindruck,
als habe man vor allem etwas recht Kostbares haben wollen.
Sebastian Schertlin hat also sicher im Jahre 1568 oder 69, als
er das Epitaph fur Hans Philipp herstellen liefi, auch in der
Wahl des Kiinstlers sich nicht von Rucksichten der Spar-
samkeit leiten lassen : wir werden annehmen diirfen, dafi er,
ohne eigenes kunstlerisches Interesse, den Auftrag dem Meister
gab, der ihm als der tiichtigste Augsburger empfohlen wurde.
Die Zeitbestimmung der einzelnen Denkmaler be-
gegnet keinen groBen Schwierigkeiten. Hans Philipp starb am
25. April 1568. Die Grabschrift sagt: moesti parentes et frater
pietatis ergo M. H. P. Es fallt also die Errichtung des Grab-
mals noch vor den am 22. April 1569 erfolgten Tod der
Mutter 1 , was ja auch aus allgemeinen Grunden wahrschein-
lich ist.
Das Monument Sebastians wurde wahrscheinlich unmittel-
bar nach dem Tod des Feldherrn (1577 Nov. 18; ausgeiuhrt.
Denn die von dem Sohn vollendete Lebensbeschreibung
berichtet, nachdem von dem Begrabnis die Rede war, fol-
gendes: «und ist ime zu gedechtnuB im chor uff der linkhen
hand der kirchen oder altars sein bildnuB herrlich in iiar-
melstain in die maur gesetzt und mit ainem herrlichen epi-
taphio oder grabschrift gesetzt* 2 . Der Auftrag konnte aber wohl
im Jahr vorher erteilt sein. Mair erwahnt in einem Brief an
Ruttel am 9. Oktober 1576 (Urk. Nr. 18), er habe gegenwartig
«noch ein furtreflliches Werkh* zu machen. Es ist naheliegend,
dafl Sebastian, der um Pfingsten schwer erkrankt war*, nach
seiner Genesung. als er seine Selbstbiographie abschloB, auch
derartige Dinge ins Auge gefaBt hat.
1 Lebensbeschreibung:, S. 157.
* Ebenda S. 175.
s Ebenda S. 170.
— 63 —
Auf jeden Fall muli das Marmordenkmal in Geisingen,
das Sebastians Tochter und Schwiegersohn gewidmet ist, fruher,
namlich in den Summer 1576 gesetzt werden 1 . Es kann kein
Zweifel sein, daii Mair in seinem Brief vom 5. September 1576
(Urk. Nr. 17) von diesem Doppelepitaph spricht. Denn es han-
delt sich urn die Frage, ob er nicht auch in Stuttgart ein Mar-
mordenkmal anfertigen solle. In Geisingen aber ist nirgends
auBer bei jenem Doppeldenkmal Marmor verwendet. Eine, iib-
rigens nicht allzu groBe Schwierigkeit ergibt sich nur daraus,
daB Mair die Sache so darstellt, er habe dieses Denkmal (wen
es darstellt, sagt er nicht), fiir Junker Hans Wolf von Stamm-
heim, den Sohn des Verstorbenen zu machen gehabt, wahrend
Sebastian Schertlin sich selbst als Auftraggeber und Stifter
nennt*.
Man konnte daher in Erwagung ziehen, ob in jenem Brief
Mairs nicht das Grabmal des Hans Wolf selbst gemeint sei.
Es ist ebenfalls erhalten, freilich in ruinosem Zustand 3 . Die
Herstellung durch Mair ist keineswegs ausgeschlossen, ich halte
sie sogar fiir wahrscheinlich ; aber abgesehen davon, daB es
aus Sandstein hergestellt ist, kann seine Ausfiihrung aus stili-
stischen und anderen 4 Grunden nicht ins Jahr 1576 gesetzt
werden.
Wir haben daher die zeitliche Reihenfolge der bisher
zu Tag gekommenen Arbeiten Mairs folgendermaBen zu be-
stimmen :
1 Die Zahl HDLXXVI findet sich auf dem Denkmal selbst am Gebalk.
- Lebensbeschreibung S. 168: «A. D. 1575 auf S. Sebastianstag starb
mein lieber Tochtermann Hanns von Stammheim . Ich hab jhm lassen
machen zu Geisingen in die Kirchen fiir sich und mein liebe Tochter Ur-
sula von Stammheim Epitaphia. zween schone Marmelgrabstein, costen 200
Gulden*.
Ueber Hans von Stammheim vgl. Lebensbeschreibung S. 21, *2, 118.
Die Heirat mit der 1521 Okt. 21 geborenen Ursula Schertlin fallt ins Jahr
1540 (Sept. 18.}. Auch Hans von Stammheim hat unter Sebastian gedient.
Das Verhaltnis beider scheint ein sehr herziiches gewesen zu sein. Ursulas
Tod (1569 Nov. 6.) s Lebensb. S. 157. Weder bei ihr noch bei seiner im
selben Jahr am 22. April verstorbenen Gattin (Barbara geb. von Steude) hat
Sebastian sofort an die Errichtung- eines Denkmals gedacht.
3 Nordostecke des Hauptschiffs, unter der Empore.
* Hans Wolf von Stammheim war damals hochstens 34 Jahre alt!
— 64 —
1. Hans Philipp Schertlin, gest. 1568 Anfertigung 1568—69
(Burtenbach. Kirche).
2. Hans von Stammheim, gest. 1575 Sommer 1576
Ursula geb. Schertlin gest. 1569
Doppelepitaph (Geisingen. Kirche).
3. Sebastian Schertlin, gest. 1577 . . . . zw. 1576 u.. 78.
(Burtenbach. Kirche).
4. Graf Heinrieh von Wiirttemberg, gest. 1519
(Urach. SchloJJ) Herbst 1577.
5. Hans Wolf von Stammheim, gest. 1588
(Geisingen. Kirche) ?
6. Hans Sebastian Schertlin, gest. 1596
(Burtenbach. Kirche) ?
(Nr. 5 und 6 konnen dem Meister noch nicht mit voller
Sicherheit zugesprochen werden.)
Was bei der Betrachtung des Geisinger Marmor-
d e n k m a 1 s (Nr. 2) zuerst in die Augen fallt, ist die geringe
Tiefe des Reliefs. Die zwei rechteckigen Marmortafeln, die
durch eine Sandsteinfassung verbunden und gerahmt sind,
konnen kaum mehr als 15 cm Dicke besessen haben. — Gehen
wir hier von den Figuren aus, so begegnen wir zunachst bei dem
Ritter demselben Bestreben, wie bei Hans Philipp, alle Einzel-
heiten der Verzierung des Harnischs nachzubilden. Die Arbeit
macht den Eindruck groBer Muhe, aber keineswegs virtuosen
Konnens. Dieser Eindruck wird verstarkt durch die Haltung
der Figur. Der Kopf zeigt einen Mangel, dem wir spater noch
einmal begegnen. Er blickt nach rechts 1 ; allein die rechte
Gesichtshiilfte vermag dieser Bewegung nicht zu folgen, sondern
stofit senkrecht auf den Hintergrund. Auch die Beine sind so
gestellt, daB die Figur sich stark nach der Mitte zu wenden
muBte. Aber diese Bewegung hatte keine Ansicht des Rumpfes
ebenfalls schrag von der Seite her, und damit auch ein starkeres
Relief notig gemacht. Das ging nicht an, sei es, weil die
Platte zu diinn war, sei es, wahrscheinlicher, weil der Meister
1 Rechts und links vom Beschaner.
— 65 -
sich nicht getraute, das Motiv durchfuhren zu konnen. So
hat er einfach den Korper wieder in die Frontstellung zuriick-
gedreht und erst im Kopf sein Bewegungsmotiv wieder aufge-
nommen. Daher kommt es, daB die Figur so holTnungslos zer-
driickt und verdreht erscheint und daB statt der Illusion des
Stehens eher die des hilflosen Han gens zu Stande kommt.
• Bei der Frau liegt der Fall ganz ahnlich. Man vergleiche
nur die Richtungsdivergenz der beiden Wangen unter sich und
mit dem Nasenriicken. Nur bleibt die unmogliche Drehung des
Korpers hier verborgen, weil die lang und steif herabziehenden
Parallelfalten des Gewandes, liber dem noch die ebenso platt
und bewegungslos behandelten Klagbander herabfuhren, dem
Beschauer keinen AufschluB uber die Lagerung der Korperteile
geben.
Von PortratmaBigkeit der Gesichter kann nur sehr bedingt
gesprochen werden. Das Haar und die Furchung der Stirn bei der
Ritterfigur sind so handwerksmaBig, daB kaum der Eindruck
des Lebendigen, geschweige denn der des Individuellen erzeugt
wird. Mag auf groBere Entfernungen und auf Abbildungen
die Frau besser, stilvoller wirken, naheres Hinsehen zeigt so-
fort, daB der geringe Raum oberhalb des Mundes, der dem
Bildhauer fur die Charakterisierung iibrig blieb, nicht ausgenutzt
worden ist.
Bei beiden Figuren sind die Pupillen des Auges bemalt;
bei der Riistung des Ritters zeigen sich Reste einer Vergoldung,
die urspriinglich alle Ornamente und alle begrenzenden Linien
der einzelnen Harnischteile hervorhob.
Die Sandste inumrahmung verdient in ihrer
fast klassizistisch anmutenden Einfachheit Beachtung. Sind es
auch nicht ganz dieselben Motive, wie in Burtenbach, so ist es
doch derselbe Sinn, der sie geschafTen hat: nichts von der
heiteren derben Dekorationsfreude eines Schlor, der mit
wenigen Motiven immer den Eindruck des Lebens an die Stelle
des Todes zu bannen vermag, sondern eine etwas steife und
langweilige Vornehmheit, die gewiB den richtigeni Zweck ver-
folgt, Ange und Sinn auf die Hauptsache, die Gestalt der Ver-
storbenen, zu lenken, und die nur gerade hier, wo das Figiir-
liche so wenig befriedigt, ihren Zweck nicht ganz erfiillt.
D. 5
- 66 —
Schon der (niarmorne) Blendbogen, in dem die Figuren
stehen und den sie, spatgotischer Sitte folgend, ofters iiber-
schneiden, ist im Profil von auBerster Schlichtheit. Er ist ein-
geetellt in einen rechteckigen Rahmen. Die oben entstehenden
Zwickel bleiben leer 1 .
Das Schema des Aufbaus ist das gewohnliche: Sockel, Pi-
laster, Gebalk, Bekronung. Die Stirnflache der Pilaster hat
statt der immer ofter hier auftretenden Wappen einfache im
unteren Drittel stabgefullte Kanneluren. Das Horizontalgesims
zeigt feine antikisierende Profilierung, das Giebelgesims ist in
der Mitte ausgebrochen und als Giebelspitze erscheint auf ein-
fachem Postament etwas klein und durftig das stammheimische
Wappen: das lebhafte Motiv ist zaghalt und befangen durch-
gefuhrt. Im Giebelfeld rechts und links vom Postament die
Wappen der Stammheim und der Schertlin.
Ueber das Denkmal Hans Wolfs von Stamm-
heim (Nr. 5), der als ubel beriichtigter 2 letzter SproB des
Hauses Stammheim 1588 starb, mag hier gleich das Notige
angefugt werden.
Das Denkmal zeigt sich traurig verstummelt. Nicht nur
ist die ganze Bekronung (beim Einziehen der Empore; einfach
weggeschlagen worden, sondern auch sonst hat der weiche
Sandstein vielfache Beschadigung erlitten.
Die F i g u r macht einen giinstigeren Eindruck als die
oben besprochenen. Die Arbeit, Halbrelief, geht starker in die
Tiefe. Der Ritter steht, durchaus en face, auf dem rechten
Bein, das linke ist etwas vorgesetzt. Fur den auch hier stark
zurucktretenden Kopf hat das zur Folge, dafi statt des unfreien
Klebens der Schein eines kraftigen Zuruckwerfens entsteht.
Die Gesichtszuge waren auch vor ihrer teilweisen Zerstorung
kein Meisterwerk ; in den Einzelheiten glaube ich Mairs freier
und sicher gewordene Hand zu erkennen. — DaB der Panzer,
der entsprechend der spateren Mode eine starkere Schneide
auf der Brust aufweist, so viel besser wirkt, ruhrt daher, daB
1 Die wirksame schwarze Bemalung des Hintergrunds ist modern.
* Sattler, Historische Beschreibung des Herzogium6 Wurttemberg II.
243.
— 67 -
die Verzierungen jetzt nur noch linear eingeritzt sind : das
Auge bekommt weniger, die Phantasie mehr zu tun. — Die
Hintergru ndsplatte ist fast ganz glatt. Nur oben
ragt rechts und links vom Kopf ein Vorhangstuck in sehr
flachem Relief herein ; offenbar suchte das Auge an dieser
Stelle, wo meist Engelkopfchen oder Bandornament die Zwickel
fiillen, irgend ein belebendes oder schmuckendes Element. —
Der S o c k e 1 zeigt eine Inschrifttafel in durchaus typischer
einfacher Rollwerkzier : Bandstreifen umfassen von hinten her
in regelmaBigen Abstanden den als aufgenagelten Stab gebil-
deten Rahmen, der an den Seiten horizontal durch einen
zweiten durchgesteckt erscheint. — Statt der Pilaster ist die
Figur von Saulen flankiert. Sie zeigen die in Wurttemberg in
diesem Zusammenhang vereinzelte ', bei Mair auch sonst vor-
kommende Kannelierung.
Gehen wir schliefilich zu dem Heinrich-Epitaph
im Uracher SchloB. das uns auf den Kunstler hingefuhrt hat,
so ist klar, daB wir es hier mit dem reichsten von den bisher
gefundenen Werken des Meisters zu tun haben. Die Ursache
liegt natiirlich nicht bloB darin, daB ein furstliches Grabmal
groBere Pracht erforderte, sondern der Meister konnte in dem
Material des weichen Lindenholzes ganz anders als bei den
Steindenkmalern seiner Neigung zur Detailarbeit nachgeben.
Die Aufgabe des Kiinstlers war, wie wir aus den Akten
wissen, die, ein Modell fur EisenguB zu schaflen. Dabei treten
die Interessen des Bildsehnitzers und des GieBers von vorn-
herein in einen gewissen Gegensatz : der erstere muB wunschen,
daB ein pomposes Epitaph sich in der Wirkung moglichst weit
von einem bloBen aufrecht hingestellten Grabstein unterscheide.
Die Entwicklung des Epitaphs drangt hin auf die prunkvollen
Formen, die wir in den Werken Johann von Trarbachs oder
Philipp Rodleins vor uns haben : Freifiguren in reprasentativer
Haltung, in einer Umrahmung, die entweder nach der Tiefe
oder nach der Hohe und Breite reich entwickelt ist. Was
1 Ein Beispiei aus fraherer Zeit : Seniors Denkmal des Jorg von Be-
melberg (1556) in Stockenburg. Inv. Jagstkr. I, S. 693.
— 68 -
schon Mair bei den verhaltnismaBig engen Grenzen, die ihm
gezogen waren, anstreben muBte, war vor allem moglichste
Annaherung der Figur an rundplastische Wirkung. Er hebt
dies selbst hervor, wenn er Ruttel bittet, er mochte doch dem
Ilerzog vorhalten, da6 es «woI gewaltig und kunstlich sehenn
wurd, wan der KiriB erhaben gemacht wurd, und nit gar zu
flach* (Urk. Nr. 24). Umgekehrt hat der GieBer, je weniger
entwickelt seine Technik ist, urn so mehr den Wunsch naeh
Vermeidung grofler Relieftiefe und zahlreicher teilweise oder
vollig unterschnittener Stellen. Wo man sich, wie in diesem
Fall fur die nicht sehr hoch stehende Methode des «Herdgusses»
in Sand entschied und wohl entscheiden muBte, wenn der GuB
in Stuttgart stattfinden sollte, hatte nur ein Relief mit verhalt-
nismaBig einfacher Oberflache Aussicht, im GuB rein heraus-
zukommen. Wir verstehen daher Mairs Bestreben, den GuB
durch einen Augsburger ausfiihren zu lassen (Urk. Nr. 21, 22)
oder uberhaupt statt des GuBwerks eines in Marmor liefern zu
diirfen (Urk. Nr. 17 und sonst,, wenn wir horen, wie selbst
gegenuber dem von ihm sehliefllich gelieferten Modell der GieBer
erklarte, daB fur die Abformung ein Teil des Korpers zu tief
geschnitten sei (Urk. Nr. 36).
Diese Schwierigkeiten gilt es im Auge zu behalten, wenn
man dem Uracher Werk Gerechtigkeit widerfahren lassen will.
DaB wir sie nicht iiberschatzen und die kiinstlerischen Unzu-
langlichkeiten des Heinrich-Epitaphs nicht einfach auf Rechnung
des Auftraggebers setzen diirfen, der einen EisenguB haben
wollte, lehrt der Vergleich mit den gleichzeitigen Arbeiten des
Meisters in Stein l .
Um trotz sehr geringer Relieftiefe den Eindruck der Raum-
tiefe zu erzeugen, hat Mair in umfangreichem MaB sich eines
malerischen Mitteis bedient : er stellt die Umrahmung und die
Nische perspektivisch dar. Der Gedanke ist nichts Ungewohn
liches : besonders bei den rahmenden Pilastern vieler zeitge-
1 Ein Epitaph in MessinggoB, das eine ungefahre VorsteUnng
davon gibt, wie Mairs Modell sich aasgenoramen hatte, enthalt die Kirche
in Ursensollen in der Oberpfalz. (Abb. Inv. B. A. Amberg Tafel VII). Es
ist fast gleichzeitig, gehort aber stilistisch in einen anderen Zosammen-
hang, wie der Aufbau, das Relief und die Einzelheiten des Ornaments
zeigen.
— 69 —
nossiseher Epitaphien linden wir hiiufig, daB ihre Abseiten, uni
das Auge in die Tiefe zu fuhren, in perspektivischer Ver-
schiebung erseheinen. Aber es handelt sich dabei fast immer
um schiichterne Andeutangen, denen man anmerkt, dafi der
Meister nicht viel Gewicht darauf zu legen wiinschte. Anders
Mair. Er will die Illusion einer Nische mit beinahe halbkreis-
formigem GrundriB erzeugen, wahrend ihm in Wirkliehkeit nur
wenige Zentimeter Tiefe zur Verfugung stehen. Die Nischen-
vvand setzt er vertikal deutlich von den Pilastern ab ; vor alien)
aber werden ihre horizontalen Begrenzungslinien dem Auge
moglichst sichtbar gemacht. Es geschieht dies durch ausge-
bildete Bekronungs- und FuBgesimse. Sie sind perspektivisch
so angeordnet, daB der Augenpunkt etwas tiber der Mitte der
Figur liegt. Schon dabei kommt der Meister in Verlegenheit :
bei den FuBlinien der Pilasterseitenflachen fehlt die Verkurzung:
besonders aber fehlen durchweg die Schatten, die das Auge
zwingen wiirden, die Flaehen in der gewunschten Anordnung
aufzufassen. Peinlich wirkt dies namentlich bei der Flache,
die zwischen dem FuBgesims der Nische und dem Sockel liegt.
Sie soil als horizontale Ebene wirken, kann es aber nicht:
trotz des verhaltnismaBig geschickt verkiirzten FuBes geht sie
mit der wirklichen Horizontale des Sockels nicht zusammen.
Die entsprechende leere Flache oben ist durch den groflen
Federbusch moglichst verdeckt, wobei es freilich dem Meister
nicht gelang, diesem den Eindruck des Hervorkommens aus der
Tiefe mitzuteilen.
Nun ist freilich zuzugeben, daB durch die Bemalung, die
ja auch fur das gegossene Werk in Aussicht genommen war,
diese Mangel beseitigt oder doch gemildert werden konnten.
Aber man mochte fast bezweifeln. daB Mair darauf stark ge-
rechnet hat. Hat er doch, vollig unbekiimmert um den Gesamt-
eindruck, bei der Ausdehnung seiner perspektivischen Kunste
auf den Sockel und die Bekronung jedes dieser Stucke vollig
fur sich gesehen und behandelt. Die oberen Kanten der Stilo-
bale der Pilaster fuhren wieder ab warts; bei den kampfer-
artigen Stucken, die die Inschrifttafel flankieren, sind die Innen-
seiten so gegeben, daB der Augenpunkt unter der Mitte der
lnschrift liegt. Die Folge ist naturgemaB, daB der Beschauer,
— 70 —
ft
der das ganze Denkmal betrachten will, sofort eine Stoning
des Eindrucks empfindet und sich uber ihre Ursache Rechen-
schaft wird geben wollen.
Die Beschreibung des Denkmals im iibrigen darf kurz sein,
da die Abbildung des Inventars (Schwarzwaldkr., S. 448) die
Einzelheiten gut wiedergibt. Was die Figur betrifft. so wieder-
holt sich hier, was wir ahnlich schon bei friiheren Figuren
fanden. Das kraftige Motiv des Vorschreitens mit dem in die
Seite gestemmten Streitkolben kommt nicht recht zur Ent-
faltung 1 . Zwar hat der Meister viel energischer als bei dem
Hans von Stammheim das Problem in Angriff genommen, den
Oberkorper trotz des flachen Reliefs in Seitenansicht zu bringen.
Die Absicht war oflenbar, einen Moment wiederzugeben, wo der
Dargestellte, von hinten kommend, im Begriff ist, sich nach
links zu wenden und nur den Kopf noch in der alten Blick-
richtung festhalt. (Dem steht nicht entgegen, daB es wohl vor
allem technische Griinde waren, die den Meister zwangen, das
eine Bein fast ganz ins Profil zu stellen.) Aber wenn schon
der Oberkorper eine fatale Bewegungslosigkeit zeigt, und nicht
recht mitzukommen scheint, so ist vollends beim Kopf ganz
deutlich, daB hier ein KompromiB zwischen zwei Moglichkeiten
der Darstellung vorliegt, der den Eindruck organischen Lebens
verwischt. Zu der Blickrichtung nach vorn pafit die linke
Halfte des Gesichts, die rechtwinklig auf dem Hintergrund steht,
nicht aber die rechte, die so breit gegeben ist, als wollte der
Mann wirklich nach der Seite hinubersehen. Entweder muBten
Auge und Nase eine andere Richtung erhalten und die linke
Seite des Kopfs stark unterschnitten werden — daB dies gar
nicht geschehen ist, wirkt unter alien Umstanden roh ; der
Kopf rundet sich nicht — oder aber muBte auf die ausfiihr-
liche Ausbreitung der rechten Gesichtshalfte verzichtet werden.
— Uebrigens scheint auch die Blickrichtung der Augen keine
einheitliche. Manche Beschauer pflegen das als einen beab-
sichtigten Realismus des Kunstlers aufzufassen, der die Geistes-
krankheit des Grafen dadurch habe andeuten wollen: mir
1 Man vergleiche. was Senior aus dieser Figur gemacht hat, und
vollends. was er leistet, sobald er sich ganz frei bewegen konnte.
— 71 —
scheint es am Tag zu liegen, daB vielmehr der Bildhauer den
Schwierigkeiten der Aufgabe gegenuber eine gewisse Unsicher-
heit und Unbeholfenheit gezeigt hat.
Die notgedrungene Abplattung der Figur tritt an verschie-
denen Stellen auffallend heraus, besonders in der Hand am
Schwertgriff und in den Falten des SchoBwamses, das unter
dem Brustpanzer vorkommend die Oberschenkel bedeckt 1 .
Hinter der iiberall spiirbaren Absicht des Meisters, Leben und
Bewegung wiederzugeben, bleibt die Ausfuhrung zuruck : die
Dinge losen sich nicht voneinander, sie haben etwas Erstarrtes,
Festgeklebtes.
Was den sachlichen Inhalt der Darstellung
betrifft, so sind wir in der Lage, das Ma6 der Gebundenheit
und Freiheit des Kunstlers mit einiger Sicherheit festzu stellen.
Die ersten Skizzen ruhren von den kunstlerischen Beratern
des Herzogs, von Gadner und dem Hofmaler Steiner her. Sie
sind zwar nicht erhalten, aber man darf trotzdem mit Sicher-
heit annehmen, dafl es sich dabei nur urn eine allgemeine An-
deutung von Lage und GroBenverhaltnis der einzelnen Teile,
und um eine Bezeichnung der Stellung handelte, welche die Figur
einnehmen sollte. Das zeigen uns nicht bloB die erhaltenen
Skizzen zu den Denkmalern der Herzoginnen Sabina und Anna
Maria, sondern ebenso der weitere Verlauf der Verhandlungen.
Der Meister verspricht bei dem Kostenuberschlag eine Aus-
fuhrung «besser als die Visierung*, eine in ahnlichem Zu-
sammenhang haufige Ausdrucksweise. Er sendet in einem Zeit-
punkt, wo schon ein Karton vorlag, der von Steiner gezeichnet
war, ein Buch nach Stuttgart, aus dessen Abbildungen das
passende Kostum vom Auftraggeber ausgewahlt werden soil.
Es ist dies das Augs b urgi sche G eschlec hter-
buch-, dessen Benutzung somit fur unser Werk urkundlich
I Zu der Tracht (SchloLJwams und dariiber «halbe Rustung>) vgl.
Hottenroth, Trachten der Volker, Bd. II, S. 103, Tafel 49, 17. 18. Es
war eine Bekleidung, wie sie «hohere Offiziere im 16. Jahrhundert anzu-
legen pflegten».
II Herrn Professor Lange verdanke ich den Hinweis auf das in den
Stellen Urk. Nr. 24 und 27 zweifellos gemeinte Augsburger Geschlechter-
buch. — Was Bartsch (Peintre-Graveur IX. S. 165 f.) und Nagler (Mono-
grammisten II, Nr. 818) iiber das Buch und den Meister C. W. beibringen,
— 72 —
feststeht. Seine Heranziehung fur den Zweck, den man in
Stuttgart verfolgte, war naheliegend. Der Herzog wollte von
Anfang an nicht ein einzelnes Denkmal, sondern eine Ahnen-
reihe. Er folgte dainit einem Zug der Zeit, und zugleich einer
ausgesprochenen personlichen Liebhaberei. Von den unzahligen
Stammbaumen an, die er seinen Hofmalern in Auftrag gab, bis
zu dem plastischen Schmuck des Lusthauses finden wir iiber-
all dieselbe Absicht, die Verherrlichung seines Hauses. In der
Kirche war eine Reihe von Epitaphien die beinahe selbstver-
standliche Form der Verwirklichung : man hatte nur darauf zu
sehen, dafi das Ganze weder in einzelne disparate Teile aus-
einanderfalle , noch durch Wiederholung ermiide Die Ge-
schlechterwappen des Augsburger Werks sind alle von Ge-
harnischten begleitet In den meisten Fallen kann der Hitter
oh ne weiteres herausgenommen und fiir sich als Vorlage be-
nutzt werden. Denn in der Stellung, wie in der Bekleidung
tritt der Gedanke des Wappenhalters zuruck hinter dem Be-
streben, jeder Figur in Kostum und Stellung ein besonderes,
charakteristisches Aussehen zu geben, wobei neben schwung-
vollen und originellen Gestalten auch abgeschmaekte und zugel-
lose Phantastereien zu Tage kommen. Die Figur, die als Vor-
bild fiir das Heinrich-Epilaph gedient haben wird, der Wappen-
halter des Geschlechtes Foehlin (>'. 89 und 131) ist eine der
am wenigsten auffallenden, in Haltung und Kleidung ruhig,
iibrigens ein recht unbedeutendes Stuck. Eine Reihe von
anderen konnte schon aus technischen Grunden fiir eine
plastische Darstellung gar nicht in Frage kommen.
Aber auch bei diesem Blatt . kann von einer sklavischen
Nachahmung keine Rede sein. Mair hat lediglich die allgemeine
ist durch die Nachweise Rottingers (Hans Weiditz, Der Peirarka-
meister, Strafiborg 1904, S. iBf.) fiberholt. Darnach ist der Meister C. W..
der die Zeichnungen zu dem Augsburger GeschLechterbuch geliefert hat,
mit Christoph Widitz von Strafiburg, hochst wahrscheinlich einem Neffen
des Petrarkameisters Hans Weiditz, gleichzusetzen. Die erste Ausgabe des
Geschlechterbuchs ist nicht die in Augsburg 1550 erschienene, sondern die
in Strafibnrg von der Offizin des ChristoffeL Widitz und David Kannei
1538 herausgebrachte, die 97 blattgrofie Holzschnitte enthalt In Mairs
Hand dagegen befand sich hochst wahrscheinlich die erweiterte Augsburger
Ausgabe von 1550 (Herausgeber Paul Hector Mayr , von der ich das in
der Augsburger Stadtbibliothek befindliche Exemplar eingesehen habe.
— 73 —
Form des Gewands von ihr iibernommen l ; das Charakteristische •
der Stellung, die Verteilung der Waffen, selbst Einzelheiten wie
die Helmform sind aus dem Geschlechterbuch nicht zu belegen.
Die Haltung, die der Graf Heinrich in dem Uracher Modell tat-
sachlich einnimmt, ist vielmehr die einer groBen Gruppe zeit-
genossischer Ritterfiguren auf Grabdenkmalern. Wahrend nam-
lich im Lauf des 16. Jahrhunderts im schwabischen Kunst-
gebiet die vor dem Kruzifix knieenden Gestalten immer beliebter
werden, so gibt es doch aus alien Jahrzehnten auch Beispiele
des aufrechten Ritterstandbilds. Der Gehafnischte wird dabei
— nach der alteren Uebung — mit dem Helm auf dem Haupt
dargestellt, die Linke faBt das Schwert, die Rechte, meist bis
zur Brust heraufgenommen, den Streitkolben oder die Fahne.
Nebenher geht ein mehr religioser Darstellungstypus: der Helm
ruht abgelegt zu Fiiflen des Ritters, die Hande sind zura Gebet
gefaltet. Er ist seit 1550 bei weitem haufiger*. Fiir die
Epitaphienreihe der Stiftskirche war er aber nicht geeignet:
das Ganze ware zu einformig geworden. Die ausgesprochen
weltlich humanistische Form der Inschrift (cfatis concessit>)
scheint noch auflerdem darauf hinzuweisen, daB man uberhaupt
weniger den Gedanken der Begrabnisstatte als den der Ahnen-
galerie in den Vordergrund zu riicken wiinschte.
Aus alledem ergibt sich, daB die Vorschriften, die dem<
Bildhauer gemacht wurden, ihn kaum mehr eingeengt haben,
als dies in analogen Fallen ublich ist. Das Kostum, das Motiv
des Stehens, die Anbringung des Wappens im Giebelfeld, des
Soekellowen unten — das alles hat in Uebereinstimmung mit der
allgemeinen Uebung der Zeit der Auftraggeber bestellt. DaB
dagegen die Durchfiihrung vollig Sache des ausfuhrenden Bild-
hauers war, ergibt sich nicht nur aus der Form, die dasselbe
Denkmal spater unter Schlors Hand angenommen hat, sondern
auch aus den Eigent u ralich keite n der Dekoration,
zu denen man in Wurttemberg keine gleichzeitigen Parallelen
findet.
1 Trotzdem behandelt er das Geschlechterbuch, das ihm wohl aach*
sonst Vorlagen lieferte, wie ein Qeschaftsgeheiranis, and bittet Riittel da-
for za sorgeu, daB ihm nichts daraos abgezeichnet werde Urk. Nr. 24).
* Mair selbst folsrt ihm in seinen Werken in Burtenbach and Geisingen*
- 74 —
Wir sehen den Meister bestrebt, ein vornehmes, in der
* Silhouette ruhiges und geschlossenes, im Detail reiches Wand-
-denkmal zu schaffen. Wahrend das Gebalk uber den Pilastern
r meist glatt behauen wird und die Inschrift entweder allein oder
zwischen Wappen aufzunehmen hat, setzt er auf die Pilaster
je ein weiteres kapitellartiges Glied und gibt der Inschrift einen
besonderen Rahmen in Rollwerkformen, die den allgeraein ub-
lichen entsprechen und sich ganz ahnlich an dem Denkmal des
. Hans Wolf von Stammheim in Geisingen finden. Das Tympanon
des Halbrundgiebels zeigt flache facherformig angeordnete Ver-
tiefungen und darauf das Wappen mit der ublichen Laubwerk-
zier. Aus der Bogenkehlung hangt eine Schnur mit Blattern,
Frtichten und Diamanten herab. Diese Motive verraten ihre
Herkunft aus der starker italienisch beeinflufiten Dekorations-
weise der Friihrenaissance. Bei der Behandlung des Hinter-
grunds hinter dem Wappen hat man an das beliebte aus Venedig
importierte Motiv der Muschel zu denken, die nur hier, wie
haufig, keine Rundung nach der Tiefe erhalten kann 1 . Die
' Fruchtschnur, die in den spateren Denkmalern so oft (besonders
interessant in Gaildorf) das feste Geriist des Rahmenwerks
belebt, ist an dieser Stelle vielmehr mit den Girlanden der
Friihrenaissance in Beziehung zu setzen. Es gibt Grabmaler
aus der Uebergangszeit zur entwickelten Renaissance, wo sie
geradezu das wichtigste Stuck der Dekoration bildet. So hangt
z. B. in dem tiefen Blendbogen eines Steindenkmals in Simmern
(Rheinprovinz) ein prachtvoller schwerer Fruchtkranz iiber den
Hauptern der Figuren *. Bei unserem flachen Epitaph muBte
das schone Motiv notwendig verkiimmern. Aehnlich ist es mit
den Fruchtbiischeln, die hinter dem Inschriftrahmen hervor-
quellen. Man braucht die Wirkung dieser bekannten Requisiten
nur einmal zu vergleichen mit der an einem einfachen Stein-
denkmal, z. B. dem der beiden Frauen des Andreae (Tiibinger
1 Analogien: die Bekronung der ostlichen Durchfahrt im Hof des
Tubing-er Schlosses (1538) und das Grabmal Philipps I. von Baden-Spon-
heim in der Stiftskirche in Baden-Baden. Meister: Christoph von Urach;
(1537). (Abb. Ortwein. Bd. II, Abt. XXIII, Bl. 31 )
* Denkmal des Johann Pfalzgrafen bei Rhein. gest. 1557 nnd seiner
Gemablin Beatrix von Bayern, gest. 1535.
- 75 —
Stiftskirche) oder dem des Albrecht von Hausen (Uracher
Amanduskirche), so erkennt man sofort, wie sehr die Riick-
sicht auf die geringe Tiefe des Reliefs den Bildhauer beengte.
— Wahrend das Engelkopfchen oben auf dem Giebel und die
Deiphine als Uebergang vom Giebel zum Gebalk durchaus nichts
Ungewohnliches haben, weiB ich fiir die Art der Hochfullung
an den Pilastern an keinem mir bekannt gewordenen
Grabdenkmal dor Zeit ein Analogon.
Statt der synst so beliebten Abgrenzung des unteren Drittels
ist hier die Flache gleichmaBig gefullt und moglichst vollstandig
bedeckt. Drei zackige Rahmen von ovaler Form, der mittlere
mit fruhen Rollwerkformen, greifen ineinander, ohne sich zu
verschlingen und ohne einen Zwischenraum zu lassen. Von der
oben abschlieBendcn Vase aus ist ein dunner Stab, die Mittel-
axe des streng symmetrischen Ornaments, durch alle durch-
gesteckt. Unten schlieUen ein verschlungenes Schlangenpaar
und in den Ecken zwei Deiphine. — Die Fiillung der Rahmen
besteht im oberen Feld je aus einem Mascaron nach Art der
Mundstucke an Brunnen, im unteren aus einem weiblichen
diademgeschmuckten Kopf, umrahmt von einem hiingendcn Tuch.
Im mittleren Feld erblicken wir eine allegorische Figur, links
die Fides mit Kreuz und Kelch, rechts die Justitia mit Schwert
und Wage.
Es bedarf keines Beweises, daB auch diese Figuren gleich
<lem Qbrigen dekorativen Apparat Musterbiichern entnommen
sind, und daB hochstens die Zusammensetzung der Motive zu
einer Pilasterfullung, ja vielleicht nicht einmal diese, auf Mairs
Kechnung zu setzen ist. Allein die Wahl dieser von der Mode
der 70er Jahre stark abweichenden Medaillon^ bleibt darum
docb raerkwiirdig. Vielleicht darf man daran erinnern, daii
kurz vorher (156U— 73) das Augsburger Haus des Hans Fugger
durch Sustris und Ponzano seine innere Ausschmuckung erhielt.
Es ist wohl denkbar, daB durch dieses weit beruhmte Werk
das Interesse fur manche Motive neu belebt wurde, die in der
deutschen Dekoration schon zuruckzutreten begannen '.
1 Auch die Benutzung niederlandischer Yorlagen ware motrlich : ob-
wohl ich sic bis jcUt nicht nachweisen kann. I>ie allegorischen Figuren
— 76 -
Es erubrigt noch ein Worf tiber die Q u a 1 i t a t der
Schn itzerei als solcher. Sie entspricht genau den Ar-
beiten des Meisters in Stein : sie ist piinktlich, aber ohne be-
sondere Feinheit. Die schematische Behandlung der Barthaare,
der Lowenmahue, der Stirnrunzeln wirkt recht handwerklich.
Besser sind die beiden allegorischen Figuren, besontters die des^
linken Pilasters. Man ist bei ihr versucht, die Mitwirkung.
einer anderen Hand anzunehmen. Die Briefstelle Urk. Nr. 28
sagt ausdrucklich, die Arbeit habe sieh verzogert wegen Mangel
an Gesellen, die sich auf derlei Arbeiten verstehen.
Fiir die Gesamtbeurteilung Mairs ist vor
allem im Auge zu behalten, da8 die bis jetzt mit Sicherheit ihm.
zuzuschreibenden Werke alle einem kurzen Zeitraum, 1569 bis-
1578, entstammen. Von da aus gewinnt die Frage Interesse, ob
wir es nicht, wie manche Zuge nahelegen, bisher nur mit Ju-
gendwerken zu tun haben. Es muB also, um fiir die
weitere Entwicklung des Meisters eine Grundlage zu schaffen r
zuerst seine Lebensdauer umgrenzt werden. Ich glaube die
notigen Anhaltspunkte dafiir durch Nachforschungen im Augs-
burger Stadtarchiv gefunden zu haben. Folgendes laflt sich mit
ziemlieher Sicherheit sagen:
1. Paul Mair lebte etwa 1540 — 1615.
2. Sein Vater gleichen Namens war ebenfalls Bildhauer. Er
ist Stiefsohn und Schiller des bekannten Augsburger Meisters
Gregor Erhart, dessen Nameu er anfangs auch gefiihrt hat.
3. Ein 1576 geborener Paul Mair, wahrscheinlich der Sohn
unseres Kunstlers, wird auch Bildhauer genannt ! .
scheinen uach dieser Richtung zu weisen. lanerhalb der siiddeutschen Grab-
skulptur sind diesc Pilasterfiilluugen aaf alle Falle eine vereinzelte Er-
scheinung. Eine eutfeinte Analogie bietet eine Rcihe kleiner Schilde auf
den Pilastern eines Grabmals. das im Augsburger Maximiliansmuscum (nn-
mittelbar beim Eingang/ scinen Platz gefunden hat. Es scheint nicht datiert
zu sein. Die ausgefuhrten ErzguBwerke von Niirnberger und Ulmer Meistern,
die mau in den Kirchen zu Mefikirch und Neufra a. D. findet, haben teils
einfach wappengezierte Pilaster, ganz wie unzahlige steinerne Epitaphien,
teils eine Ueberspianung der ganzen Flache mit grottesken und vegetabili-
schen Elementen, die mit unserem Denkmal keinerlei Verwandtschaft zeigt.
1 Da die Feststellung von Mairs Personalien etwas umstandlich ist,
so sind die archivalischen Erorterungen hieriiber in den Anhang verwiesen
worden. <Urk. Abschnitt II.)
— 77 -
Von alien dreien sind in Augsburg bisher keine Werke
bekannt. Paul von Stetten, dem man die meisten Nachrichten
uber Augsburgcr Kiinstler verdankt, erwahnt sienicht; ebenso-
wenig der zeitgenossische Augsburger Partrizier Philipp Hain-
hofer in seinen von Doring herausgegebenen Aufzeiehnungen ! .
Auch fur Hans Fugger scheint unser Mair, trotzdem Michael
Geitzkofler ihn kennt, nicht gearbeitet zu haben : die von Lill
zusammengestellten Belege enthalten seinen Namen nicht. —
Unter den vielen Werken der Grabplastik, die der Dom- und
der St. Anna-Kreuzgang in Augsburg beherbergen, fehlt es an
Epitaphien, die sich mit Mairs Rittergrabmalern ohne weiteres
zusammenstellen lieCen. Doch erkennt man, daB die Herstellung
der Umrahmung aus billigerem Material (Burtenbach, Geisingen)
und ebenso die groUe Schlichtheit der rahmenden Teile in jenen
Jahren in Augsburg beliebt gewesen ist. Von Werken, die
Paul Mairs Werkstatt anzugehoren scheinen, nenne ich folgende
(samtlich im Kreuzgang von St. Anna) :
1. Wandepitaph P a i 1 e r, von Wolfgang Pailer, <Consul
Augustanus>, seiner 1578 gestorbenen Frau und seinen Nach-
kommen gewidmet. Ueber der Inschrift ein Relief (Christus bei
dem Pharisaer Simon). Reliefplatte Marmor, Umrahmung
Sandstein.
2. Inschrifttafel in Rollwerkrahmen fur Magdalena Herwar-
tina, Witwe des Georg Stebenhaber von Werd-
ternaw; gest. 1573. Schriftplatte Marmor, Umrahmung
Sandstein.
3. Epitaph des Hans von Barbisdorf auf Forchheim
und Wilberg; gest. 1582.
4. Kleines Relief des Auferstehenden. Marmor. Bekronung
Sandsteingiebel. Inschrift Jakob Miller P. C. Anno 1567.
GroBeres Interesse komait keiner von diesen Arbeiten zu.
Ziehen wir die Summe : der Bildhauer Paul Mair in Augs-
burg, dessen Kunst starke Merkmale jugendlicher Unbeholfen-
heit und im ganzen eiuen etwas handwerklichen Charakter
1 Quel leuschrif ten fiir Kuustgeschichte and Kunsttechnik des Mittel-
alters nnd der Neuzeit. Neue Folge. Bd. VI a. X.
— 78 —
zeigt, verdankt seine vorubergehende Beschaftiguug in Wtirt-
temberg, und seine versuchsweise Heranziehung zu den Stutt-
garter Fiirstendenkmalern vor allem seinen Auftragen fur die
Familie Sebastian Schertlins von Burtenbach. DaU er nicht,
wie so manche andere auswartige Meister, dauernd in den
Dienst des Herzogs gezogen wurde, hat seinen Grund nicht
blofl darin, da6 man am Hof die Plane, fiir deren Ausfuhrung
er ausersehen war, fallen liefi, sondern ebenso in der kiinst-
lerischen Ueberlegenheit der Bildhauer von Hall und von Gmiind,
die in den nachsten Jahren die groBen Auftrage des Hauses
Wurttemberg empfingen.
II. (KUNSTGESCHICHTLICHER) TEIL
EINLE1TUNG.
Die deutsche Plastik des 16. Jahrhunderts steht nicht in
gutem Ruf. Bodes Urteil ist typisch : <Die gefeierte Zeit der
Hochrenaissance und die folgende Spatrenaissance ist in Deutsch-
land fur die Plastik, urn es kurz zu sagen, die Zeit des tiefsten
Verfalls: ein allmahliches Ausklingen bildnerischer Tatigkeit in
leerer, oberflachlicher Formenschonheit, die schliefllich zum
Absterben fast aller selbstandigen Triebe derselben ftihrt* '.
GewiB tragt auch das kiinstlerische Schaffen, das in den
Rahmen unserer Betrachtung fallt, eine Reihe von Zugen, die
ein absprechendes Urteil begiinstigen. Es fehlen unter den
Meistern nicht nur groBe, sondern auch im hochsten Sinn ori-
gineile Personlichkeiten. Und wahrend in anderen Zeiten dieser
Mangel ersetzt werden konnte durch eine lebendige, gewissen-
haft gepflegte kiinstlerische Tradition, so hat man hier beim
Vergleich der etwa bis 1510 oder 20 geschaffenen Werke rait
den spateren oft genug den Eindruck, da6 durch die auBerliche
Herubernahme fremder Motive und Formen das feinere Gefuhl
fur kunstlerisches MaD, der Blick fur die natiirlichen Grenzen
einer bestimmten Aufgabe getriibt wurde, und daB eine Rich-
tung auf das auBerlich Prunkhafte, eine gewisse grobe Protzen-
haftigkeit die innere Leere, die Willkur der Komposition, den
Mangel an tektonischer Klarheit und Ausdrucksfahigkeit mehr
enthullt als verdeckt. Dazu kommt dann die oft unertriigliche
AeuBerlichkeit des Portrats: die Dargestellten scheinen nicht
blofl aus einem ganz anderen, ziiheren und groberen StofT zu
< Geschichte der deutschen Plastik, S. 22s.
d. «»
- 82 —
bestehen, als ihre Vorfahren vor 50 und 70 Jahren, sondern
der Ausdruek geistigen Lebens ist haufig auf ein Minimum
reduziert. — Wohl ist auch in Deutschland ein neues Ver-
standnis der Statik des mensehlichen Korpers gewonnen
worden. Die Unklarheit, ja oft Unmoglichkeit des Stehens der
Figuren ist verschwunden ; der Korper, seiner grazilen Gebrech-
lichkeit beraubt, bedeutet wieder etwas als wuchtige lastende
Masse; aber es fehlt ihm vollig die selbstverstandliche konig-
liche Wurde der Haltung : sie mu6 fehlen, weil die Furiktionen
der einzelnen Glieder, ungenugend durchempfunden, nur in
schematischer Weise dargestellt werden konnen. Der Korper
ist da, er hat leidlich richtige Proportioned aber er behalt
etwas Lebloses, Unorganisches : die Form hat den Stoff nicht
bezwungen. Gerade da, wo das handwerkliche Konnen her-
vorragend ist, — bei vielen Denkmalern zwischen 1580 und
1620 — , hat man den Eindruck, da6 die hochste plastische
Aufgabe, die mensehliche Figur als solche, den Bildhauer nicht
wirklich interessiert hat. Von den Werken Johanns von Trar-
bach, Melchior Schmids, Philipp Rodleins gilt ebenso wie von
Christoph Jelins Prachtgrabmalern und von den groBen Stu-
denten-Epitaphien seiner spateren Werkstatt, da6 das Figiir-
liche nicht die ihm gebiihrende Rolle im Gesamteindruck zu
behaupten vermag. 1 Es ordnet sich im besten Fall ein, aber
1 Dieses Urteil mochte ich auch gegeniiber K. K 6 p c h e n aufrecht er-
halten (a. a. 0., S: 90;, die, ausgehend von einem Vergleich mit der ita-
lienischen Grabplastik, betont, dau «im deatschen Grabmal die Figuren der
Yerstorbenen immer die Hauptsache bleiben, dafi auch im grofiten Aufbau
das Auge immer auf sie zuerst fallt.» Mir erscheint an den deutschen
Wandgrabern vom Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts (Oeh-
ringen, Crailsheim, Tubingen etc.) das Charakteristische eben die Storung
und Zerstorung des natiirlichcn Verhaltnisses zwischen Rahmen und Figur.
Statt der Figur zu dienen, beherrscht der erstere den Gesamteindruck.
Seine Silhouettierung, seine Flachendekoration bieten dem Auge soviet
Nahrung, dafi er ebcn nicht als Fassung eines Inhalts, sondern als selbst-
standiges Kunstwerk wirkt: der Prunk der Kulisse ubertont den Schau
spieler. Die Figur andererseits hat weder in der Haltung noch im geistigen
Ausdruek noch auch nur in den Dimensionen soviet Monumentalitat, dati
sie gegen den Apparat des Aufbaus sich zu behaupten vermochte. Sie
steht architektonisch im Mittelpunkt, gewiB Aber sie fiillt kiinstlerisch
den Platz nicht aus, sie hat nichts zu sagen; nnd eben dies macht den
Gesamteindruck eines solchen Denkmals so unbefriedigend. In dem Augen-
blick. wo der Rahmen vollig gesiegt hat und cine einfache Inschriftplatte
nmschlieflt, ist das Gleichgewicht des Ganzen, die Einheitlichkeit des Ge-
- 83 —
es dominiert niemals. Das liegt doch nicht bloB an dera
wachsenden Prunk des Aufbaues, der immer mehr der eigent-
liche Verkunder dessen wird. was der Kiinstler sagen wollte,
es liegt ebenso an der Art, wie die Piguren selbst aufgefaBt
werden. Die Haltung wirkt — vereinzelte Ausnahmen ab-
gerechnet — entweder auBerlich pomphaft — und dann ist die
Anlehnung an ein fremdes Vorbild oft leicht zu erkennen —
oder sie wirkt befangen, durftig, unzulanglich. — Der Ausdruck
der Gesichter, der noch urn die Mitte des Jahrhunderts bei oft
geringem Konnen der Bildhauer vielfach eine auBerliche Por-
trittithnlichkeit und im Typus eine derbe Natiirlichkeit aufweist,
wandelt sich zusehends ins Modisch-Glatte, Vornehm-Korrekte
und verliert dabei die letzten Reste von Individuality : bei
einem Kopf wie dem des Herzog Ludwig oder des Fritz von
Schulenburg 1 kann man sich nur noeh etwa die Haartracht,
nicht mehr die Gesichtsziige einpragen: man ubersieht sie ganz
von selbst. Die evangelische Kirche in Sim mem bietet in
ihrer pfalzgraflichen Grablege ein iiberraschendes aber sehr
instruktives Beispiel fur den inneren Zusammenhang der deko-
rativen und der figurlichen Entwicklung: Sobald der Wappen-
und Situlenprunk, sobald die Riesenwandgraber beginnen, die
sich in unfeinem Ausbreiten ihres Reichtums gar nicht genug
tun konnen, so bald nimmt auch der Gehalt des Figurlichen
in erschreckender Weise ab *.
samteindrucks. wieder hergestellt. (Vgl. das prachtvolle Denkmal des Isaak
Lindschold, gest. 1686, in Tubingen, Turmvorhalle ; und schon friiher die
frappante Inschrifttafel fur den 1616 vcrstorbenen Bischof Rudolf von
Halberstadt, ebenda im Chor.)
1 Tubinger Stiftskirche.
t Man beachte besonders das hervorragende, mit «.!acob, 1522* ge-
zeichnete mannliche Denkmal an der AuBenwand der Kapelle, und halte da-
gegen das schrag gegeniiberstehende des Johann Pfalzgraf bei Rhcin, gest.
I£t57, und seiner Gemahlin Beatrix, gest. 1535. Beide Kiinstler sind deko-
rativ intercssiert ; aber der erste konzentriert seinen Schmuck noch auf die
Bekrdnung. ein etwas isoliertes Prachtstiick, in dem spatgotische Emptin-
dang mit Motivcn der Fruhrenaissance originell verbunden ist; der letztere
schafft einen architektonischen Rahmen mit reichem. gleichmaftig gearbei-
tetem Detail: er will vor allem reprasentieren. Und dazu nun die Fi-
sroren: dort ein Portratkopf von bester Durchbildung und beinahe monu-
mentaler Wucht, das kiinstlerische Gegengewicht zu der Bekronung; hier
leblose uninteressante Modefiguren gleichgultig in den prunkvollen Rahmen
hineingesetzt. (Abbildungen der Denkmaler sind mir nicht bekannt gc-
worden.)
— 84 -
Die Entwicklung, die zu den Prunkdenkmalern von 1G00
gefuhrt hat, wie wir sie in Oehringen, in Wertheim, Pforzheim,
Tubingen und an vielen anderen Orten sehen, ist heute im
einzelnen noch nicht durchsichtig. Sie zu ergrunden, mochte
doch, trotz ihrer unerfreulichen Ziige, weder uberfliissig noch
reizlos sein.
Selbst wenn sich ihr Ende als ein volliger Verderb der na-
tionalen Plastik darstellen sollte, bliebe es von Wert, die Fak-
toren, die dieses Resultat herbeigefuhrt haben, nach ihrer
Leistung deutlich zu bewerten. Ist es mangelnder Nachwuchs
an Talenten, ist es allzu groBe Nachgiebigkeit gegen das
Fremde, ist es der unkiinstlerische Sinn der Auftraggeber und
die geringe Bildung und gesellschaftliche Achtung der einhei-
mischen Kiinstler, oder sind es am Ende gar die politischen
Verhaltnisse, die fur die Plastik so ungiinstige Folgen hatten?
Es ist klar, daB alle diese Momente in Betracht kommen, ebenso
klar aber, daB wir iiber die Starke ihres Einflusses nicht friiher
urteilen konnen, als bis das Leben und Arbeiten einer Anzahl
mehr oder minder typischer Bildhauer uns vor Augen liegt. In
dieser Beziehung ist die Literatur noch ziemlich arm, und so
lang sie das ist, darf eine Darstellung immerhin ein gewisses
Interesse beanspruchen, die die vorhandenen Werke um ein-
zelne Kiinstler und Werkstatten zu gruppieren versucht.
Ich bin mir wohl bewuBt, daB es sich dabei zum Teil um
recht mittelmaBige Bildhauer handelt, bei denen man mit den
Worten Meister und Kiinstler vorsichtig und sparsam sein muB.
Es wird auch Niemand einfallen, Mannern wie Mair und Baum-
hauer als Personlichkeiten in der Geschichte der deutschen
Kunst einen Platz anweisen zu wollen. Aber sie sind doch in
mancher Beziehung typische Erscheinungen. Was an ihnen
interessieren kann, ist schon ihre Selbsteinschatzung und ihre
Wertung durch die Zeitgenossen, die Tatsache ihrer Beiziehung
zu den furstiichen Grabdenkmalern, ihre Art zu arbeiten und
ihre Bezahlung. Fur all diese Dinge geben die archivalischen
Urkunden schatzbares Material; dieses aber bekommt Leben
und Farbe erst, wenn wir eine Anzahl von Werken gefunden
und kennen gelernt haben. DaB es alle erreichbaren sind,
diese Forderung darf wohl hier eher als sonst zuriiekgestellt
— 85 —
werden. Ich habe mir naturlich Miihe gegeben, moglichst viel
zu finden. Aber wer die BeschafTenheit der gedruckten Quellen,
voi- allem die beiden ersten Bande des wurttembergischen ln-
ventars kennt, wird hier solange Nachsicht zu uben geneigt
sein, als unsere amtlichen [VerofTentlichungen noch nicht auf
der Hohe stehen *.
Auch eine Betrachtung schwabischer Renaissancegrabmaler,
die auf Vollstandigkeit keinen Anspruch erhebt, zeigt, auf
welche Probleme es vor allem ankommt. Von Christoph von
Urach bis auf Sem Schlor, mindestens seine Fruhwerke, ist die
Entwicklung verhaltnismaBig einfach und ohne groBe Lucken.
Nach 1570 gewinnt der niederlandische EinfluB an Starke.
In welcher Form macht er sich geltend? Sind vor allem die
Vorlagenbiicher oder sind Meister wie Colins, Vernuken, Roment
seine Trager? Welcher Anteil kommt den suddeutschen
Meistern selbst an der Umbildung der Formen zu? Von der
Beantwortung dieser Fragen sind wir noch ziemlich weit ent-
fernt. Aber das Material an Denkmalern wie an Urkunden ist
fur diese Zeit so groB, daB seine Bearbeitung einen wirklichen
Einblick in die kunstgeschichtlichen Vorgange verspricht.
Von verschiedenen Seiten her sind Anlaufe gemacht worden,
um in die noch ziemlich dunkle Periode einzudringen. Ein
Ergebnis wird jeder Versuch haben, der ohne Vorurteile und
mit zureichenden Mitteln unternommen wird : die Vorslellung,
als habe man es in dieser Zeit nur mit einer Verwilderung
des Geschmacks zu tun, ist ein Irrtum. Sie ist es zum min-
desten auf dem Gebiet der Dekoration und der einzelnen
Ornamentformen. Hier sehen wir nach allerlei scheinbar er-
gebnislosen Anlaufen in verschiedener Richtung die Bildhauer
schlieBlich zu einzelnen Leistungen vordringen, denen heute
niemand mehr ernstlich bestreiten wird, daB sie originell, dafi
sie national, d. h. spezifisch unitalienisch, und daB sie dekorativ
1 In den von Paulas bearbeiteten zwei ersten Banden des Inventars
(Neckarkreis und Schwarzwaldkreis) sind reichhaltig, wertvoll und zuver-
lassig nur die Anhange, die von Klemni herrfthren. Der eigentliche Text
macht oft den Eindruck eines fluchtigen Exzerpts aus den Oberamts-Be-
schreibungen. voll unbestimmter Ausdriicke und ohne daB der Zweck der
Inventarisation klar im Auge behalten ware.
— 86 —
wirksam sind. Wenn schon vor 50 Jahren Klunzinger* bei
der Beschreibung des Jelinportals am Tubinger SchloB dem
Eindruck des phantastischen Reichtums und der guten Mache
sich nicht entziehen konnte, wahrend er es <in Betreff der
Erfindung geschmacklos> nennt, so werden wir heute, das Cha-
rakteristische und Selbstempfundene der korrekten Anpassung
an ein Ideal vorziehend, gerade die Erfindung der einzelnen
ornamentalen Motive und ihre dekorative Verwertung an einem
solchen Werk fiir eine wirkliche Leistung der deutschen Kunst
anzusehen geneigt sein, und unsere Kritik wird sich eher der
Frage zuwenden, ob hier die Plastik noch innerhalb der
Grenzen ihres Materials bleibe und ob sie nicht hie und da
bloB malerischen Zielen zustrebe.
Die Erkenntnis, da6 das Dekorative die eigentliche
Domane der vorgeschrittenen deutschen Renaissanceplastik
bildet, scheint nun freilich auf eine andere Art ihrer
historischen Behandlung hinzufiihren, als sie im
folgenden fiir einzelne kleine Ausschnitte versucht ist. Die
Kunstlerpersonlichkeiten verlieren in einer solchen Zeit an
Interesse. Die Entwickelung der ornamentalen Einzelform und
des dekorativen Geschmacks und Gefuhls im Ganzen erscheint
als das einzig beachtenswerte Problem. Und soweit dabei der
hervorragende Einflufi einzelner zutage tritt, werden es Stecher,
nicht Bildhauer sein: die Meister der Vorlagenwerke, die die
Formenwelt des Rollwerks und des Knorpelwerks geschaffen
und umgebildet haben. In dieser Richtung bewegt sich die
feinsinnige und lehrreiche Untersuchung von Max Deri*.
Es ist aber klar, dafi die Plastik auch da, wo sie ihre
ornamentalen Urformen nicht selbst erfindet, doch ihre relativ
selbstandige Entwicklung hat. Immer mufl sie das von den
Ornamentzeichnern Dargebotene fiir ihre Zwecke sichten und
bearbeiten. Der bisher einzige umfangreichere Versuch, die
praktische Bedeutung der Ornainentstiche einer bestimmten
Epoche zu bestimmen, hat denn auch gezeigt, dad zwar eine
i Organ fiir christliche Kunst. herausg. von Fr. Baudri, 1860, S. 163.
« Das Rollwerk in der deutschen Ornamentik des 16. und 17. Jahr-
hunderts, Berlin 1906.
- 87 —
Reihe von Vorlagen iiberraschend schnell nach ihrem Er-
scheinen verwertet wurden, dafi aber <ein sklavisches Kopieren
nur in den seltensten Fallen stattfindet; fremde Motive finden
sich mit eigenen oft in so seltsamer Weise zusammen, wie an
einem der Portale im Tiibinger Schlofihof, so dafi «es scheint,
als ob die Lust Eigenes zu schaffen, bei aller Anlehnung
immer die vorherrschende war 1 *.
Selbst wenn fur die spatere Zeit des Jahrhunderts dieser
letzte Satz etwas eingeschrankt werden miifite, so zeigt doch
ein Blick z. B. in Wendel Dietterleins «Architektura» (1593/94),
dafi derartige Werke auch da, wo sie direkt Entwiirfe fur
Architektur und Plastik zu geben scheinen, vom Bildhauer
schon aus technischen Grunden niemals direkt benutzt werden
konnten 8 .
So ist zwar die Untersuchung der praktischen Wirksam-
keit bestimmter Vorlagen bucher und Stiche gewifi eine der
notwendigen Vorarbeiten fur das kunstgeschichtliche Verstandnis
der Zeit; aber es kommt ihr fur die Plastik weder das erste
noch das letzte Wort zu. Die Geschichte derselben bedarf als
Grundlage zunachst einer Feststellung der Schul- und Werk-
stattzusammenhange bei moglichst vielen einzelnen Werken
und Bildhauern; und sie kann, solang das Material der Orna-
mentstiche wenig bearbeitet ist, sich einstweilen damit begnugen,
sich die Tatsache der Beeinflussung klar zu machen, ohne den
verschlungenen und vielfach auf immer verschutteten Weg
freizulegen, auf dem eine Einzelform bis zu ihrem jetzigen
Platz an einem Torgiebel oder Grabmalaufsatz gelangt ist.
Endlich darf noch darauf hingewiesen werden, dafi die
Beschaftigung mit den einzeln Meistern der Mitte und der Spat-
zeit des 16. Jahrhunderts der Geschichte des ganzen Kunst-
bet r i e b s und des Kunstinteresses innerhalb eines
bestimmten Territoriums StofT zufuhren wird. Die wurttem-
1 A. Brinckmann, Die praktische Bedeutung des Ornamentstichs
fur die deutsche Fruhrenaissance, Strafiburg 1907, S. 93.
1 Ein bezeichnendes Beispiel ist auch das erste Vorsetzblatt in dem
oben besprochenen Cod. hist fol. I HO der Stuttgarter Landesbibliothek. Der
Maler Jakob Zuberlin, der mit Jelin gleichzeitig in Tiibingen wirkte, hat
es entworfen.
— 88 —
bergischen Denkmaler, zu deren Verstandnis die vorliegende
Arbeit einen Beitrag liefern mochte, entstammen einer groBen
Zeit vaterlandischer Vergangenheit. Die Einfuhrung der Refor-
mation bedeutet in Wiirttemberg mindestens fur die Quantitat
des Geschaffenen keinen Riickschlag, sondern den Beginn einer
lebhaft bewegten Epoche, deren kunstlerisches Leben erst
mit dem Unglucksjahr 1634, genau 100 Jahre nach ihrem Be-
ginn, unterbunden aber keineswegs vernichtet wird. In dieser
ganzen Zeit ist es das Furstenhaus. das durch den Um-
fang und die Bedeutung seiner Auftrage einen bestimmenden
EinfluB auf die Kunstiibung behalt: ihm folgen der Adel, die
Stadte und bestimmte Korporationen, wie die Universitat. Am
planmafligsten und glanzendsten wurde die Architektur bedacht
Aber die Bildhauer, die Maler, die Medailleure kamen wahr-
haftig nicht zu kurz. GewiB hat das glanzende Bild dunkle
Ziige genug. Die Ausgaben iiberschreiten oft die Mittel des
kleinen Landes. Es fehlt am Hof fast durchaus an feinerem
Verstandnis fur das eigentlich Kiinstlerische und seine natiir-
lichen Bedingungen. Die Vorliebe fur Raritaten und Kurio-
sitaten und die haBliche Bevorzugung der Auslander unter dem
sonst so verdienstvollen Herzog Friedrich, haben der rationellen
Kunstpflege groBe Summen entzogen. Aber viel davon fallt
der Mode, dem Zeitgeschmack zur Last. Es ware ein Unrecht,
diese Ziige zu unterstreichen, statt vielmehr die groBartige
Forderung von Kunst und Kiinstlern zu bewundern, in einer
Zeit, deren offentliches Leben charakterisiert ist durch klein-
lichen theologischen Hader und durch zunehmende politische
Unsicherheit ; in einem Land, das weder zu den groBten noch
zu den reichsten Territorien zahlte. Die gewaltsame Zerstorung
so vieler kirchlicher Kunstwerke, das MiBtrauen gegen die
«Bilder», das unsere Periode einleitet, hat hier so wenig wie
anderswo den kiinstlerischen Sinn zu ersticken vermocht: es
sind die Fiirsten, die ihm neue Aufgaben gestellt haben.
Diese Neuheit der Aufgaben muB man, neben dem Ein-
dringen der italienischen Formenwelt am Anfang des Jahr-
hunderts, im Auge behalten, um manche Formlosigkeit, manches
MiBverstandene und Verschrobene milder zu beurteilen. Wir
werden nicht selten die Absicht von der Ausfuhrung zu unter-
— 89 —
scheiden haben. Wir werden aber auch erkennen, wie in
dieser so ubel berufenen Periode deutscher Plastik die charakter-
lose Nachahmung des Fremden durchaus nicht die Hegel
gewesen ist, und wie neben der vielgeruhmten Kleinkunst
manche Werke der Steinbildhauer mit Ehren ihren Platz be-
haupten.
I.
JOSEF SCHMID VON URACH.
Schmids Anfange liegen fur wis im Dunkel. Hatte er
sich nicht ausdrucklich auf einem seiner Werke ! als Uracher
bezeiehnet, so konnte man selbst iiber seine Heimat im Zweifel
sein. Denn, sieht man von den zwei Uracher Grabsteinen ab,
deren Entstehungszeit nicht unbedingt sicher ist, so begegne
er uns mit seinem friihesten Werk fern von Wurttemberg, in
dem nah bei Worms gelegenen Herrnsheim, das dem Ritter-
geschlecht der <Kammerer von Worms, gen. von Dalberg> ge-
horte. Der groBe geographische Bezirk, auf dem sich seine
Werke verteilen, macht es von vornherein wahrscheinlich, dafi
er aus einer Werkstatt mit weitreichenden Beziehungen hervor-
gegangen ist.
So erscheint es naheliegend, in C h r i s t o f von Urach
seinen Lehrer zu vermuten. Dieser interessante und im Ver-
gleich mit spateren Meistern vielseitige Kiinstler, dessen be-
zeichnete Werke von 1518 bis 43 reichen, hat sich in Offen-
burg und in Baden-Baden ebenfalls als Uracher bezeiehnet 1 .
Er ist also nicht bloB ein Landsmann von Schmid, sondern
auch, gleich ihm, weit herum gekommen.
Trotzdem ist es mir nicht wahrscheinlich, dafi er Schmids
eigentlicher Lehrer war. Zwar dafi der Ietztere schon 1555
» Epitaph des Wolf von Vellberg (1553) in St5ckenburg. Der Kon-
trakt bei Wi., S. 13, nennt ihn anch den Steinmetz von Urach; doch ware
das allein nur fiir seinen Wohnsitz beweisend.
1 Die Nachrichten iiber ihn sind von Schumann znsammengestellt
and kriti8oh verarbeitet in der Uracher Oberamts-Beschr. von 1909, S. 5%ff.
— 91 —
starb, ihn also sicher nicht lang iiberlebt hat, wurde noch
nicht dagegen sprechen, da nach manchen Anzeichen Schmid
jung gestorben ist. Aber der Charakter der Werke ist zu
verschieden.
In Ghristof von Urach traf die Renaissancestromung auf
einen in spatgotischer Tradition aufgewachsenen, aber nicht
erstarrten Meister, der das Neue offenbar mit groBter Bereit-
willigkeit ergriff. So wenig sein Entwicklungsgang im einzelnen
geklart ist, seine Arbeiten zeigen doch mit aller Bestimmtheit,
dafi er einer der selbstandigsten und originellsten Plastiker
gewesen ist, die in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahr-
hunderts in Siiddeutsebland aufgetreten sind. Mit den Ele-
menten der neuen Dekorationskunst italienischer Herkunft
sucht er in wiederholten Anlaufen ein Neues zu schaffen, das
durchaus personlich empfunden erscheint. Gewifi iiberwiegt
vor seinen bisher bekannten Werken meistens der Eindruck
des originellen Versuchs den der kiinstlerischen Abrundung.
Gerade im Dekorativen, worauf offenbar sein Hauptinteresse
gerichtet war, sind es mehr entwieklungsfahige Einfalle und
urwuchsige Einzelmotive, als brauchbare Gesamtformen des
Aufrisses, die er seinen Grabmalern mitgeben konnte. Seine
uppig wuchernde Erfindungsgabe, der, wie ein Beurteiler mit
Reeht hervorhebt 1 , ein Zug zu barockem Reichtum anhaftet,
findet, nachdem die gotischen Formen verlassen sind, anfangs
keinen Rahmen fur ihre Gebilde. Das uberaus unteklonische
Monument des Jorg von Bach in Olfenburg 2 ist dafur der
deutlichste Beweis. Spater freilich, besonders in dem Wert-
heimer Denkmal von 1543, ist doch auch der Aufbau mindestens
nicht ungeschickt, und es mochte manchen Betrachter geben,
der entgegen der Meinung v. Oechelhausers 3 dem iiber-
quellenden und doch kraftig zusammengehaltenen Reichtum
dieses Epitaphs den Vorzug vor der eleganten aber unperson-
lichen Art des danebenstehenden kurz vorher entstandenen gibt 4 .
1 Badisches Inventar, Kreis Mosbach. Bd. IV, 1. Abteilung, S. 259.
t Abb. ebenda, Kreis Offenburg, S. 488.
3 Ebenda an der unter 1 genannten Stelle.
4 Gcorg II., gest. 1530 Beide sind, freilich recht unvollkommen, ab-
gebildet bei Ortwein, Bd. II, Abteilung XVI.
- 92 —
Josef Schmid zeigt gegenuber dem stets wechselnden Ant-
litz dieses talentvollen Einspanners eine auf den ersten Blick
beinahe ermudende Gleichformigkeit. Es ist als ob er die ein-
mal gefundenen und bewahrten Formen mit einer gewissen
Aengstlichkeit festhielte. Freilich modifiziert sich dieser Ein-
druck sehr bald: in den sechs Jahren seiner Tatigkeit, die wir
allein iiberblicken. finden wir deutliche Spuren davon, wie der
Kiinstler zielbewuBt an sich selbst und seiner Kunst gearbeitet
hat. Er versteht am Schlufl denselben Inhalt feiner, vornehmer,
treffender auszudriicken als fruher. Aber weder der Aufbau
seiner Denkmaler, noch sein mit sichtlicher Liebe angebrachtes
schones Laubwerk, laBt sich unmittelbar von dem alteren
Uracher Meister herleiten. — Auch er entfaltet sein Konnen
vorwiegend im ornamentalen, weniger im figurlichen Teil seiner
Werke. Aber wie viel gebundener, wie viel sehulmafiiger und
korrekter ist seine Ausdrucksweise. Wenn man sein fruhestes
Werk gesehen hat, so bieten die spateren keine eigentliche
Ueberraschung mehr: seine Hand ist unverkennbar, auch wo
er sein Zeichen nicht angebracht hat. Wahrend Christof von
Urach uns ahnen laBt, welcher Reichtum von dekorativen Mog-
lichkeiten in der deutschen Friihrenaissance steckte, scheint bei
Schmid der Strom in ein enges Bett geleitet, in vorbestimmter
gerader Richtung fortzuflieBen. Es ist leicht moglich, daB wir
noch mehr Werke von ihm finden, aber unwahrscheinlich,
daB sie uns neue Seiten von ihm erschlieBen. Ohne Hand-
werker im ublen Sinn zu sein, steht er doch dem Handwerk
naher als sein bedeutender Landsmann.
Im Jahr 1555, spatestens Anfang 1556, ist Schmid ge-
storben. Auf seine aufieren Verhaltnisse wirft ein kurzlich zu
Tag gekommener Schriftwechsel des Jahres 1558 ein bezeich-
nendes Licht *. Da er auch sonst Interesse bietet, sei er hier
mitgeteiit :
1558 Mai 31.: Herzog Christoph an den
Obervogt von Urach. Er hat gehort, cdas meister
Joseph bildhauers verlassen wittib bei dir die zwuo patronen
* Herr Prof. Dr. Ernst, der die Stacke im StA. Stuttgart auffand (Aus-
gestorbener Adel L. 33), hat mich durch ihre Ueberlassung zn be-
sonderem Dank verpflichtet.
X
— 93 -
oder visierung beeder grabstein unsers herrn vatters und
herzog Eberharts .... noch bei handen haben soll> ; er soil
sie von ihr fordern und einschicken, «dann wir derselben in
anderweg notturftig seien> — (Konzept).
Juni 2. : D e r Obervogt von Urach an Herzog
Christoph: Er schickt die Patronen und Visierung von
Herzog Ulrich und Eberhard. Die Witwe beschwerte sich die-
selben herzugeben; sie sagt, es sei «der gebrauch, das die pa-
tronen oder visierungen der arbaiten. so die meister dies hand-
werks machen, ihnen den meistern bleiben solen>. Der Ober-
vogt hat ihr erwidert, der Herzog werde sich gegen sie so
halten, da8 sie ohne Klage sein werde. <Dieweil dann der gut
eherlich man maister Joseph selig mit seiner kunst, mie und
arbait nit mehr erobert dan das er sein hausfrau (ain frum
erbers weib) mit 5 jungen unerzogen kindern im witwenstand
und groser armut verlasen, so thet E. F. G. werlieh ain nott-
durftig wol angelegt almosen, so sie ir der witfrauw und iren
kindern etwas aus gnaden, es were an frueht oder sunst, ver-
schaflen lieBen>.
Juni 2.: Herzog Christoph an den Obervogt:
er wird die Patronen der Witwe ehestens wieder zukommen
I a. s sen. «Oder kannst du mit ihr verhandeln, was man ihr
geben soil; will sie ihr bezahlen lassen, obwohl sie uns zu
nichts niitz sind.» — (Konzept).
Urn Schmids Werke zu wurdigen, gilt es zuniichst, ihre
zeitliche Reihenfolge festzustellen. Drei sind mit
Jahreszahlen bezeichnet, das Kilehberger mit 1552, das Stocken-
burger mit 1553, die PrinzeB Anna in Tubingen mit 1555: fur
Herzog Eberhard und Ulrich haben wir den Kontrakt, der im
November 1550 mit dem Meister abgeschlossen wurde, und ihre
sofortige InangrifTnahme vereinbart: sie sollen <hie zwischen
Martini ufTs allerlengst* verfertigt werden 1 , d. h. also innerhalb
Jahresfrist bis November 1551. Da Schmid im Herbst 1550
auch als Stuckateur am Heidelberger Schlofl bezeugt ist -, so
» Wi . S. 19.
* Aus den bei Rott. Otthreinich und die Kunst, S. *216 ff., mitgeteilten
Briofcn ergibt sich folpendes : Herbst t5.">0 sandte Herzog Ulrich den «Gipser»
- 94 —
wird man das Herrnsheimer Monument wohl am besten in die
Zeit unmittelbar nach dem Tod des dort Dargestellten, also ins
Jahr 1549, oder in den Anfang des folgenden setzen. Viel
fruher mochte ich es schon deshalb nicht datieren, weil die
Inschrift, die das Todesdatum des Mannes enthalt, hochst wahr-
scheinlich von Schmid selbst angebracht ist. — Zwei Grab-
steine, die mit diesem Denkmal etwa gleichzeitig entstanden
sein werden, finden wir in der Amanduskirche in Urach. Auch
wenn sie vor den Herrnsheimer Aufenthalt fallen, so beginnt
die dauernde Beschaftigung unseres Meisters in Wiirttemberg
doch erst mit dem herzoglichen Auftrag, der ihm am 24. No-
vember 1550 erteilt wurde. Von Arbeiten, die er, abgesehen
von den herzoglichen Denkmalern in der Folgezeit geliefert hat,
waren bisher die in Tubingen (im Prinzenstuhl), in Kilchberg
und Stockenburg bekannt. Es kommt hinzu ein schones Werk
in der Kirche zu Berneck O./A. Nagold, das der Landhofmeister
Balthasar von Giiltlingen sich und seiner Frau ziemlich lang
vor seinem 1563 erfolgten Tode hat errichten lassen. Ich setze
es in die Zeit des Stockenburger Epitaphs und komme so zu
folgender lJatierung der erhaltenen SchmicTschen Arbeiten:
1. Grabdenkmal des Wolf Kammerer von
Worms gest. 1549 und seiner Frau
Elisabeth geb. Fetzer von Geispitzheim,
gest. 1534. Herrnsheim Kirche. 1549/50
Abb. Hess. Inventar. Kreis Worms,
Fig. 35.
Michel von Hardt auf die Bitte Friedrichs II. nach Heidelberg. Den am
dortigen Schlofl vorzonehmenden «Gipsbaw» getrant sich dieser nicht allein
ansfiihren zu konnen, und veranlafit daher, dafl ihm <Joseph bildhawer»
beigegeben wird. Oemeint ist Joseph Schmid. dessen vollcr Name in dem
Schreiben Friedrichs II. (S. 216) genannt wird. In Heidelberg erscheint
Joseph Schmid als der Leitende, der den Ban ubernimmt, Michel von
Hardt als der Ausfuhrende. Der Tod Herzog Ulrichs (1560. Nov. 6) unter-
bricht die Arbeit. Joseph Schmid hat csolchen vilgnanten baw weitter nit
mer wissen auf sich zu nemen, sonder der begrabnus, daran er noch heu-
tigs tags (Juii 1551) schafft, sich underfahen miissen*. Zur Fortsetzung dee
Werks sendet Herzog Christoph im Juli 1551 den Tubinger Gipser
Konrad Wagner mit Gesellen nach Heidelberg. (Sein Familienname ist
fur Tubingen bezeugt durch die im Stuttgarter StA. vorhandenen Tiirken-
steuerlisten von 1542 u. 44). Vgl. oben S. 47, Anmerkung 2.
— 95 —
o.
6.
2. Figurengrabstein des Ritters Hans Not-
haffl, gest 1549, August 12.
Amanduskirche. Urach.
Abb. Wurtt. In v. Schwarzwaldkr. nach
S. 480.
3. Wappengrabstein des Dr. iur. Niklaus
Muller gen. Maier, gest. 1549, Apr. 1.
Ebenda. Abb. am selben Oil 1 .
4. Tumba Hereog Ulrichs von Wurttem-
berg, gest. 1550 Nov. 6.
Tubingen. Stiitskirche.
Tumba Herzog Eberhards von Wurt-
temberg. gest. 1496. Ebenda. (s. Tafel.)
Steinerne Umrahraung fur zwei In-
schrifttafeln. Ebenda.
7. Wandgrabmal des Johann von Ehingen,
gest. 1562, Febr. 18.
Kilchberg. Kirche. is. Tafel.)
8. Epitaph des Wolf von Vellberg, gest.
1556 und seiner Gemahlin Anna g.
Treschin von Butlilarn, gest. 1562.
Stockenburg. Kirche.
/Abb. Inv. Jagstkreis I. S. 692).
W. Epitaph des Wilhelm von Janowitz,
gest. 1562 und seiner Frau Anna geb.
von Sachsenheim, gest. 1553.
Tubingen. Stiftskirche. Prinzenstuhl.
10. Doppelepitaph des Balthasar von Giilt-
lingen, gest. 1563 und seiner Gemahlin
Agnes geb. von Gemmingen (ohne
Angabe des Todesjahrs).
Berneck. Kirche. is. Taiel.)
11. Tumba der PrinzeB Anna von Wurt-
temberg, gest 1530.
Tubingen. Stiftskirche. Chor.
154950
1549 50
1551
1551
1551 od. 52.
(bez.) 1552
(bez.l 1553
1553/54
1554
(datiert; 1555
1 Die Anfstellang der Grabmaler ist jetzt etwas verandert.
HERRNSHEIM.
Auf die Frage, wie Josef Schmid nach Herrnsheim kam,
vermag ich bis jetzt keine Antwort zu geben. Allerdings gibt
es in derselben Kjrche, wo Schmids Werk steht, ein Grabdenkmal,
das einer 1547 jung verstorbenen Frau Margarete von Dalberg
geb. von Rechberg gewidmet ist. So nah es liegt, dafi
Josef Schmid durch die schwabische Familie dieser jungen
Frau nach Herrnsheim empfohlen worden ware, so kann ich
mich doch nicht entschlieBen, ihm das Denkmal zuzuschreiben.
Eine kurze Beschreibung des Werks mag dies begriinden.
In die Hintergrundsplatte ist eine sehr flache Nische ein-
geschnitten, die keinerlei Rahmung zeigt. Diese Platte ist
flankiert von Pilastern, die sehr stark (etwa 20 cm) vortreten
und zusammen mit dem geraden Quersturz eine kastenformige
Umrahmung bilden ; das Gebalk tragt die Inschrift in lateinischen
Typen, wie sie bei Schmid sonst in jener Zeit nicht vorkommen.
Dariiber steht ein halbrunder eingetiefter Giebel. Das Wappen
darin hat schones Laubwerk, ebenfalls nicht ganz dem
Schmidschen entsprechend. Von der Hintergrundsplatte hebt
sich die rein frontale Figur der Verstorbenen ab, die der
Meister sich wohl liegend gedacht hat. Sie hat die Hande vor
der Brust gefaltet; der Rosenkranz folgt genau der ein spitzes
Dreieck bildenden Gewandoffnung. Ober- und Untergewand
zeigen die gleiche regelmaBige, einfach aber fein empfundene
Faltengebung. Die einzelnen Falten haben halbrunden Quer-
schnitt, die Rinnen nur Linienbreite. Dennoch entsteht keine
Einfdrmigkeit : unten wird durch drei gesaumte Querstreifen
— 97 —
ganz leise die Horizontal betont. Die FuBe sind unsichtbar.
Das Gesicht von jugendlicher Zartheit, etwas flacher und un-
artikulierter als bei Schmids sicheren Werken. Das Ganze ist
ein Werk von stillem Reiz und einheitlicher Stimmung, die
durch ein paar handwerklich grobe Zuge (besonders die Be-
handlung der Wappenpilaster) nicht verwischt wird.
Haben wir hier ein Werk aus Schmids friiherer Zeit vor uns?
Ich glaube nicht. Die Entstehungszeit kann, da die Darge-
stellte schon mit 18 Jahren starb, nicht uber das Todesjahr
1547 hinaufgeruckt werden; die Denkmaler der Margarete und
das von Schmid bezeichnete des Wolf von Dalberg und seiner
Frau miissen also kurz nacheinander entstanden sein. Dann
aber spricht vor allem eines gegen Schmids Autorschaft bei
dem alteren Denkmal: die bewuBte Stilisierung, die jede Be-
wegung der Figur, jede unruhige Durchfurchung des Steins
vermeidet, um einen einzigen Eindruck, den des Todesschlafs,
zu erzeugen. Schmid hat einmal, am Ende seines Lebens, ein
Werk geschaffen, das ahnliche Tendenzen zeigt. Aber wir
werden sehen, wie er sich langsam zu dieser tieferen, monu-
mentaleren Erfassung seiner kiinstlerischen Aufgabe durchringt.
Vor 1549 hat ihm all das sicher fern gelegen.
In seinem sicheren Herrnsheimer Werk ist er noch der
geschickte und sorgfaltige Interpret kleinmeisterlicher Gedanken.
Er kann sich gar nicht genug tun in der Freude, sein Denkmal
mit schonen Ornamenten auszuzieren. Wo es Flachen zu
fiillen gilt, da ist er mit seinem Konnen bei der Hand : an
Sockel, Pilastern und Gebalk, an den ornamentierten Teilen
des Harnischs und an dem gemusterten Gewand der Frau ver-
weilt er mit solcher Liebe bei den Einzelheiten, daB die Ge-
samtwirkung in die Bruche zu gehen droht. Das Prachtstiick des
Ganzen ist die herrliche Breitfiillung des Sockels: zwei stili-
sierte Ranken in der Art des Aldegrever und ein kranzum-
schlossenes Mittelstiick 1 . Derber sind die schmalen Hoch-
fullungen der Pilaster. Durchweg ist die Mittelaehse festgehalten,
wenn auch nicht immer ausdriicklich betont. Die Art, wie die
1 Die Photographie brinrt die Schonheit der Arbeit hier nicht ganz
zur Geltung, nnd das Original ist wegen der davor stehenden Banke nur
schlecht zn sehen.
n. 7
— 98 -
Wappen an die Pilaster des Blend bogens angeleimt erscheinen,
ist nicht selten. Aufierhalb Wurttembergs findet sie sich z. B.
an dem schonen gleichzeitigen Werk des Meisters C. F. in
GroBsteinheim 1 . Schmid verwendet sie, urn auch hier die
leeren Flachen moglichst mit prickelnder Bewegung zu effiillen.
Entfaltet er so in der Flachenfullung einen Reichtum von
Detailarbeit, so tritt in der Silhouette eine gewisse Sprodigkeit
der Erfindung zu Tage. In den Giebelfeldern erscheinen als
Trager der Inschrift Pergamentblatter, deren mehrfach einge-
kerbter Rand sich zu diinnen hiilsenartigen Gebilden und ein-
fachen Blattformen aufrollt, — eine charakteristisch friihe Art
des Rollwerks, der wir ahnlich in Berneck begegnen. — Die
Umrifilinie der Giebel selbst stoBt ohne jeden Schmuck kahl
uod hart auf das obere wagrechte Gesims : besonders auf den
Seiten wo ein breiter Raum freibleibt, ein Eindruck von pein-
licher Diirftigkeit. Andere, und nicht bloB spatere, Meister als
Schmid empfinden gerade hier das Bediirfnis, durch eine Fulle
architektonischen und malerischen Ornaments den Uebergang von
der Spitze bis zum Korper des Denkmals, das Auseinandergehen
in die Breite, zu markieren. Immerhin darfman sagen, daB ge-
rade hier Schmids Zugehorigkeit zur Fruhrenaissance besonders
deutlich wird, und man begreift, daB der vollsaftige quellende Reich-
tum, die Fulle der Bewegung in der UmriBdekoration der spate-
ren Jahrzehnte den Zeitgenossen als ein Fortschritt erscheinen
muBte gegenuber solchen diinnen, etwas akademisch anmutenden
Gebilden wie den Herrnsheimer (und GroBsteinheimer) Giebeln.
Ein Wort uber die Figuren. Auch wenn man Schmids
spatere Arbeiten nicht zum Vergleich heranzieht, hat das Ur-
teil des Inventars wenig Einleuchtendes : «Das Antlitz vereinigt
Innigkeit und tiefe Empfindung mit wurdigem Ernst*, — «Der
Kopf des Mannes mit dem wallenden Bart ist zugleich ein Bild
energischer Kraft>. — Kopf und Korper des Mannes sind
1 In Hessen, nahe bei Hanau. am Main gelegen, fruher kurmainzischer
Ort. Abb. Inv. Kreis Offenbach, S. 47. Rott hat den Namen des Bildhauers
gefunden: es ist Conrad Forster, mit dem Josef Schmid in Heidelberg bei-
nahe sicher znsammengetroffen ist. (Ygl. oben S. 93, Rott, a. a. 0., S. 90;.
In der Beherrschung des Figiirlichen ist Forster dem Schmid weit flber-
legen. Dagegen zeigt der Aufrifi seines Grabmals in Grofisteinheim eine
anffallende Aehnlichkeit mit Schmids Herrnsheimer Werk.
— 99 —
ungeschickt verdreht, die flachen Augenhohlen, die aufgerissenen
Augen, die nach oben gezogenen Stirnfalten machen eher einen
etwas bidden als einen kraftvollen Eindruck ; es ist das einzige
Stuck des ganzen Denkmals, das uns den Meister wirklich un-
sicher und unbehilflich zeigt. — Die F r a u ist schon in der
entschieden nach links gewendeten Stellung glucklicher. Hier
hat der Kunstler rascher seinen bestimmten Typus gefunden, den
er fast bis zuletzt beibehalt: mit Ausnahme der PrinzeB Anna
sehen sich alle seine Frauen ahnlich wie Schwestern. Das
Gesicht ist lang und ziemlich voll, die Augen ein wenig starr,
der Ausdruck vornehm und ernst, ziemlich zuriickhaltend, ja
unpersonlich. In Tubingen (bei der Frau von Janowitz), wie
in Stockenburg und Berneck Bnden wir nur ganz leise Ab-
wandlungen desselben Motivs. Man muB sich huten, Schmids
Figuren fur Portrats zu nehmen : nicht blofi in auBerlichen
Dingen wie Kleidung, Haar- und Barttracht hat der Meister, ab-
gesehen von den Fiirstenbildern, sich an sein Schema gehalten.
Das Material des Herrnsheimer Denkmals ist ein gelb-
licher Sandstein, der von einer weiBen Uebertunchung jetzt
groBtenteils wieder befreit ist.
Trotz der Befangenheit, die an einzelnen Stellen hervortritt,
ist es klar, daB wir es hier nicht mit dem fruhesten selbstan-
digen Werk Schmids zu tun haben ; er muB sogar, als er
diesen Auftrag erhielt, schon einen gewissen Namen gehabt
haben. Die Aussicht, weitere Werke von ihm zu finden, ist
also keineswegs gering. In Worms und seiner unmittelbaren
Umgebung scheint allerdings auBer dem besprochenen Grabmal
nichts erhalten. Aber z. B. in Wimpfen a./B. findet sich das
Zeichen It unseres Meisters heraldisch links, daher umgekehrt
*
wie sonst) an der Saule des Renaissancegehauses fur die Kreu-
zigungsgruppe, zusammen mit der Jahreszahl 1551. Freilich kann
es bei dem Fehlen der Initialen nicht ohne weiteres auf Josef
Schmid gedeutet werden. Auch die Arbeit selbst scheint auf die
Person des Meisters keinen sicheren SchluB zuzulassen 1 . Die beiden
i Hess. Inv. Ehemaiiger Kreis Wimpfen, S. 84 u. 86. Ich kenne das
Werk nur aus dieser Abbildung.
— 100 —
URACHER WERKE,
die auf Josef Schmid zuriickgehen, kann man, da es einfache
Grabsteine sind, nicht wohl vor das Todesjahr der Beslatteten,
also vor 1549 setzen.
Nur der eine, der fur den Ritter Hans Philip Nothafft,
gibt AnlaB zu etlichen Bemerkungen. Er tragt den Charakter eines
frischen, nicht ohne jngendlichen Schwung entworfenen Werks,
bei dem es dem Meister weniger auf die Exaktheit der Arbeit,
als auf ein lebendiges Erfassen und Hinstellen der Figur an-
kam. Allerdings waren ihm dabei bestimmte Grenzen gezogen :
es handelte sich urn ein Flachrelief 1 . Trotzdem wahlt er, wohl
seinem Auftrag gemafi, fur den Ritter die reine Frontalstellung
und fuhrt sie soweit durch, dafi er auch die FtiBe gerade naeh
vorn richtet, sie also aufs starkste verkurzen muB: ein etwas
kuhnes Wagnis, das nicht gerade von groBem Geschmack, aber
von eindringlichem Streben nach Naturtreue zeugt. Der Dar-
stellung eines freien und kraltigen Stehens dient auch die in
die Seite gestemmte Hand. Nur freilich macht sich hier die ge-
ringe Relieftiefe storend bemerklich : der Ellbogen komnit zu
weit nach vorn, man empfindet daher die Funktion von Arm
und Hand nicht; sie wirken wie aufgeleimt.
Fur die Urheberschaft Schmid's an dem nicht bezeichneten
Werk mochte ich mit Entschiedenheit eintreten*. Es spricht
dafiir vor allem s?chon das Laubwerk der vier Wappen. Der
fleischig-iippigen, muskulosen Blattbildung begegnen wir bei
alien Schmidschen Werken, besonders in Herrnsheim und an
den Pilasterfullungen im Tubinger Chor. Ferner zeigt der Bart
des Ritters die bei Schmid beliebte Mittelteilung H . Der Lowe, auf
dem der Dargestellte steht, zeigt im Verhaltnis zu dem groBen
emporgehobenen Kopf einen kleinen Korper und eine Anordnung
i GrdBte Tiefe 4 cm.
8 Auch Schumann hat sich dafur ansgcsprocheu Q.-A.-Beschr , S. 530.
3 Hierin besonders dem Dalberg in Herrnsheim verwandt. DaB diese
Barttracht einfach die Mode jener Jahre wiedergibt, wie Schumann (O.-A-
Beschr. Urach, S. 601) annimmt, ist mir naeh meiner Kenntnis zeitgenossi-
scher Denkmaler unglaubhaft. Die Aehnlichkeit des Kopfes mit den anderen
Schmidschen ware noch deutlicher, wenn bei dem Uracher nicht die Nase
verstummelt ware.
— 101 -
des Haares in schwungvoll gewellten Strahnen, die sich fast
ganz ebenso in Kilchberg findet. Einzelne andere Zuge wie das
Aufstutzen des Schwerts auf den Lowenkopf und der um das
Schwert sich ringelnde Riemen, mochten, da sie in der Woller'-
schen Werkstatt und auch sonst wiederkehren, eher den Cha-
rakter der Mode tragen.
Der Stein als Ganzes ist durchaus im Sinn einer Grab-
platte behandelt : nicht bloB lauft der Schriftrand an alien vier
Seiten gleichmaBig herum, sundern das Innenfeld ist durch
eine Bordure von stilisierten Blatlern eingefaBt, ein Motiv, das
seiner urspriinglichen Bedeutung nach fur eine wagrechte Flache
bestimmt ist und sich anch ganz entsprechend an den Tiibinger
Hochgrabern vorfindet. Aber diese Form ist vollig stereotyp
geworden : unser Stein war trotz des flachen Reliefs sicher von
Anfang an fur eine senkrechte Aufstellung bestimmt. Das zeigt
allein schon seine gute Erhaltung, ferner die aufrechte Stellung
des Lowen 1 , wahrend die AufTassung des Ritters als Stand-
figur fur sich allein noch keinen Beweis abgeben wurde.
Von dem Wappengrabstei n des Dr. Niclaus
Mii Her darf ohne weiteres gesagt worden, daB er aus der-
selben Werkstatt hervorgegangen ist. Schmid kann ihn wohl
eigenhandig ausgefiihrt haben. Die Technik steht hinter der des
vorher besprochenen jedenfalls nicht zuruck. Sie ist gut, wenn
auch nicht glanzend: wir haben es beide Mai mit rasch aus-
gefiihrten und wohl auch nicht hoch bezahlten Werken zu tun.
Anders bei den Denkmalern, die den Meister nun fur
langere Zeit nach
TUBINGEN
fuhrten. Ein Auftrag fur das Herzogshaus erfolgte natiirgemaB
erst, nachdem er sich schon in groBeren Arbeiten bewahrt
hatte. Seine Beschaftigung im «Ausland» mag ihn, wie spater
Schlor, noch besonders empfohlen haben.
Der Kontrakt, den zwei hohe Beamte des Herzogs mit dem
Meister abschlieBen *, tragt dem Bildhauer die ganze Steinmetz-
1 Vgl. dagegen das unten zu besprechende Oberbobinger Denkmal
and die Wappentiere an den Tiibinger Fiirstendenkmalern.
» Abgedrackt bei Wi , S. 19, neaerdings auch bei Rott, Ottheinrich
and die Kanst, S. 219.
— 102 —
arbeit an den beiden Grabmalern fur Ulrich und Eberhard auf.
Daraus, dafl ihm fur die Beifiihrung der Steine in die Werk-
statt wie fur die Aufrichtung der fertigen* Denkmaler in der
Kirche Leute beigegeben werden, darf wohl geschlossen werden,
daB er nicht an der Spitze einer Anzahl von Gesellen stand,
sondern alles Wesentliche selbst ausfuhrte. Auch das Honorar
(120 Gulden fur beide Denkmaler, fur die Arbeit eines Jahres)
stimmt dazu. Im tibrigen ist bemerkenswert weil nicht die
Regel, daB Schmid auch alsUrheber des Entwurfs
zu den Denkmalern bezeichnet wird.
Bei beiden Denkmalern haben wir es zu tun mit einer
30 cm dicken Platte, die auf 4 Eckhirschen ruht, d. h. zwei
Hirschleibern, die an der Ecke in einem Kopf zusammen-
wachsen. Sie muBten, da der schlanke Hirsch mit abstehendem
Geweih sich zum Trager so wenig wie moglich eignet, stark
stilisiert werden. Mit unformlich dicken Leibern, die zu den
Extremitaten in keinem Verhaltnis stehen, kauern sie am
Boden, die Last der Platte mit dem Rueken stiitzend. Die
Oberflache der Tiere hat der Meister, wo es moglich war, glatt
gelassen: die tragenden Wappentiere sollten offenbar die Auf-
merksamkeit moglichst wenig auf sich lenken, aller dekorative
Reichtum sich oben auf der Platte entfalten 1 . Die Platte selbst
folgt dem Grabsteinschema, wie wir es bei dem Ritter Not-
hafft vor uns haben. Das Seitenprofil tragt der besonderen
Situation der nicht in den FuBboden eingelassenen, sondern
emporgehobenen Grabplatte dadurch Rechnung, daB der auBere
Rand abgedacht ist. Das Ganze erhalt so den Charakter des
abnehmbaren Sarkophagdeckels. Ein richtiges Gefiihl hat
Schmid geleitet, wenn er die Platte so dick nahm, daB er
unter dieser Abdachung sozusagen noch ein Stuck des Sarko-
phagkorpers sichtbar machen und als Gebalk charakterisieren
konnte. Bei Woller bezw. Baumhauer fehlt es und man kann
an dem Denkmal des Herzog Christof die Beobachtung machen,
wie unangenehm es fur den Beschauer ist, uber das Auf-
sitzen der Last auf den Tragern im Unklaren gelassen zu
werden.
1 Anders Baumhauer beim Denkmal des Prinzen Eberhard.
— 103 —
Die Oberflache besteht aus dem gerahmten Rand, der hier
Ornamentformen aufnimmt, da die Schrift auf der Schrage
Platz findet, und aus der muldenformig vertieften Innenflache.
Die Breite dieses Rands betragt etwa */ 4 von der der Innen-
flache. An ihn sind, durchaus der Uebung jener Jahre ent-
sprechend, vier Eckwappen angeschafft, deren reiche Laubwerk-
zier ' den Rahmen ubersehneidet. AuBerdem hat Schmid auf
ihra, als ein dekoratives Gegenstuck gegen den Lowen zu
FiiBen der Liegenden, den offenen Visierhelm angebracht. Unter
demselben schlangelt sich, ein Motiv aus alterer Zeit, von
Schmid auch sonst verwendet, ein Schriftband mit Wahlspruch.
Die Figuren ruhen, die Hande auf der Brust zusammen-
gelegt, auf einem dunnen Kopfkissen (ornamentiert, 4 Quasten)
und stem men die FuBe gegen einen kauernden Lowen. Das
Motiv des Liegens ist durchaus festgehalten : analog dem Helm
liegen Dolch, Schwert und Handschuhe neben der Figur, ohne
an der Riistung befestigt zu sein.
Bei der ziemlich genauen Uebereinstimmung der Mache
scheint es gewagt, die zeitliche Reihenfolge der beiden Denk-
maler bestimmen zu wollen. lch mochte mich doch fiir die
Prioritat des Herzogs Ulrich aussprechen. Mir scheint, daB der
vorsichtig und (iberlegt arbeitende Kiinstler bei Eberhard seiner
Sache etwas sicherer gewesen ist, und daB dies der Gesamt-
wirkung des letzteren Denkmals zu gute kommt. Von den
Verschiedenheiten der Riistung wird man dabei wohl abzusehen
haben. Die Eberhards ist allerdings ruhiger, gedrungener,
wirksamer*. Aber das liegt an der alteren Panzerform. die
1 Bei Eberhard kommt noch die Kette des Ordens vom Goldenen VlieB
hinzu.
* Ulrich tragt die ornameHtierte Plattenriistang, die seit den vierziger
Jahren fast an alien Ritterdenkmalern und so auch an den abrigen Werken
von Schmid vorkommen. Die Verzierung der hervorragenden Teile des
Panzers mit Streifen von stilisiertem Blattornament, das haufig unten am
Krebs erhaben, sonst vertieft erscheint, ist zwar gewiB nach dem Herzen
der durchschnittlichen Auftraggeber gewesen, die ein mdglichst prachtiges
Standbild haben wollten, und sie kam auch dem handwerklichen Sinn
mancher Bildhauer entgegen. Aber uberall empfindet man ihre Wirkung
als eine Storang des Gesamteindrucks : sie ist ein Moment kleinlicher Un-
ruhe, das durch die glatten Flachen nicht geniigend im Schach gehalten
werden kann. Es ist bezeichnend, daB es Kiinstler gab, die in ihren reifen
- 104 -
hier gewahlt und die dem Bildhauer wahrscheinlich genau vor-
geschrieben wurde. Anders die Behandlung des Kopfhaars:
Ulrichs kurz geschorenes, wolliges Haar geht zusammen mit
dem des Herrnsheimer Ritters, Eberhards lange Strahnen mit
dem spateren Kilchberger (1552). Die Unterlage der Figur ist
bei Eberhard deutlicher als Teppich charakterisiert, uberein-
stimmend mit dem Annadenkmal; sie reicht am Fufiende unter
dem Lowen durch bis zum aufleren Rand, wo die Fransen
sichtbar werden. Die Bildung von Handen war nie Schmid's
starke Seite. Sie sind durchweg schematisch : die Handriicken
bei den Mannern mit sichlbarem Geader iiberspannt, die Finger
iibermafiig lang und ohne rechtes Verhaltnis. Bei Ulrieh ist
nun der Mangel besonders auffallend: statt des funften Fingers
hat er zwei vierte. So darf man annehmen, da6 es ein Monitum
von Seiten des Auftraggebers war, durch das Schmid veran-
laBt wurde, bei Eberhard in diesem Punkt sorgfaltiger auf die
natiirlichen Proportionen zu achten. — Vielleicht darf man bei
dem letzteren Denkmal auch die originelle Verwendung des
Palmbaums in der Dekoration des Randes fur die spatere Ent-
stehung anfuhren: der Kunstler wagt sich an etwas fur ihn
Neues. Der Grund ist einer Ledertapete ahnlich behandelt: die
mauresken Blattformen erscheinen wie ausgestochen, eine dem
Beschlag nicht unahnliche Wirkung. Auf dieser Unterlage sind
dann auf jeder Langseite zwei Palmbaume in heraldischer Form
angebracht.
Im ganzen ist Schmid bei diesen ersten Fiirstendenkmalern
noch nicht zu eigentlicher Bewaltigung des Details vorge-
drungen. Das ist besonders bei der Figur des Ulrieh deutlich,
wo eher der Eindruck handwerklicher Treue als der einer
kiinstlerischen Oekonomie erzielt wird. Da nun auch die Einzel-
heiten sauber ausgefiihrt sind, aber .nicht gerade durch beson-
dere Bravour der Technik fesseln, so bleibt die Arbeit bei aller
guten Absicht, die man dem Meister anmerkt, doch recht lang-
weilig. Bei Eberhard meint man einen leisen Fortschritt in der
Werken auf dieses Mittel. ihre Kunstfertigkeit zu zeigen, entschlossen ver-
zichteten, obwohl es noch keineswegs aus der Mode gekommen war. (Vgl.
onten bei Woller).
— 105 -
»
Richtung auf hunstlerische Ueberlegenheit uber den Stoff zu
spiiren. Der AufriB ist wohl derselbe, aber die Figur ist besser
zur Geltung gebracht, sie erscheint auch fur sich selbst zier-
licher und geschmeidiger.
Von den Gesichtern ist nicht viel zu riihmen. Der Versuch,
die Personlichkeit als Charakter und als furstlichen Typus zu
gestalten, ist in den Anfangen stecken geblieben. Es sind
Abschildrrungen von Einzelzugen, fur die teils der Wille des
Auftraggebers, teils der Schmid'sche Typus mafigebend war.
Sie wirken beide lahm, man spurt keinen kunstlerischen
Willen dahinter. Ulrich ist mit etwas derberen Mittel charak-
terisiert, steht aber dafur einem, wenn auch auflerlichem Por-
trait naher als Eberhard, bei dem der Bildhauer, der ihn wohl
nie gesehen hat, iiber Allgemeinheiten nicht hinausgekommen ist.
Fur die steinerne Umrahmung der zwei
Erzplatten ist oben ihre ungefahre Entstehungszeit fest-
gestellt worden. Sie kann erst nach den Grabmalern angesetzt
werden. Der Anblick des Werkes selbst bestatigt dieses Er-
gebnis. Wir haben hier, wo eine rein dekorative Aufgabe zu
losen war, wohl das Reifste und Ausgeglichenste vor uns, was
der Meister hinterlassen hat 1 .
Der Aufbau ist denkbar einfach. Keinerlei Bewegung in
der Silhouette ; der ganze Nachdruck ruht auf den harmonischen
Mafiverhaltnissen und auf der Dekoration der Flachen. Drei
Pilaster erheben sich auf einem konsolengetragenen Sockel-
gesims, tragen ein niedriges verkropftes Gebalk und bilden zur
Aufnahme der Tafeln zwei ungleiche Kompartimente, dei'en
jedes seine eigene Bekronung empfangt. Die Stirnseiten der
drei Pilaster und das obere Gebalk sind ganz mit einem Ranken-
ornament gefullt, das in seiner vornehmen und zugleich zarten
Eigenart die deutsche Friihrenaissance bei ihrem Scheiden aufs
glucklichste vertritt.
Charakteristisch ist dabei — neben der fruher schon be-
tonten Korperhaftigkeit des Blattes — zunachst das Fehlen der
grottesken Elemente. Der Unterschied gegeniiber dem spat-
gotischen Rankenwerk kommttrotzdem aufs starkste zur Geltung.
» Oben am Mittelpilaster findet sich das Zeichen J j" S.
*
— 106 —
Wir haben auch hier durchaus «rationalisiertes» Ornament vor
uns. Das zeigt sich schon daran, dafi zu den vegetabilischen
Elementen andere treten, Ringe vor allem, aber auch band-
und stabformige Gebilde, die an Eisengitter erinnern l . Die
Mittelachse ist durchweg festgehalten ; sie ist nicht als durch-
laufender Stab angegeben, aber von ihr gehen die symmetrisch
verlaufenden Rankenschwingungen aus, oder kehren zu ihr
zuriick. Die Ringe haben die Aufgabe, sowohl die Knotenpunkte
der Mittelachse herauszuheben, wie auch im Verlauf der Schwin-
gung, da wo die Bliite ansetzt, oder da wo die Beruhrung mit
einer anderen Ranke eintritt, den naturlichen Abschnitt furs
Auge zu markieren. Die Malerei unterstutzt durchaus dieses
Bestreben: der Grund zeigt ein mattes Rot, die Ranken sind
dunkel graugrun, die Ringe aber, die die Gelenke des Ganzen
freilegen, vergoldet. — Wenn trotzdem der Eindruck einer als
Gauzes iietebten, vibrierenden F&che zustande konmrt, so liegt
das an der eigentumlich engen Art der Fiillung, die dem Auge
moglichst viel Ornament und moglichst wenig Grund zeigt. Ob-
wohl keiner der Pilaster ein einziges, durchlaufendes Muster,
sondern jeder zwei bis drei enthalt, so sind diese doch so genau
ineinandergepafit, da6 nicht einmal in der Mitte, wo die wag-
rechte Steinfuge auch die Grenze zwischen zwei Ornamenten
bildet, ein Absatz zu liegen scheint Erst bei genauem Hinsehen
entdeckt man den Reichtum und die Verschiedenheit der Motive:
von Feme scheint ein lebendiger Blatterteppich alles gleich-
mafiig zu bedecken.
Die Bekronung links (iiber der Ulrichsplatte) stellt zwei
liegende Hirsche dar, beide nach rechts blickend und ein Tafel-
chen flankierend, das in stilisierte Blatter mit gerollten Endi-
gungen eingebettet ist. Es tragt den Wahlspruch des Herzogs:
V. D. M. I. AE. *. DerRaum hat nach oben nicht ganz gereicht,
und so mufite aus dem daruberherlaufenden Kaffgesims ein Stuck
ausgeschnitten werden. Rechts dagegen hat sich der Meister
mit ihm abgefunden und ein originelles Motiv erdacht, bei dem
1 Besonders deutlich ist diese Umwandlung der Ranke in der oberen
Halfte des rechten Seitenpilasters.
» Verbum Dei manet in aeternum.
- 107 —
keine Spitzen in die Hohe ragten. Er stellte zwei heraldische
Palmbaume in die Mitte und bog sie so weit herunter, daB sie,
sich kreuzend, mit den Wipfeln wieder den FuB des Gesimses
beruhren. Um jeden Stamm ringelt sich ein Schriftband mit
Eberhards Wahlspruch : Attempto.
Der Vorzug des Ganzen liegt nieht einmal so sehr in der
technischen Ausfuhrung des Details, als vielmehr im Gesamt-
entwurf. Dieser ist ebenso ungesucht und zweckmaBig in der
Anlage, als harmonisch und geschmackvoil in der Durchfuhrung :
kein Teil drangt sich auf Kosten der anderen vor, wie dies
noch bei dem Sockelschmuck in Herrnsheim der Fall gewesen
war. Der Meister ist inzwischen ein sicherer und feinsinniger
Dekorateur geworden.
Die drei groBeren Epitaphien, die Schmid im AnschluB
an seine Tubinger Tatigkeit schuf, zeigen, daB er sich nicht
dazu herbeilieB, ein Aufrifischema so wie Schlor einfach zu
wiederholen. In Kilchberg gibt er den Ritter stehend, in archi-
tektonischer Rahmung: in Stockenburg ein zu beiden Seiten
des Kruzifixes knieendes Ehepaar, also den Durchschnittstypus
des Epitaphs, dessen Verbreitung eben damals begann, in
Berneck greift er auf das seltene Motiv der Halbfiguren zuruck
und gibt dem Wanddenkmal die Form eines riesigen Grab-
steins. — Das
KILCHBERGER DENKMAL VON 1552 (s. Tafel)
ist zehn Jahre vor dem Tod des Dargestellten, des Ritters Johann
von Ehingen entstanden, ein Beweis, welche Vorsicht bei der
Datierung von Grabmalern nach dem Todesdatum geboten ist.
Die Inschrift riihrt trotzdem von Schmid selbst her: man
-sieht hier (und in Berneck) deutlich, wie der Raum fur die
fehlende Jahreszahl und den Monatsnamen freigeiassen und
nachher von einem weniger geschickten Steinmetzen ausgefullt
wurde.
Der Aufbau zeigt den beinahe als Freifigur behandelten
Ritter auf einem kauernden Lowen stehend, zu dessen Seite der
federgeschmiickte Visierhelm liegt. Die schmalen Pilaster mit
hohen Stilobaten reichen dem Ritter nur bis zur Hohe der
— 108 —
Brust 1 , vielleicht urn den Wappen, die auf den Pilasterkapitellen
stehen, tnoglichst viel Raum zu gonnen. Die Pilaster tragen
einen Rundbogen, liber dem ein stark vortretendes Gesims dem
oberen AbschluB als Unterlage dient. Er besteht aus einer
etwas nach vorn geneigten Inschrifttafel, deren merkwiirdig
eckiger und wie absichtlieh schwungloser Umrifl deutlich zeigt,
dafi der Meister hier eigene Wege ging.
Uer kiinstlerische Akzent liegt durchaus auf der Figur, die
ihren Rahmen zu sprengen scheint. Man kann das dem Meister
leicht nachrechnen. Das Schema des figurlichen Wandgrabmals,
dem er selbst in Herrnsheim und nachher wieder in Stocken-
burg folgte, kennt eine doppelte Rahmung der Figur: eine auBere
durch die Pilaster, die als Trager des Gebalks dienen, und
eine innere, durch einen dem Rechteck einbeschriebenen meist
flach gewolbten Blendbogen, der in der Regel auf einer zuruck-
tretenden inneren Pilasterstellung aufsitzt. indem nun Schmid
diesmal die auBere Umrahmung weglieB, tritt das struktive
Gerust des Aufbaues slark zuriick. Dieser bekommt etwas
Kargliches, Ungeniigendes. An dem um 40 Jahre jiingeren
Denkmal daneben, das die innere Rahmung aufgibt und
dafur die auBere konsequent durchbildet, laBt sich das deutlich
erkennen. Schmid hat allerdings durch vermehrten Schmuck
nachzuhelfen gesucht, indem er, entgegen seiner sonstigen
Gewohnheit, am Gewande des Bogens und am Gesims einen
Blattfries anbringt und die sonst glatt belassenen Trager des
Blend bogens mit Pflanzenornament fiillt. Aber diese Schmuck-
teile bilden doch kein Gegengewicht gegen das allzu starke
Herausspringen der Figur.
Die Gestalt selbst bietet zunachst wenig Neues. Standbein
und Spielbein sind sehr deutlich unterschieden, der Oberkorper
noch nicht zu volliger Beweglichkeit gebracht, die Riistung mit
dem modischen Detail ein Seitenstuck zu der des Herzog Ulrich
1 So nahe es zu liegen scheint. so halte ich es doch far unmoglich,
fur das Verhaltnia der Figur zur Pilaster- oder Saulenhohe in der Grab-
plastik unseres Oebiets eine bestimmte Kegel aufzustellen oder einen Ent-
wicklungsgang zu konstraieren. Wir haben hier zu viel lokale Werkstatt-
verschiedenheiten, und zu viel Nachahraung alterer Muster, als dafi eine
einheitliche Empfindung fiir das Verhaltnis der Figur zu den architektoai-
schen Teilen des Grabmals sich hatte dnrchsetzen konnen
- 109 ~
und vieler gleichzeitiger Ritterfiguren. Bei den zusammenge-
legten Handen spiirt man das Bestreben, nicht zu weit nach
vorn zu kommen : die Gefahrder Beschadigung weit abstehender
Teile war hier naturlich grofier als bei den liegenden Figuren
in Tubingen. Die Gesichtszuge sind unter alien mannlichen
Kopfen des Meisters wohl die gelungensten. Zwar fehlt auch
ihnen unmittelbar uberzeugendes individuelles Leben: das Ty-
pische tritt im Haar, in der Oeflhung der Augen, an Stirn und
Nase stark hervor. Aber die Behandlung der Einzelheiten ist
durchweg feiner und sicherer geworden : die Flachenbehandlung
der Wangen, die Zeichnung des Mundes verrat, daB der Meister
seit Hermsheim eine gewisse allgemeine Vornehmheit der Ge-
sichtszuge zu beobachten und wiederzugeben gelernt hat. Auch
in dem freien und naturlichen Aufsitzen des Kopfes zeigt sich
dieser wachsende Sinn fur das Representative.
Bezeichnend fiir Schmid und die von ihm vertretene friihere
Stufe des Renaissance-Wandgrabs ist die Art, wie er jede star-
kere Belebung der Silhouette vermeidet. In Hermsheim waren
die diinnen Rollwerkformen der bekronenden Inschrifttafeln
durch einen glatten Rundbogen eingefaBt worden. Hier besteht
die Rahmung der Schrift aus schmalen Blattern ; aber ihre be-
wegten Rander sind nach innen gekehrt, so daB auBen ein glatter
Rand entsteht, dessen Umrifi in einfachen, geometrisch leicht faB-
baren Linien verlauft. Baumhauer hat spater in dem Denkmal
gegeniiber diese aufgesetzte Inschrifttafel in seiner Weise nach-
geahmt und ihre bruchige UmriBlinie durch eine trotz aller Derb-
heit schwungvollere ersetzt. — Ja es scheint, als hatte Schmid
selbst hier etwas Unbefriedigendes empfunden. Das Jahr darauf,
in dem
STOCKENBURGER EPITAPH
greift er frisch hinein in die Formenwelt der Grotteske und gibt
eine rechteckige Tafel von zwei Delphinkopfen llankiert, die er
mit Fiillhornern und Laubwerk zu einer graziosen Volute gestaltet.
Ueberhaupt scheint es, als sei er bei dem Aufenthalt im
Frankischen 1 mit einer Werkstatt in Beriihrung gekommen, die
1 Stdckenburg liegt zwei Stunden ostwtlrts von Hall. Wahrend das
Kilchberger Monument wohl in Tubingen entstanden sein kann, ist dies bei
dem Stockcnburger nioht anznnehmen
— no —
ihm im Aufrifi und in der Dekoration manche Anregung zu-
fuhrte 1 . Er erscheint seither nicht wesentlich verandert, das
ware bei seiner bedachtigen Art auch auffallend. aber seine
Ausdrucksmittel sind mannigfaltiger geworden.
Bei dem Denkmal des Wolf von Vellberg und seiner Gattin *
hat Schmid seiner bisherigen Weise getreu die Flachen des
Sockels, der dtinnen Pilaster, und des Gebalks mit seinem
reichen vorwiegend vegetabilischen Ornament gefullt. Auch die
Figuren zeigen, abgesehen von der knieenden Stellung, wenig
Veranderung. Das Prachtgewand der Frau weist gegenuber dem
Herrnsheimer nur ganz unbedeutende, vielleicht durch die Mode
bedingte Abwandlungen auf. Von den Schultern fuhren jetzt
zwei lange hinten an der Haube befestigte Bander vorn herab.
Der Rosenkranz ist verschwunden. Die Musterung ist ganz wie
dort in den aufgesetzten Querstreifen erhaben, sonst in die
Flache eingetieft. Es sind durch Ringe zusammengehaltene stili-
sierte Ranken.
Neu ist vor allem die Gruppierung um den Kruzifixus,
also das Eingehen auf die im Frankischen schon vorher ange-
wandte Form des Epitaphs*, ferner die Bekronung, eine merk-
wiirdig hohe rechteckige Tafel, oben sehr schlicht mit einem
Kreis und zwei liegenden Blattvoluten, seitlich mit den schon
erwahnten grottesken Elementen geschmuckt, sowie das Auf-
tauchen von Vasen, Mascarons und Vogeln in den Pilaster-
fiillungen, endlich die Anbringung von Wappen am Sockel. Von
vornherein legt sich der Gedanke nahe, dafi Schmid diese Dinge
nicht irgendwoher mitgebracht und in die Haller Kunstzone
eingefiihrt, sondern dafi er sie dort ubernommen hat. Sieht
man, wie er die Sockelwappen angebracht hat, nicht als einzigen
und wichtigsten Schmuck, sondern zur Seite seines Laubwerks,
1 Es wird dieselbe Werkstatt sein, der der jange Schlor angehorte.
Dafi diese beiden bekannt warden, stent aoBer Zweifel. Die Frage, ob
ein Schulverhaltnis vorliegt, kann bier noch nioht entschieden werden. Es
mn6 aber gesagt werden, dafi gerade die Schmid and Schlor gemeins&men
Dekorationselemente bei dem ersteren erst seit seiner Stockenbnrger Tatig-
keit sich finden. Vgl. das Kapitel iiber Schlor.
2 Die Abbildnng im Inventar (Jagstkreis I. S. 692) ist als Zeichnong
mit einiger Vorsicht zu benntzen. Besonders gilt dies von dem Kruzifixus.
8 Vgl. besonders die Arbeiten in der Crailsheimer Johanniskirche. Inv n
S. 50, Nr. 8, 4 u. a.
— Ill -
ziemlich in die Ecke gedruckt, so ist man geneigt, an eine bei-
nahe erzwungene Anpassung. an frankische Uebung zu denken.
— Das alte und im Grund schon veraltete Motiv der Schrift-
bander, die iiber den Hauptern der Figuren deren Gedanken
verdeutlichen, mag er auch dort iibernommen haben. Doch
waren sie ihm als Flachenbelebung sicher nicht unwillkommen .
Das Stockenburger Werk hinterlaBt im ganzen den Ein-
druck des Wohlabgewogenen. Neben Schlor's Jugendwerken, von
denen derselbe Kirchenraum drei enthalt, wirkt Schmid grazios,
vornehm und sicher. Seine Figuren haben auch im Knieen viel
Haltung, den Gesichtern eignet ein edler gehaltener Ernst.
Freilich war es dem Meister nicht gegeben, ihnen den frischen
Hauch des Lebens mitzuteilen. Darin ist ihm der junge Schlor
bei all seinem oft komisch wirkenden Ungeschick iiberlegen 1 .
1 Wenn K. Kopchen erklart. Schlor habe sich «offenbar an Josef
Schmidt von Urach, den bedeutendsten Meister der am diese Zeit bliihenden
Uracher Bildhauerschule, zuerst angeschlossen> a. a. 0., S. 77), and dafiir
Stockenburg and Tubingen al6 Be^eis anfuhrt. so ist zunachst zu sagen,
dafi von einer damals bliihenden Uracher Bildhauerschule keine Rede sein
kann. Es ist mir wohl bekannt, daB im wurtterabergischen Inventar und
in der O.-A.-Beschr. der Ausdruck des ofceren auftaucht Aber wo sind
die Werke, wo die Kiinstlernamen. die uns berechtigen, Urach in den 50 er
Jahren des 16. Jahrhanderts zu einem Mittelpunkt bildnerischer Tatigkeit
zu stempeln ? Josef Schmid selbst war sicher in den letzten sechs Jahren
seines Lebens (1549—55) mehr aus warts als in Urach tatig; und nichts
weist darauf hin, dafi er viele Gesellen besch&ftigt hat.
Der Beurteilung des Vellberg-Monuments, die die Verfasserin S. 79
gibt, vermag ich raich nicht vollig anzuschliefien. Die beiden Figuren als
vorzugliche Portrats zu bezeichnen. ist auch dann zu viel gesagt. wenn
man die Arbeiten des Meisters in Herrnsheim, in Berneck und Tubingen
nicht kennt. Eine genaue Betrachtung der Einzelheiten (Nase, Mund, Augen,
Hande) zeigt, dafi der Meister mit Typen arbeitet. — Andererseits ist schon
bei einem Vergleich der beiden Abbildungen im Inventar (Jagstkreis I.
692 f.), klar, dau die Einpassung der Figuren in den Raum des Blendbogens
bei Schmid einen ruhigen and harmonischen. bei Schlor zwar einen leben-
digeren, aber doch auch recht unbeholfenen Eindrack hinterlaBt: seine
Gestalten mit den kurzen Halsen und den krampfhaft angeprefken Armen
sind bei dem Vellbergepitaph wic bei alien Fruhwerken auffallend nah an
den Stamm des Kruzinxus herangeriickt, so daB das Gefuhl peinlicher
Kauraengo entsteht. Auch abgesehen davon paBt der Satz, dal3 bei Schlor
Figur und Aufbau in bessercm Verhaltnis stehen, weil die Architekturteile
verstarkt seien und fast die Dicke der Figuren erreichen (S. 80), nur dann,
wenn man einzig die beiden Stockenburger Denkmaler des Wolf von Veil-
berg und des Jorg von Bemelberg miteinander vergleicht. Als allgemeines
Urteil ist er falsch (vgl. Jagstkreis I, S. 691 Abb., Hessisches Inventar,
Kr. Worms, S. 25 .vbb.j. Schmid hat freilich — das liegt wohl Kopchens
— 112 -
Den Bernecker Auftrag erhielt der Meisler wohl ira
Jahr 1554. Wir wissen aus den Akten uber die Translation
der Gutersteiaer Ueberreste, daQ der Landhofmeister Balthasar
von Gultlingen mit dem Vollzug der Ueberfiihrung und mit der
Einrichtung der neuen Begrabnisstatte in Tubingen betraut war.
Die bildhauerischen Aufgaben dabei wurden Schmid ubertragen,
— was angesichts seiner bisherigen Arbeiten fur das Herzogs-
haus nur naturlich war. Der Landhofmeister hatte also im Jahr
1554 sicher mit dem Bildhauer zu verhandeln, und er hat, so
diirfen wir annehmen, diese Gelegenheit benutzt, um bei ihm
auch fur sich und seine Gemahlin ein gemeinsames Denkmal
zu bestellen. Ja man ist versucht, die Verhandlung zwischen
den beiden sich noch genauer auszudenken, obwohl keine Ur-
kunde uns von ihr berichtet. Schmid wird dem Herrn von
Gultlingen gesagt haben, er wurde gem statt der ublichen Epi-
taphform eine andere wahlen, die an einzelne alte Muster er-
innere, in Wurttemberg noch selten zu finden, vor Besehadi-
gungen besser geschiitzt und weniger miihevoll sei als die
meisten anderen Grabdenkmaler. Er denke an Halbfiguren, die
in Nischen eingestellt seien. Ein Muster, allerdings eines das
noch wenig vorstelle, konne er ihm in der Tubinger Stiftskirche
zeigen. Im Aufrifl ahnlich, aber reicher und vornehmer mtisse
das Giiltlingeireche Grabmal werden. — In der Tat nnnmt sich
der jetzt im
PRINZENSTUHL DER TtJBINGER STIFTSKIRCHE
hefmdliche Bildnisgrabstein des «WilhaIm von Janowitz genannt
Behem* und seiner Frau Anna geboren von Sachsenheim wie
eine unentwickelte Vorstufe des Bernecker Denkmals aus. Der
Hauptgedanke ist da, aber alles ubrige im Entwurf und in der
Bearteilung zugrand — eine andere kunstlerihche Absicht mit den architek-
tonischen Gliedern seiner Denkm&ler als Senior. Sie sollen nioht wnchtig-
und las tend wirken, son dem schlank und delikat. Darum die Ueberspinnung
ihrer Oberflache mit dem reiohen Blattwerk. DaB dieses keineswegs reiner
Selbstzweck war, obwohl der Kiinstler sicher seine Frende an ihm hatte,
zeigt ein Monument wie das in Kilchberg, wo er auf alle breiten Flachen
verzichtet und seinen Zweck fast nur durch die Beschrankung der rah-
menden Glieder und durch die dunne, scharfkantige Profilierung der Ge-
simse erreioht.
— 113 —
Durehfuhrung ist noch recht unbefriedigend. — Wir sehen
einen Grabstein in die Wand eingelassen, dessen glatter auBerer
Rand vielleicht, aber nicht notwendig erst spater seine jetzige
Form erhielt 1 . Er ist als glatter erhohter Rahmen fur die
Innenflache behandelt. Diese selbst, von einem einfachen Wnlst-
profil eingefafit, ist in ihrer grofieren unteren Halfte ganz von
der Inschrift bedeckt*. Im oberen Teil erblickt man die Halb-
figuren betend nach der Mitte gewendet ( 3 / 4 Profil) in Blend-
bflgen, die von Pilastern 'und Rundbogen gebildet werden.
Schriftbander (vgl. Stockenburg) fiillen den kleinen freien Raum
zwischen den Kopfen und der Bogenlaibung s . Die Stirnflache
der Pilaster ist ebenso wie das Zwickelfeld zwischen den
Bogen mit Blattornament gefullt; die Kapitelle tragen Kompo-
sitcharakter ; aber alle diese Teile sind handwerklich so roh
und oberflachlich, da6 man an eigenhandige Ausfuhrung durch
Schmid wohl nicht wird denken durfen. Dasselbe gilt von dem
Kruzifixus, der in dem Feld zwischen den beiden Bogen ange-
bracht ist: ein ziemlich gedankenlos hingehauenes Stuck.
Freilich ist der Kruzifixus in den schwabischen Denkmalern der
Zeit oft genug gleichgultig behandelt; immerhin zeigt Stocken-
burg, daB Schmid den Durchschnitt etwas uberragt. — Die
beiden Kopfe der Betenden tragen den unverkennbaren Typus
Schmids; sie sind niir etwas knochiger und unbeholfener; an
der Rustung hat die dick aufgelegte Farbe mit ihren schreien-
den Gegensatzen die Mangel der Arbeit gesteigert und die
feineren Details verwischt 4 . Die Relieftechnik ist sehr unvoll-
kommen. Bei dem Mann sind die linke Schulter und ein Stuck
des der Wand zugekehrten Oberarms hochst unnotiger Weise
1 Das Epitaph befand sich nicht immer in der Kapelle, die jetzt vom
Prinzenstuhl eingenommen wird. Von zwei Beschreibungen der Kirche vom
18. Jahrhundert (Jong 1717. Zeller 1743) nennt es nnr die letztere antcr
den Denkmalern der sod lichen Kapellenreihe.
< Gotische Minuskel. Die groiien Buchstaben znm Teil der lateinischen
Schrift entnommen. Am SchlnB der letzten Zeile Schmids Zeichen ohne
seine Initialen. Text der Inschrift z. B. bei Lenz.
1 Der Text lautet. beinah gleich wie in Stockenburg, bei dem Mann:
Meine Sind die rewen mich; — bei der Frau, korrekt schwabisch: uf den
Verdenst Christi stirb ich.
4 Der jetzige Farbenauftrag stammt, abgesehen von den Kopfen, aus
dem 19. Jahrhundert.
d. 8
— 114 —
dem Beschauer sichtbar gemacht und dadurch so nach vorn
gedruckt worden, daB die Figur geradezu verkruppelt aussieht l .
Ebenso fehlt es an der Unterschneidung der linken Gesichts-
halfte ; der Hals des Mannes steckt zu tief im Kragen : kurz
das Ganze sieht aus, als ob Schmid sich um die Ausfuhrung
wenig gekiimmert hatte 2 . Anders das
BERNECKER DENKMAL. (s. Tafel).
DaB es nicht bezeiehnet ist, darf uns nicht irre machen. Das
gilt auch von den Tumben des Tubinger Chors. Bei Schlor
lafit sich deutlich beobachten, wie er zu einer bestiramten Zeit
aufhort, seine Werke zu signieren. Schmids Stil ist dem Werk
auflerdem so deutlich aufgepragt, daB es fiir die eigenhandige
Ausfuhrung durch ihn urkundlicher Belege nicht bedarf.
Das Denkmal hat die Form eines machtigen Grabsteins*.
Ein etwa 25 cm breiter Rand umgibt alle 4 Seiten. Der Grund
ist ganz mit dem Schmidschen Blattornament gefullt ; die Mittel-
achse auch hier festgehalten, nur hie und da verdeckt. Als
einziges nicht vegetabilisches Element treten Ringe auf. Sechs
Wappen sind (ganz wie bei den Tubinger Tumben) auf den
Rand aufgelegt, 4 unten, je eines auf den Seiten fiber der
Mitte, durchweg einfache Schilde ; in den oberen Ecken dagegen
je eine Helmzier ohne Schild Die Mitte des oberen Randes
i Man mochte fast annehmen, daB hier der Auftraggeber dreingeredet
hatte. Ganz dasselbe findet sich auf einem viel spftteren Epitaph, dem des
Hans Michael von Reischach gest. 1593) in Eberdingen, O.-A. Vaihingen,
ohne daB irgend ein Werkstattzusammenhang vorliegen wurde. (Das Eber
dinger Epitaph gehort hochst wahrscheinlich mit den benachbarten in
Hochdorf nnd NaBdorf zusammen und ware dann dem Jerg HaB zuzu-
schreiben). Noch auffallender ist das Bestreben. auch den dem Beschauer
abgekehrten Arm sichtbar zu machen, in Hemmendorf. O.-A. Rottenburg
(Denkmal des Freiherrn Augustin von Morsperg u. Beffort, gest. 1605).
2 Aaf Gehilfenhande weist anch der Figurengrabstein des Hans Conrad
von Wernau (gest. 1553) und vielleicht der Wappenstein des Friedrich
Jakob von Anweil (gest. 1540). Tubinger Stiftskirche, rechts und links des
Lettners.
H Es besteht aus 4 Steinplatten : 1. dem Oberteil, der die Inschrift fur
den Mann einschlieBlich der drei dazn gehorigen Randstiicke enthalt. 2. und
5. den zwei seitlichen Randpfosten, abgesehen von dem obersten Drittel.
4. dem Mittelstiick mit den Figuren, mit dem die untere Inschrift und der
dazu gehorige Teil des unteren Randes zusammenhangt. Fur das Auge
sollten diese Fugen natiirlich nicht zur Geltung kommen.
- 115 —
ist durch ein zweimal gefaltetes Schriftband mit Herzog Ulrichs
Wahlspruch V. D. M. I. AE. ausgezeichnet, das genau den
an Herzog Ulrichs und Prinzessin Annas Denkmal angebrachten
entspricht.
Die von diesem Rand umschlossene Fullung besteht aus
drei Teilen. Oben und unten sehen wir je eine Inschrift
auf einem Pergamentstreifen, der (noch einfacher als in Herrns-
heim) nur rechts und links am Rand umgerollt nnd einmal in
der Mitte geschlitzt ist. Das mittlere Kompartiment enthalt die
beiden Gatten je als Halbfigurenreliefs in Blendbogen. Die
Pilasterschafte haben etwa 4, die Figuren 10 cm Tiefe, ein
charakteristischer Unterschied gegenuber dem Janovicz-Denkmal,
wo den Figuren gerade der Spielraum nach der Tiefe mangelt.
Das Kostum ist das gewohnte: bei dem Ritter kehrt die orna-
mentierte Plattenriistung mit Meuseln und Achselstiicken, bei
ihr die Haube mit den von hinten liber die Brust herabfuhrenden
breiten Bandern und das von fruheren Beispielen her bekannte
Prachtgewand wieder. Beide tragen eine doppelt umgelegte
Halskette. Der geteilte Bart, die Hande mit den (ibermaBig
langen Fingern, die mannlichen durch das schematische Geader
charakterisiert : — wir begegnen keinem eigentlichen neuen
Zug. Dennoch darf man sagen, daB das Frauenantlitz hier,
namentlich fur den Blick von rechts her, besonders sympa-
thisch beriihrt: es hat mehr jugendliche Anmut, mehr Lieblich-
keit als die andern, der etwas geoflhete Mund wirkt sprechend,
<individuell> mochte man sagen, hatte man die anderen
Schmid'schen Frauenbilder nicht im Gedachtnis.
Fur die D a t i e r u n g des Denkmals kommen die I n -
schriften nicht in Betracht. Schmid hat sie in erhabenen,
den Herrnsheimern ahnlichen Typen ausgehauen und fur beide
Todesdaten die notige Flache stehen lassen. Nur bei dem
Mann ist das Fehlende nachgeholt worden 1 . Es steht daher
der vorgeschlagenen Datierung (1554) nichts im Weg. Weiter
zuriickzugehen, verbietet doch wohl das Janovicz- Epitaph, das
* DaB bei ihm das Todesdatum nicht etwa ursprunglich ist, wird
durch den Raam, der fur den Monatsnaroen frei blieb, aber nicht ganz be-
nntzt werden konnte, sicher erwiesen, falls es eines solchen Belegs noch
bedurfte.
— 116 —
von Schmid gezeichnet ist, und an dem das Datum 1553 Febr. 23
sicher nicht spater eingesetzt ist: vielmehr hat dort offenbar
eben der Tod der Frau den Anlafi zu dem Auflrag gebildet,
der nach Schmid's Riickkehr aus dem Frankischen zur Aus-
fuhrung kam. Dazu stimmt es dann auch, dafl das M o t i v
der Halbfiguren, das in den Epitaphien jener Zeit
sicher nicht haufig war, eines der Muster sein konnte, die Schmid
von der Reise mitgebracht hat. Im eigentlichen Franken ist
mir kein Beispiel vorgekommen *. Dagegen konnte Schmid in
der Franziskanerkirche in Gmund vor dem iiberaus reizvollen
Grabstein des Ritters Jorg Gronbeck zu Nidernhofen (gest. 1534)
wohl Lust bekommen, in seiner Weise etwas Aehnliches zu ver-
suchen 2 .
DAS DENKMAL DER PRINZESS ANNA (dat. 1555)
IM TUBINGER CHOR.
Der Aufbau des letzten Werks, das unserem Meister zu-
gehort, war im wesentlichen durch das Gutersteiner Vorbild
bestimmt, wahrend die dekorativen Einzelheiten der Deckplatte
im engsten Zusammenhang mit den Denkmalern Ulrichs und
Eberhards stehen. Die erstere Behauptung bedarf einer Er-
lauterung.
Wenn der Meister statt der Tragerhirsche hier und bei
dem Doppelgrabmal daneben 3 die Sarkophagform gewahlt hat,
so entsprach das sicher seinem eigenen Geschmack und seiner
1 Im Odenwald gibt es eines, aber aus etwas spaterer Zeit: das
hubsche, Leider verwitterte Brustbildepitaph des Pfarrers Scherpf in Sand-
bach (nahe bet Hochst). Eine kleinj Abbildung im Inventar, Ereis Erbach.
S. 234. Andere Beispiele in Angsbnrg (Maximiliansmuseum) nnd in Regens-
burg (S. Erameram .
2 Abb. Inventar Jagstkreis I, S. 390. Die Unterschrift ist hier and
bei Lubke (Gesch. der Plastik II, 875) richtig zu stellen. Die Bezeichnnng
Rotenhan bezieht sich nur auf das Wappen rechts oberhalb des Eopfes.
— Der Name heifit im Text des Inventors (S. 406), in der Oberamtsbe-
schreibung (S. 200) und bei K. Kopchen (S. 70) je wieder anders. Ein
cNiederbeuren* existiert als Ortsname weder in Wurttemberg noch sonst
in Deutschland. Niederhofen dagegen gibt es in Wurttemberg mehrere.
Vgl. auch v. Alberti, Wiirtt. Adels- uud Wappenbuch, S. 553.
3 Die Besprechung nennt beide zusammen, weil der Aufbau auch an
dem Ludwig-Mechthild-Denkmal zu Schmids Arbeitsleistung zu gehoren
scheint.
— 117 -
Freude an Flachenfullungen. Es kommt aber hinzu, dafi wohl
auch noch Reste der Gutersteiner Denkmaler
hier Verwendung finden sollten. Das ist jedenfalls durch Riepp's
Bericht nicht ausgeschlossen, der nur von einer Neuanfertigung
des Grabsteins redet. Doch der Bestand der Denkmaler
selbst spricht auch dafur.
Von den drei Teilen des Aufbaus, dem vorspringenden
Basament, dem Gewande, und der wieder ausladenden Dcck-
platte ist der mittlere mit Flachornament gefullt, ringgefafiten
Rankenzligen und Blattformen, zwischen denen kreisrunde
Medaillons angebracht sind. Die letzteren enthalten bei Ludwig-
Mechthild Hirsche, bei Anna sieben weibliche Figuren, die
Kardinaltugenden darstellend. Die Gutersteiner Denkmaler hatten
nun im Jahr 1554 samtlich einen ahnlichen Reliefschmuck ; die
blofi andeutenden Skizzen (Tafel 1 und 2), die sich erhalten
haben, geben speziell bei Anna sieben Nischen in Form rund-
bogiger Fenster, und zu den Figuren darin als Unterschriften
die Namen der drei christlichen sowie der vier antiken Kar-
dinaltugenden, wobei (ganz wie jetzt in Tubingen) an Stelle der
Fortitudo die Prudentia tritt. — Diese Uebereinstimmung liefie
zunachst nur den SchluB zu, dafi dem Tubinger Bildhauer das
Gutersteiner Monument genau bekannt war. Das ist ohne dies
selbstverstandlich. Aber es kommt hinzu einmal, dafi die ein-
zelnen Steinplatten, vor allem beim Ludwig-Mechthild-Denkmal,
einen ganz verschiedenen Grad der Verwitterung zeigen, wahrend
das Material (Schilfsandstein) uberall dasselbe ist. Das weist
darauf hin, dafi die starker zerstorten Teile eine zeitlang an
einem anderen Platz als ihrem jetzigen dem Frost und der
Feuchtigkeit ausgesetzt waren 1 . — Aufierdem finden sich, aller-
dings nicht durchweg an denselben Stellen, die die Verwitterung
aufweisen, noch andere Auflalligkeiten. Mehrmals* ist das
Rankenmuster durch eine Steinfuge vorzeitig abgeschnitten.
Auf bestimmten Platten treten an den Endigungen der Ranken
geflugelte Puttenkopfe auf, die sonst bei Schmid so nicht vor-
1 Auf Grand gutiger Beratung durch Herrn Rektor Stahlecker,
Tubingen.
2 Am L.M.-Stein Westseite zweimal : Nordseite nahe der Ostecke.
Am Anna-Stein an der Slid- und an der Nordseite.
- 118 —
kommen 1 . Endlich heben sich zwei der Tugendfiguren, und
zwar gerade auf den auch sonst verdachtigen Platten, die in
die Langseiten des Anna-Denkmals eingelassen sind, von den
ubrigen auffallend ab. Es sind Profilfiguren mit lebhaft vora
Wind bewegten Haaren und Gewandern, wahrend die andern
fiinf eine ruhige Frontalstellung zeigen •■
Trotzdem glaube ich nicht, dafl wir fiir die einzelnen Stiicke
mit absoluter Sicherheit Ursprung und Alter feststellen konnen.
Ganz abgesehen davon, da8 die beiden Merkraale der Verwitte-
rung und der Schmid fremden Ornamentik nicht an denselben
Platten sich zusammenfinden, mu6 man sich gegenwartig halten,
daB das Gutersteiner Anna-Denkmal nicht vor 1531 vollendet
worden war. Wie leicht kann Schmid damals schon, wenn
auch nur als Gehulfe, beteiligt gewesen sein. In der Tat ist
die Blattbildung durchaus mit der seinigen ubereinstimmend,
fleischig, ohne tiefe und haufige Auszackungen, statt aufliegend,
oft gleichsam an den Grund angeprefit. BloB die Flachenfiillung
erscheint an einigen Stellen etwas luftiger. Auffallend sind
auch einzelne genaue Wiederholungen bestimmter Muster: hat
Schmid hier vielleicht seine eigene friihere Arbeit durch Gesellen
kopieren und erweitern lassen? Wir begnugen uns mit folgenden
Feststellungen :
1. Die seitlichen Wandverkleidungen beider Hochgraber
sind im wesentlichen Josef Schmid zuzuweisen.
2. Manche Unebenheiten weisen darauf hin, da6 diese Deko-
ration nicht ganz aus einem Gufl ist. Die Unebenheiten lassen
sich erklaren teils durch die Annahme, da6 man dekorative
Teile der Gutersteiner Denkmaler moglichsl unversehrt zu ver-
wenden wunschte, teils dann, wenn die Zusammensetzung der
Monumente (vielleicht unmittelbar nach Schmid's Tod?) Gesellen-
handen ubertragen war.
i An beiden Denkmalern in den langen Steinplattcn der Langseiten,
bei dem L.-M. Stein aufierdem an der ostlichen Schmalseite.
* Eine der beiden Profilfiguren hat auch (allein in der ganzen Reihe)
eine Bezeichnung: (Spes) auf dem Schriftband. Nimmt man an. dafi die
beiden Steintafeln, auf denen sie sich befinden, \on Giiterstein stammen
und unverkurzt hier verwendet werden sollten. so ist auch der verschiede »e
Abstand der Medallions von den Ecken erklart.
— 119 —
So schon diese dekorativen Teile sind, vor allem die an
den Langseiten des Anna-Denkmals, so ist doch das eigentlich
Interessante ja Ueberraschende nicht an den Seitenwanden,
sondern auf der Oberflache zu suchen.
Betrachten wir zunachst die Deckplatte im ganzen, so zeigt
sie das gleiche Schema wie die anderen Schmid'schen Werke
im Chor. Nur die wieder genau ineinander gepaBten, teilweise
durch Ringe verbundenen Muster der Randdekoration haben
einige neue, aus St6ckenburg mitgebrachte Motive ; in der Mitte
befindet sich, wie dort, ein allegorisch bedeutsamer Vogel in
einen Kranz eingeschlossen, das kleine Schriftband daruber
nennt die Namen: links den «Fenix», rechts den «Pelekan»,
der sich die Brust aufreiBt, urn seine Jungen mit seinem Blut
zu tranken. Die Eckwappen, das Spruchband mit Herzog Ulrichs
Wahlspruch wiederholen Bekanntes; das Kissen, vierquastig,
ornamentiert, wie das des Vaters, ist hier, wo kein Helm zu
Haupten der Figur liegt, zur Halfte auf den ornamentierten Rand
hinaufgeschoben.
Das eigentlich Auflallende ist die Figur. Sie ist ohne Frage
Schmids kunstlerisch am hochsten stehendes Werk. Ob man
in der Nahe die Gesichtszuge und die anderen Einzelheiten,
oder bis zur Chorwand zurucktretend, das Gesamtbild auf sich
wirken liiflt, — man wird beide Mai den Eindruck einer be-
achtenswerten Qualitat bekommen. Wie ruhig ist die Umrifilinie
des liegenden Kurpers und mit welcher Sicherheit ist sie akzen-
tuiert. Das will etwas heiBen bei eiiiem Mann, der ton so
ausgesprochen kleinmeisterlicher Arbeitsweise herkam. Schmid
hal sich hier eine neue Aufgabe gestellt und sie mit einer Kon-
sequenz gelost, die uns Achtung abzwingt: es gait nicht mehr
die treue Aufzahlnng von Einzelheiten, die das Auge doch nur
nacheinander aufzunehmen vermag, die Absicht ging vielmehr
dahin, das ruhig friedliche Daliegen einer jugendlichen Gestalt
nicht naturalistisch. aber dekorativ wirksam herauszubringen.
Das geschieht durch strenge Symmetric, durch vollige Beruhigung
der Oberflache, durch Verzicht auf eine Schilderung von Details,
die sich vordrangen und das Auge vorzeitig ablenken konnten,
endlich durch eine fur Schmid ungewohnlich feinfuhlige Charak-
terisierung des Gesichts.
— 120 —
Das Kleid mit eingepreBtem Damastmuster und weitgeoff-
neten Aermeln,zeigtdasBestreben, einen schweren, aber weichen
Stoff sorglich auszubreiten, seine naturlichen Falten glattzu-
streichen und dabei jede Aufbauschung nach der Hohe, jede
unruhige Zerknitterung und Unterbrechung der Langsrichtung
zu vermeiden. Die oben gerundeten Falten mit den schmalen
Zwischenraumen, die so entstehen, sind durchaus stofflich em-
pfunden; auch zeigen sie genau so viei Belebung und Abwechs-
lung, als im Zusammenhang der Aufgabe angangig war. Sie
•langweilig gleichlaufend> zu nennen *, widerspriuht schon dem
Augenschein, vor allem aber zeugt es von einer Verkennung
der Absichten des Meisters. Die Hande sind aufeinander gelegt,
nicht wie sonst die Fingerspitzen betend nach oben gestelll.
Sie sind wenig, sehr wenig artikuliert, und wirken doch natur-
licher als viele muhsam abgeschilderten, weil sie eben durch
ihre bloB andeutende Charakteristik dem Auge genau so viel
verraten, als fur den Gesamteindruck notig ist. Sehr fein ist
die Konzentration des sparsain angebrachten Schmucks auf die
betonte obere Halfte des Korpers: hier sind der Kragen, der
Brustlatz und die Aermeleinfassung als erhabene Stickerei
charakterisiert ; ein aus Rosetten bestehender vergoldeter Kranz
halt die Haare oberhalb der Stirn zusammen. Die Halskette
mit Kreuz macht sich wenig bemerklich. Eine zweite starkere
Kette endigt auf der Brust mit einem Medaillon 2 . Die Enden
der aufgelosten Haare der Jungfrau umgeben, zu sehr gleich-
maBigen stilisierten Strahnen zusammengeordnet, den Oberkorper
wie ein Strahlenkranz. Der untere Teil des Gewandes ist, wie
bei der Mechthild-Statue, unter den FuBen durchgezogen, sodafl
der Hund noch auf ihm Platz findet. Das zahnefletschende
' Uracher O.-A.-Beschr. (1909\ S. 605. Das Urtcil wiirde passen auf
einzelne Jngendwerke Schlors. wo die Parallelitat der Fatten dem Stoff
wirklich Qewalt antut. Auch die iibrigen a. a. 0. ausgesprochenen Urteile,
der Kopf sei far ein 17j&hriges Madchen zu groB, die Hande seien « nicht
besonders wohlgebildet*, tun dem Eiinstler Unrecht (ebenso auch die
Charakteristik bei Bunz; S. 76). Die Beorteiler haben beide die Frage-
stellung, auf die alles ankommt, nicht gefunden, die namlich. ob nicht das
einzelne als ein Teil des Qanzen wohluberlegt und kiinstlerisch notwendig
sei.
2 Die Fiillung, ein antiker Kopf. soil wohl eine Kamee vorstellen.
— 121 -
Tierchen 1 , in der Bewegung sehr lebendig und glucklich, aber
zusammengeduckt, so da6 es die Silhouette nicht zerstort,
scheint mir fur Schmid's Entwicklung in seiner letzten Zeit
besonders bezeichnend. Die Haare hat er in ganz impressio-
nistiseher Weise durch kurze Striche wiedergegeben, die in
regelmafiigen Abstanden eingeritzt sind : ein Zeichen, wie er
seine Aufgabe immer deutlicher darin erkannte, einen optischen
Eindruck zu fassen, und auf diesem Weg zu neuen Darstellungs-
mitteln kam.
Der Kopf der Prinzessin zeigt, ohne alle Aufdringlichkeit,
so viel individuelle Zuge, daQ man annehmen mochte, Schmid
habe hier nichl bloB nach dem Vorbild des Giitersteiner Uenk-
mals, sondern auch nach eigenen Erinnerungen gearbeitet*.
Schon Bunz (S. 76) hat richtig bemerkt, daO das voile, sym-
pathische Gesicht die unverkennbaren Familienziige ihres fiirst-
lichen Geschlechts tragt. Sehr fein ist die ansprechende kfnd-
liche Freundlichkeit geschildert, die Klippe des stereotypen,
unpersonlichen Lachelns vermieden. Ktwas Inniges, Friedevolles
liegt in dem Gesicht, das so ganz und gar nichts Ueberirdisches
an sich hat, von dem man Alter und Stammeszugehorjgkeit so
klar ablesen kann. Gerade die scheinbar absichtslose Schilderung
der schlichten Wirklichkeit, die Zuriickdrangung des an dieser
Stelle widrigen Prunks, gibt diesem Madchenbild eine Vor-
nehmheit, die man bei den ubrigen Frauengestalten des Chors
vergeblich sucht, die einzige Mechthild ausgenommen, die einer
anderen Sphare kunstlerischen Sehens und Gestaltens angehort
und nicht ohne weiteres zum Vergleich herangezogen werden
darf. — Dem Schmid'schen Frauentypus entspricht nicht ganz
die breite Stirn, die kleine Nase, die voile Rundung der Lippen.
Da6 wir trotzdem des Meisters Hand vor uns haben, verrat sich
vor allem in der Schlichtheit der verwendeten Mittel, in einer
Zeit, die zu ubertreibender Charakteristik nur allzu geneigt
war. Das Leise und Zuriickhaltende finden wir auch hier, nur
1 Er tragt ein Halsband mit den Huchstaben G. W. I. M. Z. wohl =
Gottes Won ist meinc Zuversicht). und liegt auf einem Schnftband. das
die Zahl 1555 zeigt; die zweite Ziffer ist durch den Kbrper verdeckt.
- PrinzeB Anna hat von 1519 bis zu ihrem Tod 1530 in Urach gelebt.
— 122 -
eben menschlicher geworden durch die Erfassung der Indivi-
dualist des Modells.
Man mufi es beklagen, dafi Josef Schmid's Entwicklung in
dem Augenblick abbricht, da seine Kunst reif geworden war.
Er hat in dem kurzen Zeitabschnitt, den wir iibersehen, nichts
Geniales, aber auch nichts Gedanken- und Gefiihlloses geschaffen.
Er ist immer von einer wohltuenden Ehrlichkeit, er kann und
will nicht blenden, aber er ist stets ganz und gar bei der
Sache. Und noch mehr: seine Werke zeugen von einer kunst-
lerischen E n t w i c k 1 u n g, die zu verfolgen der Miihe wert
ist. Schmid starb, als er eben begonnen hatte, das Figurliche
und die ihm gebiihrende Stellung im Gesamtentwurf zu begreifen
und die darin liegenden Aufgaben zu bemeistern, wahrend ihm
beim Beginn seiner Laufbahn die Figur mehr nur ein Anlafi
zur Anbringung dekorativer Pracht gewesen war. Eine solche
Entwicklung des kunstlerischen Sinnes ist fur die Bildhauer
d<*s 16. Jahrhunderls keineswegs typisch, ja sie wird in den
spateren Jahrzehnten immer seltener. Eine Harmonie zwischen
Figur und Dekoration, bei der, wie in Schmid's letztem Werk 1
das naturliche Uebergewicht der ersteren gewahrt bleibt, ist
nicht mehr erreicht worden, vor allem deshalb, weil es den
Kunstlern immer weniger um das Verhaltnis beider, sondern
fast durch weg um die Ausbildung der einen oder der anderen
Seite zu tun war. In unserem Kreis wiirde Woller den Schmuck
am liebsten ganz unterdriicken, bei Baumhauer ist er oft roh
und armselig, bei Jelin und vielen anderen beginnt er zu uber-
wuchern und jede Klarheit und Ruhe zu zerstoren; des letzteren
Werke, besonders charakteristisch fur den Ausgang des Jahr-
hunderts, zeigen, dafi die Plastik nicht auf dem Weg weiterging,
den Josef Schmid sich gebahnt hatte.
1 Von den Eckwappen und ihrem allzu reichen Detail mufi man dabei
billigerweise absehen : hicr war offenbar fast immer der Wille dee Anftrag-
gebers ubermachtig.
II.
JACOB WOLLER VON GMUND.
Der Meister, der Josef Schmid's Werk in der Tubinger
Grablege zu Ende fiihrte, ist noch mehr als dieser in Vergessen-
heit geraten. Wintterlin hat schon festgestellt, daB die Gmiinder
Kirchenbiicher zu spat beginner], um AufschluB tiber ihn zu
geben ; es darf hinzugefugt werden, daB die in Tubingen seinen
Namen auch nicht nennen.
So sind wir auf andere Quellen angewiesen. Nach dem
Bericht Riepp's (s. oben S. 22 ff.) war «Maister Jacob Woller,
Stainmetz von Gmiind* im Rechnungsjahr 1556/57 und 1560/61
im Tubinger Chor beschaftigt ; das erste Mai mit der Vollendung
der Sehmid'schen Arbeiten, das zweite Mai mit der Anfertigung
von Grabmalern fur Herzog Christoph und seine Gemahlin.
Ferner erwahnen ihn die Landschreiberei-Rechnungen von 1561
bis 64 als Bildhauer zu Tubingen. Man darf also annehmen,
dafi er sich entweder schon 1557 oder 1560 dauernd dort nieder-
gelassen hat. DaB er 1564 oder unmittelbar darauf starb, ist
oben (S. 30) gezeigt worden.
Aber wie kam der Meister nach Tubingen? Welche
Leistungen haben ihm den heiklen und viel Takt erfordernden
A u ft rag verschafft zu der Mechthild-Figur ein Gegenstiick zu
liefern? Schumann hat, hierin einer Vermutung Wintterlin's
folgend (S. 25, Anm. 2), ihn unter die «letzten Auslaufer der
Uracher Bildhauerschule* gerechnet und ihn deswegen in die
Uraeher 0,/A. Beschreibung aufgenommen. Er war, heiBt es
— 124 —
dort, <wahrscheinlich ein Schuler Josef SchmicTs und, wie wir
sahen, sein Gehiilfe bei seinen Ietzten Arbeiten, die er vollen-
dete.» (S. 605). — Ganz abgesehen von dem Befund der Denk-
maler rechtfertigen schon die Urkunden, d. h. die oft erwahnten
Rechnungsausziige Riepp's (1573) dieses Urteil nicht. Im
Jahr 1555 erhieit Scbmid Honorar — fast mochte man denken,
der Beisatz «selig» hinter seinem Namen habe schon in den
Rechnungen gestanden, denn bei dem 1573 gleichfalls ver-
storbenen Woller findet er sich nicht. Aber wie dem auch sei,
ob Meister Josef Schmid noch 1555 starb oder nicht, seine
Arbeit wurde in diesem Jahr noch bezahlt. Dann heifit es
weiter: «Item von anno 56157 (also nach dem 23. April 1556)
hat Meister Jacob Woller, Stainmetz von Gmiind, was —
uberpliben, Vols ausgemacht.» Ich glaube, das klingt nicht so,
als ob ein Gehiilfe Schmids die Arbeit nach dem Tod des
Meisters zu Ende gefiihrt hatte. Es macht vielmehr den Ein-
druck, da6 nach Schmid's Ableben eine Pause in den Arbeiten
eintrat, und dati erst im Fruhjahr 1556 ein neuer Meister ge-
funden und von auswarts beigezogen wurde '. Es
ist nicht unmoglich, dafi Schmid Werke von Woller gesehen
und selbst noch auf ihn aufmerksam gemacht hat; aber ein
Schulverhaltnis ist nicht blofi nicht wahrscheinlich, sondern es
ist ausgeschlossen.
Jakob Woller vertritt eine Werkstatt, die mit der des
Schmid so wenig wie moglich gemeinsam hat. Jeder eingehenden
Vergleichung der Werke Schmid's mit dem Graf Ludwig Stein
wird sich diese Beobachtung aufdrangen. Sie wird zur Gewifi-
heit dann, wenn es gelingt, die Figur des Ludwig in einen
andereren Zusammenhang einzureihen und Werke nachzuweisen,
die dieselben Eigentumlichkeiten, ja womoglich dieselbe Haad
zeigen. Ich hoffe diesen Nachweis liefern und dadurch das
Bild eines Meisters etwas mehr ans Licht riicken zu konnen,
1 Die Rechnungen jener Zeit tragen bei den einzelnen Posten so gat
wie nie ein Datum. Trotzdem kann man aus der Stellung eines Postens
innerhalb einer Bubrik oft feststellen. in welche H&lfte des Rechnungsjahrs
er gehort. So war es offenbar bei dem ersten von Riepp gegebenen Aus-
zug. Den zweiten hat er ganz wortlich aus seiner Rechnung 1556/57 ab-
geschrieben. Daher die verschiedene Bestimmtheit der Zeitangaben.
- 125 -
der ebenso wie Sehmid das Interesse der schwabischen Kunst-
geschichte verdient.
Mit dem Tiibinger Werk gehoren zwei andere zusammen,
die sich in M iihlhausen a.'N. und in Oberbobingen
(zwei Stunden von Gmund, der Heimat Waller's) befinden. —
Das erste, der Grabstein des Jakob von Kaltenthal (gest. 1555)
ist schon von Lubke ! ruhmend erwahnt worden. Er steht in
der Veitskapelle zu Miihlhausen, die vielen Freunden schwa-
biseher Kunst aus eigener Anschauung bekannt ist. Aber
gerade die Nachbarschaft bekannterer Sehenswurdigkeiten hat
ihm, zusammen mil der ungunstigen Beleuchtung, die gebuhrende
Beachtung entzogen *. Das andere, der Grabstein des Hans
Wolff von Welwart zu Unterbobingen (gest. 1558) ist neuerdings
dureh eine gute, fur unsern Zweck freilich nicht ganz geniigende
Abbildung im Inventar des Jagstkreises (1, 451) erschlossen
worden.
Da ich diese drei ziemlich weit auseinander liegenden
Denkiniiler als eine zusammengehorige Gruppe auffassen mochte,
gilt es zunachst die gemeinsamen Merkmale aufzuzahlen.
Wir haben im Gegensatz zu Sehmid einen Meister vor
uns, bei dem das Ornamentale gegeniiber dem Figiirliehen
durchaus zurucktritt. Seine Werke sind im Aufrifl als Grab-
steine gedacht*. Der Schmuck ersc-heint als eine wenig bedeu-
1 Geschichto der Plastik, 3. Aufl., II, 875. Das Grabraal ist sehr un-
giinstig beleuchtet. die Abbildung (s. Tafel) wird ihra daher nicht gerecht.
* Das Inventar des Neckarkreises hat hier wie bei fast alien ahnlichen
Werken nichts zur Orientierung bcigetragen. Es spricht von «zahlreichen
Grabmalern* derer von Neohausen und Kaltenthal. nennt aber far keines
Namen. Jahreszahl oder gar Qualitat. Und dies bei Werken, die in der
Lite rat ur schon erwahnt waren nnd die in der unmittelbaren Umgebung
von Stuttgart sich linden!
* Die Art wie K. Kopchen das Auftreten einfacher Grabsteine mit
stehender Ritterfigar in Zusammeuhang bringt mit der religiosen Zeit-
stimmung (S. 97), hat wenig Einleuchtendes. Wenn es die Menschen jener
Zeit wirklich «nach Verherrlichung nach dem Tod nicht gelustete», weshalb
wahlten sie dann nicht einfache Wappengrabsteine oder ein Relief, auf
dem der Verstorbene hochstens als Donator erschien? Und ferner: sollte
den Meistern des Itf. Jahrhunderts der Gedanke ganz fern gelegen haben,
den Schmuck zuruckzudrangen, eben urn die F i g a r starker zur Geltung
zu bringen? Ich meine, man kann die Wollcrschen Figurensteine kaum
andors auffassen. Waren sie bloiie Archaismen, weshalb wurde dann
Baumhauer nicht bloB in seinen Jugendwerken sie nachahmen, sondern in
- 126 —
tende -- notgedrungene — Zutat. Eigentlich architektonische
Rahmungen hat er nicht geschaffen. Bei den Figuren bemerken
wir eine wachsende Zuruckdrangung des schmiickenden Details
der Rtistung zu Gunsten des Gesamteindrucks. In der Dar-
stellung seiner Rittergestalten hat auch Woller ein bestimmtes
Schema eingehalten : es sind durchweg Standbilder, fast frei
aus der Steinplatte heraustretend. Alle haben den Helm auf dera
Haupt, die rechte Hand greift gegen die Brust, die linke an
den Schwertgriff. Von einem Schema darf man deshalb sprechen,
weil es auch in Tubingen beibehalten ist, wo die Schmid'schen
Figuren gefaltete Hande zeigen und den Helm abgelegt haben,
weil es zusammentrifft mit anderen Zugen wie der Bartlosig-
keit, und endlich weil es, wie ein Grabstein in der Franziskaner-
Kirche in Gmiind zeigt 1 , in Woller s Heimat schon vorher
iiblich war*. — Vor allem aber zeigen die drei Ritterfiguren
das deutliche Bestreben, den Korper nicht bloB als Last, sondern
als einen Organismus dem Beschauer deutlich zu machen. Das
ist es, was z. B. den Tubinger aus seiner Umgebung heraus-
hebt: hier spurt man Knochen und Muskeln unter der Rustung,
die den Korper in eine bestimmte, vom Auge als natiirlich und
notwendig empfundene Lage bringen und die uns zwingen, ihn
als Ganzes aufzufassen. — Die Gesichter wird man nur dann
richtig beurteilen, wenn man die geringe Durchschnittsqualitat der
zeitgenossischen Physiognomien an vielen Beispielen in sich
aufgenommen hat. Die Befangenheit und Allgemeinheit der
meisten Schmid'schen Kopfe, die derbe und auflerliche Charak-
terisierung der Baumhauer'schen , die unfreiwillige Komik
mancher von den Berlichingen in Schonthal, und ebenso die kon-
ventionelle Glatte, mit der spater die Jelin-Werkstatt Gesichts-
spaterer Zeit ganz offensichtlich Hintergrund and Rahmen bo einfach wie
moglich gestalten? Denkmaler wie die des Stefan Chomberg in Tubingen,
wie die der Leonberger Vogte nnd Biirgermeister, sehen nicht bo aus, als
ob es sich hier am eine Vermeidung personlicher Verherrlichang handle.
1 Der oben erwahnte Jorg Gronbeck von Nidernhofen.
' Auch in Donzdorf, O.-A. Geislingen, also ebenfalls nicht allzu weit
von Gmiind, befindet sich ein Rittergrabstein vom selben Typus wie der
in Miihlhausen. (Wolf v. Rechberg, gest. 1540). Die Mache ist wesentiich
roher als die Wollers, aber die Einzelheiten verraten einen deutlich en
Schulzus amme n hang.
— 127 -
ztige bildet: — das alles gibt den MaBstab fur die Anerkennung,
die man der verhaltenen Lebendigkeit Wollers, seiner feinen
Empfindung fur das Naturliche und seinen im ganzen diskreten
Milteln zu zollen hat. Geschichtlich betrachtet haben wir in
seinen Werken keine verheiBungsvollen Anfange, sondern die
spatesten Fruchte einer guten Bildhauerschule zu erkennen. Es
acheint mir zweifellos, daB der erwahnte Halbfigurengrabstein
in der Gmunder Franziskaner-Kirche mit den Woller'schen
Werken in engen Zusammenhang zu bringen ist. Der Zeit
nach konnte dieser, der um 1564 starb. sehr wohl selbst der
Meister sein 1 . Aber gewisse Ungeschicklichkeiten des Mtihl
hauser Denkmals schliefien die Annahme aus, er habe 20 Jahre
zuvor ein Werk geschaffen, das in der Raumfiillung so gluck-
lich. in der Durchbildung des Gesichts so feinfiihlig und stilvoll
wirkt, wie das in Gmiind. So wird man zu dem SchluB gedrangt,
in dem Meister des Jorg Gronbeck vielmehr den L e h r e r
Jakob Wollers zu erkennen.
Diese Aufstellungen werden durch eine Beschreibung der
drei Wollerschen Steine naher zu begriinden sein. Das Denk-
mal des
JAKOB VON KALTENTHAL (s. Tafel)
macht zunachst den Eindruck, als ob es aus mehreren Teilen
zusammengesetzt ware, die nicht ursprunglich zusammengehoren.
Der Lowe zu den FiiBen dqs Ritters scheint nicht fur den
Sockel geschaffen zu sein, uber den er betrachtlich hinausragt
und von dem ihn ein zwei Finger breiter Zwischenraum trennt.
Die Figurenplatte ist durch den ganz herumlaufenden Rand
vollig in sich abgeschlossen ; und der dariiber angebrachte
Halbrundgiebel wirkt umsomehr als ein unorganischer Aufsatz,
als die Verkropfung des Gebalks rechts und links eine Fort-
setzung nach unten in Gestalt von Pilastern zu fordern scheint.
Ich war daher anfangs der Meinung, der Raum zwischen Sockel
und Gebalk sei urspriinglich anders ausgefullt gewesen und
unser Grabstein erst nachtraglich hier eingefugt worden. Doch
laflt sich diese Annahme nicht aufrecht halten. Der Stein mit
Der Gmiinder Grabstein gehort ins Jahr 1534.
- 128 —
dem Ritter muBte dann ursprunglich fur sich bestanden haben,
und das ist, da er kein Wappen enthalt, doch wohl nicht denk-
bar. Andererseits findet sich dieselbe aufierliche Zusammen-
fugung der drei Teile noch anderwarts, zunachst bei dem Grabmal
gegeniiber, dem 1558 gestorbenen Engelhold von Kaltenthal,
das sich abgesehen von einzelnen Verschiedenheiten des Portrats
als eine rohe Nachahmung des unsrigen von anderer Hand dar-
stellt, dann aber auch, wenngleich nicht so auffallend, bei dem
Hans Herter von Hertneckh, gest. 1562, in der Stuttgarter
Stiftskirche, einem bezeichneten Werk des Leonhard Baumhauer.
Unter diesen Umstanden erscheint es mir am wahrschein-
lichsten, da6 Woller nur den Grabntein ausgehauen und fur
das ubrige vielleicht eine aljgemeine Skizze angefertigt hat,
die dann in schematischer Weise von Gehilfen ausgefiihrt worden
ware 1 . Auch wenn ailes auf seine Hand zuruckgeht (die Art
der Arbeit raacht es nicht geradezu unmoglich), so mu6 man
annehmen, dafi er sich zu der Hinzufugung von Socket und
Bekronung nur widerwillig entschlossen, und den Grabstein auch
auBerlich als ein Werk fur sich hatte charakterisieren wollen.
In dem Oberbobinger Werk durfte der Meister ganz der Tra-
dition seiner Werkstatt und seiner personlichen Neigung folgen.
Das in Muhlhausen ist ein KompromiB, eine Inkonsequenz, die
von der Entwicklung bald beiseite geschoben werden muBte.
Der Grabstein selbst war, wie der Lowe zeigt, jedenfalls
von Anfang an zur Aufstellung bestimmt. Zwischen dem ganz
herumlaufenden Schriftrand und der Innenflache befindet sich
eine einfache Blattreihe, von zwei Leisten eingefaBt. Sie bildet
oben einen Flachbogen ; die dadurch entstehenden Zwickel sind
ebenfalls mit einfachem Blattornament gefullt. Der Ritter selbst
steht auf einem machtigen, die ganze Breite des Steins bedek-
kenden Lowen mit emporgehobenem Kopf und abstehendem
geringeltem Schwanz. Das Stehen hat hier noch eine gewisse
Unbestimmtheit, beinahe etwas Schlotteriges. Standbein und
Spielbein sind nicht so deutlich unterschieden, dafi die Belastung
der einen Korperhalfte ohne weiteres zu Tage trate: immerhin
1 Es ist naheliegend, dab der Meister nach Tubingen abgerufen wurde
(155« !).
— 129 -
sieht man, wohin die Absicht des Meisters ging. Zu den Merk-
malen, die ebenfalls auf eine gewisse Unbehilflichkeit des
Meisters zu schliefien erlauben, rechne ich den vorn am Krebs
angebrachten Dolch, der naturlich abgebrochen ist, aber sicher
auch ursprunglich nicht gut gewirkt hat. Das gleiche wieder-
fuhr dem Streitkolben oberhalb der umfassenden Hand, wahrend
das riemenumschlungene, auf dem Lowenkopf aufstehende
Schwert hier ganz erhalten ist. Der Panzer und die ubrigen
Wappen zeigen eine reiche, aber kunstlerisch uberlegte Orna-
mentierung. Die einzelnen Streifen, senkrechte auf der Brust,
auf den Arm- und Beinschienen, wagrechte an den Krebsen,
sind je naeh ihrer Wichtigkeit von verschiedener Relieftiefe.
Hinter dem Helm quellen fiinf Federn hervor, deren Enden, stark
naeh vorn umgerollt, etwas gequetscht erscheinen.
Das bartlose Gesicht, in dem Augen und Lippen bemalt
sind, muB man von der linken Seite her betrachten. Hier tritt
entschieden ein Zug zum Monumentalen hervor, in starkem
Kontrast zu dem Vielerlei des Rustungsschmucks. Prachtvoll
ist die Einsattelung der Nase, die Tiefe der Mundwinkel, die
vorgeschobene Unterlippe. Es ist eine der charaktervollsten
deutschen Rittergestallen des 16. Jahrhunderts, ein Ganzes, das
im besten Sinn des Wortes typisch wirkt. Steht man vorn, so
zeigt sich, daB die feinere Durcharbeitung noch zu wiinschen
ubriglaBt. Die Stirnfalten sind allzu derb, die Wangen runden sich
noch nicht recht, die Augenhohlen erscheinen etwas flach ; die
Charakterisierung des Stofflichen ist noch nicht ganz gelungen.
— Wir stellen, da die Tubinger Figur teilweise unter beson
sonderen Bedingungen steht, gleich das
OBERBOBINGER WERK
daneben, das reifste unter den dreien. — Die Verwandtschaft
braucht nicht mehr betont zu werden, wohl aber der Fortschritt
gegenuber dem etwa drei Jahre alteren Muhlhauser. Alle Un-
sicherheit ist hier verschwunden. Deutlich und unaufdringlich
versteht der Meister das Wesentliche hervorzuheben. Was der
kunstlerischen Wirkung schaden konnte, wird unterdriickt. —
Vor allem der Panzer ist ein wahres Meisterstiick. Jeder orna-
mentale Schmuck fehlt. Man spurt deutlich, wie der Blick
d. 9
— 130 —
dadurch aufs Ganze und seinen zweckmafiigen Aufbau gelenkt
wird. Wie scharf grenzen sich die einzelnen Flachen gegen-
einander ab, wie ist das Uebereinandergreifen der Schienen
oder die schnurartige gedrehte Einfassung benutzt, urn eindrucks-
volle Linien und Schatten zu erzeugen. Die starkste Ausbauchung
des Brustharnischs ist unter die Mitte der Brust verlegt: una
wieviel kraftiger wirkt infolge davon der Einschnitt an der
Hufte. Die glatte Schneide vorn am Brustharnisch und an den
Beinschienen, wie ruft sie die Illusion des Stahls mit seinen
glanzenden Flachen und scharfen Kanten hervor. Mit welcher
Oekonomie hat der Meister die Schulterstiicke angebracht. Der
senkrechte Teil ist hoher geworden, offenbar weil so die tiefen
Schattenhohlen zwischen ihm und der Halsberge dem Kopf das
starkste Relief geben. Dennoch ragt dieser frei und beweglich
hervor : der Hals ist hoher und schlanker, das Kinnstiick laflt
etwas mehr vom Gesicht frei. Das letztere erscheint infolge-
dessen weniger breit und massig und verstarkt die vertikale
Tendenz des ganzen Korpers. Es dient demselben Zweck, wenn
die vier Federn, die in Miihlhausen rechts und links des Kopfes
in die Breite streben, auf ein Minimum reduziert sind. Die
Figur wird starker bewegt: der das Schwert fassende Arm ist
in Miihlhausen beinahe ausgestreckt, die Bewegung so bequem
wie moglich ; in Oberbobingen wird er lebhaft heraufgenommen.
Umgekehrt wird der Hintergrund beruhigt ; die Blattreihe ist
verschwunden, die unvermeidlichen vier Wappen sind als ein-
fache Schilde ohne Laubwerk oder Helmzier gegeben ; vom
Dolch, der jetzt hinter die Figur zuruckgeschoben ist, ragt nur
der Griff hervor.
Statt der energischen Breitstellung der Tubinger Figur (s. u.)
ist hier eine etwas lassigere Pose gewahlt. Sie ist konsequent
und auBerordentlich lebendig durchgefuhrt. Wie die Last des
Korpers deutlich auf dem Standbein ruht, wie Brust und Hufte
auf der (vom Beschauer) linken Seite ganz leise, aber eben noch
spiirbar zusammengedruckt sind, das hebt die Figur auf den ersten
Blick liber das Niveau des HandwerksmaBigen hinaus und zeigt
den zielbewuBten und seine Mittel beherrschenden Kiinstler.
Im Gesicht wird mit einfachen Mitteln der Eindruck des
weichen Fleisches im Gegensatz zu dem starren Material des
— 131 -
Panzers erreicht. Aber der Kunstler hat sich damit nicht be-
gnugt: die schmale, etwas eingedruckte Nase, die frischen
kraftigen Lippen wirken entschieden individuell ; und der zur
Seite gerichtete Blick gibt dem Gesicht etwas Sprechendes. Die
ganze Figur, die in so starkem Relief von dem glatten Hinter-
grund sich abhebt, und die ohne das Gegenwicht einer archi-
tektonischen Rahmung gelassen ist, konnte leicht etwas Starres
und Unheimliches bekommen, ware sie nicht durch die an-
sprechende Menschlichkeit des Gesichtes im Gleichgewicht er-
halten.
Das Werk, das nicht am wenigsten durch die Schonheit
des Steinschnittes wirken will, ist bis jetzt glucklicherweise
gut erhalten 1 . Dennoch mochte man ihm einen geschiitzteren
und besser beleuchteten Platz wunschen. DaB es wie jetzt
an der Wand aufgerichtet werden miifite, urn zur Geltung zu
kommen, steht aufier Zweifel. Weniger sicher ist, ob es
ursprunglich dafiir bestimmt war. Der Lowe zu Fiiflen des
Ritters kehrt diesem nicht wie in Muhlhausen den Riicken,
sondern die Seite zu, wie bei den Tubinger und anderen Tumben.
Daraus mufl man doch wohl schliefien, da6 der Kunstler den
Auftrag zu einer Grabplatte im eigentlichen Sinn erhielt. DaB
er trotzdem seinen Ritter stehend schildert, ist dem ja nicht
entgegen.
Der letzte unter den dreien, der
GRAF LUDWIG IM TUBINGER CHOR (s. Tafel)
liegt, ebenfalls in voller Rustung, auf einer Doppeltumba. Die
Abweichungen vom Typus erklaren sich aus den Eigentumlich-
keiten der Aufgabe, die der Kunstler mit grofiem Takt, und
ohne seiner Eigenart ungetreu zu werden, gelost hat. Die Guter-
steiner Mechthild-Figur, die neben dem Grafen liegen sollte,
besaB in dem Reichtum ihres spatgotischen Gewandmotivs ein
Relief von solcher Hohe, daB mit einer einfachen Ritterfigur
dagegen nicht aufzukommen war 2 . Der Korper des Mannes
1 Nor der untere Teil des Schwerts ist abgebrochen.
2 Es erscheint nicht ausgeschlossen, daB zuerst beabsichtigt war, den
Mechthildstein fur sich, wohl an der Wand, aufzurichten und daB man erst
- 132 —
mufite durch aufierordentliche Mittel hochgehoben vverden. So
legt ihn Woller noch auf ein besonderes Lager, von dem er
nur die dariiber gebreitete Decke sichtbar macht. Diese dient
noch einem anderen Zweck: er gewann hier die Mogliehkeit,
Falten anzubringen, die zu dem bewegten Stoffreichtum der
weiblichen Figur wenigstens ein bescheidenes Gegengewicht
bildeten. Er schalft tiefe Langsfalten und belebt diese durch
kurze querlaufende Knickungen des Stoffs, er laBt seinen Ritter
den oberen Zipfel der Decke mit dem Arm fassen und an sich
driicken wie einen Ueberwurf. Er erreicht seinen Hauptzweck
auf eine durchaus einwandfreie Weise: die mannliche Figur
behauptet sich neben der weiblichen. Freilich die Falten selbst
wirken an den meisten Stellen recht unmotiviert und nichtssagend.
Man sieht ihnen an, dafi der Meister sich nie in solchen Dingen
versucht hatle. Es kommt dem Beschauer hier besonders deut-
lich zum BewuBtsein, welche Kluft zwischen dem Steinmelzen
von 1488 und dem von 1556 befestigt ist; beide sind wirkliche
Meister ihres Fachs, aber ihre Interessen sind durchaus ver-
nachtraglich, vielleicht als man sich entschlofi. for Ludwig ein neues
Denkmal anzufertigen, zum 8au der Doppeltumba schritt. Die Figur dcs
Grafen Ludwig ist an die Unterlage angeschafft, die der Mechthild nur
aufgelegt.
Wichliger ist, dafi auch, als der Entschlufi gcfafit war. nicht ailes
giatt ging. Der Hergang mag etwa folgender gcwesen sein: die Figur
der Mechthild war an eine Platte angeschafft, die man ursprunglich soweit
belassen wollte, dafi sie auch den Ranm bedeckte, der za Haupten Ludwigs
von dem ornamentierten Rand eingenommen wird. Dieser Rand wurde
daher bei der Bearbeitung der Unterlage fiir Mechthild weggelassen. Nun
zeigte sich aber, dafi die Figur auf diese Weise zu hoch heraufkam. —
trotzdem Woller fiir seinen Ritter eine besondere Unterlage geschaffen
hatte. Man entschloB sich nun, den Untergrund. auf den Mechthild ku
liegen kam, soweit als irgend zulassig war. zu vertiefen; (daher die rauhe
Bossierung dieser Stelie im Gegensatz zu der entsprechenden unter der
Ludwigfigur!) und von der Figurenplatte der Mechthild den Hintergrund
moglichst wegzuschlagen. DabCi mnfiten die Stucke rechts und links des
jetzigen Kissens, vielleicht wegen Beschadigung, ganz entfernt werden, so
dafi der Raum. wo der Rand aussetzt, nicht ganz ausgefullt werden konnte.
Das Mittelstiick war won I schon vorher als Kissen charakterisiert. Han
gab der oberen Halfte eine Ornamentierung im Geschmack der Renaissance
und behandelte die untere wie bei Ludwig als gesonderte Unterlage. -
Diese Losung der Schwierigkeiten war nicht vollkommen, aber die Haupt-
sache bleibt. dafi von dem alten Bestand des Mechthild-Denkmals kein
wesentiiches Stiick angetastet wurde, und dafi die beiden Figuren, so vie
sie jetzt liegen. keine anffallende Disharmonie bilden.
— 133 -
schieden und keine Werksfcattradition, kein noeh so genaues
Studium der Mechthild-Figur konnte den nuehgeborenen Meister
befahigen, das reizvolle Spiel spatgotischer Fallen tausehend
nachzubilden .
In der Gestalt selbst ist ein breitbeiniges Stehen auf beiden
Beinen dargestellt. Die rechte Hiifte ist leicht nach auBen
gebogen, was wir wohl auch als einp leise Akkomodation an
den Stil der Mechthild oder des alien Ludwigs-Denkmals deuten
durfen. In der Kostiimierung kam die Absicht, einen Ritter
des vorhergehenden Jahrhunderts darzustellen und das dadurch
bedingte Fehlen der Ornamente an der Rustung den Absichten
des Kunstlers entgegen. Uer Vergletch mil Eberhard im Bart,
wo eine ahnliche Aufgabe von Josef Schmid gelost wurde, ist
nicht uninteressant. Beide mal haben wir die scharfen Rippen,
die in der Maximiliansriistung den ganzen Panzer uberziehen,
beidemal die zugespitzten Krebse und ihre sichtbare Befestigung
am Vorderschurz mit Riemen und Schnalle, beidemal die spitz
zulautenden («spitzbogigen>) Eisensehuhe. Aber wie viel ge-
drungener und wehrhalter wirkt Wollers Arbeit: die Entfernung
der Hande von der Brust lenkt das Auge auf den starken Ein-
schnitt an der Taille und auf die absichtlich ganz glatt gelassene,
vortrefflich proportionierte Flache des Brustharnischs * ; die
FiiGe haben eine weniger plumpe Form, das Ganze erscheint
viel akzentuierter. Dort ist der tote, hier der lebendige Bitter
dargestellt. Aber man muB hinzusetzen, daB bei Schmid die
Einzelheiten lange nicht in dem MaB wie hier untergeordnet sind.
1 Wer etwa inlblge von K Kopchens Behauptung <a. a. 0. S. 29)
den Gedanken einer Entstehang: der Mechthild-Figur nm 1550 wieder er-
wagen raochte, dem sei die Decke unter der Ludwig-Figur zum Studium
empfohlcn: so sieht es aus, wenn Renaissance -Bildhauer sich in einer
gotischen Domane bewegen !
2 Beachtenswert far die Rustung des Graf en Ludwig ist ferner das
Fehlen der Halskette mit Brustmedaillon, des Wehrgehenkes samt dem
Dolch. ferner die Ersetzung des Gliedschirms, der meist aus Maschcngewebe
besteht und leicht unruhig wirkt, durch langgezogene Falten des unter
dem Vorderschurz hervorschauenden Wamses. Das Ganze zeigt die Ab-
sicht, nur das sachlich Notwendige zu geben : daher der nicht ausgezackte
Rand der Schienen, die Nagelkopre am Krebs, die Schnalle zur Befestigung
der BrustpJatte. die kleincn Rosetten statt der umstandlich geschilderten
Scharniere der Beinschienen bei Eberhard.
— 134 -
Gesicht und Hande stimmen vorztiglich zu der Behandlung
des Kostiims. Die letzteren vor allem, die in gefingerten Hand-
schuhen steeken, sind in ihrer Gelenkigkeit das gerade Gegen-
teil von denen Josef Schmid's. Bei der linken ist der Meister
so weit gegangen, die einzelnen Finger zu trennen 1 ; der dritte
und funfte sind abgespreizt, die andern umfassen die Parier-
stange des Schwerts ; uberall werden wir von der starren
Oberflache zur Empfindung der lebendigen Glieder des Korpers
gefuhrt. — Das Gesicht ist bochst wirkungsvoll umrahmt von
dem machtigen Visierhelm, unter dem an den Schlafen und
weiter ab warts kleine Lockchen sichtbar werden. E3 ist in
seinen oberen Partieen analog dem Muhlhauser auf den allge-
meinen Eindruck trotziger Kraft gestimmt: die starken Wulste
der Augenbrauen, die senkrechte Fake mitten auf der Stirn,
die scharf abgegrenzten aber wenig vertieften Augenhohlen
stehen im starksten Kontrast zu dem lieblichen Frauenbild
daneben. Mochte man aber hier die Charakterisierung Wollers
nicht nur mannlicher, sondern auch etwas roher finden als die
seines spatgotisehen Vorg&ngers, so zeigt die Nase und vor
allem die edle Form des Mundes mit den vollen weichen Lippen,
dati der Graf Ludwig eine ebenso typische und vorbildliche
Leistung fur 1556, wie Mechthild fiir 1488 ist. Das altere
Werk ist die Bliite jener empfindungsvollen vorwiegend male-
risch interessierten Periode, der die Darstellung weiblicher
Anmut besonders lag; das jungere eines der besten Erzeug-
nisse einer schwabischen Renaissance- Werkstatt, in der das
Empfinden derber und kraftvoller, das Sehen des menschlichen
Korpers im ganzen riohtiger, das bildnerische Gestalten weniger
raffiniert, aber durchaus tiichlig und frei von Manier gewesen ist.
Mit den drei Ritterfiguren in .Muhlhausen, Obertobingen
und Tubingen haben wir Woller's Werk, soweit es uns bekannt
ist, beschrieben. Von der Doppeltumba, auf der Ludwig und
Mechthild ruheu, durfte wohl nur die Dekoration des oberen
wagrechten Randes * auf ihn odor einen seiner Gehilfen zuriick-
1 Mair hat bei seinem Heinrich-Epitaph ahnliches versucht.
2 Ebenso auch die Schrift, deren Anbringang in der Skizze von 1556
erst vorgeschlagen wird
- 135 —
gehen. Sie zeigt in der starken Stilisierung der Blattformen und
in der weniger engen Flachenfiillung wesentliche Abweichungen
von Schmid's ornamentalem Stil.
Freilich gibt es nun noch ein Grabmal, das wir nach dem
daran angebrachten Zeichen Woller zuschreiben miiBten: das
des Herzogs Christoph ! . Allein bei diesem tragt die Figur,
wie wir sie jetzt vor uns haben, so vollig andere und so genau
Baumhauer'sche Ziige, dafi man hochstens die Frage aufwerfen
konnte, ob Woller die Ausfuhrung noch begonnen hat. Wir
werden auf Grund dieses Denkmals annehmen miissen, daB der
Meister 1560/61, als er den neuen Auftrag erhielt, ein alter Mann
gewesen ist, dessen Name vor allem das Firmenschild der Werk-
statt zu schmucken hatte. Leonhard Baumhauer, der Stiefsohn,
der die wichtigsten Stucke seiner Kunst nicht bei Woller, son-
dern anderswo bezogen hat, fiihrte die Auftrage aus : mit seinem
Namen durfte er, der damals wenig uber 20 Jahre zahlte, erst
nach Woller's Tod (1564) hervortreten. Den Beweis fiir diese
Aufstellung wird die Behandlung des Christoph-Denkmals im
nachsten Kapitel zu liefern haben. — Bedauerlich ist auf alle
Falle der Verlust des Grabmals fiir Herzogin Anna Maria, das
gleichfalls 1560/61 angefertigt wurde. Die Dargestellte war un-
zufrieden mit der Ausfuhrung der Wappen und der Kleidung*
und darum wurde das Denkmal zehn Jahre spater durch ein
Baumhauersches ersetzt. Unwillkurlich kommt man auf den
Gedanken, Jacob Woller habe hier wenigstens beim Entwurf
seine Hand noch im Spiel gehabt, und wie friiher kiinstlerischen
Rucksichten zulieb das reiche Detail, auf das die Herzogin so
groBen Wert legte, unterdrlickt.
1 Gezeichnet unten an der Siidostecke mit J.W. und dazwischen den-
selben zwei Werkzeugen. die spater Baumhauer als Zeichen fiihrt.
2 Wi„ S. 33.
LEONHARD BAUMHAUER VON GMUND.
(ca. 1540—1604).
Ueber Baumhauer, den zweiten der drei Gmiinder Bildhauer,
die sich kurz nacheinander in Tubingen niederliefien, wissen
wir mehr als fiber Woller x . Doch ist auch von seinem Leben
nur eine kurze Strecke, die Zeit von 1560—73, hell beleuchtet-
Und das ist bei ihm nicht die Zeit der letzten Reife, sondern
1 Baumhauer al* Handwerksname bedeutet nach Wi M S. 27, den Ver-
fertiger von Sattelgestellen. nach Kleram (Inv. Schwarzwaldkreis. S. 5)9)
BUdschnitzer, also Holzbildhauer, im Untefschied von den in Stein arbeiten-
den «Laubhauern>. Sicher ist soviel, dai3 unser Vertreter den Namen als
reinen Eigentiamen gefiihrt and schon ererbt hat.
Die Tubinger Kirchenbucher enthalten folgende Angaben
iiber Baumhauer und seiue Familie:
Seine Heimat ist Schwab. Gmiind. Sein Vater Wolf Baumhauer war
1560 verstorben. Leonhard Baumhauer heiratet im August 1560 in Tu-
bingen die «Agata Jacob Beytters seligen dochter von Tubingen*. In Tu-
bingen wurden dem Paar zehn Kinder getauft: 1561. 62, 64, 69. 71, 74, 77.
79, 80. 82 Zwischen 1564 und 69 mussen noch zwei Kinder auswarts
geboren worden sein, darunter die im Tubinger Ehebuch 1598 S. 338) vor-
kommende Tochter Anna Maria. Der Sohn Hans Friedrich (getauft 1577
Dezember 5». bei dem der Obervogt von Tubingen Fritz Herter Pate stand,
liefi sich ebenfalls in Tubingen als Bildhauer nieder. Seine Heirat mit der
Tiibingerin Anna Sauberschwarz fallt ins Jahr 1611. Bei seinen Kindern
iibernahmen die Prinzen und sonstigen vornehmen Herrn aus dem Collegium
illustre Patenstelle. Darnach scheint er ziemlich angesehen gewesen zu
sein. Auf die Werke, die ihm mutmafilich zuzuschreiben sind, werde ich
an anderem Ort zuruckkommen. — Der alte Leonhard Baumhauer starb
am 1. Marz 1604, seine Frau am 7. Januar 1602.
— 137 —
die des beginnenden Mannesalters. Das Dunkel, das fiber
seinen letzten 30 Jahren liegt, beginnt sich erst langsam zu
lichten.
Die handwerkliche Stufe, auf der die meisten seiner Werke
stehen, gestattet eine etwas summarische Behandlung. Man
muB ihn in betrachtlichem Abstand von Jacob Woller, seinem
«lieben vatter seeligen* nennen, dem er etliche AeuBerlich-
keiten abgesehen, dessen kiinstlerischen Ernst er aber nicht geerbt
hat. Das tritt schon in seinen Eingaben und Briefen hervor,
die Wintterlin veroflentlicht hat. Der «guet arm gsell> (Dretsch)
macht viel Ruhmens von seiner Kunstt'eitigkeit 1 , aber gerade
dort, wo er dies auf Kosten der alteren Denkmaler tut, gibt er zu
erkennen, daB er den Vorzug seiner eigenen Werke in dem
Reichtum und der guten Ausfuhrung der Verzierungen erblickt*,
also auf einem Gebiet, wo er zwar quantitativ mehr als Woller
geleistet hat, qualitativ aber oft hinter diesem und seinen Zeit-
genossen zuruckbleibt.
Was wirvon Baumhauer'sauBeren Lebensumstanden wissen,
zeigt uns einen ehrsamen fleiBigen Meister mit viel Temperament
und starkem SelbstbewuBtsein, der sich redlich bestrebte, mit
seinen Werken immer auf der Hohe der Zeit zu bleiben. Er
erscheint von dem wechselnden Geschmack seiner Kundschaft
mehr als von einer starken eigenen Ueberzeugung geleitet, —
wer wollte das dem Mann veriibeln, der fur eine groBe Familie
zu sorgen und unter der Not von Teurung und Krankheit mehr
als andere zu leiden hatte.
DaB er mit Jacob Woller oder doch auf seine Veranlassung
nach Tubingen kam, kann man als feststehend ansehen. Wes-
halb er ihn seinen Vater nennt, ist aus den Urkunden nicht
1 Wi., S 39* «Suplicant hat sein kunst allweg hoch erhept». Vgl.
S. 30 unten, 32 oben.
2 Wi., S. 30: «Dafl alle der sachen verstendige bekhennen und sagen
miessen, daB diser grabstein mit kunstlicher, wolerhepter Panierbildnng
unnd aller Zierlicheit die andere vorgemachte grabstein alle weit iibertrefife,
auch fast noch souil arbeit erfordert habe*. Bei der wolerhebten Panier-
bildnng handelt es sich offenbar nm die Relieftiefe und die Unterschneid-
ungen der Wappen. Das «schone durchsichtige Laubwerk*. das Dretsch
(S. 34) an einem Wappen riihrnt, wird sachlich nngefahr dasselbe bedeuten.
— Die hauflge Anrnfung der Sachverstandigen berfihrt uns fast modern.
(Vgl. oben, S. 41—43. Aehnlich bei Mair, vgl. den Urk -Anhang.
— 138 —
ersichtlich: das wahrscheinlichste bleibt, dafl der alte Wolf
Baumhauer friih starb und Woller Vaterstelle an dem jungen
vertrat. Noch 1569, bei der Vergebung des Eberhard-Denk-
raals militraut ihm Albrecht Dretsch wegen seiner Jugend —
eine eigentumliche Begriindung bei einem Mann, der neun Jahre
verheiratet, also doch mindestens 30 Jahre alt war, und schon
eine stattliche Reihe von Werken aufzuweisen hatte. Wir werden
annehmen diirfen, dafi der furstliche Baumeister, auch wenn er
sich so ausgedriickt hat, vor allem den Fah igkeiten
Baumhauers gegenuber gewisse Bedenken hegte, die dann
allerdings durch die Ausfuhrung des Prinz Eberhard-Denkmals
zerstreut wurden. Schon ehe dieses fertig war, hat er sicher
nach Stuttgart (1563) und nach Leonberg (1566) unter eigenem
Namen Arbeiten geliefert, gehorte also immerhin schon zu den
gesuchteren Meistern. Anfangs der 70 er Jahre begegnen wir
ihm im Schwarzwald und im Zabergau, aber auch an der Donau.
Dann horen die Nachrichten auf. Baumhauer ist, soviel steht
fest, nicht von Tubingen weggeaogen; denn die Kirchenbucher
bezeugen seine Anwesenseit funfmal in den Jahren 1574 — 82,
wo Kinder von ihm getauft wurden, und ebenso 1585 und 98,
wo zwei Tochter von ihm sich verheirateten ; er ist auch in
Tubingen 1604 gestorben.
Bei dem Versuch diese Iange Wirksamkeit durch erhaltene
Werke auszufullen, kommt uns die Tatsache zu Hilfe, dafl
Christoph Jelin, der in spaterer Zeit Baumhauer in den Schatten
stellte, in Tubingen erst seit dem Jahr 1577 nachweisbar ist,
wo er, wie sein Vorganger, mit einer Tubingerin Hochzeit hatte.
Zwischen 1560/61 (Denkmal des Herzogs Christoph) und 1576 hat
Baumhauer in Tubingen sicher keinen nennenswerten Konkur-
renten gehabt. Nur 1565 konnte die kurze Wirksamkeit Schlor's
auBer dem Sabina-Denkmal auch noch einzelne andere Arbeiten
des Haller Meisters oder seiner Gesellen gezeitigt haben 1 . Alles
Cibrige aber, was aus jenem Zeitraum erhalten ist, kann, wenn
es mit Baumhauer's sicheren Werken stilistisch zusammengeht,
seiner Werkstatt mit Wahrscheinlichkeit zugewiesen und zur
Bestimmung auswartiger Denkmaler herangezogen werden.
1 Vgl. das Kapitel iibcr Schlor.
- 139 —
Ich unterscheide unter den erhaltenen Arbeiten, die sieher
oder wahrscheinlieh auf seine Hand zuruekgehen, funf Gruppen
and bespreche dieselben in der Reihenfolge, wie sie nach
meiner Meinung entstanden sein konnen. Nur bei den Fiirsten-
denkmalern, die in mancher Hinsicht Verwandtes bieten, em-
pfiehlt es sich, sie von den Qbrigen Werken abgesondert zu
behandeln.
A) Rittergrabraale r der Fruhzeit.
1. Hans Wolf von Zulnhardt, gest. 1557.
Kirche zu !>urnau OJA. Goppingen. (s. Tafel).
2. Hans Konrad von First, gest. 1561.
Stiftskirche Tubingen, Turmvorhalle (s. Tafel).
3. Heinrieh von Ostheim, gest. 1560.
Ebenda Nordschiff, Ostwand. (s. Tafel).
4. Jerg von Ehingea, gest. 1561.
Kirche zu Kilchberg 0. A. Tubingen (s. Tafel).
5. Hans Herter von Herneckh, gest. 1562, (bez. L. B. 1563).
Stuttgarter Stiftskirche.
B. Brunnenfiguren und -saulen.
6. Leonberg, Marktbrunnen, bez. L. B. 1566.
7. Reutlingen, Maximiliansbrunnen, bez. L. B. 1570.
(s. Tafel).
8. Munderkingen, Marktbrunnen, bez. L. B. 1570 *.
C> Epitaphien mit inehreren Figure n.
9. Wolf Dietrich Megetzer von Feldorf, gest. 1569.
und Geraahlin. (Fur letztere fehlt die Inschrift).
Tubinger Stiftskirche, SudschifT, Ostwand. (s. Tafel).
10. Hans TruchsaB von Hofingen, gest. 1576 und seine
Gemahlin Barbara, geb. von Neuneck, gest. 1561.
Tubinger Stiftskirche, Prinzenstuhl. (s. Tafel;.
11 Peter von Gultlingen (ohne Todesdatum) und seine
Gemahlin Elisabeth, geb. von Rieppur, gest. 1561.
Kirche zu Berneck, O./A. Nagold.
1 Die neue Landesbeschreibung (Donaukreis. S. 117) gibt faUchlich
1572 an.
— 140 -
D) Tumben fur Glieder des Herzogshauses
im Chor derTiibingerStiftskirche.
12. Herzog Christoph, gest. 1568. Denkmal 1560/61. (Bez.
J. W. (s. Tafel).
13. Prinz Eberhard, gest. 1568. Denkmal 1568/69.
14. Herzogin Anna Maria, gest. 1589. Denkmal aus den
Jahren 1570—72, bez. L. B.
E)Grabdenkmaler aus der spateren
Zeit des Meisters.
15. Veit von Stemenfels, gest. 1571.
Kirche in Zaberfeld, O./A. Brackenheim. (s. Tafel).
16. Stefan Chomberg, Untervogt zu Tubingen, gest. 1566.
(I enkmal spater).
Tubinger Stiftskirche, Nordschiff. (s. Tafel).
17. ff. Spatwerke in Leonberg (Figurendenk-
maler in Flachrelief).
17. Walpurga Aichmenin, geb. Lindlerin, gest. 1572.
18. Justina Wield, gest. 1581.
19. Johann Aichmann (Untervogt?)
20. Sebastian Dreher, gest. 1582. (s. Tafel).
21. Veit Dreher, (Jungling), gest. 158 . . . (letzte Ziffei
nieht ausgefullt). (s. Tafel).
22. Sebastian Besserer, Biirgermeister, gest. 1593. (s. Tafel).
(Nr. 17—21 Vorhalle der Stadtkirche, 22 Siidseite aufien).
Von diesen Arbeiten sind gezeichnet Nr. 5—8 und 14,
anderweitig gesichert Nr. 13. Nr. 2—4 hat Wintterlin ohne
nahere Begrundung dem Meister zugewiesen (S. 52 Anm.) :
fiber die Autorschaft von Nr. 15 auBert er sich nicht bestimmt
(S. 45). Der Rest sind neue Zuschreibungen.
Unter den Rittergrabsteinen der Durnauer Kirche, die Grad-
mann als «Wandfiguren im Stil Baumhauers* bezeichnet hat 1 ,
kann m. E. einer mit Wahrscheinlichkeit als das fruheste bis
jetzt gefundene Jugendwerk des Bildhauers bezeichnet werdeo.
Dieser Hans Wolf von Zulnhardt (g. Tafel) unter-
1 Lit. Beil. znm Staatsanzeigcr 1903. 192.
— 141 —
scheidet sich aufs starkste von seinen Nachbarn rechts und links,
mit denen ihn keine Familienahnlichkeit verbindet. Statt dessen
tragt er fast alle die Zuge, die fiir Baumhauer charakteristisch
sind: den auffallend breiten Schadel, dessen derber Eindruck
noch durch die lange Horizontale des wagrecht abgeschnittenen
Vollbarts verstarkt wird, die zuruckfliehende niedrige Stirn
(vgl. von First), den Bart aus wulstigem Gelock (vgl. Herzog
Christoph). Vor allem zeigt die Figur im ganzen zwei Eigen-
sc haft en, die uns bei Baumhauer immer wieder begegnen : einer-
seits den vierschrotigen klobigen Typus, andererseits einen der
mit bemerkenswerten Sicherheit herausgegriffenen und stark
unterstrichenen Portratziige, die dem Meister gewifl oft den
Beifall seiner Besteller gesichert haben. In Durnau ist es die
starke Hakennase, die besonders fiir den Anblick von der Seite
her den Kopf sehr eindrucksvoll charakterisiert. Gradmann
spricht von einem «hoheren LanzknechU ; andere werden sich
vielmehr trotz des kriegerischen Kostums unmittelbar an einen
alteren judischen Bankier erinnert fiihlen. Dazu passen auch
die Formen der Slim und die glatt nach vorn gekammten, an
den Schlafen verschwundenen Haare.
Der Zuschreibung steht die Lage von Durnau mindestens
nicht im Weg. Goppingen, die Amtsstadt, liegt nicht weit von
Baumhauers Heimat Gmund. Und naeh Goppingen hat denjungen
Bildhauer vielleicht der SchloBbau gezogen, den Herzog Christoph
1550—68 dort ijusfuhren lieB.
Der Hans Konrad von First in Tubingen (s. Tafel)
gehort mit der Figur eng zusammen. Wir haben beidemal den
Typus des vor einer Grabplatte stehenden Ritters, nur dafi bei
dem spateren Tubinger das Relief schon nicht mehr ganz so
stark und die Bemalung weggefallen ist. Beidemal nicht der
Gestus des Betens, sondern die linke Hand am Schwert, die
rechte in Durnau den Streitkolben fassend, in Tubingen, wo
der letzte SproB eines Geschlechts darzustellen war, das ge-
stiirzte Wappen. Ist nun diese Darstellungsweise, zu der die
einfachen Wappenschilde stimmen, olTenbar der Jakob Woller's
nachstverwandt, so zeigen sich doch schon hier starke und
charakteristisohe Verschiedenheiten von dem alteren Meister.
DaB der Helm bei Baumhauer durchweg abgelegt erscheinl, war
— 142 -
eine notwendige Konzession an den Zeitgeschmack ; Woller
archaisierte hier. Aehnlich wird es mit der Barttracht stehen 1 .
Auf Baumhauer's eigene Rechnung aber ist die Veranderung
des Typus zu setzen. Das massige Auseinandergehen seiner
Ritter 2 entsprach zwar einer ailgemeinen Freude an breit-
spurigen vollsaftigen Gestalten. Aber z. B. Schlors Ahnenreihe
zeigt doch, da8 man neben der gewichtigen Wurde auch noch
die Beweglichkeit des Korpers sah nnd darstellen konnte. Haum-
hauer's Gestalten wirken, als ob sie in der eigenen Schwere
erstarrt waren.
Die Mitwirkung Woller's bei diesen fruhen Grabsteinen
anzunehmen, kann ich mich nicht entschliessen. GewiB sind
manche Einzdheiten bei dem Tiibinger nicht ohne Qualitat,
besonders die gut beobachteten Finger mit den gichtischen Er-
hohungen an den Gelenken. Allein das zeigt doeh nur, was
wir ohnehin wissen, daB Baumhauer auch bei Woller gelernt
hat. Aber gerade das, worin Woller sich vom Durchschnitt
abhebt, das Gefuhl fur die Funktionen der Glieder, das Streben
nach kunstlerischer Oekonomie, vermissen wir bei dem jungen
Baumhauer; halt man eine Figur wie den Oberbobinger Wel-
wart und den Tiibinger First nebeneinander, so wirkt der
erstere wie ein lebendiger Mensch, der andere beinah als un-
gefuger Klumpen. Das wird bei den folgenden drei Werken,
die in Etappen zur architektonischen Rahmung iibergehen, nicht
viel besser.
Der Heinrich von Ostheim (s. Tafel) bedeutet
in der Anordnung wie im Figiirlichen einen gewissen Fort-
schritt; und wahrend die erstere einfach einem Wunsch des
Bestellers entsprechen konnte, weist das letztere darauf hin,
daB wir es trotz des um vier Monate fruheren Todesdatums
mit einem spateren Monument zu tun haben. — DaB der Meister
von der Anfertigung von (aufrechten) Grabplatten herkommt,
i Die Tiibinger Figur des Herrn von First, bei der unten am Gesicht
ein grofies Stuck fehlt, ist ebenfalls vollbartig zu denken. Die Ansaue
sind noch sichtbar.
* Bezeichnend ist bei First der breite Mund, die schweren Ringel-
locken rechts und links des Eopfes, die unbeholfene. beinah iibereinstim-
mende Anordnung der beiden Arme.
- 143 —
zeigt feich deutlich in der geringen Vertiefung der Figurennisehe.
Wir haben eigentlich einen Grabstein vor uns, dessen Rand
unten als Socket oben als Gebalk, an den Seiten als Pilaster
charakterisiert ist. Ebenso unentwickelt ist der Aufsatz : ein
Gebalkstuck mit der Inschrift, durch Gesimse abgegrenzt, deren
oberes von einem eierstabahnliehen Gebilde begleitet ist (Wulst
mit kreisrunden Yertiefungen) ; daruber ein inassiger Rund-
giehel mit dem Wappen in Laubwerkzier, flankiert von zwei
Kugeln und bekrdnt von einer machtigen Eichel. Die ersteren
kommen in den fruheren Jahrzehnten oft in ahnlichen Zusam men-
hang vor 1 , die letztere mag eine Erfindung Baumhauer s selbst
darslellen. Die omamentalen Teile sind von einer auflallenden
Durftigkeit: die schmalen Rinnen in der Mitte der Pilaster mit
ihrem nach Erfindung und Technik gleich stumperhaften Relief-
schmuck zeigen, dafi Baumhauer hier noch in den ersten An-
fangen steckte. Es ist ein stark stilisiertes Blattornament mit
sichtbarer Mittelachse und allzu haufigen ring- und vasenartijren
Gebilden. Der obere Rand der Figurenplatte zeigt zwei Delphine.
Die Profilierung der Gesimse ist durchweg handwerklich. —
Der Figur kommt diese Armut bis zu einem gewissen Grad
zugut; nicht blofi der Rustung, an der die untersten Schienen
der Krebse die ubliche erhabene Musterung erhalten haben,
sondern auch dem Kopf, der den Blick sofort auf sich zieht.
Knoehiger und faltiger als der des Herrn von First, wirkt er
vor allem durch den scharf nach der Seite gerichteten Blick,
mit dem die gerunzelte Stirn gut zusammengeht. Der rauhe,
etwas barbeissige Ausdruck ist glucklieh getroflen, die Haken-
nase, der Mund, die strengen Faltenzuge, die von der Nase zu
den Mundwinkeln fuhren, vollenden den Eindruck einer wenn
auch etwas auBerlichen PortratmaBigkeit *. Die Haltung des
Beters, die hier zum ersten Mai bei Baumhauer auftaucht, mit
den zusamraengelegten, aber an die Brust herangenommenen
Handen pafit wenig zu dem Gesichtsausdruck : der Meister folgte
. ' Ygl. die Torgiebel im Tiibinger SchloBhof, Herings Epitaph in Grott-
komburg (Jagstkreis 1, 682) and noch Wollers Mohlhauser Ritterdenkmal ;
Grabttein des Wolf von Rechberg (gest. 1540) in Donzdorf bei Qeislingen.
* Baumhauer kam kurz vor 1560 nach Tubingen; es ist also sehr
wahrscheinlich. dafi er den Burgvogt noch gesehen hat.
— 144 —
entweder dem allgemeinen Brauch oder dem Wunsch des Be-
stellers.
Baumhauer's spezifische Zuge treten hervor in der flie-
henden Stirn, der scharfen Kante zwischen Stirnknochen und
Augenhohle, der schematischen hier etwas diinneren Anordnung
der Haare, in den dicken Fingergelenken, die durch die Hand-
schuhe hindurch sichtbar werden, in der einfachen Form der
sechs Wappenschilde, endlich in der eigenttimlichen natura-
listischen Andeutung des Terrains, auf
dem die Figur sieht. Dasselbe besteht aus einer zusammen-
gebackenen Masse kleiner eckiger Steine oder Erdstucke, die in
der Breite nur den Raum unterhalb der Fufie ausfullen, und
iiber die die Eisenschuhe der Rustung — es sind hier die im
16. Jahrhundert aligemein (iblichen <BarenfuBe> — nach vorn
betrachtlich hinausragen. Ihr Analogon hat diese eigentumliche
Sitte in der Terrainbehandlung bei Loy Hering 1 , in der Folge-
zeit begegnen wir ihr gerade bei Baumhauer noch hauiig. Sie
nimmt sich aus wie ein Rudiment der malerisehen Reliefbe-
handlung der Hintergrundsplatte, die in Wurttemberg erst durch
Jelin zeitweise wieder aufgenommen wurde. Dafur fehlt hier
der Sockellowe, den Baumhauer vorher und nachher (Kilch-
berg, Stuttgart) verwendet hat. Man konnte demnach versucht
sein, das Denkmal des Heinrich von Ostheim, das ja auch
durch die groBere Gedrungenheit der Figur von den ubrigen
Fruhwerken sich abhebt, einer spateren Gruppe zuzuweisen.
Allein die Unsicherheit des Aufbaus verrat doch den Anfanger;
und was die Behandlung des Postaments flir die Figuren be-
trifft, so muB man sich gegenwartig halten, dafi Baumhauer in
verschiedenen Einzelmotiven seiner Entwurfe stark von be-
stimmten Mustern abhangig war, (s. u ) und auBerdem, daB
er sehr wohl zwischen verschiedenen in seiner Werkstatt ge-
brauchlichen Motiven dem Besteller die Wahl gelassen haben
kann.
Die Fassung des Denkmals, die hochst wahr-
scheinlich von dem Tiibinger Maler Hans Schickhart hernihrt,
i Vgl. das oben erwahnte Epitaph in GroB-Komburg. Die Terrainstueke
sind bei Hering mehr «polsterartig> (K. Kopchen, S. 77).
— 145 —
scheint hier ganz intakt. Von der urspriinglichen Wirkung
kann man sich freilich jetzt, wo alle Farben triib und verstaubt
aussehen, ebensowenig ein deutliches Bild machen, wie bei den
Arbeiten im Chor. Ein gelbliches Grau ist die Grundfarbe,
dazu tritt Gold fur die Zierate, besonders die an den WaiTen,
und fur die Schrift, Rot fur den Schriftgrund und einzelne
Wappenfelder, Schwarz z. B. fur Teile der Augen und fur die
Sehwert- und Dolchscheide.
Bei dem Jerg von Ehingen in Kilchberg (s. Tafel)
darf die Zuschreibung an Baumhauer m. E. schon der charak-
teristischen KopfTorm halber fur gesichert gelten. Zu dem breiten
niedrigen Schadel und seinen lebhaft an Durnau und an die
Tiibinger Furstendenkmaler erinnernden Haar- und Bartformen
stimmt der Gesamteindruck der ganzen Mache : derb, wuchtig,
fast erschreckend in ihrer brusken Herausarbeitung des Korper-
lichen steht die Figur in oder viel mehr vor ihrem Rahmen.
Fur alles Einzelne ist Schmid's gegeniiberstehendes Werk, der
Johann von Ehingen (s. o. S. 107 ff.) das offensichtliche Vorbild
gewesen. Diese Nachbildung ist interessant, einmal weil sie
am ehesten einem jugendlichen Meister zugetraut werden kann
und so die Baumhauer'sche Autorschaft durch ein weiteres
Argument unterstiitzt ; und dann, weil sie von einem Bildhauer
herruhrt, der alle Einzelformen ganz anders empfand als sein
Vorbild.
Ich begnuge mich damit, die Abweichungen von dem etwa
zehn Jahre alteren Denkmal hervorzuheben. Schmid hatte in
Kilchberg mehr als sonst den Rahmen zu gunsten der Figur
zurucktreten lassen. Baumhauer ubertrumpft ihn noch : der
Kopf wachst iiber den wenig betonten Blendbogen der Hinter-
grundsplatte empor und das stark schattende Gesims, das Schmid
unterhalb der Bekronung angebracht hatte, ist bis auf kummer-
liche Reste verschwunden. In den weit ausladenden Ellbogen
geht die Figur noch mehr in die Breite. Ihre robuste Derbheit
verlangt statt der gefingerten nach Fausthandschuhen. Wie
sehr man sich huten mu8, solche Dinge einfach der veranderten
Mode und einer allgemeinen Umbildung des bildnerischen Em-
pfindens zuzuschreiben, dafiir haben wir in Kilchberg einen
interessanten Beleg: der Meister des 1578 entstandenen Jacob
D. 10
— 146 —
von Ehingen in derselben Kapelle 1 hat in alien erwahnten
Punkten wieder auf Schmid's Vorbild zuruckgegriflen. — In
der Pilasterornamentik treten Rosetten und Masken an Stelle
der Schmid'schen Blattformen * ; die kronende Inschrifttafel mit
ihsem Blatterrand und dem geflugelten Engelskopf an der Spitze
ubersetzt Schmid's eckige Schuchternheit in die kraftige und
grobe Sprache Baumhauers. So wirkt das Ganze doch recht
charaktervoll. Es ist ein Werk aus einem GuB, das noch
besser zur Geltung kame, wenn der Beschauer raehr Abstand
nehmen konnte, wie dies bei den Brunnenfiguren desselben
Meisters der Fall ist 8 .
Der Hans Herter von Hertneckh ist, wie fast
alle Denkmaler der Stuttgart er Stiftskirche, gegen Ende des 19.
Jahrhunderts einer glattenden Restauration unterzogen worden,
die die spezifisch Baumhauer'sche Mache dureh allzu exakte
Herausarbeitung der Einzelheiten verwischt hat. Es kann daher
blofl noch im Aufbau als ein ganz authentisches Dokument
seines Stils angesprochen werden. — Dieser zeigt, dafi Baum-
hauer das Denkmal des Jacob von Kaltental in Miihlhausen
mindestens gesehen hat. Wir haben denselben Sockel mit vor-
tretendem halbrundem Mitlelstuck 4 , die Behandlung der Figuren-
platte als Grabstein mit ganz herumlaufenden Rand; ja selbst
die Art, wie der Sockellowe tiber seine Unterlage hinausragt,
und nicht direkt auf ihr aufsitzt, wiederholt sich. Zwischen
den Halbrundgiebel und die Figurenplatte schiebt sich hier,
nach Art der meisten Wanddenkmaler, ein Zwischenglied, die
Inschrifttafel ; der Grabsteinrand wird also nicht mehr be-
1 Die Bekronung zeigt starke Verwandtschaft mit dem schonen Burrus-
Denkmal in der Horber Liebfrauenkirche (1570 , das mit D. E. gezeichnet
ist. Zu den beiden Zeichen an dem Kilchberger Monument weifi man
keine Namen. Die Vermutung Klemms (S. 150), die Meister seien «hochst
wahrscheinlich der Werkstatt Baumhauers verwandt», teile ich nicht. Das
Ornamentale widerspricht ihr.
2 Fiir die Rosetten vgl. die Kapitelle des Ostheim-Denkmals.
3 Die samtlichen vier Denkmaler der Kirchberger Orablege (s.
Tafel) sind vor einigen Jahren {unwesentlich) restauriert und mit grauer
Farbe angestrichen worden.
4 Dasselbe zeigt einen Wappenschild, sowie Baumhauers Zeichen und
Initialen und die Zahl 1563. Becnts und links des Mittelstiicks je ein ge-
fiugelter Engelskopf.
- 147 -
schrieben; trotzdem ist er beibehalten, und die Inkongruenz
der Gesimsverkropfungen, die man als Kapitelle aufzufassen
geneigt ist, mit den senkreehten Randstucken springt auch hier
ins Auge, wenngleich die ersteren nicht so weit hinausragen,
wie in Muhlhausen.
Ich glaube, diese Beobachtungen bereehtigen zu dem SchluB,
Baumhauer wollte hier, wie in Kilchberg, nach dem Musler
eines anderen Denkmals arbeiten; aber teils die fortgesehritlene
Mode, teils sein eigenes von dem vaterlichen sehr verschiedenes
Empfinden, drangt ihn zu leisen Korrekturen schon im Auf-
riflschema, wahrend er im Figiirliehen ganz seine eigenen Wege
geht.
Die folgenden Zuge, welche das eigentlich Baumhauerische
an dem Denkmal herausheben, bilden dafiir noch eine weitere
Bestatigung: das Motiv des Blatterrandes am Giebel (s. Kilch-
berg!) ist weitergefuhrt. Die Blatter sind jetzt nach auBen
gekehrt, ihre unteren Endigungen hereingeschlungen und von
zwei stehenden gefliigelten Putten gehalten (fur die letzteren
vgl. Muhlhausen). — Im ubrigen ist vom Ornament besonders
bezeichnend die Fullung des rechten senkreehten Grabstein-
rands : sichtbare Mittelachse, kelchformige Absatze ; die auf-
steigenden und der Mittelachse sich wieder zuwendenden lang-
lich spitzigen Blattformen von ziemlich hohem Relief, der Rand
durchweg nach innen, nach der Mitte zu umgeklappt (vgl.
Tubingen !). Diese Art des Ornaments ist es offenbar, auf die
sich Baumhauer viel zu gute tat ; sie taucht hier zuerst auf,
wahrend der linke Grabsteinrand noch Formen zeigt, die sich
mehr den glatt aufliegenden dicken Blattern Schmids nfihern.
Die eigentumliche Ueberspannung des Gebalks s a m t V e r-
kropfungen durch einen Pergamentstreifen fur dielnschrift
darfman als Variation eines Schmidschen Gedankens bezeichnen.
Baumhauer hat Aehnliches spater nochmals versucht, auch
wieder enger an sein Vorbild sich angeschlossen (TruchsaB von
Hofingen, Megetzer . — Der Figur kam zugute, daB das Model],
so mochte man sagen, ein Mann nach dem Herzen Baumhauers
war. Uns bringt die Gestalt des fiirstlichen Haushofmeisters
vor allem die Tatsache zum BewuBtsein, wie sehr die ritter-
liche Tracht in ihrer Verwendung als eine Art Galauniform sich
- 148 —
uberlebt hatte *. Diesem fetten Beamtentypus fehlen alle korper-
lichen Voraussetzungen fur das wehrhafte Kostum. Die Waffen-
stiicke selbst sind durch ein UebermaB von Reliefschmuck, der
sich hier besonders widrig vordrangt 9 , ihres Ernsles beraubt
worden : gilt dies schon von den geatzten Verzicrungen mancher
wirklicher Rustungen, so noch mehr von ihrer plastischen Nach-
bildung, wenn, wie fast durchweg, der Bildhauer es sich nicht
nehmen lieB, die Ornamente zum groBten Teil erhaben wieder-
geben, also die Treibarbeit nachzuahmen.
Trotzdem laBt sich nicht leugnen, daB der Hans Herter
von Hertneckh einen starken Eindruck hervorbringen kann. Der
Kopf zeigt Baumhauers Sinn fiirs Charakteristische in hellem
Licht. Die durchaus individuelle Schadelform, die nach hinten
breiter wird, die iibertreibende Charakteristik der Falten urn
die etwas aufgestulpte Nase, die ungeheuren Ohrmuscheln, die
vorquellenden groBen Augen, deren strenger Blick scharf nach
links vorn gerichtet ist und, in Harmonie damit, die unsymme-
trische Anordnung der Stirnfalten — all das ist nicht nur gut
beobachtet, sondern auch frisch und flott wiedergegeben. Kon-
ventionell vvirkt nur der Bart, mit seinen gewellten Strahnen,
die unten in Korkzieherlocken endigen.
Die Analogien zu den zwei vorher behandelten Denkmalern
ergeben sich von selbst, und sie dienen zur Bestatigung der
Zuschreibungen an Baumhauer. Mir scheint es besonders wert-
voll, an diesen Friihwerken zu beobachten, wie der Bildhauer
zwar altere Motive ubernimmt, aber niemals zum sklavischen
Kopisten eigener oder fremder Werke wird. Gerade deswegen,
scheint mir, haben wir ein Recht, die genannten Grabmaler,
von denen nur das lelzte Baumhauer's Zeichen tragt, alle seiner
Hand zuzuweisen.
Um Baumhauers Brunnendenkmaler richtig zu
wurdigen, bediirfte es der Heranziehung eines groBeren zeit-
*
1 Baumhauer selbst ist in seinen Spatwerken auf eine andere Dar*
stellungsweise eingegangen.
* Ygl. z. B. das Szepter! Die Restauration hat den unruhigen and
kleinlichen Eindruck sicher gesteigert.
— 149 —
genossischen Vergleichsmaterials, als es mir bisher zu Gebot
stebt 1 . Es muB daher an dieser Stelle genugen, einige Hin-
weise auf ihre Redeutung innerhalb des Baumhauerschen Werks
zu geben.
Die erste derartige Arbeit von der wir wissen, ist die am
Leonberger Marktbrunnen. Gleich ihr mit .lahres-
zahl, Zeichen und Initialen signiert, sind die Brunnenfiguren
in Reutlingen und Munderkingen. AuBerdem sind unbedeu-
tende Bruchstucke erhalten von einer Pfullinger Brunnensaule
(Wi. S. 34, Anm. 2) und von dem heiligen Georg, der auf dem
alten Brunnen vor der Stiftskirche in Tubingen stand 2 . Obwohl
das Verzeichnis damit sicher nicht vollstandig ist, so ist doch
sehon durch die drei erhaltenen kurz nacheinander ausge-
fiihrten Brunnendekorationen bewiesen, dafi Baumhauer auf
diesem Gebiet Beifall fand. In der Tat hat er den Stil
solcher auf hohem Postament aufgestellten Wappenhalter gut
getroffen.
An dem Leonberger Marktbrunnen ist nur die Figur und
vielleicht der stark zerstorte Teil des Postaments, das die Mund-
stiicke fiir die Rohren enthalt, als Baumhauer's Arbeit anzu-
sprechen. An der Saule steht die Zahl 1742. Dagegen die
Figur, die von grauer Farbe uberzogen ist, sieht, soweit man
von unten urteilen kann, intakt aus.
1 Julius Hartmann hat (Lit. Beil. zum Staatsanzeiger. 1902, 367) eine
wertvolle Zusammenstellung der figurengeschmiickten Rohrenbrunnen in
Wiirttemberg gegeben.
* Wintterlin (Vjh. 1882, 312) hat eine Notiz aus dem cod. hist. foL
372 der L. H. veroffentlicht, wornach bei einer Neuhcrstellung des Brunncns
im Anfang des 17. Jahrhunderts der «alt Jerg darauf gelassen, den znvor
der alt Biidhawer Borahawer gemacht hat>. Da der Brunnen wesentlich
alter ist als Baumhauers fruheste Arbeiten, so diente vielleicht schon seine
Figur zum Ersatz einer fruheren.
In der Handschrift lib des Staatsarchivs, die ebenfalls eine Reihe
von Chroniknotizen uber Tubingen enlhalt und nicht durchweg mit cod.
hist. fol. 372 ubereinstimmt, findet sich die Notiz: «1523 ward S. Jbrgen
Brunn stainin gemacht*. Schon in einer Urkunde von 1495 Sept. 18 (Tii-
binger Spitalarchiv. Regesten Nr. 50) kommt ein Haus «in der S. Jorgen
Brunnengasse* vor. Das konnte doch darauf hinweisen, dali der Brunnen
schon vor 1523 mit einem Bild des hi. Georg geziert war. — Die Reste
der Baumhauerschen Figur befinden sich im Garten des Lcibnitzschen
Hanses an der Neckarhalde in Tubingen.
- 150 —
Der Gewappnete steht auf dem rechten Bein und hat das
linke vorgesetzt; das Motiv ist kraftvoll und einheitlich durch-
gefurt. Die jetzt leere Rechte hielt einen Streitkolben oder
einen Speer, die Linke ruht auf einem Wappenschild, der
die bekannte langliche Form mit 6ft ers eingerolltem Rand zeigt 1 .
Das Schwert ist links, der Dolch hinten befestigt. Die scharf-
kantige Plattenrustung vermeidet hier weise jede Ornamen-
tierung. Auf dem Haupt der offene Visierhelm mit zwei ohren-
artig angebrachten stumpfen Federn. Der vorgebeugte Kopf
mit der (seit Kilchberg bei Baumhauer fast regelmaBigen) feinen
spitzigen Nase macht den Eindruck des Ausschauens nach dem
Gegner. Der starke Schnurrbart geht unten in einen derb ge-
lockten Backenbart iiber. Das Kinn ist glatt. Hier und sonst
wirken die starken Ausladungen des Korpers sehr lebendig.
Nur scheinen seine Dimensionen fast zu klein. Es ware aber
nicht unmoglich, da6 er ursprunglich auf einer weniger hohen
Saule stand.
Aehnlich vorteilhaft prasentiert sich der sogenannte Kaiser
Maximilian 2 des Reutlinger M arktbrunnens, den man
bei seiner jetzigen Aufstellung 3 aueh ganz aus der Nahe beob-
achten kann (s. Tafelj. Blick und Stellung sind ahnlich, die
Haarbehandlung von groBer Kraft und bewufit auf Fern-
wirkung berechnet. Im Einzelnen ist die Figur reicher aus-
gestattet. Der breitkrempige Hut, um den ein Kronenreif mit
Blattverzierung gelegt ist, die Zierleisten am Panzer, das goldene
Vliefi, das Schoflwams, dessen Langsfalten weich und stofflich
wirken, endlich die Bemalung, deren Reste nur zum Teil
dem ersten Farbenauftrag angehoren diirften, — alles zu-
1 Auf dem Schild das viergeteilte wurttembergische Wappen. die
Jahreszahl 1566, darunter der Leonberger Lowe und Baumhauers Zeichen
mit Initialen.
* Es miifite jedenfalls Maximilian II., nicht wie Witterlin will, Maxi-
milian I. sein.
3 DaB diese Figur, als sie fur die Aufstellung im Freien zu br^chig
wurde, in die stadtische Sammlung kam und so erhalten wurde ist
dankenswert. Aber schon einer nahen Zukunft wird es unverstandlich seio,
dafi man sie auf dem Marktbrunnen durch eine Kopie statt durch ein
modernes Stiick ersetzte, vollends aber, dafi man dieser Kopie, die von
Baumhauers urwuchsiger Derbheit sehr verschieden ist, Baumhauers Heiiter-
zeichen und die Jahreszahl 1570 auf den Wappenschild setzte, und nor
- 151 -
sammen ist auf furstliche Prachtenfaltung angelegt. Portr&t-
maflig sind die Ziige aber nicht, einerlei, wer der Dargestellte
sein soil.
Auch die Brunnensaule ist erhalten. Sie wird, ebenso wie
der Untersatz mit den Mundstucken fiir die Rohren in dem-
selben Raum aufbewahrt. An dem balusterformigen Schaft und
am Kapitell je ein groBes Akanthusblattmuster. Die Ausfuhrung
ist vortrefflich. Auch die Fratzen der Mundstucke (Meergotter?)
verdienen Beachtung. Das Ganze wiirde durch einen erhohten
Standort sehr gewinnen (s. Tafel).
Der MunderkingerMarktbrunnen zeigt auf der (wohl
ganz erneuertenj Saule einen aufgerichteten Lowen, der in beiden
Pranken je einen Schild halt: auf dem linken das Stadtwappen,
daruber 1570, unten Baumhauers Zeichen und Initialen; auf
dem rechten, der ganz modern ist, der Doppeladler. — Der
Lowe selbst ist etwas uberarbeitet. Doch sind die Baumhauer'schen
Ziige gut erkennbar. Charakteristisch ist besonders der vorge-
schobene Kopf. Die schwungvoll geringelte Mahne bildet ein
Seitenstiick zu den prachtigen Hirschen des Eberharddenkmals
in Tubingen 1 .
Erwiihnung verdienen noch die Honorare, Die Pfullinger
Saule, die nur ein Wappen, keine Figur enthalt, schatzt Dretsch
zu 42 — 43 fL, die in Reutlingen war dem Meister zu 70 fl. ver-
dingt (Wi. S. 35). Mir scheint auch daraus hervorzugehen, dafi
man bei Arbeiten wie der letzteren nicht ein Furstendenkmal
in unserem Sinn, sondern einen Wappenhalter haben wollte,
der zu den dekorativen Elementen eines Brunnens zu rechnen
ist.
Wir kommen zu einer Gruppe von Denkmalern, die nach
Aufbau und Einzelheilen offenbar zusammengehoren, von denen
aber keines gezeichnet ist oder bisher schon dem Meister zu-
geschrieben wurde. Ein glucklicher Zufall wollte es, dafi meine
ganz klein an einer anauffalligen Stelle, das Monogramm des wirklichen
Verfertigers uud die Jahreszahl 1901 anbrachte. Zu dem vielgerOhmten
<historischen> Sinn unserer Zeit bietet dieses Verfahren eine raerkwiirdige
Illustration. Manche werden es einen historischen Unfag nennen.
1 Am Postaraent des Lowen liest man den Namen des Restaurators
A. Merkt und eine Jahreszahl, die ich nicht entziffern konnte.
- 152 —
Zuschreibung gerade . fiir ein fern von Tubingen befindliches
Exemplar dieser mehrfigurigen Epitaphien eine in ge-
wissem Sinne urkundliche Bestatigung erhielt. Es ist das in
der Bernecker Kirche, auf welches ieh schon bei der Bestim-
mung des Schmid'schen Werks aufmerksam geworden war.
Peter von Gultlingen's Gemahlin Agnes geb. von Rieppur war
naeh der Inschrift am 5. Februar 1570 gestorben. Ein Jahr
darauf, am 19. Marz 1571, steht der Junker bei der Taufe von
Baumhauers Tochter Margareta in Tubingen zu Gevatter. Man
darf ohne weiteres annehmen, da8 die beiden damals geschaft-
liche Beziehungen hatten ; daB also Baumhauer es war, dera
das Denkmal fiir die beiden Ehegatten aufgetragen wurde. Damit
aber fallen dem Meister auch die zwei Tiibinger Epitaphien
Megetzer von Feldorf und Truchsafi von Hofingen zu und eine
Reihe von anderen lassen sich wenigstens fiir seine Werkstatt
reklamieren. Es geniigt, wenn wir von diesen Denkmalern die
beiden Tiibinger besprechen, das Megelzer'sche als das wahr-
scheinlich friiheste, und das Truchsassische, weil es am besten
gearbeitet ist.
Das Megetzer-Denkmal (s. Tafel) ist wie alle die zu dieser
Gruppe gehoren, seinem Wesen nach ein reines Wandepitaph.
Ein glatt behauener Unterbau verbindet es mit dem Erdboden 1 .
Das Hauptgeschofl enthalt eine teils fiir die Zeit, teils fur Baum-
hauer typische Anordnung. Es ist eingefaBt von zwei Pilastern
(Ornament vgl. Herter von Hertneckh), auf denen je 4 Wappen
befestigt sind, die ^ibliche Ahnenprobe. Unten lauft das steinige
(von den Ostheim her bekannte) Terrain iiber die ganze Breite des
Sockels, ja es uberschneidet ebenso wie die Fiifie der Knieenden
noch die Pilaster. Aus ihm wachst der Kreuzesstamm empor,
der die Flache in zwei gleiche Halften teilt. Die Gestalt des
Gekreuzigten beginnt in der Mitte des Stammes, sie hat unge-
fahr halbe Figurenhohe, ein eharakteristischer Unterschied ge-
geniiber den Schmid'schen Epitaphien Janowitz und Vellberg*.
1 Das eigentliche Sockelgesims (unmittelbar unterhalb der Figuren)
pafit in seiner einfachen Profilierung an sich gut zu Baumhauer. Aber die
jetzige Bearbeitung des Steins scheint modern.
2 K. Kopchen hat (8. 82) darauf aufmerksam gemacht, wie in Schlors
Jugendwerken in Stockenburg der Kruzifixus groBer wird und wie der
— 153 —
An dem Fufi des Kreuzes sind hier die beiden Wappen ange-
lehnt, sonst oft der Visierhelm ; daruber hat der Meister noch
die gewohnlichen Symbole, Schadel und Gebeine angebracht. —
Die zwei Gestalteri knieen, aber' mit dem Oberkorper nach vorn
gewendet, rechts und links des Kreuzes. Sie sind teilweise zer-
stort (Hande und Stucke vom Gesicht fehlen), lassen aber den
Baumhauerschen Typus trotzdem erkennen; er an der Behand-
lung von Ohren, Stirn und Bart, sie besonders in den Gewand-
falten, die mit denen der Herzogin Anna Maria aufs nachste
verwandt sind. Beide sind in der Mache nicht gerade roh,
aber doch so handwerklich, daB ein naheres Eingehen sich
erubrigt.
Bei dem Kruzifixus ist Baumhauers Typus kenntlich
besonders an dem groBen Lendentuch, dessen zwei machtige
Zipfel nach beiden Seiten emporflattern und oben nochmals
breit auseinandergehen. Der Unterleib ist nach vorn gedruckt,
die Schulterpartie scheint an den Querbalken angepreBt, das
Hanpt, mit ernsten Zugen, ohne den Ausdruck korperlichen
Schmerzes, kommt in eindrucksvoller Bewegung nach vorn;
die Gelenke erscheinen scharf markiert; vereinzelt (TruchsaB)
treten am Stamm des Kreuzes die Risse und Sprunge auf, die
ihn als Holzbalken charakterisieren sollen, (eine regelmaBige
Zutat der groBen, fur sich stehenden Schlor-Kruzifixe). Am
fortgeschrittensten ist die Gestalt des Gekreuzigten im Truch-
saB-Epitaph. Hier erscheint schon die langliche Kopfform, die
zusammen mit der theatralisch ausgeschwungenen Korper-
haltung bei vielen Denkmalern der Spatzeit des Jahrhunderts
wiederkehrt.
Da der Kruzifixus so stark als der Hauptinhalt der Dar-
stellung zur Geltung gebracht ist, so entsteht in dem Megetzer-
Denkmal rechts und links oberhalb der Knieenden ein leerer
Raum. Er ist durch Schriftbander ausgefullt. AuBerdem wird
in die Hintergrundsplatte eine ganz flache Nische eingetieft,
Bildhauer ihn wichtiger nimmt als Schmid. Dasselbe laBt sich von Baum-
haner sagen. Nur darf man nicht vergessen, dab der Kruzifixus sofort
wieder kleiner gebildet wird, wenn es aich um Einzelepitaphien statt um
Ehepaare oder Familien handelt (vgl. Zaberfeld, Ochsenburg und aus der
Schlor-Werkstatt Oberrot und Rieden).
— 154 -
die auch zur Belebung der Flaehe dient. Hat das ganze verti-
kalen Charakter wie hier, so sind ihre senkrechten seitlichen
Rander sichtbar gemacht. Soil die Erstreckung in die Breite
betont werden, wie beim Truchsafi-Epitaph, so lauft der Flach-
bogen sich an der Umrahmung tot.
Die Inschrifttafel des Megetzer-Denkmals ist zwischen
zwei starke oft abgetreppte Gesimse eingestellt. Hier und sonst
hat Baumhauer seine Experimente mit den Rollwerkformen
fortgesetzt. Wir haben zwei dunne holzerne Stabrahmen, die
auf die Platte zwischen den Gesimsen aufgeleimt erscheinen
und zwischen sich einen schmalen Raum freilassen. Das Perga-
ment schliipft nun unter diesen Holzstaben durch und rollt sich
auBen auf. Rechts und links sieht man je zwei einfache
Zungen, in dem Zwischenraum eine einzige von links kommende,
die aus zwei Lagen besteht. Das Ganze sieht in seiner unsym-
metrischen Anordnung noch recht steif und unbeholfen aus.
Der Grundgedanke des Rollwerks ist begriflen, aber seine deko-
rativen Moglichkeiten werden noch nicht ausgeniitzt. Mit ahn-
lichen Gebilden ist auch der Giebelrand oben und unten
belebt. Er tritt hier zuerst in geschweifter Form auf, das Innen-
feld ist mit einer Reliefdarstellung geschmuckt, deren Vorbild
Konrad Lange in einer Flotnerschen Plakette der Prudentia
nachgewiesen hat 1 . Der Uebertragung des Reliefs in einen
grofieren MaBstab war unser Meister nicht gewachsen: die
Verkiirzungen sind arg verungliickt. Immerhin erkennt man
Baumhauers Freude an seinen Denkmalern Neues anzubringen.
Den hier gemachten Versuch hat er so nicht wiederholt, doch
findet man noch zweimal 2 die spater so beliebten biblischen
Reliefdarstellungen im Giebelfeld seiner Denkmaler.
Das Epitaph des TruchsaB von Hofingen 3 (s. Tafel) stellt
einen seltsamen, aberoffenbar von Baumhauer so beabsichtigten
Aufbau dar. Das Ganze ist an beiden Seiten glatt behauen,
Konrad Lange, Peter Flotner (1897), S. 151.
2 Bcrneck: Eherne Schlange. Zaberfeld: Der Auferstandene.
3 Die Inschrift am Denkmal nennt nor den Mann (ebenso bei dem
Epitaph des Johannes Gockel. AuBenseite Siid.) Die holzerne Tafel. von
der die Inschrift fur Mann und Frau (gest. 1561) bei Baumhauer und Lenx
entnommen ist. ist. wie so viele andere. im 19. Jahrhnndert verschwnnden.
— 155 —
also zum unmittelbaren AnschluB an Wande oder andere Archi-
tekturteile bestimmt, was bei der jetzigen Aufstellung nur links
erreicht ist. Alles entwickelt sieh hier in die Breite; nach der
Hohe waren dem Meister offenbar bestimmte Grenzen gezogen 1 .
Das unterste Feld enthiilt die Inschrifttafel, das mittlere die
Figuren zu Seiten des Kruzifixes, eingerahmt von Pilastern mit
leichter Verjungung. Das oberste ist eine Art Uebalkstiick. Es
ruht auf einem zuriicktretenden Gesims, das sieh iiber den
Pilastern hinzieht, und dient zur Aufnahme von zwei einfachen
langlichen Wappenschildern, denen rechts eine einfache, links
eine doppelte Helmzier mit Laubwerk zur Seite steht.
Gegeniiber dem Megetzer-Epitaph zeigt die Arbeit gewisse
Fortschritte. Das Rollwerk, das auch hier den einfachen Stab-
rahmen der Inschrift einfafit, zeigt, obgleich es noch immer
im Stadium des Versuchs bleibt. doch einen groBeren Schwung.
Die Zungen schliipfen abwechselnd iiber und unter dem Rahmen
durch, sie schieBen weiter hinaus, ihre sehrage Richtung nach
oben und unten, nach rechts und links wird deutlicher markiert,
an den Rand schlieBen sieh an hervorzuhebenden Stellen Blatt-
formen an (freilich eine dem Charakter des Rollwerks wenig
angemessene Erfindung). Die materielle Grundlage des Orna-
ments ist auch hier festgehalten : der Holzstab wie das aufge-
klebte Pergament mit den breiteu Einschnitten sind deutlich
herausgearbeitet.
Im Figiirlichen darf man sicher eine Einwirkung des jetzt
gegeniiberbefindlichen Schmidschen Epitaphs Janowitzannehmen.
Baumhauer wollte auch einmal Halbfiguren geben; hier wo er
nach der Hohe zu ohnedies beschrankt war, lag es besonders
nahe. Aber er begin g dabei die Geschmacklosigkeit — ich kann
es nicht anders nennen — den Korper in der Mitte der Ober-
schenkel aufhoren zu lassen. Bei dem Mann muBte das iiber-
aus haBlich wirken. Die Arbeit geht iiber das Niveau des
Megetzer'schen Ehepaars nicht wesentlich hinaus, der Blick ist
jetzt auf das Kreuz gerichtet, das einzelne punktlicher durch-
gearbeitet, freilich auch besser erhalten. Das Terrain, das
1 Das Oanze ist 210 cm hoch. das Mittelfeld mit den Figuren 93 cm
hoch, 125 cm breit.
— 156 —
Baumhauer zweimal anbringt, unterhalb der Figuren und
auf dem oberen Gesims, sieht diesmal eher einem un-
regelmafiig durchfurchten Erdaufwurf als einer Steinmasse
ahnlich.
Das Denkmal zeigt, wie Baumhauer, der durchweg von den
einzelnen Teilen des Epitaphs {Figurenplatte, Inschrifttafel,
Wappentafel) ausging, und sie oft nur auBerlich zusammen-
fugte, eben dadurch die Moglichkeit bekam, den verschiedensten
Forderungen des Raumes gerecht zu werden. Es fehlt ihm an
sicherem Geschmack, aber nicht an Einfallen und vor allem
nicht an dem Geschick, fremde Gedanken in seiner eigenen
Sprache auszudrucken.
Das Epitaph des Peter von Gultlingen bietet
gegeniiber den beiden besprochenen kaum Neues. Der Aufbau
hat die Form des Megetzer'schen, der Giebel die eiues Klee-
blattbogens ! und auf der Spitze einen gefliigelten Engelskopf.
Dies letztere Motiv, von Baumhauer immer gem verwendet,
findet sich auch in den Zwickeln des Blendbogens. — Der
Hintergrund der Figurenplatte hat im 19. Jahrhundert eine
ungliickliche Bemalung erhalten, die eine Landschaft darstellen
soil *.
Anhangsweise seien hier noch einige Epitaphien angefuhrt,
die der Baumhauer'schen Werkstatt zuzuteilen sind und ihren
besonderen Merkmalen nach in unsere Gruppe gehoren oder ihr
nahestehen. Bei alien dreien gehort dem Meister mindestens
1 Vgl. Zaberfeld, Veit von Sternenfels. Tubingen, Epitaph des Jo-
hannes Gockel.
2 Nur als ein BeispieJ, wie die Grabmaler in den fruheren Banden
des Wurtt. In v. behandelt werden, fuhre ich an, was Schwarzwaldkreis
S. 168, iiber die Bernecker Monumente zu lesen ist : «Alte Evangelische
Kirche. 175H erneuert mit Grabdenkmalern der Freiherra
von Gultlingen, so des Balthasar, 1563, des Peter. 1570, letzteres groftartig
und sehr schon, in der besten dcutschen Renaissance. Vor dem Bild des
Gekreuzigten knieen mit gefalteten Handen ein Bitter nnd eine Frau. Am
Fuli des Kreuzes sind die Wappen der Herrn von Gultlingen und von
Rieppur angebracht» — Folgen die Inschriflen fiir Peter und seine Fran,
ohne Angabe wo sie angebracht sind. - Ueber dab originelle Schmidsche
Werk kein Wort, so dab man auf den Gedanken kommt, es miisse sich
um eine ganz unbedeutende Grabplatte handeln.
Ich meine, mit derartigen Beschreibungen und Charakteristiken dient
ein Inventar weder dem Fachmann noch dem Laren.
— 157 —
der Entwurf, wahrscheinlich auch ein Teil der Ausfuhrung.
Es sind:
1. Epitaph des Melchior Calwer (gest. 1563) und
seiner beiden Frauen (gest. 1538 und 1563). Tiibinger Stifts-
kirche Sudseite auBen. Eine zahlreiche Familie schart sich
hier um das Kreuz. Das Verhaltnis des (sehr groBen) Kruzi-
fixus zu den Figuren ist ein anderes Der Gekreuzigte selbst
stimmt mit den anderen Baumhauer'schen nicht ganz uberein,
dooh konnte sich das aus der fruheren Herstellungszeit er-
klaren. Die schmalen ornamentierten Rinnen an den Pilastern
gehen mit dem Ostheimdenkmal zusammen. Das Werk ist stark
verwittert.
2. Epitaph des Johannes Gockel (ohne Jahreszahl). Anfang
der 70 er Jahre. Ebenda. — Statt des Gekreuzigten hier die
Gestalt des guten Hirten, im MaBstab etwa 1 l / t mal so groB
wie die knienden Figuren (Ehepaar). Daruber zwei Engel, die
ein breites Spruchband halten. Im Giebel iKleeblattform) Gott
Vater in Wolken thronend. Das Giebelrelief ziemlich roh, die
sonstige Arbeit tuchtig. Das Pilasterornament ganz baum-
hauerisch.
3. Epitaph des Melchior von Schauenburg (gest. 1574). Stutt-
gart. Stiftskirche, Lautkapelle. Hier stehen dem Vater ein Sohn,
der Mutter drei Tochter zur Seite. Die besondere Charakte-
ristik der einzelnen, bei festgehaltener Familienahnlichkeit, ist
ansprechend wiedergegeben. Das Epitaph hangt hoch an der
Wand, die Inschrifttafel bildet den unteren AbschluB, weshalb
sie die Form eines abgestumpften Dreiecks erhielt.
DIE FURSTLICHEN DENKMALER.
Wenn die Meinung zutrifTt, daB an der Tumba Herzog
Christophs is. Taf^I) alles Wesentliche von der Hand
Leonhard Baumhauers stammt, der hier unter dem Namen
seines «Vaters» arbeitete, so haben wir das Werk unter die
Jugendarbeiten des Meisters einzuordnen.
Ich glaube, daB der Augenschein diese Einschalzung be-
statigt. Schon die groBe Unselbstandigkeit im Entwurf fallt
auf. Wahrend wir Woller seine eigenen Gedanken auch in
— 158 —
einer Umgebung zur Geltung bringen sahen, die ihnen ungunstig
war, finden wir hier ein Zuruckgehen auf die beiden Fiirsten-
denkmaler Schraid's, das uns bei dem Meister des Ludwigsteins
undenkbar erscheint. Die Art des Liegens, mit abgelegtem
Helm, Schwert, Dolch und Handschuhen, die Ausfuhrung der
Waffenzierate, der Tragerhirsche — man miifite die Beschreibung
Eberhards und Ulrichs einfach wiederholen, um diesen Einzel-
heiten gerecht zu werden. Gerade bei den Hirschen scheint
mir diese Tatsache besonders bezeichnend. Hier hat Baum-
hauer neun Jahre spater Neues und Besseres gegeben als seine
Vorganger — damals konnte er es noch nicht wagen. Was er
jetzt schon an Eigenem besitzt, zeigt die Behandlung des Korpers
und die Auswahl der Randmuster, weniger spurbar die Wappen-
verzierung. Der Korper in seiner tragen, dickflussigen Massig-
keit ist den First und Ziilnhardt unmittelbar an die Seite zu
stellen. Der Kopf zeigt nicht nur einzelne Portratzuge, sondern
er ist*auch als Ganzes individuell gesehen — sobald man sich
buckt, um das Profil zu erkennen, tritt das deutlich heraus —
allein wie gem wtirde man auf alle diese Dinge verzichten,
ware der Meister nicht so vollig im AeuBerlichen und AeuBer-
lichsten stecken geblieben! E§ ist schade, dafi gerade dieser
dem Schwaben am meisten ans Herz gewachsene Furst im
Tubinger Chor eine so holzerne Wiedergabe gefunden hat ; aber
man kann von dem jungen Baumhauer fiiglich nicht mehr er-
warten. Wie unlebendig ist der hilflose Aufblick dieser vor-
quellenden Augen, wie beleidigend unfein wirkt an dieser Stelle
die uns langst bekannte Mache der Haare, der groben Stira,
des iibergroBen Mundes, die Form des oben kahlen Schadels,
die Hande, deren geminderte Beweglichkeit uns in den ange-
schwollenen Gelenken wieder peinlich naturgetreu vor Augen
gefuhrt wird! — Man kann gewifi den Gesichtsziigen eine
gewisse Gutmiitigkeit nicht absprechen; aber das war es doch
nicht, was die Zeitgenossen in diesem Herzog verehrten. Gut-
miitig war sein Sohn, der Herzog Ludwig, und gerade dieser
fand — ein merkwiirdiges Spiel dss Schicksals — einen Bild-
hauer, der seine Gestalt als die eines elegant zugestutzten
Kavaliers inmitten unerhorter Denkmalspracht auf die Nachwelt
brachte, so als ware Ludwig und nicht Chrisloph der grofie
— 159 -
Reprasentant des Hauses Wurttemnerg im .lahrhundert der
Reformation.
Am ehesten mochte noch in den schmuckenden Zutaten
des Christophdenkmals Erfreuliches gefunden werden. Der Lowe
zu Fiifien des Fursten zeigt statt der schematischen Scheitelung
und Krauselung der Mahne ein naturlicheres Gelock. Von den
beiden Langsseiten des ornamentierten Randes zeigt die vom
Besehauer abgekehrte (nordliche) ein nach Erfindung und Aus-
fuhrung ziemlich rohes Muster, die sudliehe dagegen ein hiib-
sches, weitmaschiges Bander- und Rankenwerk mit Blatter -
endigungen, symmetrisch, aber ohne sichtbare Mittelachse —
noch nicht die typisch Baumhauer'sche Art, eine achtbare und
originelle Leistung.
l)as Eberhard-Denkmal hat der Vater selbst
noch fur den kurz vor ihm, am 2. Mai 1568 verstorbenen Sohn
in Auftrag gegeben ^Wi. S. fclj. Es sollte, abgesehen von den
Gesichtszugen, nach dem Muster seines eigenen hergestellt
werden. Baumhauer hatte also dem Herzog zu dank gearbeitet ;
und das Monitum, die Gesichtsziige sollen seinem Sohn Eberhard
ahnlich gestaltet werden, ist nur der selbstverstandliche Vor-
behalt, wie weit die Benutzung des Vorbilds gehen durfe: sie
laOt so wie die Worte lauten, wohl kaum den SchluB zu, der
Herzog habe bei dem Denkmal seines Vaters oder bei dem
eigenen die Aehnlichkeit vermitit 1 .
Der Kunstler ist der furstlichen Willensmeinung bei der
Figur ziemlich wortlich gerecht geworden. Im ganzen jedoch
zeigt das Denkmal den Fonschritt der Zeit — es ist pomposer
his das altere — und den des Meisters, dessen Technik und
dessen dekoratives Konnen inzwischen erstarkt waren.
Die Jugendlichkeit des Prinzen ist durchweg festgehalten :
Gesuht und Hande sind weicher und weniger artikuliert, der
sehr unschone auf dickem Halse sitzende Kopf schmaler und
langlicher, die Finger kurzer, der dunne Vollbart ebenfalls den
Jahren des Tragers angepafit. Die Flachheit des Gesichts fallt
auf. Sie mu6 wohl vor allem an dem Modell liegen, dessen
i Schumann (Dracher O.-A.-Beschr.. S. 604) deutet dies wenigstens in
Frageform an.
- 160 —
charakteristische Zuge Baumhauer eher gesteigert als verwischt
hat 1 .
Die reich geschmuckte Rustung bringt nichts von Belang.
Im Randornament wechseln mit den spitzen umgelegten Blattern
knollige Gewachse und nach auswarts und abwarts fiihrende
Rankenziige : die Mittelachse ist teils als Stamm, teils als Kette
gebildet.
Das beste am Ganzen sind die Eckhirsche, Baum-
hauer's dekoratives Meisterstiick. War schon die Figurenplatte
um 7 cm liinger genommen worden als die fur Herzog Christoph,
so steigern diese weitausladenden Gestalten nicht blofl den
Umfang des Monuments, sondern auch den Endruck seiner Pracht
und GroBe um ein Bedeutendes. Es ist bedauerlich, da6 sie
infolge der Ueberfullung des Raums von keiner Seite her ganz
zur Geltung kommen. — Indem Baumhauer es unternahm, hii
Stelle der ruhenden bewegte Tiere zu geben, kam er schon
im Entwurf dazu, die Stilisierung, die den Hirschen gerade
ihre charakteristische Schlankheit und Beweglichkeit genommen
hatte, nach Moglichkeit zuriickzudrangen. Die kraftige Unter-
schneidung des Unterleibs, die die Knochen des ' Oberschenkels
und deren Funktion freilegt, gibt den Tieren sofort einen
anderen naturlicheren Charakter*. Die Darstellung des Schreiens
mit geblahten Niistern und emporgeworfenem Kopf erscheint
nun nicht mehr unmoglieh. In der Durchfuhrung zeigt der
Meister iiberraschend viel Beobachtungsgabe und dazu einen
Schwung und eine Abwechslung des Vortrags, der man anmerkt,
dafi er hier mit ganzer Seele beteiligt war, Wie ist die Partie
zwischen Niistern und Augen durchgearbeitet; wie glfinzend
sind die tiefdurchfurchten Haarbiischel an der Brust behandelt.
Keine kleinliche ermudende Nachbildung des Modells, aber ein
i Der Behr betrachtliche Leibesumfang gehort aach hierher. Ein Teil
davon kommt freilich wohl auf Baumhauer und den ZeitgeBchmack, der
sich in den folgenden Jahrzehnten gewandelt hat: die vollen Gesichter
bleiben. die Korperfulle beginnt nachzulassen <vgl. z. B. Schlor in Stuttgart,
die Gestalten der Jelinwerkstatt, des Lusthauses).
2 Freilich waren sie auch mehr der Zerstdrung ausgesetzt Wie fruh
diese begann, dafiir gibt Wi., S. 47, einen Beweis: Schon 1573 ist <ein
Hinterlauf und etiiche End* abgebrochen. Baumhauer hat dam als die Er-
ganzungen selbst noch vorgenommen.
— 161 —
sicherer Blick fiir das Ganze der Erscheinung und fur seinen
dekorativen Zweck, die Entfaltung furstlicher Pracht. Man
werfe einen Blick auf das Ludwigs-Denkmal, auf den Hirsch
zu FtiBen des Herzogs. Auch wenn dieser in seinen Propor-
tionen weniger verungliickt ware, urn wieviel kraftiger und
gesunder wirkt Baumhauer's EmpQndungsweise gegenuber jenen
Formen mit ihrer leeren Eleganz.
Das Anna Maria-Denkmal darf man, wie schon
Wintterlin auf Grund der Akten konstatiert hat (S. 52), dem
Meister eigentlich nicht aufbiirden. Es ist zugestandenermaBen
viel Gesellenarbeit dabei (ebenda S. 45). Der Meister hat aber
auf den Vorhalt der Kommission l etliche Verbesserungen an-
gebracht. Genannt wird das Bild des Teck'schen Wappens
und der Hund (S. 47). Die Figur dagegen findet Riittel'sLob;
daB sie noch unscheinbar aussahe, liege bloB an der fehlenden
Fassung. Im ubrigen ist sie <auf das raynest gearbeitet, zier-
licher dan andere zuuor gehawne Monumenta anzuschawen>.
Mir scheint, der Mangel an Qualitat ist gerade bei der
Figur besonders deutlich, ohne daB ich sie deswegen Baumhauer
absprechen mochte. Schlors Herzogin Sabina ist das Vorbild
gewesen. Dieser gegenuber ist sie «zierlicher», d. h. in den
Dimensionen etwas kleiner; aber sie hat den einheitlichen
charaktervollen Zug verloren, der durch jene Gestalt trotz ihrer
fliichtigen Mache geht. — Baumhauer legte die Frauengestalt,
um sie den Rittern gegenuber nicht versinken zu lassen, auf
ein hoheres Kissen. Dem hochgeschlossenen Gewand, dessen
einzigen Schmuck die am Halskragen und an den Aermeln her-
vorschauenden Spitzen bilden, wollte er mehr Falten und damit
mehr Leben geben. Er hatte kein Gluck dabei : die Furchen
sind zwar tiefer und die Kanten scharfer als bei Schlor, aber
sie gehen so ziellos uber die Flache hin, schlieBen unten
so stumpf und ungeschickt ab, daB man wirklich auBer der
Absicht nichts anzuerkennen findet. Am Gesicht will Wintterlin
(S. 45 Anm.) Baumhauers eigene Hand erkennen. Diese Ver-
1 Sie bestand aus zwei Beamten, den Obervbgten von Tubingen und
Nagold und zwei tSachverstandigen>, dem Malcr Hans Schickhart-Tiibingen
und Andreas Riittel dem Jungeren.
o. 11
— 162 -
mutung hat von vornherein viel fur sich ; aber man wird nicht
leugnen, dafi der geringe Raum, den die Haube und das mit
Nadeln an ihr befestigte Kinnband freilassen, vom Kiinstler
nicht fur einen seiner markanten Portratzuge ausgenutzt wurde 1 .
Der Kopf pragt sich nicht ein.
Der Hund zu FuBen ist ganzlich miBraten — wie man
annehmen muB, eben bei der Korrektur, die der Meister an-
brachte, weil das Tier im Verhaltnis zu groB befunden wurde
(Wi. S. 47 oben). Was wir jetzt vor uns haben, ist eine Kreu-
zung aus Hund und Schwein, die bloB komisch wirkt : wie
verargert muB der Meister gewesen sein, dafl er dieses Mach-
werk an einem von ihm bezeichneten Denkmal stehen liefi, in
unmittelbarer Nachbarschaft der prachtigen Hirsche von 1569!
Der ornamentierte Rand hat die Gestalt einer flachrund ausge-
hohlten Mulde. Vielleicht haben wir auch hier eine Korrektur
an/.unehmen, bei der die ursprungliche Verzierung wegge-
schlagen worden ware. Die groBen streng stilisierten Muster
(langgestielte schwungvolle Blattformen, die Mittelachse mit
Vasen und kolbenartigen Verdickungen durchsetzt) zeigen, dafi
Baumhauer etwas Besonderes zu geben beabsichtigte.
DaB die Wappen kleiner sind, werden wir dem Meister
nicht zum Vorwurf machen 2 . Die technische Ausfiihrung der
Spangenhelme wie des Blattwerks ist hier und sonst bewun-
dernswert; aber gerade das Wertlegen auf die Details der
Wappen hat in den folgenden Jahrzehnten zur Entartung und
Veraufierlichung vieler Grabdenkmaler beigetragen. — Die
Tragertiere — es sind Widder — kehren ganz zu der unform-
lich leblosen Gestalt der fruheren Eckhirsche zuruck ; die Wolle
ist durch ein gleichniafiiges Nebeneinander von Spiralen wieder-
gegeben. Da Baumhauer sicher wenigstens fiir den Entwurf
verantwortlich zu machen ist, so bekommt man den Eindruck,
daB er, wie bei dem ganzen Denkmal, sein Bestes garnicht
geben w o 1 1 1 e.
1 Schlors Sabina hat ihre Starke gerade in der lapidaren Charakte-
ristik dieser Partie.
8 Wintterlin hat sich hier wohl zu sehr in den Geschmack des 16. Jahr-
hunderts hineingefiihlt '8. 45 Anm.).
— 163 —
SPATWERKE.
Es ist gut, daB wir den Meister noch ein Stiick begleiten
konnen und nicht genotigt sind, bei diesem unerfreulichen
Werk abzubrechen. Sicher Beglaubigtes existiert allerdings nicht
mehr aus der Folgezeit. Aber die bisher gefundenen stilistischen
Merkmale fiihren uns weiter.
1573 war Baumhauer, wie uns durch die Akten bezeugt
ist (Wi. S. 45), im Zabergliu fur die Familie von Ster-
ne nfe Is tatig, Wintterlin selbst hat schon festgestellt, da8 von
den jetzt noch vorhandenen dortigen Denkmalern nur 2 (Epi-
taphien mit knieenden Ritterfiguren) in Betracht kommen
konnen: der Veit von Sternenfels (gest. 1571) in Zaberfeld und
der Walter (gest. 1559) in Ochsenburg. Das erste gehort
ihm sicher, bei dem zweiten ist seine Autorschaft abzulehnen.
Schon die Zeit will nicht recht stimmen — um 1560 hat Baum-
hauer sonst Grabsteine, keine Epitaphien geschaflen. Das Aui-
sitzen des Blendbogens auf den Pilastern, der Kruzifixus mit
dem enggeknupften und kurz abgeschnittenen Lendentuch, die
Behandlung des Bartes als feste Masse mit Langsrillen, die Or-
namentik, die Charaktere der Schrift, ihre Anbringung an der
Hintergrundsplatte, endlich der allzuhandwerkliche Charakter
des Ganzen notigen dazu, ihm das Denkmal abzusprechen '.
Der Zaberf elder (s. Tafel) fugt sich den als Gruppe C.
beschriebenen Werken ohne Schwierigkeit an. Er enthalt die
dort besprochenen Bestandteile, nur ubertragen auf ein Einzel-
epitaph; und er gehort, wie jene, in den Anfang der 70er
Jahre. Einiges Charakteristische sei herausgehoben.
Die Figur ist offenbar ein gutes Portrat. Die Haarbehand-
lung ist sehr naturlich geworden. Manche Anzeichen der spateren
Mode machen sich hier besonders deutlich bemerkbar: die
langen Krebse, die starke Vorwolbung des unteren Brustpanzers,
1 Ich fuge hier noch an. daB an einzelnen Frauengrabsteinen der
Ochsenburger Kirche, die ebenfalls der Mitte des 16. Jahrhundcrts ange-
horen, der Bildhauername Jost Neibeck (oder Ueibeck?) auftaucht, der in
der Literatur bisher nicht vorzukommen scheint.
— 164 —
die Halskrause, die oberhalb der Halsberge hervorlugt. Der
Kruzifixus ist handwerklich, tragt jedoch den Baumhauerschen
Typus.
Fiir die Entwicklung wichtiger sind die architektonischen
Teile des Denkmals. Die Figurentafel hat eigentlich keine Pi-
laster mehr, sondern nur noch schwach vortretende Rah men,
auf denen je 7 kleine Wappenschilde befestigt sind (der 8. ist
als seitlicher Schmuck an der Inschrifttafel angebracht ;. Unten
lauft wieder die naturalistische Bodenflache ganz heruber, und
die FuBe des Knieenden reichen bis zum Ende des Steins.
Oben fehlt der wagrechte Rand; ihn ersetzt das untere (stark
zerstorte) Gesims der Inschrifttafel Das obere dient dem Rund-
giebel (stumpfe Kleeblattform) zur Unterlage. Der ganz ein-
fachen Profilierung der Gesimse (Hohlkehle mit anschlieBendem
Wulst, Leiste) begegnen wir in den Spatwerken fast durchweg.
Fiir das Relief im Giebelfeld, das den Auferstandenen mit der
Siegesfahne darstellt, wird man nicht riach einem Vorbild zu
suchen brauchen ; es ist sehr haufig an dieser Stelle. Die Aus-
fiihrung ist gering. Besser gelungen ist der muntere Engelskopf
an der Spitze.
Der niichterne aber sachlich wohl uberlegte Aufbau zeigt
die Richtung, die Baumhauers Kunst nimmt: moglichste Ein-
fachheit der Schmuckteile und des Umrisses, klares Herausar-
beiten der Figur, flaches Relief, wobei die Figur aus der Um-
rahmung vortritt, nicht in sie eingestellt erscheint. — Behalten
wir diese Tendenzen im Auge, so wird die Identifizierung der
ubrigen Spatwerke, die deutlich zusammengehoren, wenig
Schwierigkeit bieten.
Den Ausgangspunkt bildet ein Tiibinger Werk, das unbe-
achtet in einem dunklen Winkel der Stiftskirche hangt (s. Tafel).
Die Baumhauersche Autorschaft dieses Stucks ist von vorn-
herein wahrscheinlich. Es fallt sicher in die Zeit, in der
wir in Tubingen auBer ihm.keinen ansassigen Bildhauer kennen.
Stefan Chomberg, Untervogt von Tubingen *, erhielt
1567 oder wahrscheinlicher in einem der unmittelbar folgenden
1 Dienerbach 575 zahlt ihn bei den Tiibinger Untervogten anf: «1551
bis 54 Stefan Chonberg, genannt Uracher.» Daraus darf man nicht schliefien,
er sei 1554 gestorben oder habe sein Amt verloren. Die Akten des Hans-
— 165 -
Jahre ein Wanddenkmal, das in mancher Hinsicht einen neuen
Typus darstellt. — Der Aufbau ist so, wie wir ihn jetzt vor
uns haben, folgender : Eine hoch an der Wand befestigte Figu-
renplatte 1 , eingeschlossen zwischen zwei Gesimse, dariiber eine
Bekronung auf einem zweiten zurucktretenden Gesims. Unter-
halb der Figurenplatte ist eine organisch nicht damit ver-
bundene Inschrifttafel an der Wand befestigt, die mit ihrem
rauh behauenen Unterteil in die Mauer eingelassen sein sollte.
Das Denkmal befand sich, wie von vornherein wahrschein-
lich, nicht immer an dieser Stelle. J. Fr. Baumhauers Inschrif-
tensammlung (1624) zahlt es nicht auf; erst die Beschreibungen
von Jung (1717) und Zeller (1743) nennen es in der nordlichen
Kapellenreihe. Wahrscheinlich ist die Versetzung an die dunkle
Stelle schuld an der jetzigen Zusammenfugung der drei Teile:
man brachte die Inschrifttafel unten an, weil sie sonst unleser-
lich geworden ware. Vorher durfte sie ihren Platz zwischen
Bekronung und Figurenplatte gehabt haben*.
Von den Einzelheiten ist die Figur am wichtigsten. Drei
Neuerungen treten uns hier entgegen : das Kostum, die An-
wendung eines flacheren Reliefs und die Wiederaufnahme der
stehenden Figur, dieses letztere allerdings nicht im Sinn der
Jugendwerke Baumhauers, sondern im Geschmack des spateren
archivs iiber das Sabina-Denkraal enthalten cinen Vertrag mit Sem Senior
vom 23. Februar 1565. Dabei fungi ert neben dem Kammersekretar Kurz
und dem Keller Riepp «8tefFan Chomberg Undervogt* als Beauftragter des
Herzogs. Es ist daher so gut wie sicher, daft das Datum (1566 Nov. 9.),
das obne einen Zusatz den Versen der Inschrifttafel beigesetzt ist. den
Todestag bedeutet. Chomberg wird ein Opfer der Pest gewesen scin, wegen
der die Universitat am 3. November nach Efilingen verlegt worden war.
Crusius II, 728, verzeichnet cben deshalb seinen Tod nicht. nennt aber im
Jahr 1568 (S. 731) seinen Nachfolger: Balthasar Miitschelin. Es ist unter
diesen Umstanden sehr wahrscheinlich. daB das Denkmal nicht unmittelbar
nach dem Tod Chombergs begonnen wurde.
1 Das ganze Monument (ohne die Inschrifttafel) mifit jetzt in der
Hohe 280, die Figurentafel 200 cm. die groBte Breite an den Gesimsen
gemessen. betragt 110 cm. Die Hohe der Figur (beinahe 190 cm) ent-
spricht vielleicht genau der des Dargestellten, dessen besondere Korper-
grdfte die Inschrift erwahnt.
9 Auch das erscheint nicht ausgeschlossen, daB sie zuerst allcin an-
gefertigt wurde und daB man das Denkmal erst in Auftrag gab, als die
Zeiten der Pest und der Teuerung fiir Tubingen voriiber waren also um
die Mitte der 70er Jahre.
— 166 —
16. Jahrhunderts, der immer rnehr das Representative be-
vorzugt.
Slatt des Geharnischten erscheint hier ein Mann in der
vornehmen Beamtentracht der 60er und 70er Jahre. Er hat
eine gestickte Schaube mit gepufften Aermeln und hoch-
stehendera Kragen umgehangt; den Oberleib deckt ein ofTenes
Lederwams mit wattierten Aermeln. Die Beinbekleidung besteht
aus Pluderhosen, in der Art, wie sie vorzugsweise in den
protestantischen Gegenden Deutschlands getragen wurden :
zwischen den Schlitzen drangt sich der aus diinnem Stoff ge-
fertigte Bausch in vielen Falten hervor; auch die ausgestopfte
und geschlitzte Schamkapsel fehlt nicht ! . Der Hut, den die
spateren Figuren dieser Art regelmafiig in der Hand halten,
fehlt noch. Die rechte Hand greift an den Schwertgurt, die
linke umfafit lose den Kopf des Degengriffs. Der Degen selbst
ist hinter der Figur schrag abwarts gefuhrt.
Die Art, wie Baumhauer seinen Mann hinstellt, ist gleich-
falls etwas Neues. Er will einen vornehmen ungezwungen
dastehenden Kavaher geben ; wir durfen uns nicht wundern,
daD ihm dies beim ersten Mai nicht vollkommen gelang. Bedenkt
man, dafi er zugleich zu einem anderen Reliefstil uberging, so
scheint seine Leistung ganz respektabel.
Die reine Frontalitat der Jugendwerke, wie das Profil der
knieenden Figuren, waren hier gleich wenig geeignet. Es kam
darauf an, einen Mittelweg zu finden. So wird der Korper
beinah in die Front gerichtet, der leicht geneigte Kopf schrag
nach vorn rechts gewendet. eine fur das Portrat an sich sehr
gunstige Stellung. Das rechte Bein steht nach vorn mit starker
Verkurzung des Fufies, das linke ist ganz nach der Seite ab-
gestellt. Der linke Fufi erscheint infolge davon unnaturlich
1 Fur das Aufkommen der Tracht im allgemeinen gibt Hottenroth
(Trachten der Vblker, Bd. II, S. 187 ff.) die Mitte des 16 Jahrhunderts an,
fur die Pluderhosen ca. 1560; fur eine ahnliche Schaube hat er den Namen
cGestaltrock* (S. 19*0- D » e Abbildung. Tafel 109, 6, entspricht namentlich
im Kragen nicht ganz unserem Modell ; ich habe daher den Ausdruck ver-
mieden. — Das friiheste mir bekannte Auftauchen der Schaube auf Epi-
taphien ist das bei deni Hans Bartholomaus von Vellberg, gesL 1561, in
Stockenburg (s. u.).
— 167 -
lang ; er uberschneidet wieder den U ah men (vgl. Gruppe C. und
die Leonberger Werke).
Da der Meister hier wieder eine sehr massige Gestalt
geben wollte, so gehen die Linien, welche die Wolbung des
Wamses auf der Brust darstellen, in sehr unschoner Weise in
die Breite, sie klaffen formlich auseinander 1 . Aehnliches beo-
bachtet man an der Vorderseite der Beine, die noch einen
Grat besitzen, der an die Schneide der Beinschienen erinnert.
Der Kopf, dessen Bau ganz den friiheren Baumhauerschen Typus
aufweist*, muB hier ungunstig wirken; er bekommt, da die
Verkiirzung noch nicht vollig gelungen ist, etwas Schwammiges,
Plattgedriicktes. Bei den Handen zeigt sich, wie der Meister
mit der Darstellungsweise ringt: er bringt das Herumgreifen
um den Schwertgriff und ebenso die Bewegung der rechten
Hand nicht heraus, weil er nicht darauf verzichten will, die
Einzelheiten der Finger in der Flache auszubreiten.
Wie sehr bei dieser Darstellungsweise die Figur das Ein
und Alles geworden ist, zeigt die Behandlung der
R a n d e r. Die Form der Gesimse entspricht der bei dem
Zaberfelder besprochenen. In der senkrechten Rahmung geht
der Meister noch einen Schritt weiter. Wir sehen rechts und
links eine rundbogig abgeschlossene, vollig leere Rinne von
geringer Tiefe, tiber der sich nochmals eine kleine Eintiefung
befindet. Diese letztere enthiilt links ein Stundenglas, rechts
einen Totenschadel. Die Pilaster samt ihrem Schmuck sind
also vollig verschwunden. Statt dessen uberschneidet die
Schaube der Figur mit einem breiten Stuck die Rinne, ja sogar
den Rand des Steins selbst, — eine anschauliche Illustration
dafiir, wie das Stilgefuhl des Meisters, das einen von der
breiten Strafie abweichenden Weg einschlagt, nach einer Kom-
pensation fiir die aufgegebene Pracht der Rahmung sucht.
Die iibrigen Teile bieten wenig Neues. Der gestelzte Rund-
bogen des Giebels mit etwas eingetieftem Feld unterscheidet
1 Die grofite Relieftiefe betragt nur 10 cm!
* Fiir die Bartform vgl. Herter von Hertneckh. Die in naturlichen
Locken geordneten Haare sind weit in die Stirn hereingezogen. (Vgl.
Zaberfeld .
— 168 —
sich von seinen Vorgangern nur durch die kahle Silhouette:
von der Spitze ist der Engelskopf verschwunden ; statt dessen
ragen die Federn des Helmkleinods am Wappen ein wenig iiber
den Rand empor. Die Inschrifttafel zeigt einen Rollwerkrahmen,
der mehr als die fruher beschriebenen sich der Durchschnitts-
form nahert. Die Rollung der Pergamentstreifen ist fester
als beim TruehsaBepitaph, und sie ist eng an den eigenllichen
Rahmen herangezogen. Die Richtung der Drehung zeigt noch
einen Weehsel (oben nach innen, unten nach aufienj, der spater
verschwindet.
Das Chomberg-Denkmal liegt, soviel Fremdartiges es zu-
nachst dem Auge bietet, doch durchaus in der Linie der Baum-
hauer'schen Kunst. Die Zuschreibung an den Tiibinger Meister
ermoglicht es nun, wenigstens e i n e Gruppe von Werken %u
bezeichnen, deren Entstehungszeit uns um ein betrachtliches
Stuck iiber die bisher gezogene Zeitgrenze hinausfuhrt. Es ist
eine Anzahl von Flaehreliefarbeiten in Leon-
berg 1 , der Stadt, wo der Meister nachweislich schon 1566
tatig gewesen war und an der Brunnenfigur auf dem Markt-
platz an weithin siehtbarer Stelle sein Zeichen angebracht hatte.
Es handelt sich um einen Grabstein mit Inschrifttafel und
Wappen (Nr. 17), ein Epitaph (weibliche Profilfigur vor dem
Kruzifix knieend (Nr 18), im ubrigen um stehende Manner-
gestalten (Nr. 19—22) nach Art des Stefan Chomberg, wobei
Nr. 19 dem letzteren sehr nahe steht, wahrend die anderen aus
einer fortgeschrittenen Entwicklungsperiode des Meisters stammen.
Dabei gehoren Nr. 20 und 21 unter sich eng zusammen; sie
sind wohl miteinander angefertigt worden (s. Tafel).
Den ersten Stein (Nr. 17) mochte ich deshalb der Baum-
hauer'schen Werkstatt zuteilen, weil er in der Anordnung (die
aufgesetzte Inschrifttafel und die Wappen uberschneiden den
tieferliegenden Rand) Verwandtschaft mit einem Tiibinger Grab-
1 Einer Besprechung der Leonberger Werke in der Literator bin ich
bisher nicht begegnet. Das Inv. Neckarkreis, S. 278 f.. sagt : « Viele Grab-
maler an der Kirche und in der Vorhalle, meist vor dem 30jahrigen Krieg,
flach erhabene Burgermeister- und andere Gestalten mit Ringkragen, Mantel
und Degen. wie die alten friesischen.» Wie man sieht. ist die Zeitbe-
stimmung in dieser Allgemeinheit irrefiihrend.
— 169 -
stein aus der Zeit des Meisters zeigt 1 . Ob es sich um die
Arbeit Baumhauer's selbst oder eines seiner Gesellen handelt,
lasse ich dahingestellt. Bei Nr. 18 ist es der Kruzifixus, der
ohne weiteres an Baumhauer denken laBt. Die ubrigen zeigen
ziemlich sicher durchweg dieselbe Hand. Folgende Zuge weisen
in ihrem Zusammentreffen auf Baumhauer:
1. Der Nachdruck liegt durchweg auf der Darstellung der
Figur. Daher tritt die Ornamentik teils ganz zuruck
(Nr. 19: Randiiberschneidung durch die Schaube wie bei Chom-
berg), teils ist sie bei Baumhauer sonst zu belegen (steife,
schmale ausgezackte Blattformen, aufsteigend aus Vasen und
kugelformigen Doppelschalen : vgl. TruchsaB u. a.), teils ist sie
in ihrem Charakter der seinen sehr nah verwandt (das schmale
schraunenformige Muster bei Nr. 20 und 21). Nirgends Pilaster
oder Ausdehnung des Ornaments auf die horizontalen Rander.
2. Der A u f b a u zeigt die beschriebenen einfachen Ge-
simsprofile. In den Giebelformen findet sich neben den ein-
fachen (Nr. 18), dem gestelzten (Nr. 20), dem von Kugeln (Nr. 19)
und Wappen (Nr. 20) flankierten Rundbogen einmal auch eine
sehr verbreitete Durchschnittsform der Spatzeit, ein querovales
Medaillon in flacher Kartusche Wr. 21 .
3. Die Figuren, die auf dem Baumhauer eigentiim-
lichen Terrainuntergrund stehen, zeigen in der Art des Stehens
auflallende Verwandtschaft mit Chomberg (ganz besonders Nr.
19, 22), ferner behabige Kopfe, die sich als eine Weiterent-
wicklung des Typus Herter-Prinz-Eberhard-Chomberg darstellen *.
DaB wir einem fortgeschrittenen Stadium
der Baumhauer'schen Entwicklung gegenuberstehen, zeigt vor
allem die Behandlung des Reliefs. Das Chomberg-Monument
fuhrte den Meister konsequent zu einer noch flacheren, mehr
zeichnerischen Durchfurchung des Steins. Er zeigt in Leonberg,
1 Margareta Schnepf, geb. Wurzelmann, gest. 1569. Stiftskirche.
Sudschiff.
2 Dal5 die Frontalstellang allein kein Merkmal abgibt, ist selbstver-
standlich. Ad der Sudseite der Kirclie onweit des Sebastian Besserer
d. Aelt. 'Nr. 22) stehen zwei Figuren, die sehr dcutlich zeigen. wie eine
andere Werkstatt ivielleicht eine in Stuttgart) dasselbe allgemeine Schema
handhabte.
- 170 —
vor allem in den beiden Dreher, eine sehr beachtenswerte
Beherrschung des Stils. Seine Ausdrucksweise ist naturlicher,
gedrangter, flussiger ge^orden; er hat den Wert der bloB an-
deutenden Linie erkannt. Die Haltung der Figuren erscheint
freier und sicherer. Sie haben das allzu Breitspurige, das
Flegelhafte des Chomberg abgelegt. Die Gesichtszuge zeigen
ein freundliches Lacheln. Wie bei dem Jungling Veit Dreher die
fur diese Jahre typischen und die individuellen Ziige beobachtet,
wie geschickt und wie ausgeglichen sie wiedergegeben sind,
verdient alle Anerkennung 1 . Bei der Figur des Aichmann
(Nr. 19) erinnern die unnaturlich abgebogenen Finger daran,
wie der Bildhauer noch immer hie und da Dinge wiedergeben
will, die man logischerweise nicht sehen diirfte. DaB das
Kostum die Fortschritte der Zeit mitmacht (Hute bei Nr. 20
bis 22, Halskrause hocbgestellt 19, 20, 22; umgelegt, Anfange
der Muhlsteinform Nr. 21), ist selbstverstandlich.
Fast scheint es, als habe Leonhard Baumhauer nach manchen
Versuchen in den Leonberger Werken ein Feld in Arbeit ge-
nommen, wo seine Kunst ruhig ausreifen konnte. Ob freilich
die Lebensumstande des fruher oft von Nahrungssorgen Umge-
triebenen sich in dieser spaten Zeit freundlich genug gestaltet
haben, wissen wir nicht. Aus der angesehenen Stellung seines
Sohnes Johann Friedrich, der dem Beruf des Vaters folgte,
mochte man es beinah erschliefien, wenn auch in Tubingen
selbst nach Jelin's Auftreten die grofieren Auftrage an ihm
voriiber gingen.
Sicher verdient der Meister die Anerkennung, daB er nie
zum gedankenlosen Wiederholen eines Schemas sich herabge-
lassen hat. Im Gegenteil — seine Starke ruht gerade im Ent-
wurf, wo er, soweit wir sehen konnen, seine eigenen Wege
ging* und auch innerhalb einer gleichartigen Denkmalergruppe
immer neue Einzelmotive anzubringen strebte. Ist dies zu-
gegeben, so bleibt ihm unser Interesse gewahrt, auch wenn er
1 Die Abbiidnng (s. Tafel), die von unten her aufgeaommen werden
mofite, verkiirzt die Gesichter.
« Dieser Satz bedarf noch der Bestatigung darch die Behandlung der
gleichzeitigen frankischen Denkmaler. vor allem derer aus Seniors Werkstatt.
— 171 -
noch so oft durch platte Gedanken, durch Grobheit der Empfin-
dung, durch eine mindestens sehr ungleiche Mache stort, ja
abstoBt. — So wenig der Typus seiner Gestalten einfach dem
Durchschnittsgeschmack seiner Zeit gleichgesetzt werden darf,
so notig ist es doch, das Bild der Universitat und der Stadt
Tubingen in jenen Jahren sich einmal vors Auge zu fiihren i .
Von da aus wird mancher uns beleidigende Zug bei Baum-
hauer als eine intime Milieuschilderung neuen Wert gewinnen
und wir werden, was wir dem Kunstler genommen haben,
dem Sohilderer seiner Zeit und seiner Zeilgenossen gern zuriick-
geben.
Bei Schmid und vollends bei Woller ist das was wir
kennen, sicher nur ein quantitativ geringer Bruchteil ihres
Werks. Bei Baumhauer sind wir insofern besser gestellt, als
sich das Erhaltene iiber eine langere Zeit verteilt. Wieviel
verloren ist, vor allem dank der unheilvollen puristischen Tatig-
keit des 19. Jahrhunderts, das ergibt fur Tubingen ein Blick
in die Inschriftensammlungen, deren friiheste Baumhauers Sohn
Johann Friedrich im Jahr 1624 angelegt hat. Ueberblickt man
die Ueberfiille der dort genannten Epitaphien aus der Zeit von
1560—1620, so wird man zu dem SehluB gedrangt, daB auch
jenes Geschlecht gewiB wertvolles altes Gut zerstort hat. Aber
man hat es getan in dem naiven Glauben, daB die modernen
Werke, die man selber an den Pfeilern und Wanden aufhing,
wichtiger und wertvoller seien. Dagegen laBt sich nichts ein-
wenden. Das Zerstorungswerk aber, das in Tubingen im 19.
Jahrhundert, vor allem bei der Restauration der Jahre 1866/67
angerichtet wurde, geschah nicht dem SelbstbewuBtsein einer
schaffensfrohen Zeit, sondern einer oden Theorie zulieb, die die
Kirchen moglichst «stilrein» haben wollte. Fur die souverane
Verstandnislosigkeit der «Restauratoren» gegeniiber den Werken,
die nicht gerade der Gotik oder der beginnenden Renaissance
angehoren, spricht schon die Art, wie man den Rest der
Tubinger Denkmaler an den Wanden der Kirche verteilt hat.
J Fiir das Leben der Studenten und Professoren ist Kliipfel-Eifert
recht instruktiv.
— 172 —
Man muB das erwahnen, nicht als ob hier irgend Schlimmeres
geschehen ware als anderswo; sondern deshalb, weil Tubingen
zu den Orten gehort, wo, wie in Urach, urkundlich zu beweisen
ist, was das 19. im Gegensatz zu dem viel geschmahten 18. Jahr-
hundert gesundigt hat, vor allem aber weil die stiefmutterliche
Behandlung der Denkmaler aus der Zeit nach 1550 schuld ist
an der Verkennung und Geringschatzung einer langen Reihe
von heimischen Meistern. Nicht s ware verkehrter als die Bild-
hauer, die in ihrem Jahrhundert als tuchtige Handwerksmeister
geschatzt und gesucht waren, jetzt auf ein Postament zu stellen,
auf das sie selbst keinen Anspruch machen. Aber eine Zeit,
die die Heimatkunst und die Volkskunst pflegen will, hat auch
ihnen gegenuber die Pflicht des Verstandnisses und der Dank-
barkeit.
IV.
SEM SCHLOR VON LAUDENBACH (ca. 1530—98).
Der frankisehe Bildhauer, der seit den 60er Jahren fur
das Wtirttembergische Herzogshaus arbeitete, hat zu seinen
Lebenszeiten mehr Beachtung gefunden als die bisher behan-
delten Meister. Zwar genoB auch Josef Schmid die Gunst von
zwei kunstfreudigen Fiirsten. Aber er starb friih und seine
Kunstweise, vor allem sein ornamentaler Stil, war im Augen-
blick seines Todes (1555) schon nicht mehr modern. Bei Schlor
finden wir nicht nur eine andere Arbeitsweise, sondern vor
allem ein frisches Eingehen auf neue Formen der Dekoration.
Er ist in noch hoherem Grade typisch fur die 2. Halfte des
Jahrhunderts, als es Schmid fur die 1. war. Der Wandel der
Zeit wird im guten wie im schlimmen Sinn fuhlbar. Schlor
bewegt sich freier und sicherer im Figiirlichen wie im Deko-
rativen. Die Befangenheit der Jugendwerke streift er rasch ab
und mit jedem Auftrag wiichst seine Fahigkeit, bildnerische
Gedanken einfach, naturlich und treffend zu formulieren. Im
Gegensatz zu manchen spateren erscheint er noch frei von
Verirrungen des Geschmacks, solange man ihn mit dem MaB-
stab deutscher Renaissancekunst mifit. Er kennt weder jenen
barbarischen Drang nach Pracht, der den Wert eines Kunst-
werks an der Fulle und Kompliziertheit der Schmuckformen zu
messen scheint, noch das innerlich schwunglose Pathos, das
die Denkmaler mit nichtssagenden allegorischen Figuren be-
deckt. Seine Empfindung ist derb aber niemals unecht. Seine
- 174 -
Technik ohne Delikatesse, aber auch ohne Aufdringlichkeit.
Wenn wir trotzdetn zwar erfreuliche, aber keine eigentlich be-
deutenden Werke von seiner Hand besitzen, so liegt der Grund
wohl weniger in der mangelnden Begabung als in einer etwas
schnellfertigen Art des Meisters. Zu einer Vertiefung in seine
Aufgaben kam er nicht : auch seine Auftraggeber hatten wohl
fur die Qualitaten der Reife und Ausgeglichenheit eines Kunst-
werks wenig Verstandnis.
Es sind nur vereinzelte Nachrichten, die uns einen Einblick
in die breite, durchaus handwerkliche Basis dieser
fruchtbaren 40-jahrigen Tatigkeit gestatten. Zu einer Zeit, wo
Schlor langst fur 2 Furstenhofe umfangreiche Arbeiten ausge-
fuhrt hatte, im Jahre 1573, erhalt in dem Hall benachbarten
Stift Grofikomburg ein Steinmetz «Michel von Scharpillich^
den Auftrag, fur 17 Gulden eine «schone gehawene Thiiren
von Laubwerckh und Bossen in die dechaney defigleichen ein
Khomin zu hawen, machen und versetzen*. Und hat sich, heifit
es weiter, <Meister Sem Schlar eipotten, umb mehrer Befur-
derung willen 2 oder 3 tag zu helfen*. Des ofteren werden
Wappen bei ihm bestellt, die in einfachster Umrahmung iiber
Toren oder sonst an Gebauden angebracht wurden 2 . Man sieht,
er verachtet auch kleine und kleinste Auftrage nicht. Die Ar-
beiten in Hall und Umgebung, von denen sicher nur ein kleiner
Teil auf uns gekommen ist, waren und blieben die geschaft-
liche Grundlage fur den Betrieb seiner Werkstatt. Die Kund-
schaft dort durfte nicht verloren gehen. Schlor scheut betracht-
liche Transportkosten nicht, um auch auswartige Auftrage in
Hall ausfiihren zu konnen; er sehnt sich in den 80er Jahren,
wo er langere Zelt des Lusthauses w r egen in Stuttgart zubringen
1 Scharfbillig, Kreis Bitburg, ist ein kleines Dorf nordlich von Trier.
Quelle der ob. Nachricht: Protokollbuch des Stifts Komburg, 1571-75
(Filialarchiv Ludwigsburg).
* Abgesehen von dera Wappenstein am alten SchloB in Stuttgart, der
Seniors Zeichen tragt, sind zwei soiche Auftrage erwahnt in dem eben
genannten Protokollbuch: 1571 Nov. 16 (Nr. 1K4) ein Wappenstein «ufe
Rebenthal oberhalben dem BandthauB» und 1572 Nov. 11 (Nr. 152) zwei
steinerne Wappen fiber die Kellertur am Neuen Bau bei St Michels-Ka-
pellen zwischen den Toren.
— 175 —
muflte, dorthin zuruck (<da mein zu Hall schier vergessen und
mein Werckstatt gar 6d worden>) 1 .
Schlors Name genoB seit den 6()er Jahren einen guten
Ruf nichl nur im Gebiet von Hall, sondern weit iiber die
Grenzen des heutigen Wurttembergisch-Franken hinaus. Bei
den Hohenzollern in Ansbach, wie bei den wurttembergischen
Herzogen Christoph und Ludwig stand er in gleicher Gunst.
Es gewinnt den Anschein, als sei er bei groBen Auftragen
ebenso sehr Unternehmer wie ausfuhrender Meister gewesen.
Ein Bildhauer, wie Ehrhard Barg, der sich auswarts in Wiirz-
burg schon einen Namen gemacht hatte, der Epitaphien nach
Eichstatt, dem alten Sitz der Hering'schen Kunst, lieferte, trat
zeitweilig in Schlors Werkstatt ein, und dieser wird als sein
«jetziger Meister> bezeichnet *.
Was von Schlors Lebensumstanden aus den Haller
Kirchenbuchern zu erheben ist, hat schon Bossert 3 zusammen-
gestellt. Es geht daraus hervor, daB Sem (= Simon) Schlor aus
Laudenbach stammt, und zwar wahrscheinlich aus dem nah
bei Weikersheim gelegenen hohenloheschen, seit 1568 wiirz-
burgischen Dorf dieses Namens. In Hall ist er nachweisbar
seit Mitte der 50er Jahre bis zu seinem Tod 1597 oder 98.
Ein gewisser Anhalt fiir das Alter, das er zur Zeit seiner
Niederlassung in Hall erreicht hatte, ergibt sich aus der Tat-
sache, daB ihm vor seinem ersten urkundlich erwahnten Sohn
(Heinrich geb. 1559 Juli 27) noch ein, wahrscheinlich 2 Kinder
geboren worden waren, deren Taufe in die Zeit vor Beginn
des Haller Taufbuchs (1559) fallt. Die erste Heirat wird also
in die Jahre 1555—56 zu setzen sein. Nimmt man hinzu, daB
das letzte Kind, das bald nach des Vaters Tod zur Welt kam,
die Tochter Anna, am 11. Mai 1598 getauft wurde, so ist ohne
weiteres klar, daB Schlor 1555 schwerlich das Alter von 25
Jahren uberschritten hatte, daB also sein Geburtsjahr eher
1 Brief an Gabelkhover (St.-A. Stuttgart). Die Siedersgerechtigkeit ist
also keineswegs der einzige Grand Heines Zugs nach Hall.
» Quelle: Komburgische Akten iiber Erhard Barg (1586-87) Filial-
Archiv Ludwigsburg.
^ Schwab. Kronik, 1882, S. 105 u. 141. Neuerdings hat M. v. Rauch
wertvolle urkundliche Nachrichten iiber S. beigebracht: W. Vjh., 1907,
412 ff., «Zur Geschichte des Bildhauers Sem Schlor >.
- 176 —
nach als vor 1530 zu setzen ist. Im Jahr 1556 finden wir die
ersten datierten Werke, die Schlors Meisterzeichen * tragen.
Eine Nachricht uber des Kunstlers Lehrzeit hat sich
nicht erhalten. Wir sind dafur auf die Werke angewiesen. Zwei
Vermutungen sind aufgestellt worden. Die eine, die auTBossert
zuriickgeht, schlieBt aus dem Nebeneinander von Werken
Joseph Schmids und Sem Schlors in der Stockenburger
Kirche, Schmid sei Schlors Lehrer gewesen und habe den
jungen Bildhauer auch an den herzoglich wurttembergischen
Hof empfohlen. «Der Charakter der Werke widerspreche dem
nicht. » Das letztere wird unten zu priifen sein. K. Kopchen,
die den Gedanken aufnimmt (a. a. 0. S. 77), schopft daneben aus
gewissen an die Metalltechnik gemahnenden Eigentiimlichkeiten
der Jugendwerke die Vermutung, der Meister sei <in seiner
Lehrzeit in Beriihrung getreten tnit der seiner Heiraat nicht
fernliegenden Nurnberger Vischergiefihutte*. (S. 81). Diese
Eigentiimlichkeiten, ein scharfkantiges Abschneiden der Rander
an den Lippen und ahnlichen Teilen, eine Haarbehandlung, die
es vermeidet tief in den Stein einzudringen, und trotzdem das
Haar nicht als Masse, sondern als einzelne Strahnen behandelt,
sind allerdings unverkennbar. Aber die Lehrzeit in einer Giefl-
hiitte — und anders kann doch jene Bemerkung kaum ver-
standen werden — erscheint wenig wahrscheinlich bei einera
Mann, den wir sein ganzes Leben lang ausschliefilich als Stein-
metzen beschaftigt sehen. Gerade seine Beteiligung an den
Stuttgarter Grafenstandbildern ist dafur bezeichnend : erst in
dem Augenblick tritt er in die Tatigkeit, wo man den Gedanken
an gegossene Monumente und an holzerne Modelle aufgegeben
und Steindenkmaler ins Auge gefaBt hat.
Das Kunstzentrum, das Schlors Heimat am nachsten lag,
ist Wiirzburg. Sein Geburtsort gehorte zu denen, die spater
von Bischof Julius Echter v. Mespelbrunn, dem groBen Gegen-
reformator und ebenso grofien Bauherrn, zum Katholizismus
zuriickgefiihrt wurden.
Auch das Stift GroBkomburg, unmittelbar bei Schlors
spaterem Wohnsitz Hall gelegen, stand seit 1541 unter der
1 Ein Linkarm in Puffarmel, der einen Spitzharamer halt.
— 177 —
Hoheit des Wurzburger Bischofs und der Name des baufreu-
digen Propstes Neustetter, der Wurzburger Domherr war und
an beiden Orten ein Epitaph besitzt, biirgt allein schon fur die
regen kiinstlerischen Beziehungen zwischen den beiden geist-
lichen Sitzen. Allein die plastischen Werke, die sich in Wiirz-
burg aus der Zeit bald nach Riemenschneiders Tod erhalten
haben, erscheinen der Kunst Schlors an keinem Punkt naher
als andere verwandt. Neben einer Reihe ziemlich roher Epi-
taphien im Domkreuzgang, die in AufriB und Technik stark an
die Berlichingen-Grabmaler in Schonthal erinnern, stehen einige
bessere Arbeiten, die auf Peter Dill, den nicht naher bekannten
Auslaufer der Riemenschneider-Werkstatt, zuruckgefiihrt werden 1 .
Sieht man ab von der Art der Profilierung der Gesimse, die
fiir sich allein kein entscheidendes Merkmal stilistischer Ver-
wandtschaft abgiebt, so wird man wirklich bezeichnende Ueber-
einstimmungen mit Schlors Jugendwerken nicht entdecken.
Dasselbe gilt von der groBen Gruppe Loy Hering'-
scher Grabskulpturen. Nicht blofl in Eichstatt
und seiner Umgebung, sondern auch in Wurzburg war Hering
nach Riemenschneiders Tod der fuhrende Meister, dem die be-
deutendsten Auftrage zufielen. Sogar in Crailsheim und im
Stift Komburg findet sich je ein fur seinen Stil recht bezeieh-
nendes Werk, und es kann kein Zweifel sein, daB Schlor min-
destens die beiden letzteren gekannt hat. Zeitlich ware es
auch nicht ausgrschlossen, daB er unter Loy Hering selbst
gearbeitet hatte, dessen Todesjahr unbekannt ist und dessen
Testament von 1554 stammt 2 . Aber gerade zu der abgeklarten,
feinen, hie und da auch etwas schwachlichen und langweiligen
Ausdrucksweise dieses Meisters steht der Stil Schlors im
scharfen Gegensatz. Herings Figuren sind alle idealisiert, die
Haltung der einzelnen Gestalten wie ihre kompositionelle Zu-
sammenordnung zeigt einen Kiinstler, dem es vor allem um das
EbenmaB der Form, um einen sanften wohlklingenden Rhythmus
1 Es sind in Wurzburg selbst der Grabstein des Ritters von Schrimpf
(Marienkapelle), bezeichnet 1556, ferner der des Grafen Bernhard von Solras
im Dom. AuBerdem in Sandbach (Odenwald) das Denkmal des Grafen
Michael III. von Werthcim. (Abb. Hess.-Inv., S. 232).
2 Mader, Loy Hering, S. 115.
d 12
— 178 —
der Linien zu tun ist. Schlor hat sich solche Ziele nicht gesteckt.
Er ist weit weniger bekiimmert urn die Stilisierung seiner Ar-
beiten auf einen harmonischen Gesamteindruck hin ; dafur aber
zeigt er, besonders in seinen Jugendarbeiten, ein frisches Tem-
perament und ein unmittelbareres Verhaltnis zur Natur als der
Eichstatter. Andererseits sind Empfindung und Ausdruck derb
und oft unbeholfen. Eine gewisse Unreife und gelegentlich
auch die Fluchtigkeit der Ausfuhrung lassen seine Arbeiten
handwerklicher erscheinen, als sie es der Erfindung nach sind.
So erscheint es mir am wahrscheinlichsten, daB wir ihn zwar
nicht als Autodidakten, aber doch als einen Meister anzusehen
haben, der nie einer beruhmten Werkstatt angehort hat, dessen
Kunst vielmehr nah bei seiner Heimat, entweder in Crailsheim
oder in Hall selbst gewachsen ist. Auf bau und Schmuckformen
seiner Denkmaler hat er anfangs ziemlich unbesehen uber-
nommen, wo und wie er sie an ausgefiihrten Denkmalern vor-
fand. Spater bildet er sich im AnsehluB an die Vorlagenwerke
niederlandiseher und deutscher Provenienz, die das Rollwerk
und das Beschlag in Mode bringen, seine eigene Weise aus.
Sie stellt gegeniiber Hering einen fortgeschrittenen
Typus der Dekoration dar : auch bei einfachen
Aufgaben wird das Detail kraftig und uppig in der Form, reich
und willkurlich in der Erfindung. Die ganze etwas barbarische
Formenwelt des Roll- und Banderwerks ist offenbar durch
Schlor im weiteren Umkreis von Hall ublich geworden ; er hat
sie geschickt und selbstandig fur seine Zwecke verwertet. Von
den Werken der Familie Trarbach unterscheidet ihn,
abgesehen von einzelnen charakteristischen Omamentformen,
seine geringere Technik: aber auch sein schlichterer Sinn. Die
Ueberschuttung eines Denkmals mit einer unubersehbaren
Menge schmiickender Kleinigkeiten, alle mit gleicher Exaktheit
ausgefuhrt, die kalte leere Pracht, die dort entfaltet wird, ist
ihm durchaus fremd 1 . Freilich muB dabei in Rechnung ge-
nommen werden, daB alle sicher bestimmbaren Arbeiten, die
1 Das Denkmal Sternenfels in Kurnbach, bei dem Wintterlin an Schlor
gedacht hat, ist gerade ein durchaus charakteristisches Beispiel Trar-
bachischer Manier. Abb. Hess.-Inv., Kr. Wimpfen, S. 3i3.
— 179 —
wir von Schlor besitzen, aus Sandstein oder aus anderem
harteren Material hergestellt sind. Akten aus den 80 er Jahren
lassen erkennen. daB der Kunstler in seinen letzten Jahren,
dem Zug der Zeit folgend, auch Alabaster verwendet hat, und
es ist selbstverstandlich, dafi dieser weiche mit dem Messer zu
bearbeitende StofT seine Darstellungsweise beeinfluBt hat, ebenso
wie dies z. B. bei Christoph Jelin zu beobachten ist.
Schlors bildnerische Tatigkeit soil nun im einzelnen an
der Hand seiner Werke verfolgt werden. Da eine streng chronolo-
gische Besprechung allzu unubersichtlich ausfallen, durch Wieder-
holungen ermiiden und das Ergebnis vielfach vorweg nehmen
miifite, so ist im folgenden eine Einteilung zu Grund gelegt,
die innerhalb der groBeren Zeitabschnitte in Schlors Tatigkeit
die Werke zusammenordnet, die dem Gegenstand nach ver-
wandte Themen behandeln.
I. JUGENDWERKE (bis ca. 1560)
1. Epitaph des Jorg von Bemelberg, gest. 1553 und
seiner Frau geb. Riteslin, gest. 15 . . be-
zeichnet, 1556. Stockenburg Kirche (Abb. Inv. Jagstkr. I.,
693).
2. Epitaph der Margareta von Velberg, geb. von Krayls-
haim,gest. 1529; bezeich net, 1556. Stockenburg Kirche.
3. Epitaph des Siegfried von Oberstein, gest. 1556 und
seiner Frau, geb. Wilchin von Alczey, gest. 1563;
bezeichnet.
Gundheim, Kreis Worms. Kirche, Westseite auBen.
(Abb. Hess. Inv. Kr. Worms, S. 55).
4. Doppelepitaph des Hans Bartholmes von Velberg, gest.
1561 und seiner Frau Sibylla geb. Adelmenin, gest.
1584 ; bezeichnet. Stockenburg. Kirche. (Abb. Wurtt.
Inv. S. 691.)
5. Wandgrabmal des Friedrich von Sturmfeder, gest.
1555 und seiner Frau Margareta geb. von Hirnheim,
gest. 1558, bezeichnet. Oppenweiler O.-A. Backnang.
Kirche. (s. Tafel).
— 180 —
II. E1NFACHE EPITAPHIEN IM FRANKISCHEN.
(6. Verlorengegangenes Werk von 1558 in St. Johann.
Hall, 1 .)
7. Epitaph der Agata Schenczin, gest. 1559. (s. Tafel).
8. Epitaph der Katharina Ehrerin, gest. 1562. (s. Tafel).
9. Epitaph der Frau des Reformators Brenz.
samtlich in Hall. Michaelskirche. Sudseite auBen.
10. Epitaph des Caspar Feierabet, gest. 1565 und seiner
zwei Sohne, gest. 1563 und 65, bezeichnet. Hall.
Michaelskirche Nordseite.
11. Epitaph des Josef Vogelman, gest. 1568. Michaels-
kirche Westseite (s. Tafel).
12. Epitaph fur Wolfgang von Stetten, gest. 1547 und
seine Frau Anna geb. von Rosenberg, gest. 1548,
sowie fur Anna von Layen geb. von Dienheim, gest.
1568. Kocherstetten O.-A. Kunzelsau. Kche. (s. Tafel).
13. Epitaph des Vogtes Bonifacius Bronnhofer und seiner
Frau Gertrud geb. Reychenbeckin, beide gest. 1571,
bezeichnet. Stockenburg, Vorhalle der Kirche.
14. Epitaph der Katharina Eisenmann. gest. 1572. Hall,
Katharinenkirche, auBen. (Abb. bei K. Kopchen,
Taf. VIII).
15. Epitaph der Margarete Bechstain geb. Neufferin, nach-
mals Stetmaister Melchior Weczels Wwe, gest. 1581.
Hall, Michaelskirche, Sudseite.
16. Epitaph des Melchior Weczel, Stattmeisters, gest.
1567, ebda.
III. ARBEITEN FUR DIE STUTTGARTER SCHLOSSKAPELLE
UND VERWANDTES.
17. Zwolf Relieftafeln mit Illustrationen der Glaubens-
artikel, bezeichnet Stuttgart, Hof des alten Schlosses.
(Zeit: 1562—63, s. Tafel;.
1 Auf einer Fensterbank der jetzt profanierten Kirche St. Johann in
Hall stent eingchauen: SEM SCHLOER V. LAUTERBACH BILDHAVER.
1558. Das fraheste datierte Werk des Meisters in Hall, auf das diese Wort«
doeh wohl hinweisen, ist also verloren. (VgL Inv, S. 530).
- 181 —
18. Wappentafel fiber der westlichen Durchfahrt des
alten Schlosses in Stuttgart, bezeichnet. (Zeit: nach
1560).
19. Steinernes Kruzifix. Neuhausen a./F. Friedhof. 1563.
(s. Tafel).
20. Steinernes Kruzifix. Hall, Friedhof. 1565. (s. Tafel).
21. Steinernes Kruzifix. Stockenburg, Kirche, 1573.
IV. GRABMALER IN TUMBENFORM.
22. Herzogin Sabina von Wurttemberg, gest. 1564. Tu-
bingen, Stiftskirche (1565).
23. Markgraf Georg Friedrich von Ansbach, gest. 1603.
Heilsbronn bei Nurnberg. Klosterkirche. (Zeit: 1566
bis 68).
24. Graf Albrecht von Hohenlohe, gest. 1575. Stuttgart,
Stiftskirche. (Zeit: 1576—77).
V. GROSSERE EPITAPHIEN (nach 1570).
25. Epitaph des Christof von Talheim, gest. 1572 und
seiner Gattin Barbara geb. von Weiler, gest. 1585.
Talheim O.-A. Heilbronn, Kirche. (Zeit: 1572).
26. Epitaph des Wolf von Weiler, gest. 1585 und seiner
Gemahlin Barbara geb. Willich von Alzey, gest. 1585 l .
Oberstenfeld, O.-A. Marbach. Stiftskirche. (Zeit:
1572/73.
27. Bildstock in der Kapelle der Burg Lichtenberg bei
Oberstenfeld. 1573. (Abb. Inv. Neckarkreis S. 404).
28. Epitaph des Eberhard von La yen, gest. 1572. Kocher-
stetten, Kirche.
29. Epitaph des Rudolf Christof Senft von Sulburg, gest.
1577 (begraben in Antwerpen). Rieden O.-A. Hall,
Kirche. (Abb. Inv. Jagstkr. I, S. 583).
i Die auf dera Gundheimer Epitaph (Nr. 3) dargestellte Frau gehort
derselben Familie an.
— 182 —
30. Epitaph des Heinrich Senft von Sulburg, gest. 1580.
Oberroth O.-A. Gaildorf, Kirche. (Abb. Inv. Jagstkr. I,
S. 214).
31. Grabmal des Ulrich von Rechberg, gest. 1572 und
seine* zweiten Gemahlin Anastasia geb. von W611-
warth, gest. 1596. StraBdorf bei Gmiind, Kirche.
(Abb. Inv. Jagskr. I, S. 468)
32. Denkmal (Standfigur) der Anna von Stammheim, gest.
1584. Geisingen O.-A. Ludwigsburg, Kirche. (s. Tafel).
33. Epitaph des Eberhard von Stetten, gest. 1583 and
seiner Gemahlin Margarete geb. von Layen, gest.
1589. Kocherstetten, Kirche. (begonnen von Erhard
Barg, vollendet 1588 von Schlor, s. Tafel..
31. Epitaph der Aebtissin Christina von Schwalbach,
gest. 1588. Oberstenfeld, Stiftskirche. (s. Tafel).
VI. DIE ARBEITEN FUR HERZOG LUDWIG
VON WURTTEMBERG.
35. Vier Bilder auf die Tore am Rennplatz in Stuttgart
(Zeit: 1577—78); nicht erhalten.
36. Elf Standbilder Wurttembergischer Grafen in ein-
heitlicher Rahmung. Stuttgart, Stiftskirche. 1578—84
(s. Tafel).
37. Portale am Lusthaus in Stuttgart (Zeit: 1584-86).
Reste auf SchloB Lichtenstein. (s. Tafel).
38. Sonstige Lusthausarbeiten («Bildwerke») 1587 ff.
DIE JUGENDWERKE.
Schlor scheint im Anfang seiner selbstandigen Tatigkeit
seine Werke regelmaBig bezeichnet zu haben. Nach 1565 jedoch
tritt seine Kunstlermarke nur noch vereinzelt auf 1 . So koramt
1 Offenbar steht dies im Znsaramenhang mit der allgemeinen Uebung:
aeit dem letzten Drittel des Jahrhunderts sind Zeichen nnd Monogramme
im schwabischen and frankischen Gebiet selten. Tn den Werkstatten Christof
Jelins und Johanns von Trarbach scheinen sie iiberhanpt nicht gebrancht
worden zn sein : ebensowenig bei der Familie Kern, wenigstens sowcit die
Plastik in Betracht kommt.
- 183 —
es, dafl wir in den Jugendwerken ein sicheres Material fiir die
Bestimmung von Schlors Stil besitzen. tin der Reihenfolge ist
das Denkmal in Oppenweiler an den SchluB gestellt, weil es
mit seinen Standfiguren einen anderen Typus darstellt als die
iibrigen. Chronologisch gehort es an die dritte Stelle. Es ganz
an den Anfang zu stellen, kann ich mich schon deshalb nicht
entschlieBen, weil der groBe Auftrag in 4em ziemlich weit von
Schlors Heimat entfernten Oppenweiler doch wohl am ehesten
an einen Kunstler vergeben wurde, der schon groflere Proben
seines Konnens abgelegt hatte).
Nr. 1 und 2 1 zeigen vor dem Kruzifix knieende Figuren
in architektonischer Rahmung. GewiB hatten die Auftraggeber
bei der Wahl dieser Form des Aufrisses das seit
1553 in der Stockenburger Kirche befindliche Epitaph des Wolf
von Velberg von Josef Schmid als Vorbild im Auge. Nur ist
dieser Meister nicht etwa als Erfinder oder Einfuhrer dieses
Typus in die Mailer Gegend anzusehen. Zwei Crailsheimer
Beispiele aus fruherer Zeit, die vor dem Kruzifix knieenden
Frauen Helene Apsbergerin und Apollonia von Absperk tragen
die Todesdaten 1512 und 1520. Wahrend aber hier die Figuren
noch von einem Grabsteinrand umschlossen erscheinen, der
eine kastenformige Vertiefung freilaBt, zeigt der Joachim von
Gutenberg (gest. 1532') schon die Elemente der architektoni-
schen Rahmung: Pilaster und Giebel, jene mit rohem aber
streng symmetrischem Pflanzenornament, diesen mit dem be-
kannten Muschelmotiv gefullt Auch der auffallend groBe
Kruzifixus ist dort zu finden ; und die ungefugige Anordnung
der Figuren, die fast imm^r durch den Kahmen beengt und
zusammengedruckt erscheinen, ist bei den Schontaler und Crails-
heimer Epitaphien vor 1550 die Regel. — Nimmt man hinzu,
dafi bei Schmid selbst die Verbindung von Kniefiguren und
Kruzifix erst seit seinem Stockenburger Denkmal (1553) nach-
weisbar ist, und daB sie uberhaupt im schwiibischen Gebiet
1 Im folgenden wird nach den Xuraraern des oben gejrebenen Katalogs
titieru
1 Alle 3 Denkmaler hinter dem Hochaltar der Johanniskirche in
Crailsheim.
— 184 —
spater als im frankischen auftritt, so kommt man zu der An-
nahme, daB diese fur die Folgezeit iiberaus wichtige Denkmal-
form eine f rankische Schopfung ist, die etwa seit
den 50 er Jahren nach Schwaben kommt und hier den Typus
der betenden oder waffenhaltenden Standfiguren zuruckdrangt,
ohne ihn freilich zum Verschwinden zu bringen.
Will man. also aus dem Nebeneinander der Stockenburger
Denkmaler von Schmid und Schlor den SchluB ziehen, der
letztere «habe sich an Schmid zuerst angeschlossen* (Kopchen,
S. 77), so ist diese Behauptung jedenfalls durch den AufrLB
der Epitaphien nicht zu belegen. Die «Form der Wandgrab-
maler», die Schlor von dem Uracher Meister ubernommen haben
soil (ebenda), haben vielmehr beide Meister schon vorgefunden.
— Vergleicht man dagegen die Einzelheiten, so ergibt sich die
auffallende Tatsache, daB gerade in Stockenburg Schlor seine
eigenen Wege geht, wahrend er spater, in Gundheim, unzweifel-
haft Schmidsche Motive verwendet. Dieser Tatbestand spricht
an sich nicht fur ein Schulverhaltnis. Trotzdem mochte ich
glauben, daB Schlor den Josef Schmid personlich gekannt hat.
Wie konnte sonst der junge Meister einen Auftrag fur das
feme Gundheim erhalten haben ? Das erklart sich doch am
ehesten, wenn er von Schmid empfohlen war, der in jener
Gegend durch sein Herrnsheimer Denkmal sich ruhmlichst be-
kannt gemacht hatte. Man muB dann freilich annehmen, daB
das Gundheimer Epitaph schon vor Schmids Tod 1555 projek-
tiert war, was durchaus nichts Befremdendes hat: die Todesdaten
sind 1556 und 63. Die Ausfuhrung kann sich leicht hinaus-
gezogen haben.
Das Epitaph des Jorg von Bemelberg
;Nr. 1) beriihrt durch seine ehrliche und urwiichsige Art sofort
sympathisch. Wahrend bei den alteren Crailsheimer Arbeiten
der Uebergang vom aufrecht stehenden Grabstein zum Wand-
denkmal mit architektonischer Rahmung zu verfolgen ist, kennt
Schlor von An fang an nur die letztere 1 . Was er gibt, hat so
1 Vgl dagegen die gleichzeitigen Arbeiten der schwabischen Meister
Woller und Schmid, auch Baumhauers. Bei Loy Hering stent beides
nebeneinander.
— 185 -
weder bei Schmid noch bei Loy Hering sein Vorbild. Origin ell
sind vor allem die den Pilastern vorgelegten kannelierten Drei-
viertelssaulen und der Aufsatz: die Inschrifttafel eingerahmt von
einer pilastergetragenen Aedicula und flankiert von zwei nackten
Figuren als Wappenhaltern. Die letzteren als Freifiguren hin-
zustellen, ging wohl uber des jungen Schlors Krafte ; sie sind
in ziemlich flachera Relief aus dem Stein herausgehauen. Zwei
weitere Wappen bilden den Sockelschmuck.
Die Figuren sind eingestellt in einen Blendbogen von merk-
lieh groBerer Tiefe als bei Schmid. Sie knieen auf geduckten
katzenartigen Tieren, die wohl beide Lowen darstellen sollen.
Schlors Tierdarstellung geht hier wie anderwarts mehr darauf
aus, lebendig bewegte, als zoologisch richtige Tierkorper wieder-
zugeben ; das Schema des ruhigen Sockellowen ist ihm nicht
sympathisch. Die bewegten Tiere hat er dann bei den knieenden
Figuren bald durch einen Betschemel ersetzt.
Der Kruzifixus in der Mitte zwischen den Figuren,
fallt, wie K. Kopchen (S. 82) mit Recht hervorhebt, vor allem
durch seine G r 6 6 e * in die Augen. GewiB driickt sich darin
auch eine starkere Anteilnahme des Bildhauers an diesem Teil
des Grabmals aus. Aber ob man dafur cden neuen GeisU
verantwortlich machen darf, der «in den Epitaphien seit der
Reformation lebl», ist mir sehr zweifelhaft. Bei Loy Hering,
der von der Reformation sehr wenig beruhrt ist, beobachtet
man dieselbe Erscheinung. Und Schlor hat weder den Kruzi-
fixus immer so groB gebildet 2 , noch uberhaupt das religiose
Moment in seinen Grabmalern durchweg betonl. Man wird
daher diese und andere Erscheinungen richtiger auf bildnerische
als auf religiose Motive zuriiekfuhren. Worauf es dem Meister
in diesen Jahren ankommt, das ist — ganz allgemein gesprochen
— dies, sein Kdnnen durch moglichst deutliche, schlagende
Herausarbeitung dessen zu zeigen, was ihm gerade sachlich als
das Wichtigste erscheint. Die Jugendwerke sind als dekorative
Kompositionen betrachtet ziemlich uniiberlegt und ungeschickt.
1 Er hat nahezo denselbcn MaBstab wie die Figuren, bei Schmid nor
ein Viertel.
< Vgl. die Einzelepitaphien Nr. 2. 29, 30.
- 186 —
Dafiir enthalten sie eine Reihe von Einzelheiten, die sichtlich
mit Liebe beobachtet und herausgebracht sind und um derent-
willen anderes untergeordnet oder gar fluchtig behandelt wurde.
So ist es z. B. nicht richtig, Schlor ganz allgemein die
Verstarkung der architektonischen Glieder des Epitaphs als
Absicht zuzuschreiben (Kopchen, S. 80) 1 . Das Charakteristische
an Schlors Pilastern, Giebeln und Sockeln ist vielmehr ihre
Einfachheit, und die Betonung ihres sachlichen Zwecks. Das
flacheniiberspinnende Pflanzenornament fehlt ihnen fast ganz;
wo es auftritt, z. B. in den Zwickeln, ist es schematisch und
durftig. Schlor hat noch nicht die Freude am Durchbilden der
Schmuckform als solcher, die man Josef Schmids Laubwerk ab-
fiihlt. Das zeigt sich auch in seiner Behandlung der Frauen-
kleidung. Reichgemusterte Prachtgewander zu geben, wie der
altere Meister, liegt ihm ganz fern. Mit den Falten findet er
sich ab so gut es geht. Die steifen Parallelfalten des plissierten
Mantels fuhrt er haufig bis zum Boden herab. Die Mache
wirkt mechanisch und langweilig, aber diese mit groflter Ein-
fachheit stilisierte Tracht lenkt doch den Blick sofort auf das
fur den Bildhauer Wichtigste, auf das Gesicht, und sie kommt
dem schlichten Ernst, der iiberzeugenden Ehrlichkeit zu gut,
die aus dem Ganzen sprechen. Auch wo er wie am Hals und
in den unteren Partien des Mantels die natiirliche Bewegung
des Stoffs wiedergeben will, beschrankt sich Schlor auf das
Notigste. Die Frau des Bemelberg ist ein gutes Beispiel dafur:
die Falten verraten ein noch ziemlich geringes Konnen, sie
kleben am Korper und man vermifit die feinere Empfindung
fur das Stoffliche, Dagegen das Knieen ist uberall scharf markiert
und der Vergleich mit Schmid, der uns in dieser Beziehung in
Stockenburg und sonst manches schuldig bleibt, zeigt wiederum
deutlich, dafi Schlor, der lieber unschon als unklar erscheinen will,
in einer durchaus anderen Empfindungsweise aufgewachsen ist.
Die Dargestellten selbst erscheinen von auffallend unter-
setztem stammigem Typus. Die Halse sind kurz, die Schultern
hochgezogen.
1 Nr. 3, 5 und viele spatere Werke widersprechen der Behauptnng
aufs deutlichste.
- 187 —
Die Tendenz, das Einzelne so laut wie moglich sprechen
zu lassen, scheint mir nun auch fiir die Zusammen-
fugung der Figu rengruppe maBgebend zu sein.
Es ist nicht blofi die GroBe der Christusfigur, sondern ganz
ebenso die Engraumigkeit der ganzen Disposition, die sich dem
Beschauer aufdrangt. Welcher Abstand von Loy Hering, fur
den gerade die harmonische Raumfiillung bezeichnend ist. Wo
es dem letzteren darauf ankommt, seinen Kruzifixus stark zur
Geltung zu bringen, da riickt er die Knieenden so weit wie
moglich vom Kreuz weg und immer hebt er seinen Christus
hoch uber die Andachtigen hinaus 1 . Schlor scheinen alle solche
Berechnungen der Wirkung ganz fern zu liegen. Er ist so sehr
interessiert an dem Aussprechen des gegenstandlich Wichtigen,
daB die Wirkungsmittel der Komposition zu kurz kommen. So
ergab sich eine Anordnung, bei der die Figuren an dem Kreuzes-
stamm fast angepreBt erscheinen. Sollte trotzdem noch der
betende Aufblick zu dem Erloser dargestellt werden, so muBte
der Kopf des Mannes so stark zuriickgelegt werden, wie man
dies etwa bei Nr. 4 (Inv. S. 691) beobachten kann. DaB der
Meister damit gerade den Ernst der Andacht habe darstellen
wollen, glaube ich nicht. Die Gesichter sagen nicht mehr, als
daB er seine Modelle so lebendig als moglich wiederzugeben
suchte. Darin zeigt er ein aufTallendes Geschick. Seine Frauen,
bei denen anfangs die typischen Zuge uberwiegen, haben alle
etwas ungemein Sprechendes; die festen rundlichen Zuge sind
von einer Freundlichkeit belebt, die nichts von Ziererei, nichts
SuBliches oder Konventionelles an sich hat; eine biirgerlich-
biedere Tuchtigkeit und Lebensklugheit scheint ihnen eigen 2 .
Die Manner sind individueller, aber auch spieBburgerlicher.
Den Gesichtern, die von Falten durchfurcht sind, gibt der
geoffnete Mund und die dunne gerade Linie der Lippen einen
etwas unintelligenten Zug. Ein weiteres Merkmal ist die feine
1 Das Denkmal der Markgrafen Friedrich und Georg in Heilsbronn
(Abb. bei Mader. S. 87) geht darin so weit, daB die Komposition in der
Mitte leer wirkt.
2 Leider haben zwei (Nr. 2 und 5) durch den Restaurator eincn allzu
bewoBten Zug erhalten. was K. Kopchcn (S. 84) entgangcn zu sein scheint.
— 188 -
Modellierung der Nase, und die Behandlung des Haares, das
wie eine Kappe iiber den Kopf gezogen, nur an der Oberflaehe
in dunne wellige Strahnen geteilt und unten wagrecht abge-
schnitten wird (vgl. z. B. die Tafel 17).
Dafi Schlor auch an solche Aufgaben sorglos herangeht, wo
ihm selbst sein Unvermogen nicht verborgen bleiben konnte,
zeigt die Behandlung des Nackten. Die beiden Wappenhalter
an dem Bemelbergepitaph, und ebenso der Leib des Kruzifixus
sind erstaunlich flach und roh. Es wird kaura versucht, den
Bau des Korpers, das Knochengerust sichtbar zu machen.
Gesicht und Hande der Betenden dagegen zeugen von wirklicher
Naturbeobachtung. Der Kruzifixus ist selbst in diesen Partieen
im Verhaltnis zu dem groBen MaBstab auffallend sorglos be-
handelt. Der ubrige Korper wirkt vollends leer und hand-
werksmaBig.
Nachdem bei dem ersten Denkmal das Gemeinsame der
Jugendwerke hervorgehoben ist, kann sich die Besprechung der
ubrigen auf einige kurze Bemerkungen beschranken.
Die Margarete von Velberg (Nr. 2), eine bei-
nah rundplastisch herausgearbeitete Gestalt, kniet auf einem
gegen den Rahmen 20 cm weit vorspringenden Sockel 1 . Der
Kruzifixus steht hier als ein ganz kleines Emblem auf dem
Kapitell des linken Pilasters im Zwicfcel des Blendbogens. An
der entsprechenden Stelle gegenuber ein mageres Pflanzen-
ornament. Pilaster und Gebalk sind ohne jeden Schmuck. Als
Bekronung dient die Inscbrifttafel. die oben von zwei liegenden
Blattvoluten abgeschlossen wird (vgl. Nr. 3); rechts und links
ist sie von Wappenreliefs begleitet. Die einformigen Parallel-
falten, die hier die ganze Frauengestalt uberziehen, sind nicht
jugendlicher Befangenheit des Bildhauers zuzuschreiben. Schlor
hat vielmehr in . unzweifelhaft spateren Werken (Nr. 16 u. a.)
darauf zuruckgegriffen, gewiB nicht nur aus Bequemlichkeit,
sondern weil er die stilisierende Kraft dieser steifen Gewandung
richtig erkannte.
1 Diese Anordnung zeigt, dafi Schlor die Verstarkung der rahmenden
Architektorteile nicht als eine kunstlerische Notwendigkeit cmpfand. Vgl.
noch das spate Werk Nr. 32.
- 189 —
Wahrend dieses Stockenburger Epitaph im 19. Jahrhundert
aus seinen zerstreuten Teilen zusammengesetzt und restauriert
wurde, zeigt sich das inGundheim (Nr. 3), das hier zum
ersten Mai unter Schlors Werken erscheint, in unaufhaltsamem
Zerfall. Es steht an der AuBenmauer des Kircliturms und
scheint bei dem Brand, der die Kirche 1896 zerstorte, verhalt-
nismaBig wenig gelitten zu haben. Allein der weiche gelbliche
Sandstein, der schon ganz von SprQngen durchsetzt ist, brockelt
Stuck um Stuck ab. Gegenuber der Abbildung des Inventars
(vom Jahr 1887) fehlt jetzt an der Christusfigur der ganze
Kopf und ein groBes Stiick der Brust und leider auch der
Kopf der Fran, dessen echt Schlorscher Typus auf dem Bild
noch erkennbar ist.
Trotz dieses ruinosen Zustandes ist das Werk nicht blofl
eine wertvolle Urkunde fur Schlors Entwicklung, sondern es
ist uberhaupt das Reizvollste, was der jugendliche Meister ge-
schaffen hat.
Die nahe Verwandtschaft mit Nr. I ist bei dem figurlichen
Teil evident: dasselbe Knieen auf hoher Unterlage ganz nahe
am Kreuz, dieselben kauemden Tiere als Knieschemel, derselbe
Kruzifixus, die gleichen GroBenverhaltnisse. An das Denkmal
Nr. 2 erinnert der Mantel der Frau und der vorspringende
wappengezierte Mittelteil des Sockels. Die glatten Pilaster tragen
je vier Ahnenwappen mit Laubwerk. Der Blendbogen, der als
oberer AbschluB der Figurenplatte dient, ist unterhalb des
Kreuzquerholzes einfach abgeschnitten, nicht wie sonst durch
Halbpilaster gestutzt.
Am interessantesten ist jedoch die r n a m e n t i k. Die
beiden Pilasterstilobate, die Bogenzwickel, der Architrav, der
Schmuck der bekronenden Inschrifttafel zeigen deutlich Ranken-
muster Schmidscher Herkunft. Freilich ist des
letzteren Art nicht genau kopiert. Die Blatter sind nach der
Tiefe weniger artikuliert, ja am Architrav haben sie schon ganz
die glatt gehammerte Form des Beschlags. Die Erfindung des
Musters ist jedoch im Sinn der Fruhrenaissance : die UmriB-
linien sind nicht schematisiert wie bei der Maureske, sondern
noch in Gedanken an die Naturform von Stengel und Blatt er-
funden. In der Bekronung erkennen wir eine nur wenig be-
— 190 —
reicherte Nachbildung derjenigen des Stockenburger Denkmals
von Schmid. Die auffallend hohe, fast quadratische Tafel ist
oben moglichst stumpf durch zwei liegende Blatter abgeschlossen,
die sich in der Mitte schneckenartig aufrollen. Zur Seite ver-
mittelt dasselbe Motiv in schwungvoller und reicher Ausfuhrung
den Uebergang zu der Breite des Gesimses. Die Blattform
wachst hier aus einem menschlichen Korper hervor und endigt
in einem greifohnlichen Tiergebilde. Trotz des Zerfalls ist die
Schonheit der Faktur heute noch bewundernswert. Die Sorg-
falt und Delikatesse, mit der diese dekorativen Elemente be-
handelt sind, lafit erkennen, da6 Schlor hier ganz bei der
Sache war. Wenn er spater auf die grottesken und vegeta-
bilischen Formen kaum mehr zuruckgriff 1 , so hat dies seinen
Grund lediglich in der Wandlung des Geschmacks, der sich der
derben Phantastik der aus Holz, aus Blech und Leder gefiigten
Formenwelt des Rollwerks zuwandte.
Die an Schmid anklingenden Dekorationselemente konnten
fur eine fruhere Datierung des Werks geltend gemacht werden.
Trotzdem mochte ich das Gundheimer Denkmal nicht vor die
oben besprochenen Stockenburger setzen. Die Technik ist
reifer und sicherer als dort, die Darstellung des Nackten bei
dem Christuskorper zwar auch noch schematisch, aber doch
eingehender. Es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, dafl
Schlor einen von Schmid hinterlassenen Entwurf auszufuhren
hatte. Im Figurlichen ist er freilich ganz seine eigenen Wege
gegangen..
Dem Stil nach gehort endlich noch Nr. 4 in diese Keihe.
Obwohl hochst wahrscheinlich der 1561 erfolgte Tod des dar-
gestellten Velberges den AnlaB zur Errichtung des Denkmals
gab, hat es doch mit den Werken der 50 er Jahre am meislen
Verwandtschaft. Der AufriB ist derselbe wie bei Nr. 1. Die
Arbeit ist sehr ungleichmaBig. Ein <Meisterwerk der Technik>
hat K. Kopchen (S. 81 f.) mit Recht die Ranke genannt, die
aus der Figurenplatte fast frei herausgearbeitet, wie ein Spruch-
band im Bogen uber dem Kreuz hinzieht, eine fruchtbeschwerte
Weinrebe, die den dariiber stehenden Spruch Joh. 15, 5 sinn-
1 Abgesehcn von Nr. 17 und 18. (s. u).
— 191 -
▼oil begleitet 1 . Aber daneben finden sich Stellen, die einen
schlechteren Eindruck machen als alles Friihere, so besonders
der Kruzifixus mit seinem roh auf die Schultern geprefiten Kopf .
Nicht durch anatomische Richtigkeit, aber durch ihre lebendige
Bewegung erfreuen die mit gutem Humor erfundenen hockenden
Putten, die die Inschrifttafel halten, derbe Kindergestalten, oben
mit einem Warns bekleidet. Bei dem Mann, bei dem statt des
Panzers hier zum ersten Mai die Schaube auftaucht, sind die
Zuge des Alters an Mund und Stirn gliicklich und nicht ohne
Individualist wiedergegeben. Die Frau ahnelt an munterer
Lieblichkeit der Bemelbergerin ; der Ausdruck ist bestimmter,
das Lacheln deutlicher geworden, doch halt sie sich ganz in
den Grenzen des Schlorschen Typus.
Das Doppelgrabmal in Oppenweiler (Nr 5,
s. Tafel) gibt stehende Figuren in betender Haltung, Sockel,
Rahmung und Bekronung fur beide gesondert. In den schmalen
Pilastern, wie in den stark vorspringenden Gesimsen darf man
vielleicht eine Nachwirkung Josef Schmids erkennen. Das
Blattornament in den Zwickeln und die Voluten in der Bekro-
nung zeigen die in Gundheim beobachteten Motive, aber in
verklimmerter Form. Die Raumfullung ist von ahnlicher Enge
wie bei Nr. 1 — 3. Eine Menge von Ueberschneidungen stort
mit einer gewissen Absichtlichkeit die statuarische Ruhe, die
von den Gestalten ausgehen konnte. Die Wappen 2 zu Haupten
der Figuren greifen oben und unten uber die Gesimse hinaus,
die schmalen Sockel, die einzeln zwischen die Pilaster gestellt
sind und unschone Zwischenraume freilassen 8 , bieten oben
kaum den symbolischen Tieren kaum genugend Raum, wahrend
uber die Vorderflache zwei weitere Wappen mit ihren Helm-
decken betrachtlich hinausragen. Endlich die Gestalten selbst
unterbrechen mit den Kopfen und Armen wiederholt die Linie
« Nach Kopchens ansprechender Vermntung hat eine Weinranke in
der Bergkirche bei Schlors Heimat Laudenbach das Vorbild abgegeben.
Schon ihr unverniitteltes Ansetzen an den Pilastern, nur aus spatgotischem
Empfinden verstandlich. erweist sie in dieser Umgebung als einen Fremd-
korper.
* Sie sind grofitenteils Erganznngen.
9 Vgl. dagegen Schmid in Herrnsheim [\nv. Kr. Worms, Taf. 35), der
der hier unstreitig grofizugiger emptindet.
— 192 —
des Blendbogens und seiner glatten Trager. Zu dieser Tendenz
den Blick fortwahrend auf das einzelne zu lenken, passen die
Figuren nicht iibel : das Feierliche liegt dem Meister garnicht.
Er kann nicht auf einen einzigen grofien Eindruck hinarbeiien.
Dem Ritter haftet etwas Schiichternes, Hilfloses an. Auch bei
der Frau, wo das sichere Stehen besser gelungen ist, ist es
nicht gemessene Vornehmheit, sondern freundliche Behabigkeit.
die Schlor zu beobachten und darzustellen vermag. Der Kopf
des Ritters, auffallend flach und unlebendig, spiegelt die jugend-
liche Befangenheit des Bildhauers. Bei der Frau scheint der
Restaurator nachgeholfen zu haben : sie wirkt neben ihm nicht
vollig echt 1 .
Versuchen wir das Bild des jungen Schlor festzuhalten,
das uns in diesen Werken entgegentritt. Wir erkennen eiDen
frischen Draufganger, mit originellen Einfallen, aber wenig
kunstlerischer Disziplin; mit scharfer aber ungeschulter Beob-
achtungsgabe ; durchaus naturlich, frei von aller Manier, aber
auch ohne feineres Gefuhl fur die Moglichkeiten der Durch-
blidung seiner Aufgaben. Von Anfang an fehlt es ihm nicht
an groBen lohnenden Auftragen. Die Frage ist, ob die Leichtig-
keit, mit der er arbeitet, ihn zu gedankenloser Routine verfuhren,
oder sein tiichtiger auf das Wesentliche gerichteter Sinn an
neuen Aufgaben erstarken wird 2 .
Schlors Produktion hat in der Folgezeit nicht nachgelassen.
Von den Grabdenkmalern, die er gewiB in sehr groBer Zahl
1 Bei dem Hand, auf dem sie stent, ist der Kopf mit seiner lahmen
Bewegung modem ; dagegen der Lowe mit gekrummtem Riicken. der sieh
zahnefietschend nach obcn wendet, in der Erfindung got schlorisch Die
Inschrifttafeln, die jetzt oben gerade abschliefien, trogen ursprunglich
wohl cine ornamentale Bekronung.
8 K. Kopchen hat (S. 78) auBer den hier behandelten Jugendwerken
dem Meister noch den Grabstein des Hieronymus v. Vellberg f 1545 in
Stockenburg zuweisen wollen. (Abb. Inv., S. 687. i Abgesehen davon, di6
Schlor bei der Anfertigang dieses Steins, der etwa 10 Jahre vor seine uns
bekannten Jugendwerke falit, nicht viel iiber 15 Jahre gezahlt haben wird.
ist mir die Uebereinstimmung mit den bezeichneten Schlorschen Werken
in Stockenburg nicht besonderes groB erschienen. Ich wiirde den Grabstein
mit seiner sorgfaltigen und sicheren Technik einem ganz jnngen Bildhauer
am wenigsten zutrauen.
— 193 -
geschaffen hat, ist naturgemati nur ein Teil, wahrscheinlich nur
ein geringer Teil, erhalten. Ich gebe zunachst eine Zusam-
menstellung der urkundlic hen Nachrich-
t e n uber seine fernere Tatigkeit.
In die erste Halfte der 60er Jahre fallen die frflhesten
Auftrage des Herzogs Christof von Wurttemberg.
Auf welche Weise Schlor zu ihnen kam, ist nicht bekannt.
Schmid, der ihn empfohlen haben konnte, war schon geraume
Zeit vorher — 1555 — gestorben. Mir scheint es naher zu
liegen, dafl des Herzogs Baumeister Albrecht Dretsch, der
vielfach nach auswarts verschickt wurde, Werke von Schlor
gesehen und den Bildhauer fur die p 1 a s t i s c h e n A r-
beiten in der Schlofikapelle vorgeschlagen
hatte. — Erhalten haben sich 12 steinerne Relieftafeln, die den
Schmuck des Altars gebildet haben l und ein steinernes Kru-
zifix, das jetzt im Friedhof zu Neuhausen a. F. steht. Das
Kruzifix ist durch ein Schreiben Schlors vom 25. Marz 1564
an den Rat zu Heilbronn gesichert 2 . Aus dem Brief geht her-
vor, daB Schlor fruher in Heilbronn beschaftigt war und seit-
her «fast stetig* fur den Herzog «mancherlay arbaiten* aus-
fiihrte, als deren letzte eben das Kruzifix genannt wird. Die
Auftrage in Heilbronn, das auch uber einheimische Bildhauer
verfugte, beweisen aufs neue, wie rascli der junge Schlor sich
einen Namen gemacht hatte. Erhalten scheint nichts davon.
Noch im Jahr 1564 erfolgte Schlors Berufung nach Ans-
b a c h. Im Dienst des Markgrafen Georg Friedrich stand er
mit Unterbrechungen bis November 1568. Zu diesem Zeitpunkt
war die Tumba fiir Georg Friedrich in der Klosterkirche zu
Heilsbronn fertiggestellt, das einzige Werk, das jetzt noch von
seinem Schaffen in jener Gegend Kunde gibt. AuBerdem weifi
man noch von einem SchloBportal seiner Hand in Ansbach,
das beim Brand des SchloBes 1710 zu Grunde ging.
DaB der Meister seine heimatliche Tatigkeit nicht
aufgab, zeigen gleichzeitige Werke in Hall (Nr. 10 ff.) und die Aus-
« Ihre Schicksale vgl. v. Rauch. Wiirtt. Vjh. 1907, 416. Seit 1865 sind
sie an der Auflenmauer der Kapelle gegen den SchloBhof angebracht.
2 Im Wortlaut mitgeteilt bei v Ranch, a a. , S. 412. Diesem Auf-
satz sind auch eine Reihe der folgendeu Angaben entnominon.
— 194 —
fuhrung des Denkmals der Herzogin Sabina von Wurttemberg
in Tubingen (Nr. 22) im Anfang des Jahres 15f>5. — Nach der
endgiiltigen Ruckkehr von Ansbach beginnt eine langere Periode,
in der Schlor sich nur fur kurze Zeit aus Hall entfemte.
Ueber die Jahre 1568 — 75 sind wir mangelhaft unterrichtet
Dann folgt eine Reihe umlangreicher Werke, von denen sich
auch schriftliche Kunde erhalten hat. Wahrend Schlor fur die
Familie von Gemmingen arbeitet, erhalt er den Auftrag zu
einer Tumba far Graf Albrecht von Hohenlohe, der 1575
(Nov. 16.) bei einem Turnier in Stuttgart getotet worden war.
Die Ausfuhrung des in der Stuttgarter Stiftskirche befindlichen
Werks war Marz 1577 vollendet l . Ueber die folgende Arbeit, die
er fur Herzog Ludwig von Wurttemberg ausfuhrte, «vier ge-
hawene Bilder uff die Tor am Rennplatz im Tiergartenn>
wissen wir nur noch aus einer Notiz der L. R. (s. Anhang).
Darnach wurde sie im Rechnungsjahr 1577—78 mit 160 Gulden
honoriert und in Hall ausgefuhrt. Letzteres gilt auch von
Schlors Hauptwerk, den 11 Grafenstandbildern, deren Ent-
stehungszeit 1578—84 oben nachgewiesen ist.
Unmittelbar an die Vollendung dieser Ahnengalerie schliefit
sich Schlors Beschaftigung an Herzog Ludwigs beruhmtestem
Bau, an dem von Georg Beer 1580 — 93 erbauten Lusthaus.
Komburger Akten von 1584 2 , in denen es sich um das Aus-
beutungsrecht einer von Schlor gefundenen Alabasterbank
handelt, enthalten in einem eigenhandigen Brief Schlors das
fruheste Zeugnis liber diese Angelegenheit. Der Bildhauer
schreibt am 11. August 1584 an Propst Neustetter:
«Nachdem... Ludwig Herzog zu Wurttemberg... in JFG-
garten ein Lusthauss zu bawen und Inwendig im saal ein thur
von sauberm Steinwerck (derengleichen JFG mier gezaygt)
machen zu lassen, gnadiglichen vorhabens, also haben JFG-
1 Die von Bossert 1882 exzerpiorten Akten hieriiber, ein Briefwechsel
zwischen dem Auftraggeber, Schlor und Riittel, sind leider in den fiirstlich
Hohenlohischen Archiven laut Mitteilung der znstandigen Stellen nicht
mehr aufzufinden. -- Das von Bossert Mitgeteilte laBt die hohe Schatznng
des Denkmals dnrch die Zeitgenossen erkennen. Der Preis fur die Bild-
hauerarbeit. zu der 15 Steine gebraucht wurden. war 350 ft.; der fur die
Bemalung duroh den Hofmaler Hans Steiner 80 n\
« Jetzt im Kgl. Filialarchiv Ludwigsburg.
- 195 —
mich sampt noch vier Bildhawern \ dern ram Teil im Land
dahaimen, probiert, und letzlich mir solche Arbeit gnadiglichen
vertrawet, welche ich solte zu Stutgarten machen, darzu JFG
mier groen (= grauen), weyssen und gesprenckleten Alabaster
gnugsam von Herrnberg, und darzu eine behausung geben
wolten...» (Um aber seine Siedersgerechtigkeit in Hall aus-
uben zu konnen, bat er die Arbeit daheim ausfuhren zu
diirfen, vorausgesetzt, da6 er dort derartige Steine finde. Der
Herzog genehmigt dies, da ja bei Ottendorf (am Kocher, nahe
bei Hall) auf des Herzogs Grund und Boden manche taugliche
Steinsorten vorkommen. Schlor fand dann auf Komburgischem
Gebiet eine Alabasterbank, geriet aber wegen der Ausbeutung
mit dem Stift Komburg in Diflerenzen.) — Das hier genannte
P ortal, zu dem spater noch weitere kamen, ist offenbar
schlieBlich doch in Stuttgart ausgefiihrt worden. Dafur spricht
nicht nur ein Brief des Bildhauers Erhard Barg, der als Schlors
Gehilfe in Stuttgart 1587 (Januar 14) an den Komburgischen
Syndikus Goltz schreibt, wenn Schlor bisher nicht nach Hall
gekommen sei, so sei dies cseinen wichtigen geschefften, mit
denen er allhie beladen, inwahrheit zuzumessen>, sondern auch
des Meisters eigener undatierter Brief an Gabelkhover (St. A.
Stuttgart), der sicher ins Jahr 1587 gehort. Hier erfahren wir,
daB er mit den «Portalien» ganz fertig ist und den neuen
Auftrag erhallen hat, mit «mayster Jacoben dem niderlender*
1 Die vier Bildhauer, mit denen er in Konkurrenz tritt. sind nicht
genannt. Zwei kann man mit sehr grofler Wahrscheinlichkeit namhaft
machen: es sind Mathis KrauB aus Schweidnitz und Jakob Roment, der
Niederlander. Beide zusammen hatten 1595 ein SchloBportal in Stuttgart
anszufuhren (Walcher, Lusthausbiisten, Heft IV, S. 7). Roment ist aber
schon seit 1583 in Stuttgart nachweisbar; er hat spater auch mit Schlor
zusamraengearbeitet (s. u.). In dem dritten und vierten haben wir viel-
leicht Christof Jelin in Tubingen und Sigmund (Simon) Doctor aus Re-
gensburg zu erkennen. Freilich ist letzterer bisher nur als Bildschnitzer
bezeugt.
* Daft damit Jakob Roment gemeint ist, steht aaBer Zweifel. Aus
einer Notiz der L. R. 1588|84 (Rubrik Verehrungen), die Walcher iiber-
sehen hat. geht hervor, dafl Roments Heimat nicht Luttich, sondern
der alte Bildhauersitz Calcar war. Was die Stuttgarter Kirchenbucher
iiber ihn enthalten, hat mir Dr. Bossert gutigst zur Verffigung ge-
stellt:
— 196 -
die aeht Bilder usserhalb gartens zu machen*. Auch diese
wiinscht er wie die Grafenstandbilder und das Hohenlohische
Denkmal in Hall ausfuhren zu diirfen. Er bittet urn eine Ent-
scheidung liber das fur die Figuren gewahlte Kostiim: dann
moge man ihra die Visierungen fur eine oder zwei mitgeben,
er gedenkt nachste Woche abzureisen.
Zweifellos liegt es am nachsten, unter diesen acht Bildern
einen Teil der 65 Lusthausbusten zu verstehen, die
Herzog Ludwig mit seinen beiden Frauen und seine Ahnen
darstellen. Das «usserhalb gartens* d. h. des fiirstlichen Lust-
gartens muB dann allerdings nicht auf den Standort der Biisten,
sondern auf den Ort der Herstellung bezogen werden 1 . Jeden-
falls ist es unberechtigt, Schlor von der Mitwirkung an den
Lusthausbusten von vornherein auszuschliefien, mit der Be-
grundung, er sei damals (1587—93) schon zu alt gewesen, urn
«bei der Herstellung dieser so jugendfrisch aufgefaBten und
ausgefuhrten Portratbiisten eine irgend erhebliche Tatigkeit ent-
faltet zu haben» 2 .
Die nachste schriftliche Kunde tiber unsern Meister geben
Verhandlungen wegen eines Grabmals fur Eberhard von Stetten
in Kocher stetten. Erhard Barg, Schlors Gehilfe in Stuttgart, hatte
es begonnen, aber die Unzufriedenheit der Auftraggeber erregt.
Schlor vollendet es auf Bitten der Familie in seiner Haller
Werkstatt im Jahr 1588 s . Urn 1590 fertigt er noch eine Vi-
sierung fur ein von Michael Niklas auszufiihrendes Denkmal
der Grafin Eleonore von Hohenlohe.
1586, Mai 19.: Erste Heirat (mit Anna Stammler). Auch hier Er-
wahnung seiner Heimat «Calcar im Lande Cleve.»
1592, Nov. 8. : Tochter Anna.
1605, Juni 15.: Sohn Johann.
1608, Jan. 21.: Zweite Heirat (mit Christine Kerapf Wwe.l
1611. Juli 6.: « Jakob Romont* begraben.
i I>aB die Stelle in den Akten bctr. das Kocherstetter Denkmal, wo-
nach Schlor 1586 «viel mit den Portalcn und Bildwerken zu dem nenen
Lusthaus beschaftigt war» (bei Bossert. Schwab. Chr.. 1882, 141) auch auf
die Biisten gedcutet werden darf, ist nicht >vahrscheinlich. Diese warden
erst 1587 begonnen.
2 Walcher, a a. 0., Heft IV, S. 9.
3 Ich stutze mich hier und bei der folgenden Angabe auf die von
Bossert. Schwab. Chronik, 1882, S. 141 u 224, veroffentlichten Aktenans-
ziige. Ich selbst konnte die Akten, die sich im Archiv des Herrn von
Stetten befinden eollen, bisher nicht einsehen.
— 197 -
Aus den letzten Jahren haben wir nur noch Familien-
n a chrichten. Des Meisters zweite Ehe, die am 25. Juni
1588 in Hall geschlossen wurde, war von kurzer Dauer 1 . Am
27. Februar 1593 verheiratet er sich (wieder in Hall) zum
drittenmal. DaB diese letzte Ehe, aus der zwei Kinder stammen,
nicht etwa von einem gleichnamigen Sohn, sondern von
unserem Meister geschlossen wurde, hat Bossert durch eine
Aktennotiz von 1602 mit hinreichender Sicherheit nachge-
wiesen.
Mit grofier Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, da6
Schlor seit seiner Ruckkehr aus dem Ansbachischen nur noch
in der Umgebung von Hall und im Wurttembergischen be-
schaftigt war. Zu den schriftlichen Nachrichten treten die
Werke, mit denen wir fast in jedem Jahr seine Anwesen-
heit im Land belegen konnen.
KINFACHE EPITAPHIEN IM FRANK1SCHEN.
Die Epitaphien, die sich in Hall erhalten haben, sind alle
von kleinerem Umfang. Sie sind als Beispiele burger-
licher Durchschnittsdenkmaler der Zeit von
Bedeutung. Die Eigenhandigkeit der Ausfuhrung lafit sich na-
turlich nicht zwingend beweisen. Ja es konnte scheinen, als
driicke schon der Umstand, daB allein Nr. 10 und 13 bezeichnet
sind, die anderen zu Werkstattarbeiten herab. Allein abge-
sehen davon, daB bei manchen (z. B. Nr. 8) die Kunstler-
marke recht wohl auf einem jetzt fehlenden Stuck der Be-
kronung angebracht gewesen sein kann, begunstigt auch die
Qualitat der Arbeiten * keineswegs die Anwendung eines solchen
MaBstabs. Gemeinsam ist alien die sympathische Schlichtheit
der Rahmung, die ubersichtliche Anordnung der Teile und die
feine Abwagung ihrer GroBenverhaltnisse. Schon das erhebt
sie uber den Durchschnitt dessen, was man sonst, vor allem in
i 1589. Febr. 28, wurde in Stuttgart, wohin also Schlor fiir langere
Zeit zuruckgekehrt sein raufi, «Sim Schlors Hausfrau* begraben. (Mittei-
lung von Dr. Bossert).
* Nr. II z. B. ist nicht gezeichnet, gehort jedoch seinem Wert nach
an die Spitze alter zeitgenossischen Epitaphien in Hall.
— 198 -
landlichen Kirchen, antrifft. Das Schema ist folgendes : die
Figuren knieen vor dem Kruzifix; die Rahmung ist fur eine
Aufhangung des Ganzen an der Wand bestimmt. Sie hat da-
her meist oben und unten einen ornamentalen AbschluB.
Reichere Ausfuhrungen (Nr. 8, 13, 16) unterscheiden sich von
einfacheren durch Pilaster und durch den groBeren Apparat
der Bekronung, sowie durch zahlreichere Wappen. Aber auch
die schlichtesten Werke (Nr. 7, 9, 15), ferner das der Werk-
statt zuzuschreibende Epitaph der Gertraud Vbgelmann gest
1563 (an der Nordseite der Michaelskirche) zeigen noch einen
sicheren Geschmack in den Proportionen und heben die Figur
eindrucksvoll heraus. Eine Fassung des ganzen Denkmals nur
durch einen Grabsteinrand oder Bildrahmen, bei Loy Hering
nicht selten 1 , ist in Hall nicht nachzuweisen*.
Schon von Rauch hat die Vermutung geauBert (a. a. 0.
S. 416), es muBten anfier dem Feierabendepitaph auch andere
von Schlor herstammen. Gradmann hat (Inv. S. 513) Nr. 7-9
einer Hand zugewiesen, ohne einen Bildhauer zu nennen.
Ich gehe bei der oben gegebenen Zuschreibung aus von Nr. 7
(s. Tafel). Dort zeigt allein schon der Kopf der Frau und ebenso
der handwerklich derbe Kruzifixus eine so auffallende Ueber-
einstimmung mit dem bezeichneten Werk Nr. 4, da6 an
Schlors Autorschaft kein Zweifel aufkommen kann. Das weiche
muntere Lacheln der Frau ist wie dort lebendig getroffen.
Auch das Spruchband uber dem Kopf der Knieenden («0 Herr
Jesu Christe, erbarm dich fiber mich») paBt gut zu jenem
i Vgl Wurtt Inv, Jagstkreis I. S. 51, Madcr, Loy Hering. S. 59, 65,
78, 107.
* Bei Nr. 15 und 30 ist zwar die Form des Ganzen ein Rechteck.
Allein die Rahmung ist nicht gleichmaBig heruragefuhrt: vielmehr ist der
Figurenplatte ein Aufsatz (Architrav und starkes Gesims) und ein Sockel
beigegeben. die deatlich von der fur sich gcrahmten Figur getrenut
sind und den Unterschied von oben und unten markieren: also auch
hier ein architektonisch empfuudener Aufbau. Anders z. B. das
Grabmal der Anna Keckin in Oberroth (um 1574; Abb. Inv. Jagstkreis I,
S. 215): hier haben wir den alten Figurengrabstein in neuer Auflage (vgL
die Wappenschilde). Dieser Stein ruhn nicht von Schlor her: schon die
Gewandbehandlong ist eine ganz andere. Wenn er, was sehr wahrscheinlich
ist, in einer Haller Werkstatt angefertigt wurde, so zeigt dies, daB wir
ein Recht haben. das Schema der Epitaphien Nr. 7ff. als geistiges Eigen-
tum Schlors anzusprcchen
— 199 —
Stockenburger Werk, wo Schlor mit der Weinrebe eine ori-
ginellere, aber auf gleicher Empfindung beruhende Raumfiillung
iiber den Hauptern der Figuren schuf.
Grofieren Aufwand zeigt Nr. 8 (s. Tafel). Es ist stark ver-
wittert 1 , aber wie die andern Haller Denkmaler gliicklicher-
weise nicht restauriert. Obwohl die Figur nur noch teilweise
erhalten ist, ubt das hiibsche Werk einen ahnlichen Reiz aus
wie das Gundheiraer Denkmal. Unser Meister zeigt hier noch
nichts von gleichgiltiger Routine. Man spurt etwas von der
Freude und der Leichtigkeit, mit denen er aus den wenigen
Requisiten seines dekorativen Vorrats Neues gestaltet. Die Form
des an der Wand befestigten Denkmals ist hier markiert
durch die zwei tragenden Konsolen. Der Sockel hat, wie so
oft bei Schlor, ein vorspringendes Mittelstiick. Behabige nach
oben sich verjungende Pilaster tragen den Architrav. Den
AbschluB bildet ein gefliigelter Engelskopf uber zwei effektvoll
emporrollenden Blattvoluten. Wie in Gundheim bilderi Wappen
den Hauptschmuck der glatten Flachen : die zwei wichtigsten
fassen die Inschrift am Gebalk ein, die Pilaster nehmen je
zwei, der Sockel vier auf.
Das Epitaph Nr. 9 (Wit we des Reformators Brenz, ohne
Jahr) aufzunehmen, bestimmt mich lediglich der Kopf der Dar-
gestellten, der mit seinen dunnen Lippen und seiner Hagerkeit
entschieden individuelle Ziige tragt. Ich vermute, dafl Schlor
den Entwurt gezeichnet und an der Figur selbst Hand ange-
legt hat.
Die nun folgenden Werke (Nr. 10 IT.) bezeichnen in
doppelter Hinsicht einen Fortschritt. Einmal werden die Fi-
guren sicherer hingesetzt, sie bekommen mehr Raum, das
angstlich Zusammengedriickte verschwindet, im Verhaltnis zu
den Anfangen kann man beinahe von einer gewissen Eleganz
der Erscheinung sprechen (Nr. 11, 14, 28 IT.). Wichtiger noch
ist die Bereicherung der Dekoration: seit der Mitte der
1 Es fehlen bei der knieenden Figur Nase und Hande, vom Kruzifix
Kopf, Arme und Beine. von der Inschrift ist dio Halfte abgeblattert. Das
Todesdatnm habe ich dera Epitaphienbuch des stadtischen Archivs ent-
nommcn, die Angabe des Inveutars S. r>13 (1560) ist darnach zu korrigieren.
— 200 —
•
60er Jahre versucht sich Schlor in den Formen des Roll-
werks. Die Blatt- und Rankenformen verschwinden, urn
neuen, konstruierbaren Gebilden Platzzu machen. Als Flachen-
fullung, vor allem in den Zwickeln und am Architrav, dient
nun das Beschlag; so stark wird Schlors Vorliebe fur diese
Form, daB man darin schon ein unterscheidendes Merkmal
seiner Werke hat erkennen wollen l .
In dem Wort Beschlag, so wie es im Zusammen-
hang der deutschen Renaissancedekoration verwendet wird, liegt
zunachst nur eine Bezeichnung des technischen Charakters des
Ornaments, also das Glattgehammerte, das zur Association mit
dem eisernen Beschlag an Mobeln fiihrt. Meistens aber druckt
man damit auch ein Urteil aus uber die Linien und Flachen,
die das Muster bilden, und redet von Beschlag nur da, wo
Blatt und Ranke, auch in stilisierter Form, verschwunden und
geometrische Bandmuster an die Stelle getreten sind 2 . Das
Bandwerk ist fur die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts wohl
das wichtigste Motiv der Dekoration. Seine grofie Bedeutung
gewann es in dem Moment, wo man erkannte, daB es sich
nicht blofi fur Fullungen, sondern auch als Randornament ver-
wenden lasse. Es erscheint mir unzweifelhaft, daB wir in der
kurz vor 1570 auftauchenden, ungemein rasch sich einburgern-
den Randdekoration der Bekronungen nichts anderes vor uns
haben, als eine Uebertragung der Bandmuster auf das ihnen
ursprunglich fremde Gebiet der Rahmenbildung. Vergleicht
man etwa an den Grafenstandbildern (Tafel 25) die Verzierung
des Sockels mit der Einfassung der kronenden Wappenschilde,
so springt die Uebereinstimmung in die Augen. Der Charakter
der Riemen oder Eisenbander scheint dieser Verwendung frei-
lich zu widersprechen, denn einmal bilden sie ursprunglich in
sich geschlossene Muster und dann sind sie als Reliefschmuck
einer F lac he gedacht. Beides wurde bei der neuen Verwendung
1 Gradraann. Wurtt. Franken, N. F. VI, 119: elm Ornament ist er
trocken mit seinen ewigen Beschlagmotiven »
2 Auf Zierflachen, die zwar dieselbe Rclieftechnik, aber Mauresken als
Muster zeigen, wird demgemaB der terminus Beschlag nicht anzuwenden
sein; Beispiele: die Dekoration des ornamentierten Randes an Nr. 22 und
10, die Flachen der Pilaster rechts und links der vorgelegten Hermen an
Nr. 36 vgl. Tafel 25).
— 201 —
unterdriickt. Man schuf schon innerhalb der Flachenfiillu ng
frei herausragende Bandenden*; und dann ging man daran,
das Band van seinem Hintergrund loszulosen und frei, als
durchbrochenes Rahmenwerk, an Schilde und Tafeln anzu-
fiigen*. Zu diesem Zweck muBten naturlich die Bander sehr
wesentlich verstarkt werden, so dafi man eher an holzerne
Balken als an geschmiedetes Eisen erinnert wird \ Diese
Ornamentform ist bezeichnend fur die Stilempfindung nordlich
der Alpen. Sie ist entstanden in volliger Gleichgiltigkeit
gegen den Charakter des Materials, des gedachten wie des
wirklich zu bearbeitenden. Die Absicht war, der Silhouette
der Denkmaler eine lebendige Bewegtheit zu verleihen. Nicht
den einheitlichen Schwung einer Volute sucht dabei das Auge,
sondern eine vielfaltige, nicht sofort zu ubersehende Menge
kleiner Bewegungszuge mit verschiedener Richtung; den Eindruck
malerischen Reichtums, nicht monumentaler Ruhe. Die ein-
zeinen Merkmale dieses «rahmenden Banderwerks>, die ich im
folgenden aufzahle, werden dies bestatigen.
1. Wesentlich ist ihm der Wechsel von geraden und kreis-
formig gebogenen Gliedern, ebenso die Unterbrechung des
Randes durch kleine, halbkreisformige Ausbauchungen, denen
in der Mitte dann ein Kreis entspricht (als aufgelegter Ring,
oder eingetiefte Blende oder durchgebrochene Oeffnung gebidet).
Diese Verdickungen treten be^onders, aber nicht ausschlieBlich
da auf, wo zwet Schenkel zusammenstoBen.
1 Deri (a. a. 0.. S. 65 : tHierauf wurde das in sich Goschlossene der
manreskcn Bandstrcifen dad'.jrch zprstort. daO man bei den Winkelbrcch-
an^en eincn Schenkel liber den andern hinauslanfen lieB und so die den
echten Maureskenbandern nnbekannren freien Endigrungen bekam.*
* Es ist von nnterjefeordneter Bedeutung, ob die Raiidver/.ierung nun
aoeli wirklich dnrchsichtigr fNr. 36i oder nur in so starkem Relief gegeben
ist, daB die Illusion des Freistehens entsteht (bei Senior Nr. 13 u. 6.). Das
letztere ist haufiger. hat aber seinen Grund in auBcrcn Verhaltnissen: ein-
mal lehnen sich die meisten Denkmaler nnmittclbar an eine Wand; und
dann ist ein ganz durchbrochen gearbeitetes Steinornament naturlich der
Zerstdrung mehr ausgesctzt.
H Gradmann spricht einmal von Laobsagearbeit Jnv., Jagstkreis I,
S. 50). urn das Ornament, fur das ein Name fchlt. zu bezeichnen. Goller
(Entstehnng der architektonischen Stilfurmon. S. 355) gebraucht den Aus-
drnck Stabwerk. an anderer Stelle <S. 357) «metallblechartiges Flach-
ornament.»
— 202 —
2. Nicbt wesentlich, aber bei Schlor regelmaflig sind
schmale Randleisten, die das vertiefte Band begleiten.
3. Sehr haufig geht nun dieses Ornament eine V e r-
bindung m i t zwei anderen Formgruppen
ein:
aj dem Rollwerk.
Wahrend die Bandformen alle in derselben Ebene liegen
wie die einzufassende Bekronungstafel usw., und lediglich den
Rand der Flache aufzulockern bestiramt sind, ubernimmt das
Rollwerk die Funktion, eine Bewegung aus der Tiefe naeh vorn
zu veranschaulichen. Ein biegsamer geschlitzter St off, vom
Rand einer hinteren Rahmenschicht hervorwachsend, schiebt
sich mit seinen Fahnen oder Zungen durch die Zwischenraume
der Bander hindurch. Die Zungen sind entweder nur nach
vorn aufgebogen oder richtig eingerollt.
b) mit einzelnen grottesken Elementen.
Das Bedurfnis nach malerischem uberquellendem Reichtum
fordert eine Belebung und Fullung des so entstandenen Ge-
riistes. Aus den Liicken drangen sich Buschel von Fruchten
hervor, oft an Schnuren aufgehangt, die durch die Locher der
Bandstiicke gezogen, an den Ringen befestigt oder auch von
Putten gehalten werden 1 . Als Mittelpunkte, um die sich das
ganze Muster herumlegt, erscheinen Kopfe vori Tieren und
Menschen, Wappentafeln, spater vor allem Reliefdarstellungen
der Auferstehung. Aber nicht blofi die Zwischenraume, sondern
auch die Bander oder Balken selbst werden verziert. An den
Kreuzungspunkten erscheinen Diamantbossen, Lowenkopfe,
Masken. Die aufiersten Randflachen wandeln sich zu Profil-
kopfen von Vogeln oder Menschen.
Die geschilderte Verbindung der Bandmuster mit Rollwerk
und grottesken Formen beschrankt sich nun charakteristischer
1 Wahrend bei Nr. H6 die wappenhaltenden Kiuderfigurchen auf eineiu
besonderen Postament neben den Schilden stehen, wachst bald folgerichtig
beides zasammen. Die Patten ubernehmeu eine Funktion and fugen sich
in deu UmriB der Bekronung ein; besonders charakteristisch in dem Gail -
dorfer Monument des Schenken Ohristof jrcst. 1574; das Den km a 1 aus
spaterer Zeit).
— 203 —
Weise nicht auf die Rahmenbildung, sondern sie wird auch fur
Flachenfullungen angewendet. Selbstverstandlich muB hier alles
mehr zusammengepreBt erscheinen : hochstens die Kopf e und
Bossen im Mittelpunkt ragen starker hervor 1 .
Das Epitaph Feierabend (Nr. 10), eine bezeich-
nete Arbeit, die sicher ins Jahr 1565 gehort, zeigt zu der
eben geschilderten Ornamentgattung erst schuchterne Ansatze.
Das einfache, in der Anordnung vornehnie und sympathische
Denkmal*, besteht aus einer Tafel, auf drei Seiten von einem
Rahmen mit maureskem Rankenmuster eingefaBt, rait der
vierten auf dem stark profilierten Sockel stehend. Daruber das
Gebalk mit der Jnschrift und als Abschlufl eine weibliche Maske
rait zwei seitlioh nach riickwarts sich rollenden Bandern. Die knie-
enden Figuren blicken nach dem rechts oben hangenden kleinen
Kruzifix. Der iiber den Sohnen freibleibende Raum ist durch ein
Tafelchen bedeckt, an dem eine Schnur herabhangt. Bezeichnend
ist die Rationalisierung der Formen : die Blatter und Ranken
naturalistischen Charakters sind verschwunden. Das Tafelchen
mit seinem einfachen Umrifi, die Symmetrie bei den herab-
hangenden Troddeln zeigen, daB Schlor zwar die Flachen zu
beleben wiinscht, daB ihm aber die geometrisch faBbaren
Linien zum Bedurfnis geworden sind: das knitterig bewegte
Schriftband ist abgetan.
Dem Feierabend nachstverwandt ist das Wandepitaph der
Maria Cleophae Stickel, geb. Leutrum von Ertingen (gest. 1564)
in der Tiibinger Stiftskirche (NordschiflF). Das kleine Grabmal,
das offenbar 1565 wahrend Schlors Anwesenheit in Tubingen,
wenn auch wohl kaum eigenhandig von ihm ausgefuhrt wurde,
fiigt sich hier ganz naturlich ein. Die Bekronung wiederholt
das Motiv von Nr. 10: auf die Flache der gerollten Bander
sind kleine Blatter aufgelegt, eine deutliche Nachwirkung der
unmodern gewordenen Ornamentik. Die Wappen am Sockel,
die Maureskenranken als Pilaster- und Zwickelfiillungen, der
i Beispiele: einzelne der Pilasterstilobate bei den Grafenstand-
bildern (Nr. 36). Unterer Teil der Halbsaalen an dem Jelinschen SchloB-
portal in Tubingen.
- Auch hier ist der Sandstein schon stark verwittert.
— 204 —
schlichte aber wohltuend naturliche Aufbau des Ganzen, weisen
alle auf dieselbe Herkunft. Dazu kommt, da6 das Figurliche
in den Stuttgarter Tafeln (Nr. 17) seine Parallelen findet 1 .
In Nr. 11 — 16, die in die Zeit von 1568—81 fallen, ohne
im einzelnen genau datierbar zu sein, ist die neue Dekorations-
weise fertig ausgebildet. Ja Schlor ist seiner Sache so sicher,
dafi er einzelne Motive neu hinzufiigt. Statt der umgerollten
Leder- oder Pergamentstreifen winden sich bei dem bezeich-
neten Werk Nr. 13 (Bronnhofer in Stockenburg) Schlangen urn
die festen Bandstticke. Dieser originelle Einfall wiederholt sich
soviel ich sehe nur noch einmal, an einem Denkmal in Kocher-
stetten (Nr. 12). Die Figuren dort tragen ganz den Schlor-
schen Typus und so wird man das Werk ihm mit Sicherheit
zuweisen diirfen*. Auch sonst sind die beiden Denkmaler
Nr. 12 und 13 verwandt: dem Reichtum der bekronenden Teile
entspricht hier noch eine Doppelvolute, die den seitlichen Ab-
schluB des Miltelstucks bildet und neben die senkrechte Linie
der Pilaster eine schwungvolle Bewegung setzt. Folgerichtig
endet dann Nr. 13 auch unten mit einem Wappen in ahn-
licher Rahmung. Die ganze Randdekoration schlieflt sich zu
einem Bildrahmen voll malerischer Abwechslung zusammen,
dessen Umrifi der Form des Ovals sich nahert. Man kann
voraussehen, dafi eine Fortentwicklung in dieser Richtung die
architektonischen Teile des Epitaphs, die doch auch als Rahmung
gedacht sind, zuruckdrangen wird. Schlor selbst hat jedoch
diese Bahn nicht weiter verfolgt. Wir finden die Randvoluten
schon bei Nr. 14 wieder aufgegeben; der Meister bleibt, wenn
auch mit Schwankungen, seinem ursprunglichen Brauch treu.
Es leitet ihn offenbar das richtige Gefiihl, daB es nicht mehr
moglich sein wird, ruhig knieende Figuren zur Geltung zu
bringen, wenn einmal die rauschende Pracht der Umrahmung
die Aufmerksamkeit absorbiert. Noch seine spateren Werke
1 Der knieenden Frau erscheint Gott Vater in Wolken; vor ihr liegt
auf einem Kissen ihr aotgeborenes ?; Kind; rechts im Hintergraud ein
Baum.
- Es daif rait Sicherheit angenommen werden. dafi das ganze Denk-
mal. das iibrigens sehr zerstort ist, trotz der Totesdatcn 1547 und 48, erst
nach dem Tod der dritten Dargestellten, 1568, entstanden ist.
— 205 —
(Nr. 31, 33, 34) zeigen, wie er auch dem reichen Grabmal
einen ruhigen und geschlossenen Umrifl zu erhalten strebt und
in dieser Absicht bis an die Grenze des Pedantischen und
Langweiligen geht.
Es bleibt noch iibrig die bisher nieht besprochenen Denk-
maler unserer Gruppe kurz zu charakterisieren. Das Epi-
taph Eisenmann (Nr. 14) hat K. Kopchen dem Meister
vermutungsweise zugeschrieben ; wie ich glaube mit Recht. Ob
freilich der Kopf ganz so aus Schlors Hand hervorging, wie
wir ihn vor uns haben, ist mir zweifelhaft. Auch die unteren
Partien des Gewandes mogen restauriert sein. Dagegen durfte
die Bandwerkdekoration, die oben die Inschrifttafel begleitet
und unten abschlieBt, fiir Schlor entscheiden. Eigentiimlich ist
das Fehlen des eigentlichen Sockels. Die Wappen stehen auf
den Kapitellen der ganz glatten Pilaster : sie uberschneiden die
Zwickel und unterbrechen so den Blendbogen : eine pikante
Belebung der Flache, die in Erinnerung an Josef Schmid 1 ent-
standen sein mag. Der Kruzifixus fehlt.
Der Josef Vogelmann (Nr. 11, s. Tafel) steht
innerhalb der Haller Epitaphien etwas fiir sich. Wir sehen den
Uargestellten anbetend knieen, wahrend rechts oben in den
Wolken Christus mit dem Kreuz in der Hand ihm erscheint.
Der Portratkopf ist sehr gut in Wirkung gesetzt: er ist mehr
als sonst nach vorn genommen und hebt sich von der prach-
tigen Draperie einer grofien Fahne ab, die gegen die linke
Schulter gestemmt ist. Die Tracht (Schuhe und Pluderhosen)
und ebenso sehr die geschmackvolle Anordnung, die den Ein-
druck der Enge wie den der Leere glucklich vermeidet, weisen
in die Nahe der spateren Denkmaler in Rieden und Oberroth
(Nr. 29 f.), die 1577 und 80 entstanden *. Die Dekoration, von
der nur Reste erhalten sind, ahnelt der von Nr. 14 und 16.
Die Zwickel nehmen wie bei Nr. 14 je ein Wappen auf, aber
1 Vgl z. B. dessen Hennshcimer Wcrk.
2 K. Kdpchcu, die den Zusammenhang der drei Wcrke richtig be-
stimmt, setzt (S. 87) das in Oberroth in die oOer Jahre. was die ganze
Eutwicklung Schlors auf den Kopf stellcn wurde. In Wirklichkeit starb
der dort Dargestellie nicht 1550, sondern 1580; das Denkmal ist nicht fruher
entstanden
— 206 —
hier, wo das Feld innerhalb des Bogens befriedigend gefallt
war, ist die Ueberschneidung sorglich vermieden. Der Meister
verwendet zwei langliche Zierschilde mit geschlitztem und auf-
gerolltem Rand, die sich elastisch den Zwiekeln anpassen 1 .
Von den beiden Epitaphien des Stattmeister
W e c z e 1 (Nr. 16) und seiner Frau (Nr. 15) zeigt das
letztere, wie Schlor einen ganz einfachen Entwurf im neuen
Stil gestaltet. Der Sockel enth< nur die Inschrift; er wird
durch ein einfaches Gesims mit Hohlkehle und Rundstab nach
oben abgeschlossen ; unterhalb der Schrift ist der Stein einfach
abgeschnitten, was wohl darauf hinweist, daB er ursprfinglieh
auf dem Erdboden aufstand. Die knieende Gestalt ist von einem
zart profilierten Bildrahmen auf drei Seiten umschlossen (vgl.
Nr. 10), das Bildfeld selbst durch einen Blendbogen begrenzt,
die Zwickel mit Beschlag gefiillt. Die Bekronung besteht nur
aus dem Architrav mit drei Wappenschilden und daruberher-
laufendem Gesims. Die Figur, in der Gewandung noch von
groBerer Steifheit als manche Vorgangerin, zeigt in dem weichen
vollen Gesicht, trotz der Zerstorung, Schlors Hand. Auch der
Entwurf in seiner unaufdringlichen Feinheit ist in dieser Zeit
ein Zeichen kunstlerischer Kultur.
Der Melchior Weczel (Nr. 16), der gegeniiber seinen Platz
gefunden hat, ist noch mehr verwittert. Das ist zu beklagen,
denn er ist technisch besonders sorgfaltig gearbeitet. Neue
Motive bringt er nicht, abgesehen von der hubschen Perlschnur,
die die Linie des Blendbogens begleitet. Der Dargest elite tragt
Schaube und Pluderhosen und kniet auf einem Kissen.
DIE ARBEITEN FUR DIE STUTTGARTER SCHLOSSKAPELLE
UND VERWANDTES.
Die zwolf Tafeln mit Reliefdarstellungen zu den Glaubens-
artikeln (Nr. 17) sind zwar nicht mehr an ihrer urspriinglichen
Stelle, am Altar der von Herzog Christoph erbauten Kapelle im
1 Die Urform dieser Schilde stellt vielleicht der bei Lichtwark (Orna-
mentstich, S. 18) abgebildete aus Diirers Triumphzug B. 139 dar. Ein weiterea
Bei spiel plastischer Verwendung bieten Baumhauers Brunnendenkmaler,
besonders das in Leonberg.
- 207 —
alten SchkiB, angebracht. Aber sie haben, wenige Schritte
davon entfernt, an der AuBenmauer gegen den Schlofihof zu
eine Unterkunft gefunden, die sie vielleicht bequemer zur Schau
stellt als ihr eigentlicher Bestimmungsort.
Der Erhaltungszustand ist verschieden, bei 1—3 sehr gut,
bei 4 ziemlich schlecht (auch abgesehen von den Erganzungen
fehlt viel\ bei 5 ist wenig erganzt, aber die Kopfe sind ver-
wittert, bei 6 ist die Verwitterung noch starker, bei 7 ist
manches abgebrochen, 8 — 10 sind im ganzen gut erhalten, 11
stark verwittert und bei 12 sehr viel abgebrochen und erganzt.
Glucklicherweise heben sich die erganzten Teile durch ihre
dunkle Farbe deutlich von den ubrigen ab. Nr. 7 tragt an
der rechten Seite des Eckpilasters Schlors Zeichen, eingeschlossen
von den Buchstaben S. S. (iibereinstimmend mit dem Siegel
auf Schlors Briefen), Nr. 8 am Sockel unterhalb der Inschrift
das Distychon:
Condidit hanc aram statuarius arte politam
Sem Schlor, impensas principe dante suas.
Die Hohe der Tafeln betragt 85 cm einschliefilich des
Sockels, die Breite der bildlichen Darstellungen zwischen den
Pilastern 40—45 cm, bei Nr. 8 nur etwas iiber 30 cm.
Das Unternehmen als Ganzes ist originell. Zum mindesten
stellt es eine eigentumliche Mischung alter Ueberlieferungen
und neuer Ideen dar. Die SchloBkapelle selbst nennt Dehio
«den fruhesten Bau auf deutschem Boden, der mit Ueberlegung
den besonderen Bedurfnissen des protestantischen Gottesdienstes
gerecht zu werden sucht'. Etwas von dieser bewufit prote-
stantischen Tendenz mag man auch in dem Entwurf unserer
Tafeln linden. Denn wahrend die mittelalterliche Kirche das
apostolische Symbol in seinen Verkiindigern, den zwolf Aposteln,
darstellt und jedem etwa durch ein Spruchband einen der
Artikel zuteilt, finden wir hier vielmehr eine Darstellung des
zu neuer Bedeutung gelangten I n h a 1 1 s der einzelnen Glau-
benssatze; die Namen der Apostel in der Unterschrift* zeigen 7
i Handbuch III, S. 489.
2 z B : «Der III. Artikel: S. Johannes.* Daranf der deutsche Text
des Artikels.
— 208 —
daij man den friiheren Brauch kannte und mit BewuBtsein vod
ihm abwich.
In den einzelnen Szenen freilich, in der Auswahl wie is
der Koraposition, zeigt sich die Macht der Tradition umso deut-
licher. Gewifi zum Vorteil des Ganzen. Szenen zu komponierea
ware Schlor wohl kaum imstand gewesen. In der Tafel, derec
Entwurf man aus inhaltlichen Griinden ihm zutrauen darf,
Nr. 9, wirkt das Ergebnis in all seiner Treuherzigkeit fdoch
komisch.
Die folgende Besprechung will den Gegenstand nicht er-
schopfen. Eine gerechte Wiirdigung der Leistung Schlors ware
nur moglich auf Grund einer genauen Vergleichung jeder Szene
mit der Vorlage, die der Meister vor Augen hatte. An dieser
Stelle, wo es sich um die Grabmalsplastik handelt, darf ieb
darauf umso eher verzichten, als die szenischen Reliefs ja
auch in der Entwicklung Schlors selbst eine vereinzelte Er-
scheinung sind. Auf keinen Fall lag hier seine Starke. Mir
machen die Tafeln vielmehr den Eindruck, als ob der Bildhauer
mit frischem Mut an die Sache herangegangen, dann aber an
der minutiosen Arbeit erlahmt ware. Die Sorgfallt der Aus-
fuhrung lafit nach den drei ersten Stucken entschieden nach.
Mit besonderer Liebe sind die dekorativen Teile
ausgefuhrt. Leicht verjungte, ornamentierte Pilaster, trennen
die einzelnen Bilder. Diese sind — ganz wie die Figuren aD
den Epitaphien — in einen flachen Blendbogen eingestellt, der
haufig nur bis zu den Kapitellen der Halbpilaster sichtbar ist.
wahrend der uniere Teil, der Trager, vom Relief bedeckt wird.
Der durchlaufende Sockel nimmt die Inschriften auf. Ein oberer
AbschluB fehlt naturgemaB. Die Fullungen der Pilaster zeigen
symmetrische Blattformen an geraden Staben, die aus GefaBen
aufsteigen, vielfach untermischt mit Trophaen, Stierschadeln,
Masken; einzelne auch ganz aus Trophaen gebildete Muster:
die Zwickel Ranken, gelegentlich auch Genien mit Fiillhornern
(Nr. 3) und Tierkopfe (Nr. 11). Das Pilasterornament ist zart
und delikat behandelt 1 , das Relief von geringer Tiefe und auf
1 Beispiele besonders die Stierschiidel, die iiber den Mittelstab aber-
greifenden Ranken die Ausfuhrung der Panzer rechts von Nr. 4 und a
— 209 —
lahe Sicht berechnet ; die mehr erhabenen Blattformen in den
Zwickeln zeigen noch eine starke Artikulation der Oberflache.
Das ganze Schmuckwerk fiigt sich also den Jugendwerken
zwanglos an. Techniseh steht es wohl am hochsten, nur das
Gundheimer Epitaph kommt ihm nahe. Die Auswahl der Formen
verrat ebenfalls, daB der Stilwechsel noch nicht eingetreten ist :
von Rollwerk und Beschlag keine Spur 1 .
Die Themata der szenischen Reliefs sind folgende (vgl.
Tafel 23):
1. Erschaffung Evas.
2. Anbetung des Kindes, im Hintergrund Verkiindigung
an die Hirten.
3. Verkiindigung an Maria.
4. Jesus von Pilatus (der sich die Hande wascht) weg-
gefuhrt Durch eine MauerofTnung sieht man Gol-
gatha.
5. Hollenfahrt. Hintergrund : Auferstehung.
6. Himmelfahrt ; oben Jesus thronend zur Rechten Gottes.
7. Jesus als Weltenrichter ; unten das Hollenfeuer.
8. AusgieBung des Geistes auf die Apostel; in ihrer
Mitte die Madonna.
9. Gemeinde beim Predigtgottesdienst. («Eine heilige
christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen*).
10. Taufe Christi. («Vergebung der Sunden»).
11. Die Auferstehung der Toten.
12. Das ewige Leben in Seligkeit und Verdammnis.
i Dem dekorativen Teil dieser Tafel nachst verwandt ist die von
Senior bezeichnete Wappentafel iiber dem Westtor des alten Schlosses
in Stuttgart |Nr. 18). Sie ist 1880 stark restauriert and erganzt worden;
insbesondere sind die beiden Gesimse im wesentlichen modern ; wenn auch
moglichst genau den noch erkennbaren alten Teilen nachgebildet Da die
drei Pilaster ein vegetabilisches Ornament aufweisen, das bei Schlbr nach
1565 nicht mehr vorkomrat, so war mir die fur die Entstehung angegebene
Jahreszahl 1570 (so Kleram, Wiirtt. Baumeister etc.. S. 147) immer ver-
dachtig. In Wirklichkeit ist sie blofi erschlossen aus einer Inschrift, die
fruher dort zn lesen war and bei Sattler (Top. I. S. 36) erhalten ist.
Diese Inschrift hat jedoch mit unserer Wappentafel, die ursprunglich wahr-
scheinlich an anderer Stelle angebracht war (^Staatsanzeiger 1880, S. 337)
nicht das geringste zu tun. Es ist nichts im Weg. wenn wir die letztere
in die Zeit setzen, wo Schlor fiir die Schlofikapelle arbeitete: also 1563.
Es erscheint ohnedies nicht wahrscheinlich, daB er wegen dieser kleinen
Arbeit nach Stuttgart berufen wurdc.
o. 14
— 210 —
Die Kompositioo verzichtet auf perspektivische Kunste,
wie sie an den gleichzeitigen Reliefs des Innsbrucker Maxi-
miliansgrabmals nicht selten sind. Aehnlich wie bei spatgoti-
schen Reliefs dieser Art ist der Hintergrund vom Vordergrund
streng geschieden und ofters zur Darstellung einer weiteren
Szene verwendet. Diese Hintergriinde sind bei Schlor durch-
weg in sehr kleinem MaBstab und ziemlich obenhin behandelt:
sie machen einen handwerklichen Eindruck. Die Hauptfiguren
haben — ebenfalls im AnschluB an den Reliefstil fruherer
Zeit — ubergroBe Kopfe von typischem Charakter. Die Eigen-
art des jungen Schlor in der Behandlnng der Mannerkopfe, be-
sonders der Haare, und der flachen breiten Gesichter (vgl.
Oppenweiler) tritt z. B. bei den drei bartigen Geslalten von
Tafel 2 zu Tage.
Am besten ist das Detail von Tafel 1— 3 l . Gott Vater,
dessen Ge wander vom Wind emporgeblaht werden, legt der
Eva, die aus des schlafenden Adams Seite hervorkommt, die
Hand auf die Schulter. Dem frischen Reiz der beiden Akt-
figuren, besonders des sehr jugendlichen Adam, der Naturlich-
keit der Bewegungen wird sich niemand entziehen *. — Bei Nr.
2 kniet Maria in der Mitte des Stalles, das Kind im Arm, den
Blick dem Beschauer zugewendet, hinter ihr sind Ochs und
Esel, gleichfalls knieend, sichtbar, rechts an der Mauer die
Krippe. Zu den Fenstern blicken die Hirten herein, der eine
liipft gruBend den Hut, der andere faltet die Hande, Hinter
der niedrigen Mauer rechts im Vordergrund schaut Josef dem
Vorgang zu. In der Sorgfalt, mit der die Kleiderfalten ausge-
breitet sind, in der reizvollen Umrahmung des Gesichts der
Madonna, deren gewelltes Haar unter dem Kopftuch wieder
zum Vorschein kommt, zeigt sich eine Fahigkeit der Kleinmalerei,
die in Anbetracht des sproden briichigen Materials alle Aner-
kennung verdient.
Auch die «Verkiindigung» zeigt, ganz abgesehen von dem
MaB ihrer Uebereinstimmung mit der (wohl italienischen) Vor-
lage, unleugbar bildnerische Vorzuge. Das Thema ist vornehm,
1 Auch hier sind die Hintergrunde auszunehmen.
9 Das eine Bein des Schlafenden ist allerdings zu lang geraten.
— 211 —
beinahe ktihl behandelt, unter Verzicht auf eine genauere
Schilderung der Raumlichkeit. Rechts kniet Maria am Bet-
stuhl, iiber den ihr langes Gewand in knitterigen Falten
herabfliefit. Mit eleganter Gelassenheit wendet sie den Kopf
iiber die Schulter zuriick, um die unerwartete Botschaft des
Engels zu vernehmen. Dieser selbst x kommt eilig von links
heran und ist im BegrifT sich auf die Kniee niederzulassen.
Die Falten des schweren StofTs der Dalmatica wie die des
Untergewands sind recht naturlich herausgebracht. An der
Ruckwand hinter Maria steht eine kissenbedeckte Bank oder
Truhe mit hoher Rucklehne, deren Einfassung ausgesprochenen
Renaissancecharakter tragt; oben erscheint, wie ofters bei
der Szene, Gott Vater in den Wolken. — Die Gestalt der Ma-
donna ist eine der anmutigsten Sehopfungen Schlors, dem ja
uberhaupt der weibliche Typus besser gelang. Merkwiirdig ist,
wie sicher hier die Bewegung des Oberkorpers wirkt, nicht im
geringsten erzwungen oder im Raum beengt, sondern mit na-
turlicher Grazie. Und das Gesicht — so gewiB man seelische
Tiefe hier nicht finden wird, es ist doch als jugendlicher
Frauentypus wieder mit erstaunlicher Frische und Unmittel-
barkeit gesehen!
Aus den folgenden Tafeln, die in der Komposition und in
den Einzelheiten fliichtiger sind, heben wir ein paar Ziige
heraus, die fur Schlor charakteristisch erscheinen, Sehr an-
schaulich ist der descensus ad inferos (Nr. 5; ; wie Christus
nicht hoheitsvoll sondern teilnehmend und wieder mit einer
gewissen Eile die Stufen hinabschreitet und sich den Hervor-
kommenden entgegenbiickt. Derb realistisch die Gestalten im
Hollenfeuer (Nr. 7), von schlagender Charakteristik der paus-
backige Monch ganz rechts. Wahrend Nr. 8 (AusgieBung des
Geistes) ganz in den Bahnen der Tradition wandelt, war bei
9 (Kirche) ein neuer Typus zu schaffen, der dem protestan-
tischen Bewufitsein gerecht wurde. Schlor unternimmt daher
das Wagnis, in seinem Reliefbilde das Innere einer protes-
tantischen Kirche wahrend der Predigt vorzufiihren : ein go-
1 Der Kopf ist wie bei der analogen Figur von Gott Vater in Taf. 1
eine Erg&nznng.
- 212 —
tischer Chor, an der Ruckwand der einfache Altar, daruber
vor dem Fenster ein groBes Kruzifix. An der Wand rechts
die balkonartige Kanzel mit dem Prediger im vollen Ornat Die
Zuhorer sind nach Geschleehtern getrennt, die Manner stehen
an der linken Seitenwand, die Frauen sitzen im Vordergrund.
Dafi sie dem Beschauer den Riicken zuwenden, war unter
diesen Umstanden nicht zu vermeiden. Schlimm aber ist die
schematische Anordnung von zwei Reihen haubenbedeckter
Kopfe, ohne den geringsten Versuch, Bewegung und Abwechs-
lung in die starre Masse zu bringen. Bei den Mannern finden
wir wenigstens schuchterne Ansatze dazu; einer von ihnen
(wohl der Herzog) ist sogar aus der Reihe herausgenommen
und lauscht in lassiger Haltung, die Ellbogen auf den Altar
gestutzt l .
Das Ganze ist ein origineller Versuch, vielleicht auf Ver-
anlassung der Theologen unternommen; aber er muBte
scheitern. Man sieht hier so recht, wieviel Arbeit dem Meister
bei den anderen Szenen abgenommen war, fur die im Lauf
von Jahrhunderten eine Typik der Darstellung sich ausgebildet
hatte. Trotzdem ist der grofle Abstand der Qualitat wohl nur
so zu erklaren, dati dem Meister bei seinen fruchtlosen Ver-
suchen das Thema zu gestalten, die Geduld ausging: die Aus-
fuhrung der Einzelheiten ist auBerst roh und diirftig.
Schlor ist ganz in seinem Element eigentlich nur bei den
rahmenden Schmuckteilen. Bei den Szenen dagegen, wo er
die Nachahmung alter Muster nicht vermeiden konnte, erlag er
der Gefahr alles Archaisierens : er erlahmte. Man merkt den
spateren Tafeln die innere Gleichgultigkeit an. Daruber konnen
auch einzelne gute Einlalle nicht hinweghelfen.
Mehr nach Schlors Sinn wird der Auftrag eines lebens-
grofien Kruzifixus gewesen sein, das hinter dem Altar
der SchloBkapelle angebracht werden sollte (Nr. 19, s. Tafel).
Es befindet sich jetzt mit einigen Epitaphien zusammengeordnet
in einer Art Kapelle auf dem Friedhof von Neuhausen. Der
Erhaltungszustand ist gut.
Gerade bei dieser Figur ist der Kopf im Relief ganz mifilungen.
— 213 —
Wir sehen ein aus sehr starken Balken gefugtes Kreuz,
das der Meister geflissentlich als Holz charakterisiert : lange
Spriinge ziehen sich der Faser entlang, an mehreren Stellen
ist von der Kante scheinbar zufallig mit dem Messer ein Stuck
abgesehnitten. An der Vorderseite die Jahreszahl 1563. Der
Korper des Gekreuzigten ist muskulos, die Formgebung recht
allgemein; besonders stark tritt das schematische Geader hervor.
Die ausgereckten Arme sind im Verhaltnis etwas diinn; der
Oberkorper erscheinL fest an den Stamm angeprefit, der Kopf
neigt sich mit steifer Bewegung nach vorn. Von einem Aus-
druck der Milde oder Hoheit kann keine Rede sein. Das Phy-
sische wiegt zu sehr vor. Der geoffnete Mund, der genaue
Parallelen in Schlors Jugendwerken hat, zeigt, daB der Moment
des Todesschreies dargestellt werden soil. Gesicht und Ober-
korper sind noch sehr glatt, die Augenhohlen flach, das Haar
regelmaSig gestrahnt. Zwei steife Locken fallen auf die Schul-
tern. Tas Lendentuch ist vorn in der Mitte geknotet und fallt
nach aufien in zwei ziemlich gleichen ruhigen Abwartsschwungen.
Aus dem Dorngeflecht ragen eiserne Nagel hervor.
Der erste Eindruck ist der eines derben Naturalismus, der
an dieser Stelle etwas Ersehreckendes und zugleich Erkaltendes
hat. Eine gewisse Wucht ist dem Ganzen nicht abzusprechen,
allein es laBt sich nicht leugnen, dafi besonders in dieser ersten
Formulierung des Themas der Meister doch recht auBerlich ge-
blieben ist.
Schlor hat, soweit ich sehe, noch zwei Variationen
gegeben, das Kruzifix auf dem Friedhof zu Hall, das
mit 1565, und das in der Stockenburger Kirch e,
das mit 1573 datiert ist. Man wird, da das Neuhauser
Kruzifix so gut wie urkundlich gesichert ist, diese beide eben-
falls auf ihn zuruckfiihren mussen.
Das in Hall (Nr. 20, s. Tafel) steht naturgemafl dem be-
sprochenen am nachsten. Die naturalistische Behandlung des
Stammes geht hier noch weiter: er besteht aus einem dicketi
Unterteil und einem langeren diinnen Oberstiick, an dem sich
die Jahreszahl befindet. Unten sind die Kanten abgeschragt,
und unregelmaBige Furchen und Astansatze angebracht. Zu den
kiinstlichen Spriingen hat die Zeit hier noch natiirliche gefiigt.
— 214 —
Die allgemeine Charakteristik des Korpers ist dieselbe, die
Arme wirken auch hier holzern; doch das Gesicht zeigt, ins-
besondere um den halbgeoffneten Mund, feinere Zuge. Das mit
Schnuren zusammengehaltene Dornengeflecht ist eine sehr gute
Arbeit. Von dem Lendentuch, das zwischen den Schenkeln
durchgezogen ist, sind die aufieren Endigungen abgebrochen.
Das Stockenburger Exemplar (Nr. 21), laut Inschrift 1573
von Konz von Vellberg bestellt, untersoheidet sich von den
friiheren vor allem durch eine groBere Sorgfalt und Ausfuhr-
lichkeit in der Behandlung der Einzelheiten. Im Studium der
Muskulatur hat der Bildhauer bemerkenswerte Fortschritte ge-
macht. Der krampfhaft gestreckte rechte FuB zeigt, charakte-
ristisch fur den Geist des Ganzen, an der Stelle wo der Nagel
eingeschlagen ist, sehr ausfiihrlich die klaffende Wunde mit
den angeschwollenen Randern. Die Enden des Tuchs erhalten
jetzt rechts und links eine verschiedene Richtung, werden aber
vorsichtig wieder an den Korper herangefiihrt. — An innerem
Gehalt wird auch hier kaum mehr gegeben als der Ausdruck
korperlichen Schmerzes. Der Kopf mit dem immer noch etwas
platten Gesicht scheint herabgesunken und im Schmerz wieder
etwas emporgerichtet zu sein.
Der Grofie des Themas zeigt sich Schlor nicht ganz ge-
wachsen. Aber was er gibt, ist gesund und tiichtig, frei von
jeder unlauteren Theatralik. Mogen wir in seinem Christus
die Empfindung fiir das Seelische vermissen, so durfen wir ihm
doch zugestehen, daB seine handfeste Derbheit sich niemals ins
Rohe und Gesuchte verirrt. Bemerkenswert ist, daB gerade
naturalistische Einzelheiten, wie die breiten rissigen Holzbalken,
der offene Mund, die gespannten Arme und Beine sich schon
bei dem 40 Jahre alteren Kruzifix des Loy Bering J finden. Man
wird hier — im Gedanken an Grunewald und altere Vorbilder
in der Malerei — von einer spezifisch deutschen Tradition
sprechen durfen.
i Ira Eichstatter Mortuarium. Abb. bei Mader, S. 58. 113.
— 215 -
GRABMALER in tumbenform.
Fur das Denkmal der Herzogin Sabina, uber
dessen Entstehungsgeschichte oben das Aktenmaterial mitgeteilt
wurde, stand die Form von vornherein fest : die Darzustellende
hatte bei Lebzeiten den Platz neben ihrem Gemahl fur sich be-
stimmt, dessen Tumba von der Hand Josef Schmids seit 1551
im Chor der TQbinger Stiftskirche stand. Es kommt dazu, dafi
dem Bildhauer ein «gemaltes Muster> vorgelegt wurde 1 , d.h. eine
getuschte Skizze, auf Grund von der er sich uber seine Preis-
forderung zu auBern hatte. Obgleich nun nach den Begriffen
der Zeit keine MiBachtung des Meisters darin lag, daB er fiir
den ersten Entwurf nicht herangezogen wurde 2 , so begreift man
doch, daB Schlor, der damals durch seine Ansbacher Arbeiten
ohnehin sehr in Anspruch genommen war und kaum Zeit fur
Tubingen fand, diesem Werk nicht das gleiche Interesse ent-
gegenbrachte, wie den ubrigen herzoglichen Auftragen. Die
schnelle und etwas gleichgiiltige Herstellung des Ganzen verrat
sich deutlich. Schlor hat sich wohl in der Hauptsache auf die
Figur beschrankt und die Ausfuhrung des Debrigen Gesellen-
handen uberlassen 8 .
Die Herzogin liegt, wie die anderen, die Hande betend an-
einander gelegt auf der Deckplatte. Das Kissen, mit Mauresken
in enger Fiillung ornamentiert, ist uber das vertiefte Innenfeld
hinausgeschoben, um das Haupt noch hoher heraufzubringen.
Von der machtigen Haube fiihren die Klagbander herab, die
untere Halfte des Gesichts verdeckt das Kinnband, das mit
Stecknadeln an der Haube befestigt ist. Ein einfaches Gewand
mit gepufften Aermeln umschlieBt die Gestalt. Es verlauft in
ruhigen oft nur angedeuteten, unten leicht gestauten Falten von
geringer Tiefe; es scheint, als habe der Kunstler die ganze
Partie moglichst unbetont lassen und nur einen unbestimmten
Gesamteindruck schaffen wollen, an dem das Auge nicht haften
1 Dret8ch8 Brief bei v. Ranch, a. a. 0., S. 417.
* Vgl die Kapitel uber Paul Mair.
9 Vgl. spezieli iiber die Eckhirsche das oben S. 34 f. Gesagte. Sie
sind den Schmidschen nachgebildet und haben nur vollere Haarbiischel
und kleinere, etwas emporgerichtete Kbpfe.
— 216 —
bleibt. Das ist ihm fast zu gut gelungen, Das Ganze ist ge-
schickt aber ziemlicb nichtssagend l . Der Kopf dagegen wirkt.
Man vergifit ihn nicht so leicht. Mit uberraschender Sicherheit
hat der Meister auf dem geringen Raum zwischen Kinnband und
Haube ein individuelles Gesicht zu gestalten gewuBt, in dessen
Charakteristik man nichts Wesentliches vermiBt: eine hagere
alte Frau mit energischen aber unsympathischen Zugen. Man
glaubt den stechenden Blick zu spiiren, der aus diesen Augen
kommen mufi, so sicher hat der Meister das Knochige, Kantige
herausgearbeitet. Die dunnen Nasenfliigel, die scharfe Falte, die
zu den Mundwinkeln hinabzieht, erlautern und verstarken beim
Nahertreten diesen Eindruck. Ob Dretsch die Herzogin, die er
natiirlich gut gekannt hatte, besonders ahnlich fand, wenn er
1573 das Grabmal fur «sonderlich wohl gemacht* erklart? Fast
mochte man es glauben. Von dem alltiiglichen Beiwerk konnte
er wohl kaum entzuckt sein.
Die einfache Tumba in Tubingen war fiir Schlor eine Art
Vorstudie zu dem prachtigeren Grabmal, das er fiir den Mark-
grafen Georg Friedrich von Ansbach in der Kloster-
kirche zu Heilsbronn, der alien zollerischen Grablege, zu
bearbeiten hatte. Auf Grund von Schlors brieflichen Angaben
hat v. Rauch festgestellt, daB Schlor von Georg Friedrich mit
der Erneuerung des von Friedrich V. im 14. Jahrhuiidert ange-
legten Grabmals beauftragt wurde, die, wie man aus anderen
Nachrichten weiB, 1566 — 68 stattfand. Graf Stillfried*, der das
Werk beschreibt, kennt den Namen des Bildhauers nicht.
Schlors Urheberschaft wird durch die Arbeit selbst genugend
bezeugt. Wir haben ein Hochgrab vor uns, zu dem man in
drei Stufen emporsteigt. Die auf der Tumba liegende Ritterge-
stalt ist Georg Friedrich selbst, dargestellt im besten Mannes-
alter 3 . Das Haupt liegt auf einem Kissen, die Hande sind ge-
1 Aach das Lamm zu FiiBen der Ruhenden, das halb aaf die Seit«
gelegt ist, vermag die Aufmerksamkeit nicht aaf sich zu ziehen: die Be-
wegung ist nicht recht aberzeugend, der Tierkorper anatomisch eine ge-
ringe Leistnng.
2 Kloster Heilsbronn, Berlin 1877, S. 162 ff. Abbildungen im Anhang
des Works : die Figur des Markgrafen von oben gesehen, die acht Statuetten
einzeln aaf zwei Tafeln.
3 Er starb erst 1603.
- 217 —
faltet, die FiiBe gegen einen Lowen gestemmt: die Anordnung^
ebenso wie die ornamentierte Riistung ganz \frie bei den Tiibinger
Denkmalern, nur der Helm liegt hier rechts von der Figur. Die
Stelle zu Hauplen ist von zwei heraldischen Lowen eingenommen,
die eine rechteckige Inschrifttafel halten. Ihr Rand, als Balken
gebildet, zeigt breite Locher, dureh die sich an der Vorder- und
Ruckseite aufgerollte Bander schlingen. Die Bekronung, derb
aber originell, besteht nur aus einer Muschel zwischen zwei
Bandendigungen. An den Ecken der Deckplatte halt je ein
stammiger ungrazioser Genius zwei Wappen, die er auf den
Boden stiitzt; hier ist Schlors Hand unverkennbar.
Die Seiten des Sarkophags sind im ganzen in acht Felder
eingeteilt, jedes enthalt ein Wappen, der Rand maureske
Ranken. Dazwischen stehen acht Statuetten (6 mannliche und
2 weibliche) von der Hohe des Sarkophags, Ahnen des raark-
graflichen Hauses aus dem 14. und 15. Jahrhundert darstellend.
Graf Slillfried, der sie identifiziert hat, nimmt mit Recht an,
daB wir hier Nachbildungen von Teilen des alten Denkmals
vor uns haben. Immerhin miissen die alten Stiicke stark zer-
stort gewesen sein, wenn man sich zu einer Neuanfertigung
entschloB, und so hatte der Bildhauer trotzdem freien Spielraum.
Er hat sich angelegen sein lassen, die alten Trachten und
Rustungen, die undulierenden Saume und Falten der gotischen
Frauengewander, die Ausbiegung der einen Hufte nachzuahmen.
Aber das Ganze macht einen frostigen Eindruck. Soweit die
dick aufliegende Farbe ein Urteil zulaBt, hat der Meister rasch
und sorglos gearbeitet. Dasselbe gilt von dem ganzen Schmuck
der Deckplatte. Es ist das einzige Werk aus Schlors Hand,
das so, wie wir es vor uns haben, trotz der beherrschendeu
Stellung im Mittelschiff der Kirche, trotz des pomposen Aufbaus
ebenso langweilig als unfein wirkt.
Das letztere ist vor allem auf die rohe Neubemalung von
1893 zuriickzufuhren, die dem Werk sehr geschadet hat und
ein genaueres Studium unmoglich macht. Es ist sehr wohl
moglich, daB im 19. Jahrhundert auch ein Bildhauer das Ganze
iibergangen hat. In seiner jetzigen Erscheinung vermag es'
jedenfalls dem Bid unseres Meisters keinen neuen Zug hinzu-
zufiigen.
— 218 —
Das ganz bemalte Denkmal des Grafen Albrecht von Hohen-
lohe (Nr. 24), hat letder ebenfalls infolge der Restauration l an
urkundlichem Wert stark eingebuBt. Das MaB der Erganzungen
ist nicht raehr festzustellen. Statt der Sarkophagform haben
wir hier eine Art Tischgrab. Eine auf dem Erdboden liegende
Platte, der eigentliche Grabstein, enthalt ein groBes Wappen in
Hochrelief mit doppeltem Helmkleinod, dariiber eine Inschrift in
ganz einfachem rechteekigen Rahmen. An den vier Ecken der
Platte hoeken vier Krieger in romischer Tracht (Helm, Leder-
panzer, kurzes Schwert an einem Riemen, Sandalen, die Beine
nackt) und tragen auf ihren Schultern die obere Platte. Die
Haltung ist bei alien gleich. Auf das auBere Knie haben sie
sich niedergelassen, die auBere Hand ist in die Hiifte gestemmt,
die andere ruht auf dem aufgesetzten Knie. Es sieht aus, als
habe der Kunstler ein bestimmtes Muster einfach wiederholt;
kaum daB in den Barten der Krieger kleine Verschiedenheiten
zu bemerken sind.
Oben auf der Deckplatte ist auBen ein etwa 20 cm breiter
Rand gelassen, der Inschriften (Bibelstellen) aufnimmt. In der
Mitte erhebt sich das (rotej Paradebett; darauf der Ritter, unter
dem Haupt ein machtiges, dunkelgrunes Kissen, ornamentiert
mit leicht eingeritzten Blattmustern, das noch durch eine rote
Rolle unterstiitzt und hoher gehoben wird.
Die ritterliche Tracht des Liegenden ist die Plattenrustung
mit den Ornamentstreifen, die seit 1550 ziemlich allgemein auf
den Grabmalern erscheint. Als Zeichen der fortgeschrittenen
Mode tritt hier die Halskrause hinzu. Der Helm ruht zur Rechten
(wie in Heilsbronn), das Schwert ist links angeschnallt. Der
Lowe als unterer AbschluB fehlt.
Das Haupt des jungen Grafen mit dem vollen gelockten
Haar und dem kurzen Vollbart, hat regelmaflige, nicht unedle,
aber sehr allgemeine Ztige. Den friiheren Schlorkopfen ist es
unahnlich, insofern die Erhohungen und Vertiefungen des Ge-
siehts stark betont sind. Schlor hat, wie bezeugt wird*, sich
J*. J 1844 durch Professor Wagner.
* Vgl. die von Bossert mitgeteilten Aktenaasziige, Schwab. Chr. 1882,
5. 105.
— 219 —
grofie Miihe gegeben, um die Aehnlichkeit herauszubringen. An
dem fremdartigen Eindruck mag vor allem die Farbe schuld
sein: das Gesicht hal jetzt einen beinah dunkelbraunen Ton,
auf den Wangen etwas hellere rotliche Partien. Auch die
Rustling ist nicht wie bei den Tiibinger Denkmaler graugriin,
sondern zeigt ein rot schimmerndes tief dunkles Braun; die
Ornamente sind wie sonst vergoldet. Im Gegensatz zu diesen
satten Farben ist dann die Bemalung der Tragerfiguren durch-
weg heller, auf einem grauen Grundton aufgebaut.
Ich wage nicht zu entscheiden, wie weit diese Bemalung
der ursprunglichen, von dem «Stuttgarter Hofmaler*, d. h. von
Hans Steiner gelieferten entspricht. Moglich ist es schon, daB
man die starken Farben etwa mit Rucksicht auf sparliches
Licht am Ort der Aufstellung gewahlt hat 1 .
Wir werden bei den Werken dieser Gruppe in das Lob der
Zeitgenossen nicht einstimmen konnen. Sie sind frei von den
Ungeschicklichkeiten der Jugendwerke, aber es fehlt ihnen auch
die Unmittelbarkeit jener bescheidenen Denkmaler. Der Kiinstler
tritt sicher und gerauschvoll auf, aber man wird den Eindruck
nicht los, daB er nicht imstand war, die anspruchsvolle Form
mit einem wirklich bedeutenden Inhalt auszufullen.
GROSSERE EPITAPH1EN (NACH 1570).
Was uns an Epitaphien aus Schlors spateren Jahren (seit
1570) zu besprechen noch tibrig bleibt, sind Werke aufierhalb
Halls, alle von etwas groBeren Dimensionen als die biirgerlichen
Denkmaler an der Michaelskirche.
Das Talheimer Denkmal (Nr. 25), nicht bezeichnet, aber
durch Schlors eigene Angaben gesichert, setzt den Typus von
Nr. 13 (Bronnhofer) fort: es ist ein oben und unten mit einer
Kartusche abgeschlossenes reines Wandepitaph. Die tragenden
Konsolen sind bei Nr. 13 als Fratzen, hier als Lowenkopfe
gebildet. Die Kartuschen, je mit einem Kopf 2 als Mittelpunkt,
> Fur die Bemalung des Gesichts in Naturfarben gibt es sicher echte
Beispiele, so die aus dem gleichen Jahr stammcnde Tumba der Prinzessin
Eva Christina in Tiibingen.
* Der untere fehlt, der obere ist vielleicht iiberarbeitet.
— 220 -
sind von reinem Rahmenbandwerk begleitet. Fruchtbuschel
finden sich nur an einer Stelle der Bekronung. Die beiden
Sockelwappen sind in der Mitte zwischen zwei Inschriften
angebracht, die Pilaster enthalten je vier Wappen, der Architrav
eine Inschrift, die Zwickel Beschlagmuster.
Die Figuren, die zur Seite des fjetzt verschwundenen.)
Kjuzifixus knieen, nahern sich dem spateren Typus : das Haar
wird wolliger, bei den Mannern tritt zu der Untersetztheit eine
auffallende Korpulenz 1 . Die ganz mechanischen Parallelfalten
der Frauenkleidung verschwinden : das natiirliche Fallen des
Stoffs, wird, freilich noch ziemlich fluchtig und ungelenk,
wiedergegeben.
In Oberstenfeld haben wir in dem Grabmal des Wolf von
Weiler und seiner Gattin das Beispiel eines noch mehr in die
Breite gehenden reicheren Entwurfs. Bezeichnend ist vor allem
der Sockel. Das Denkmal ist nicht aufgehangt, sondern mit
dem Erdboden durch einen glattbehauenen Untersatz verbunden.
Der eigentliche Sockel weist an den Seiten trotzdem eine volu-
tenformige Einziehung auf, auBerdem als unteren AbschluB in
der Mitte ein Doppelwappen in runder Kartusche. Die male-
rische Tendenz, das Denkmal unten wieder schmaler werden zu
lassen, ist unverkennbar 2 .
Der Bildstock (in der Kapelle der Burg Lichtenberg), eine
feine und gut erhaltene Arbeit mit der Jahreszahl 1573, kann
sehr wohl ein eigenhandiges Werk Schlors sein. Eine genauere
Besichtigung war mir wegen der ungiinstigen Lrchtverhaltnisse
bis jetzt nicht moglich. Die Abbildung im Inventar (Neckar-
kreis) ist nur fiir das Ornamentale, nicht fur die Figuren zu
verwerten.
Die drei Denkmaler Nr. 28—30 (Kocherstetten, Rieden,
Oberroth) wird man deshalb Schlor zuzuschreiben haben, weil
1 Letzteres wird gegen das Ende des Jahrhunderts in Franken uber-
haupt die Kegel: vgl. Braunsbach, Stockenburg (das Monument im Chor),
Lendsiedel und besonders Gaildorf und Grailsheim.
8 Der Erhaltungszustand des Denkmals — es ist verstummelt und
uberschmiert — macht eine eingehendere Besprechung unmoglich. — Das
gegenuberliegende Kinderdenkmal, das v. Rauch ebenfalls dem Schlor geben
will, ist von anderer, spaterer Herkunft.
— 221 —
die Unterschiede von den Jugendwerken, die zweifellos vorhan-
den sind, auch an gesicherten Spatwerken -Nr. 36) zutage
treten. Schlors Entwicklung nahm seit den 70er Jahren eine
Richtung auf das Korrekte und Akkurate in der Ausdrucks-
weise, die zunachst fremd beruhrt. Aber die Ansatze dazu
sind schon frtih vorhanden; und in Wahrheit ist es mehr die
groBere GleichmaBigkeit der Arbeit, die den neuen Eindruck
hervorruft.
Der Eberhard von Layen (Nr. 28), ein leider durch Ueber-
malung entstelltes Werk, zeigt die Kehrseite dieses Fortschritts:
er wirkt unzweifelhaft etwas langweilig und unpersonlich. Allein
man muB sich gegenwartig halten, wie die ganze Entwicklung
dahingeht, eine gesteigerte Vornehmheit der Epitaphien zu er-
^ielen. So wird es verstandlich, dafl insbesondere die Gesichter
im letzten Drittel des Jahrhunderts immer mehr auf einen
bestimmten Typus modischer Vornehmheit hin stilisiert wurden.
Diesen Anforderungen hat sich auch Schlor nicht entzogen,
vor allem da nicht, wo es sich urn einen ihm unbekannten
Verstorbenen handelte. In unserem Fall hat schon die reine
Profilstellung der Figur etwas Unpersonliches. Und wie ge-
messen ist die Haltung des Kopfes: auch beim Beten soil der
Mann offenbar aus seiner vornehmen Reserve nicht heraus-
treten. Fast mochte man diese Wendung zum Reprasentativen
auch in dem Lowen erkennen, der zwar noch die bei Schlor
beliebte beinahe frontale Stellung zeigt, aber ganz statuarisch
leblos geworden ist. Die reine Eisenriistung ist hier noch ge-
blieben (1572!); bei Nr. 29 und 30 wird an Beinen und Armen
der weiche Stoff sichtbar.
Architrav und Zwickel tragen ein reiches Beschlagmuster.
Der Eierstab unterhalb des Gesimses, die Hermen als Einfassung
der Inschrifttafeln sind Bereicherungen des dekorativen Apparats.
Nr. 29 und 30 sind mit weniger Aufwand hergestellt,
aber die kiinstlerische Absicht ist unverkennbar die gleiche.
Was dort durch mehr Schmuck erreicht wurde, strebt der
Meister hier in kleinerem MaBstab durch die Art der Raum-
fiillung an : die Figur hebt sich von der grofien glatten Hinter-
grundsplatte imponierend ab ; rings urn den Kopf ist viel leerer
Raum gelassen.
— 222 —
Im allgemeinen stehen Nr. 29 und 30 einander uberaus
nahe, so da6 man schon beira Vergleich der Abbildungen auf
dieselbe Hand schliefien wird. Die Besichtigung an Ort und
Stelle zeigt, daB Nr. 29 geringer ist*. Vor allem der ganz im
Profil gegebene und gleich hinter der Mitte abgeschnittene
Kopf klebt unfrei am Hintergrund; auch die Hande verraten
weniger Sorgfalt. Die Bekronung zeigt ein Wappenrelief io
Rundbogen-Umrahmung, ein Motiv, das bei den Grafen-
standbildem wiederkehrt. Nur sind bier in Rieden die be-
gleitenden Band- und Rollwerkformen noch recht ungeschickt
komponiert .
Bei Nr. 30 ist die Figur so glucklich und frei hingesetzt,
dafi sie fCir sich allein vornehm zu wirken imstande ist : der
Meister konnte hier ohne Bedenken die Umrahmung auf das
allergeringste Ma6 einschranken- Ein gut profilierter Blendbogen
faBt die Figur, am Sockel und Architrav flankieren je zwei
kleine Wappenschilde eine Inschrift. Den oberen AbschluB
bildet ein stark ausladendes Gesims. Das Knieen der Figur,
die zu Dreiviertel aus der Wand hervortritt, ist durchaus frei
und ungezwungen, die Behandlung des Gewandes naturlich
und sicher, ohne ins Minutiose zu verfallen. Dem Kopf, der
geschickt nach vorn genomtnen und so vom Hintergrund gelost
ist, sieht man an, dafi er die Portratahnlichkeit in den Haupt-
zugen wahrt, ohne sie zu unterstreichen und ohne sich auf feinere
Details einzulassen. Der kleine Kruzifixus verrat wenigstens
in der Behandlung des Oberkorpers den routinierten Meister.
Vergleicht man die Stockenburger Anfange (1556) mit
diesem Denkmal (1580), so wird man urleilen mussen, daB der
Meister an Geschmeidigkeit und Klarheit des Ausdrucks bei
weitem soviel gewonnen, als er an Frische und Urwuchsigkeit
verloren hat 2 .
' Es ist auch das altere Werk. Der jetzige Eindruck leidet ubrigens
unter der Ueberschmierong mit rotlicher Farbe.
8 Zwei (im Figiirlichen geringer e, daher wohl kaum eigenhandige)
Arbeiten gehoren eng mit Nr. 29 u. '60 zusammen : es sind in der Johannis-
kirche in Crailsheim die Epitaphien der Apollonia Horneokin von Hornberg
(gest. 1581) and des Michael von Rinderbach (gest 1573) und seiner Ge-
mahlin (gest. 1584).
- 223 -
Das Werk in StraBdorf (Nr. 31) gehort oflenbar audi
noch in die 70er Jahre 1 . Nach den Einzelheiten, vor allem in
der Behandlung der mannlichen Figur, stellt es stilistisch eine
Vorstufe zu Nr. 30 dar.
Der Aufbau zeigt das alte Schema des Doppelepitaphs
urn ein ganzes Stockwerk bereiehert. Zwischen Figurentafel und
Bekronung ist — ein Ersatz des Kruzifixus zwischen dem Ehe-
paar — ein von Telamonhermen und Rundbogen eingefaBtes
Relief der Kreuzigung getreten. Die am unteren Blendbogen
leerbleibende Stelle ist zum Teil ausgefullt durch einen voluten-
formigen SchluBstein, wie man ihn an Portalen nicht selten
sieht.
Der Aufbau ist schwer und gedrungen, die Silhouette
kraftvoll zusammengehalten und in einfachen Linien empor-
gefiihrt. Weniger gelang der unterste eingezogene Sockelteil
(vgl. Nr. 26). Er ist im Verhaltnis zu der dariiber liegenden
Inschriftplatte nicht hoch genug, urn dem Monument wirklich
den Eindruck des Leichten, Hangenden mitzuteilen.
Im Figiirlichen finden wir bekannte Motive. Bei dem
Mann den starken Aufblick, die Rustung wie bei Nr. 29 und
30, bei der Frau oben die parallelen Faltenziige, unten den
freilich noch nicht ganz gelungenen Versuch einer natiirlichen
StolTbehandlung. — Fur die Dekoration sei auf die zusammen-
hangende Besprechung des Beschlag- und Banderwerks ver-
wiesen. Seitenvoluten finden sich nur in dem Zwischen-
geschoB.
Schlors Autorschaft, die von Rauch vermutet hat, darf
nach den stilistischen Merkmalen als gesichert gelten; eine
solche Einzelheit wie die der Putten in den Zwickeln, die sich
ahnlich bei den Grafenstandbildern finden, entscheidet freilich
nicht. Aber sie fallt immerhin ins Gewicht, da die letzteren
gerade in der Zeit (1578) begonnen wurden, in die das StraB-
dorfer Denkmal seinen Einzelheiten nach am besten paBt.
Wie das eben besprochene Monument an dem Anfang, so
wird das in Geisingen (Nr. 32, Tafel 21) an den SchluB der
Zeit gehoren, in der Schlor mit den Grafenstandbildern be-
Das Totesdatum der Fran (1596) ist spater eingesetzt.
— 224 —
schaftigt war. Das Grabmal, schon als Standbild in dieser
Zeit bemerkenswert, ist so ungiinstig beleuchtet und in einem
Winkel des durch die Orgel verstellten Chors versteckt, dafi
es begreiflicherweise der Aufmerksamkeit entging. Mir ist es
beim erslen Sehen schon als ein Werk Schlors erschienen;
seither hat sich der Eindruck nur bestatigt. Wenn der Meister
hier auch im AufriB die gewohnten Bahnen verlafit (vgl. jedoch
Nr. 36!), so ist doch die Art, wie er seine Aufgabe keck und
sicher auffafit, derb und teilweise oberflachlich durchfuhrt,
typisch fur ihn.
Die Figur steht auf dem gegen die seitlichen Teile vor-
springenden, uber die unteren stark vorkragenden Mittelstuck
des Sockels (vgl. Nr. 31). Trotzdem reicht der Rock der Frauen-
gestalt noch uber den Rand hinaus. Die Rahmung tritt auf-
fallend stark zuriick. Schlor hat hier — nicht eben gliicklich —
die Untersatze der Pilaster belassen, sie selbst aber durch
rahmendes Banderwerk ersetzt. An der Stelle der Zwickel sieht
man zwei ungeschlachte aber mit Humor behandelte fiillhorn-
tragende Putten. Die kronende Inschrifttafel (Goldbuchstaben
auf Schiefer) tritt nochmals zuriick; uber ihr eine Art Giebel:
ein Tafelchen mit den Worten «morte aequamur* in drei-
eckiger Fassung.
Das Verhaltnis der Figur zur Rahmung, das starke Heraus-
springen der ersteren, ist ein Zug, der das Monument deutlich
mit den Grafendenkmalern verbindet.
Das grob geschnitzte aber energische Gesicht zeigt um die
aufgeworfenen Lippen individuelle Zuge. Nur freilich bleibt das
Ganze etwas auBerlich. Der bestimmende Eindruck ist das
kraftvolle Stehen der Matrone, deren zuruckgenommener Ober-
korper, ebenso wie ihr Kopf starke Energie verraten. An den
tief gefurchten wenigen Faltenzugen des Gewands merkt man
uberall den sicher aber rasch arbeitenden Meister.
Eine nahe Verwandte der Anna von Stammheim wird
man in der Aebtissin Christina von Schwalbach (Nr. 34, Tafel21)
erkennen. Die Figur ist am Kinn etwas erganzt, trotzdem
ist die Aehnlichkeit auffallend. Der Aufbau zeigt insofern Ver-
wandtschaft, als das Fehlen der Pilaster auch hier eine gewisse
Unklarheit schafft. Die Figur kniet auf dem vorspringenden
— 225 —
Mittelstiick des Sockels. Die unvorsichtige Anbringung weit
vortretender Masken am Sockel ist ebenfalls beiden Monu-
menten gemeinsam. Im iibrigen mogen die Abbildungen fur
sich selbst sprechen.
Das von Schlor wahrend der Ausfiihrung iibernommene !
Denkmal in Kocherstetten (Nr. 33, Tafel 22) scheint mir in der
Anlage, vor allem in der Verdopplung von Gebalk und
Stutzen nicht auf Schlor zuruckzugehen. Am ehesten mag
man in den Einzelheiten der Figuren und den nackten Ge-
stalten, die die Zwickel des Kleeblattbogens fiillen, ebenso in
•der Reliefdarstellung des in Wolken thronenden Schopfers ober-
halb des Kreuzes, seine Hand erkennen 8 .
DIE ARBEITEN FUR HERZOG LUDWIG VON
WURTTEMBERG.
Mindestens zehn Jahre lang, 1577 — 87, hat Schlor ohne
.groBere Unterbrechung im Dienst des Herzogs Ludwig gear-
beitet. Er war nicht wie andere Kiinstler mit fester Besoldung
angestellt. Aber die Reihe der Auftrage reifit nicht ab. Das
will umsomehr heifien, als Schlor sich niemals in der herzog-
iichen Residenz niederliefi, sondern immer «der Meister von
Hall> blieb.
Die « v i e r B i 1 d e r », mit denen er die beiden Tore
des Rennplatzes schmuckte, sind nach Klemms An-
gabe s allegorische Statuen des Tapferkeit, der Mafiigkeit, der
Gerechtigkeit und des Sieges gewesen, die auf Saulen aufge-
1 Wie weit Barg mit der Ausfiihrung gekommen war, weifi man nicht.
2 Das Epitaph des Jacob Christoph Schenk von Winter-
stetten (gest. 1584) in der Graflich Leutrumschen Frauenkirche zu
Unterriexingen, O.-A. Vaihingcn, ist in seinen dekorativen Teilen
versturamelt; und wahrsoheinlich seines Gegenstucks beraubt. (Die In-
schrift redet auch von der Gemahlin des Dargestellten). Die Quaiitat der
Arbeit ist aoffallend gut. Es lage nahe an Schlor zu denken, da die Einzel-
heiten von Sockel. Blendbogen und Beschlagomament durchaus in seinem
Sinn gehalten sind. Aber die weichen Formen des Gesichts und der Hande,
die den alten Mann mit den etwas schlaff gewordenen Ziigen gut charak-
terisieren, und ebenso die raalerisch lockere Behandlung der Haare palfc
nicht zu unserem Meister.
> Wiirtt. Baumeister und Bildhauer. S. 148. Die nicht genannte Quelle
ist vielleicht in den Aufzeichnungen Gabelkhovers zu suchen.
d. 15
- 226 -
stellt waren. Er scheint sich also um Freifiguren zu handeln '.
Kiinstlerisch bildeten sie gewiB die Briicke zu den Grafenstand-
bildern. Von den Epitaphien, auch den fortgeschrittenslen, bis
zu diesen ist noch ein ziemliches Stuck unaufgehellten Weges.
Man wiiBte gern, wie sich Schlor mit der ersten groBeren Auf-
gabe abfand, die ihn aus dem engen Bezirk der Grabmalsplastik
herausfiihrte. Der Verlust jener Figuren, von denen nicht an-
/.unehmen ist, daB sie sich im Verborgenen erhalten ha ben.
ist schon deshalb zu beklagen.
So wie Schlors Werk jetzt sich uns darbietet, bedeutet die
Stuttgarter Ahnenreihe in mancher Hinsicht eine
Ueberraschung. Das gilt weniger von den dekorativen Teilen
— auch sie zeigen einzelne neue Motive, fiihren aber nicht
grundsatzlich fiber das Vorangehende hinaus — als von den
Figuren. Hier waltet eine Frische und ein Reichtum der Er-
findung, eine Natiirlichkeit und Sicherheit des Ausdrucks, iiber
die man staunen muB bei einem Bildhauer, dem die ganze
Aul'gabe zunikhst doch fremd gewesen ist. So gewiB die ein-
zelnen Riistungen nicht von Schlor erfunden sind, so verkehrt
ware doch die Meinung, daB der Eindruck bewegter Pracht
und reichster Abwechslung, der von dem Ganzen ausgeht, nicht
der bewuBten Arbeit des Kunstlers zu danken ist.
Die Wiirdigung des Denkmals ist abhangig von zwei Vor-
fragen: wieviel kommt auf Rechnung etwaiger Mitarbeiter
Schlors, wieviel auf die des RestauratorsV
Was die erste betrifft, so ist es von vornherein wahr-
scheinlich, daB Schlor die dekorativen Teile, bei denen sich
dieselben Muster sehr liiiufig wiederholen, zwar entworfen, aber
die Ausliihrung meist Gesellen iiberlassen hat. Seiner Autor-
schaft tut dies keinen Abbruch. Bei den Figuren liegt kein
AnlaB vor, verschiedene Hiinde zu unterscheiden. DaB SchlGr
uberhaupt Mitarbeiter heranzog, ist erst fur die Lusthausarbeiten
der 80er Jahre bezeugt, wo Erhard Barg und ein Sohn Schlors
unter seiner l.eilung tiitig waren 2 . Fiir unser Werk wird
i Der vcrhaltnismaBig nicdrige Preis (40 Gulden fiir eine Statue gegen
•200 fiir jedes der Grafenstandbilder) weist darauf hin, daB es sich um
Werke kleinerer Form ohnc dckorative Einfassung haudett.
- Quelle: Brief an Erhard Barg vom 24. Uezeraber 1586 in den oben
S. 195 f. gcnannten Komburgischen Akten.
— 227 —
Schlor stets als einziger Meister genannt 1 . Gewisse Verschieden-
heiten der einzelnen Gestalten erklaren sich zwanglos aus dem
Wandel, den der Meister selbst wahrend der sechs Jahre der
Entstehung durchmachte.
Im Zusammenhang mit der Renovation des Chors in den
70er Jahren des 19. Jahrhunderts fuhrte Prof. Kopp 1875
eine Restauration des Denkmals aus. Die Kosten, die von
Konrg Karl iibernommen warden, beliefen sich auf 3000 Gulden.
Ueber das Ma8 der Erganzung unterrichtet ein Voranschlag
des Oberbaurat Leins, der alle schadhaflen oder fehlenden
Stucke aufzahlt 2 . Es ergibt sich daraus, was auch von anderer
Seite Best&tigung erfahrt 3 , da6 die Standbilder sehr gut erhal-
ten waren und daB bei ihnen nur die weitvorstehenden Stucke
ersetzt wurden, d. h. fast alle die (aus Eisen bestehenden)
Waffen und anderen Geratschaften, ferner eine Anzahl Finger-
glieder, FuBspitzen, Rander von Waffenrocken und kleinere
Teile von Sockellowen. Von der Dekoration fehlten neben
Stiicken des Hauptgesimses und der Umrahmungeri besonders
eine Anzahl Masken und ferner die schildhaltenden Putten
zwischen den Bekronungen der einzelnen Standbilder. Sie sind
mit einer einzigen Ausnahme, der Figur zu aufierst links, neu
gearbeitet und bewegen sich in mehr oder minder gliicklichen
Annaherungen an Schlors Stil ; einige wirken bei naherer Be-
trachtung entschieden unecht. Der Eindruck des Monuments
jedoch, fur den ihre Einzelformen gleichgultig sind, wird dadurch
nicht alteriert.
Die Zeit hat also in den Bestand des Denkmals nur wenig
eingegriffen. Die farbigen Scheiben, mit denen man seit der
Mitte des 19. Jahrhunderts den Chor in Dammerung gehullt hat,
schaden ihm mehr als es selbst ungeschickte Restauratoren ver-
1 Die Stellen der L. R. s. Anhang. AuBerdem das gelegentliche
Zeugnis in dem Brief an Gabelkhover (StA. Stuttgart): «so dan ich vor
diser zeyt auch alle Epitaphien, so in der Pfarrkirchen stehen. was I F G
Voreltern . . , auch das Hohenloische Monumentum belangt, alles zu Hall
gemacht . . .>
« Die Akten fiber die Restauration sind auf dem Stuttgarter Rathaus
(Verwaltungs-Regi8tratur) vorhanden.
> z. B. von dem Stuttgarter Bildhauer Herrn Professor Fremd, der
sich der Statuen vor der Restauration noch gut erinnert, in einem Brief
an den Verfasser. Ebenso von Heideloff.
— 228 -
mocht hatten : es ist fast immer schlecht zu sehen und darnra
wenig bekannt und aufgesucht 1 . Das ist bedauerlich. Denn
neben den auf SchloB Lichtenstein geflfichteten Busten des
Lusthauses besitzen wir in den Grafenstandbildern das ura-
fangreichste Beispiel figurlicher Renaissanceplastik in Schwaben.
Vor dern zehn Jahre jiingeren Werk hat das unsere den Vor-
zug, da8 es einheitlicher, unberuhrter und leichter zuganglich
ist*.
Der E n t w u r f ist ebenso einfach im Ganzen wie reich
im Detail \ Die Idee des Stammbaums, bei dem alle direkten
Vorfahren einander gleich geordnet sind, verleugnet sich aueh
hier nicht. Das Denkmal ist eigentlich nichts als eine Sum-
mierung von elf Einzelepitaphien. Allerdings fassen Gebalk und
Sockel das Ganze zusammen. Allein jede Nische stellt ein in sich
geschiossenes Denkmal dar, das fiir sich gerahmt und bekront
wird. Man wird den Gedanken des Entwurfs nicht gerade
geistreich finden. Kein Zweifel auch, daB die Erscheinung der
elf koordonierten Bekronungen mit ihren auf den ersten Blick
vollig identischen Rollwerkrahmungen etwas Starres und Er-
kaltendes an sich hat. Die Haufung gleichwertiger Einzel-
motive erzeugt keinen geschlossenen starken Eindruck, sie wirkt
erniichternd. Andererseits ist nicht zu verkennen, dafi diese
Wiederholungen es dem Auge erleichtern, das architektonische
Geriist als etwas Untergeordnetes, als bloBen Rahmen zu erfassen,
gegentiber den Figuren, auf die sich alle Bewegung und Ab-
wechslung konzentiert Diese Absicht ist bei dem Meister
umso eher verstandlich, als er auf das Mittel der Bemalung,
mit der das Auge leicht auf die Hauptsache hingefuhrt werden
kann, verzichtete* und als die samtlichen architektonischen
1 Abgesehen von den beidcn Ansiohten, Tafel Nr. 24 and 25, exi&tierten
bis jetzt keine photographischen Abbildungen der Grafenstandbilder. Die
von Ziegler 1884 oder f ruber h erges tell ten , die z. B. das Berliner Kunsi-
gewerbemuseum besitzt, scheinen verschollcn.
* Von den Lusthansbiisten sind die 32 von Walcher veroffentlichten
mit einer Ausnahme stark restauriert; unter den nicht restaurierten be-
finden sich neben schonen auch auffallend inindcrwertige Stucke.
^ Zum Folgendcn sind die Abbildungen Tafel 24—28 zu vergleichen.
4 Bei den spateren Denkmalcrn, die mit Schmuok. vor allem mit
kleinen Wappen, noch mehr uberladen sind, ist man — bezeichnend genug —
hie und da zur Bcmalung einzelner Teile zuriickgekehrt, weil sich sonst
— 229 —
Glieder (abgesehen vom Hintergrund des Blendbogens) niit Flach-
ornament zu fallen waren. Das Problem des Verhaltnisses von
Rahmen und Figur ist etwas prosaisch, aber sachgemofier als
in vieleri Denkmalern der folgenden Jahrzehnte gelost. Man
spiirt noch deutlich den Willen, trotz der modischen Pracht
der Verzierungen die Figuren als die Hauptsache zur Geltung
zu bringen. Neben der Identitat der Muster ist es vor allem
die geringe Tiefe der Architekturglieder, die die Absicht der
Unterordnung erkennen laBt. Die Figuren, die beinahe vollig
frei aus der Wand hervortreten. sind so bemessen, daB sie nach
alien Dimensionen iiber den Rahmen hinausragen. Besonders
kommen sie soweit nach vorn, daB fur den Anblick von der
Seite her die Zwischenglieder beinahe verschwinden.
Damit hangt ein anderes Mittel der Komposition zusammen :
so streng das architektonische Schema festgehalten ist, das fur
jeden ein besonderes Denkmal schafft, so schienen dem Meister
doch bald neue Motive fur die Figuren am ungezwungensten
sich zu ergeben, wenn er sie zu einander in Beziehung setzte.
An den einzelnen Gruppen von Standbildern, die zusammen
angefertigt und abgeliefert wurden (vgl. Anhang) kann man
dieses Bestreben, zwei zusammenzufassen, leicht erkennen l .
Nr. 1, das Probestiick (1578—79), steht fur sich, ebenso
Nr. 2 (1579/80), wie aus dem Blick zu entnehmen ist. Nr. 3
und 4 (1580/81) sind zwar zusammen entstanden, aber noch
als Einzelfiguren behandelt. Immerhin kann Nr. 3 als nachtragliches
das Auge in dem Wirrwarr von Formen nicht inehr hatte znrechtfinden
konnen: vgl. die Werke Hans Rodleins in Wertheim (Isenburgsches and
Konigsteinsches Epitaph) und — wohl im Schulzusammenhang damit —
das Denkmal des Friedrich von Uohenlofae von Melchior Schmid in Oeh-
ringen.
1 Die im folgenden angewendete Numerierung beginnt naturgcmaft
bei dem zoerst aufgesteilten, also dem westlichsten Denkmal, obwohl
Heinrich von Mompelgard seiner Lebenszeit nach der Ietzte der Grafen
ist; sie zahlt demgemafi: 1. Graf Heinrich von Mompelgard (gest. 1519),
2. Ulrich V. der Vielgeliebte (gest. 1480), 3. Eberhard IV. (gest. 1419),
4. Eberhard III. der Milde (gest. 1417), 5. Ulrich, Sohn des Greiners (gest.
1888), 6. Eberhard der Greiner (gest. 1392), 7. Ulrich IV. (gest. 136B),
8. Ulrich III. igest. 1344), 9. Eberhard I. der Erlauchte (gest. 1325), 10. Ul-
rich, Sohn Eberhards des Erlanchten (gest. 1315) (nicht Ulrich II , gest.
1279), 11. Ulrich der Stifter (gest. 1265). Nr. 1, 5, 10 sind nicht zur Re-
gierung gekommene Grafen.
— 230 -
Gegenstiick zu 2 aufgefafit werden. Ganz deutlich ist die Ab-
sicht bei 5 und 6 (1581/82) die einander zugewendet sind, und
vollends bei 7 und 8 (158 1*82), die rait einander sprechen und
sich ahnlich sehen wie Zwillinge. Von den.drpi letzten (1583/84)
hat der Meister Nr. 9 fur sich behandelt (und vielleicht friiher
abgeliefert), die Profilfigur 10 dagegen zu 11 in Beziehung ge-
setzt. — Eine Bestatigung bietet die Stellung der Spckellowen,
die bei den Gruppen einander ebenfalls die Kopfe zukehren.
Zu der Betonung des Figurlichen, also des Lebendigen,
Bewegten und.Abwechslungsreichen kommt demnach als weiteres
Ziel die SchafTung von Beziehungen, von Gruppen, die dera
Eindruck des regellosen Vielerlei der Einzelmotive entgegen-
wirken, Man sieht: die bewuBt kunstlerische Arbeit, mag sie
nun von mehr oder weniger Erfolg begleitet sein, tritt in der
Komposition so deutlich zutage, daB die Frage, wieweit der
Kunstler die stofflichen Einzelheiten selbst erfunden hat,
an Bedeutung verliert.
Naturlich liegen den Rustungen, und zwar den historisch
treuen wie den mehr phantastischen, Angaben und Zeichnungen
der herzoglichen Berater zugrund. Die V o r b i 1 d e r werden
teils wirklich vorhandene Stiicke aus der herzoglichen Rust-
kammer, teils Abbildungen wie die des Augsburger Geschlechter-
buchs, teils endlich iiltere Denkmaler sein. Max Bach hat auf
drei solche hingewiesen 1 , die Tumba Ulrichs des Stifters, die
Statue Ulrichs des Vielgeliebten am ehemaligen Stuttgarter
Herrenhaus und endlich das Uracher Heinrich-Epitaph. Gerade
das letztere ist jedoch ein bezeichnendes Beispiei dafur, wie
wenig von einer Abschrift alter Vorbilder bei Schlor die Rede
sein kann. Obwohl es — was Bach noch nicht wuBte — un-
mittelbar vorher und fur denselben Zweck gearbeitet wurde,
ist Schlor trotzdem im Ornament wie in der Figur seine
eigenen Wege gegangen. Uebernommen hat er lediglich das
Kostiim und die allgemeinsten Portratziige. Bei Ulrich dem
Stifter, wo das Vorbild eine liegende Figur ist, ergab sich das
ohnedies von selbst. Bei Nr. 6 bis 8 aus der annahernden
historischen Richtigkeit de3 Harnischs auf ein altes Vorbild zu
» want Vjh. 1884. 169.
— 231 —
schlieBen, halte ich fur unberechtigt; und ebenso glaube ich,
daB der Vorwurf, der Kiinstler habe einzelne Rustungen (z. B.
Nr. 3) und Rustungsstucke <phantastisch und verstandnislos
behandelU, ihm ein antiquarisches Interesse zumutet, das er
glucklicherweise nicht besessen hat. Es laBt sich nicht be-
weisen, aber es ist sehr wohl denkbar, daB die Auftraggeber
den Bildhauer oft genug mit solchen Details geplagt haben, die
— nach ihrer Meinung — historisch richtig waren, und daB
er anderers.eits Zeichnungen und Holzschnitte vor sieh hatte,
die zwar von Kunstlern seiner Zeit entworfen, aber wegen
ihrer zugellosen Phantastik zur Nachbildung in Stein so vollig
ungeeignet waren, wie die meisten Rittergestalten des Augs-
burger Geschlechterbuchs. Auf jeden Fall ist festzustellen, daB
er sich weder auf die .eine noch auf die andere Seite geschlagen
hat, sondern mit sicherem Takt den Forderungen seines Ma-
terials und seiner Gesamtaufgabe gerecht geworden ist. Und
das ist mehr und wichtiger als die Treue der Portrats und der
Kostume.
Die Arbeit ist durchweg sehr exakt. Wenn die dekorativen
Teile fur unser Gefiihl etwas Ausgetufteltes, Minutioses behalten,
wenn das Einzelne sich vor dem Ganzen zu sehr vordriingt, so
liegt dies einerseits an dem kleinen MaBstab der Ornament-
muster, der nur zum Teil durch die schmalen Flachen gefordert
wird, andererseits an dem flachen Relief, das trotz der gedrangt
vollen Felder den Eindruck quellender FuIIe nicht aufkommen
laBt, endlich an dem Fehlen schmuckloser Flachen, bei denen
das Auge sich begniigen darf, ihre tektontsche Funktion zu
erfassen 1 . In all diesen Beziehungen hat die Dekoration in den
folgenden Jahrzehnten noch Fortschritte gemacht. Sie erreichte
pomposere Wirkungen, weil sie groBe zusammenfassende Formen
verwendete und weil sie starkere Kontraste zu schaflen wufite
zwischen glatten und durchwuhlten Flachen, zwischen Ruhe
und Bewegung. Aber Hand in Hand damit ging eine zunehmende
Weichlichkeit und Blutleere alles Figurlichen, Will man Schlors
1 Kannelierte und nur im unteren Drittel reliefgeschmuckte Trager
steigern bei dem Tijbinger SchloBportal von Christoph Jelin und bei spa-
teren Qrabmalern durch ihre ruhige Flache die belebten in ihrer Wirkang.
- 232 -
Leistung recht wiirdigen, so mu6 man seine Grafen vergleichen
mit den Gestalten der Grabmaler, die die Familie Trarbach, die
Jelinwerkstatt und die Kern geschaffen haben. Seine ehrliche
und kraftvolle Mannlichkeit wird dann trotz einiger spielerischer
Motive deutlich hervortreten. Schon bei den Lusthausbusten
macht sich in dieser Beziehung der Wandel des Geschmacks
fuhlbar; sie enthalten eine Anzahl geschickt arrangierter und
innerlich leerer Kopfe. Das trotzige Rittertum wirkt dort wie
ein theatralischer Aufputz. Sohlor ist weniger Virtuose der
Teehnick als die Lusthausmeister 1 , aber er steht mit seiner
Empfindung den wehrhaften Gestalten der Vorzeit noch etwas
naher.
Die Einzelheiten werden wir nur insoweit besprechen T
als es sich urn eine Erganzung und Erlauterung der Abbildungen
handelt.
Auf einem glatten, etwa 45 cm hohen Untersatz erhebt sich
der eigentliche Sockel. Er springt, wie audi sonst bei Schl5r T
ziemlich weit (15 cm) gegen die Pilaster vor. Hier, wo die
Figuren so stark aus dem Rahmen hervortreten, erscheint
dies als ein besonders zweckmaBiger Schutz gegen Beschadi-
gungen. Die Gliederung des Raums zwischen Sockel und Gebalk
ist im Prinzip genau die der zeitgenossischen Epitaphien. Von
Schlors eigenen Werken steht StraBdorf (Nr. 31) zeitlich und
sachlich am nachsten. Die innere zurucktretende Rahmung
besteht aus einer Reihe von Blendarkaden auf breiten Pilaatern,
die ftuBere aus Atlanten in Hermenform, die den Pilastern vor-
gelegt sind ; sie erscheinen als die eigentlicben Stutzen des
Architravs. Dieser selbst ist uber den Tragern nicht verkropft;
doch markiert eine Maske die betreffende Stelle. Oben entspricht
jedem Figurenfeld eine Bekronung, bestehend aus einem Posta-
ment mit Inschrift und einer rundbogigen Tafel mit Wappen-
relief, beide Teile in gesonderter Rahmung; zwischen ihnen
stehen, als kronende Glieder der Pilaster, wappenhaltende ge-
fliigelte Putten, alle auf eigenen etwas vortretenden Postamenten
mit Stirnmaske und Gesims.
1 Ich setze dabei vorans, was freilich an dieser Stelle nicht bewiesen
werden kann, daB Schlor, wenn fiberhaupt, nor an ganz wenigen Last-
hansbusten beteiligt gewesen ist
- 233 —
Charakteristisch ist vor allem die starke Ausbildung der
Gesimse, die die einxelnen Glieder sauberlich von einander
scheiden. Schon das Sockelornament ist sehr kraftig gerahmt.
Wahrend aber hier und am Architrav die Betonung der durch-
laufenden Horizon talen nur natiirlich erscheint, wirkt bei den
Bekronungen die Isolierung kleiner Felder nicht gunstig: sie
wirken steif und zerhackt, weil der Fluti der Linien in allzu
kurzer Zwischenraumen gehemmt uird. Das rahmende Hand-
werk 1 mit seinem kleinteiligen Charakter, seinen kurzen stets
durch Gerade unterbroehenen Biegungen, pa6t sich freilich der
isolierenden Tendenz leicht an. Aber man Hi hit, wie diese
Formenwelt eine kunstliche Erstarrung bedeutet : der Schwung
machtiger Voluten, die sturmbewegten Gewander allegorischer
Figuren muBten als wohltatiger Riicksehlag gegen die etwas
vertrocknete Zierkunst wirken*.
Die einzelnen Ornamente bieten wenig Neues. Der Sockel
zeigt einen mit mauresken Blatlformen gefiillten Grund; und
darauf rechtwinklig sich schneidende schmale Bander mit
Diamantbossen und Kreisen in Rollwerkfassung an den Kreu-
zungspunkten; die Pi laster stilobate ein mit Rollwerk und
Diamanten bereichertes Beschlag, die Pilaster selbst (als zuruck-
tretende Glieder) nur maureske Ranken. Die At Ian ten tragen
auf dem Haupt ein Kompositkapitell, an den Schultern und vorn
auf dem Lendentuch je eine Maske; der untere Teil, ein Pilaster-
schaft, der sich nach ab warts verjiingt, Trophaen. Das Muster
des Architravschmucks ist vielleicht von Schlor neu er-
funden: ein forttaufendes Band, das in regelmaBigem Wechsel
Kreise und Wellenlinien bildet, erzeugt bei der Beriihrung des
1 Es ist hier, bei diesem vornehmen Denkmal. durchsichtig. wahrend
z. B. in Strafidorf die Formen an den Grand angeschafft sind.
2 Als Beispiele der die unsrige ablosenden Dekorationsweise vergleiche
man etwa im Inventar (Neckarkreis. S. V) das Grabmal Speidel (1618 an
der Uffkirche in Cannstatt; ferner die Studentenepitaphien in der Turm-
halle der Tftbinger Stiftskirche (v. Kotze 1606, v. Schuienburg 1«13, Skiel
1623). Dagegen scheint mir das kraftvoll und uppig dekoriertc Portal der
Schlofikapelle in Stuttgart, das zunachst der Wendeltreppe auf die Empore
fuhrt (Abb. s. Tafel 28) noch in Seniors Werkstatt zu gehoren. Fast alle Einzel-
heiten lassen sich bei ihm belegen. Und die Seitenvolute weist gerade in
den eckigen Unterbrechungen ihres Schwunges auf die fruhere Empfindungs-
weise hin, die Schlor in den Grafenstandbildern vertritt. (Dehio hat daa
Portal vermutungsweise dem Christoph Jelin gegeben).
- 234 -
oberen und unteren Randes der Flache elwas unorganische Ein-
rollungen. Der freibleibende Grund ist mit zackigen Blattchen
gefiillt. — Die Put ten (in den Zwickeln der Blendbogen) sind
abwechselnd schlafend und an den Bogenrandern hinaufkletternd
dargestellt.
Die Umrahmung der Wappentafeln besteht aus
wenigen Mustern, deren Verschiedenheit sich kaum bemerk-
lich macht 1 . Ueberall ragt als Spitze ein Zapfen frei heraus,
nicht selten zieren Profilmasken die auBeren Rander.
Eine groBe Menge von Mas ken, von denen ein Teil im
19. Jahrhundert erganzt ist, markiert die Abschnitte innerhalb
der dekorativen Teile. Es sind Manner-. Frauen-, Kinder- und
Tierkopfe in buntem Wechsel, oft fratzenhaft verzerrt. Auch
hier wiederholen sich einige Typen ; und so gewiD Schlors
lebendige und derbe Art solchen Gegenstanden entgegenkam, so
darf man doch den Reichtum phantastischer Ideen und den
ubermutigen Humor hier nicht suchen, der analogen Schopfungen
der Gotik, wie etwa den Verzierungen von Chorgestiihlen, ihren
Reiz verleiht.
Die Kopfe der At Ian ten zeigen den gewohnlichen, barlig
xauhen Typus. Schlor hatte sie schon vorher (Kocherstetten
Nr. 28, StraBdorf Nr. 31) verwendet und wir begegnen ihnen
auch an dem erwahnten SchloBportal (Abb., Tafel 28) in ganz
derselben Fassung. Die Sockellowen mit ihrer lebhaften
Bewegung und den unschonen Formen der Kopfe (Nr. 10!)
entsprechen genau denen, die Schlor friiher geschaflen hatte.
Bei der Beurteilung der Figuren wird man gut tun ihren
dekorativen Zweck im Auge zu behalten. Nicht die Per-
sonlichkeiten der Grafen als solche sollten verewigt, sondern eine
Ahnenreihe geschaflen werden, die mit ihrem priichtigen Apparat
die alten Wappensteine wurdig - im Geist der Renaissance — zu
•ersetzen bestimmt war. Es war nicht so sehr die Pietat gegen
die Vergangenheit als die Fursorge fur den gegenwartigen Glanz
des Herrscherhauses, die den Plan gezeitigt hatten. Und so
haben auch die Dargestellten in erster Linie den Zweck als
1 Es ist moglich, daB hier die Restauration einzelne Teile scheraatisch
erganzt hat.
— 235 -
Teile des Ganzen zu wirken und zur Erhohung der Denkmals-
pracht beizutragen. Soweit die Zuge ihrer historischen Er-
scheinung bekannt waren, konnten sie benutzt werden; aus-
schlaggebend aber war in jedem Fall die Absicht, moglichst
verschiedenartige Gestalten von dekorativer Wirksamkeit zu
schaifen.
Der Graf Heinrich (Nr. 1) nimmt eine Ausnahmestellung
ein. Nicht nur muBte hier der Kunstler den Stil fur seine
Aufgabe erst finden, sondern es lag auch fur diese Figur von
der Hand Paul Mairs bereits ein TVIodell vor. Aus beiden Um-
standen ergab sich eine gewisse Unsicherheit. Die Figur ist
eine freie Uebertragung des Vorbilds in die Steintechnik, der
nach der Tiefe zu ein weit groBerer Spielraum gelassen ist.
Schon dadurch, dafi der Dargestellte jetzt fast ganz aus der
Wand heraustritt, wirkt die Erscheinung freier und glaubwur-
diger. Sollte ihr Platz am linken Ende der Reihe sein, so war
naturlich auch das Schreiten nach links nicht beizubehalten.
Man mochte wunschen, Schlor hatte sich hier noch weiter von
seinem Vorbild entfernt. So hat er zwar dem Korper die fron-
tale Stellung zuriickgegeben, aber die Arme mit den weit vor-
genommenen Ellbogen nahezu belassen. Der Oberkorper hat
daher etwas Unentschiedenes, er kommt nicht energisch genug
nach vorn. Betrachtet man die weit vorgesetzten Beine, so
scheint es fast, als konnte er zuruckfallen und die Figur herab-
gleiten.
Das Gesicht hat durch die grofiere Relieftiefe gewonnen.
Eindrucksvoll beschattet von dem Rand der Sturmhaube, von
tiefen Furchen durchzogen, wirkt es doch menschlicher und
sympatischer als sein Vorbild, das die Ziige auf enger Flache
zusammendrangt und so einen verzerrten pathologischen Aus-
druck bekommt. — Die Mache ist eine peinliche genaue, das
Detail beinahe zu reichlich sichtbar gernacht '.
Von der zweiten Figur an glaubt man zu spuren, da6 die
Entwurfe jetzt aus einem GuB sind. Ein forsches sicheres
Stehen erscheint jetzt ganz selbstverstandlich. Es reizt den
1 Erganzt sind hauptsachlich der Vorderrand der Sturmhaube, der
Streitkolben, das Schwert und die Bander des Schofiwamses.
— 236 —
Kiinstler, stets Neues und auch Gewagtes zu geben. Gemeinsam
ist den Gesichtern eine gewisse behagliche Rundung (Nr. 1 in
seiner hageren Knochigkeit steht auch hier fur sich), feinge-
schwungene Nasen mit sehmalem Riicken und eine gegen fruher
grofizugiger gewordene Haarbehandlung : die alte Technik der
schmalen parallelen Rtnnen verleugnet sich auch jetzt nicht
(Nr. 11), aber die Masse des Haares ist schwungvoller, in
groJJeren Wellen, gegliedert. "
Gleich Np.*2, der barhauptige FahnentrSger, ist ein gluck-
licher Griff. Auf das linke Bein gestiitzt, das rechte, im Knie
leicht gebogen, nach vorn setzend, ruhevoll, ohne alle Breit-
spurigkeit, lehnt er sich etwas zuruck, so daB der Blick unge-
zwungen in die Feme schweift. Vortrefflich pafit dazu die
ziemlich allgemeine Charakteristik des Gesichtes: ein jugendlich
treuherziger Ritter mit breit herabfallenden Locken \ .
Ganz anders Nr. 3. Hier ist das gotische Motiv der ausge-
bogenen Hiifle aufgenommen, aber es ist motiviert als ein
lassig elegantes Stehen durch das (freilich ein klein wenig
verrenkte) auf den Kopf des Lowen gesetzte Bein. Die Figur ist
als Ganzes wohl die hervorragendste des Denkmals, sie darf sich
neben den besten Leistungen des Innsbrucker Maximiliansgrabes
sehen lassen*. Zu dem gliicklichen Motiv des Stehens — wie
leicht wirkt der Mann in seiner Eisenrustung — tritt der durch
und durch individuelle Kopf. Von langlich sehmalem vornehmem
Typus, bartlos, mit kleinem Mund und aufgeworfenen Lippen,
erscheint er etwas alter als der vorangehende. Eine Reihe
kleiner Faltchen um Mund und Nase verleihen ihm fur den
Anblick von vorn etwas Nervoses, Krankliches.
Die folgenden funf Figuren scheinen rascher gearbeitet.
Die Charakteristik wird aufierlicher: Barte, Rustungen und
Bewegungsmolive spielen die Hauptrolle.
Bei Nr. 4 wird ein gerades Vorschreiten von hinten nach
vorn dargestellt, der Blick ruhig und scharf nach rechts ge-
richtet. Das von langem Bart umrahmte Gesicht ist in seiner
1 Erganzangren: Vordere Fingergelenke an der rechten Hand, Fahnen-
stange und Ueberwurf der Fahne.
* Die Schriftrolle in der rechten Hand ist eine Erganzung. Ebenso
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand.
* - 237 —
Allgemeinheit etwas langweilig 1 . — Nr. 5 iibersetzt das Thema
in eine beinahe aufgeregte Lebendigkeit. Das Standbein tritt
noch weiter vor, das Spielbein vvird nach rechts abgestellt: der
Mann halt inne in seiner Bewegung, urn- sich nach rechts zu
wenden. Der Kopf wird viel lebhafter, fast bis zur Profilstellung
gedreht, und die ganze Masse des Haares vom Wind aufge-
wiihlt*. Der Oberkorper macht einen Teil der Bewegung mit,
der ruhig hinten herabhangende Mantel ist etwas unglaubhaft.
In richtig,em Gefuhl hat der Meister die Rustung dieser leb-
haft bewegten Figur einfacher gehalten als die vorhergehende :
Brustplatte, Schulterstiicke, Wehrgehenk sind glatt, das Panzer-
hemd schneidet unten wagrecht ab 3 .
Bei Nr. 6, dem Gegenstuck zu 5, ist der Kopf schrag nach
vom, der Blick scharf nach links gerichtet. Der ungeheure
Bart, hier bei Eberhard dem Greiner ein historisches Kenn-
zeichen, ist in der Flache ruhfg ausgebreitet. Gegeniiber dem
Sohn (Nr. 5) betonen kiaftige Stirnrunzeln und kleines Gefaltel
den alten Mann. Die Charakteristik der ganzen Figur ist kraft-
voll, aber vollig auBerlich. Die breite untersetzte Gestalt hat
etwas barenmaBig Derbes; das stark aufgebogene Spielbein
wirkt deshalb hier nicht glucklich 4 .
Die weite Entfernung vom furstlichen Typus fallt noch
mehr bei Nr. 7 und 8 ins Auge, zwei reinen Landsknechts-
figuren. Das kleine Stuck vom Gesicht, das die Rustung frei-
laBt, zeigt voile, grobgeschnitzte, iibrigens lebendige Ziige. Bei
Nr. 7 wirkt die Pose des Sprechens etwas gesucht. Die Leb-
haftigkeit der Gesten (man beachte auch den linken FuB !) will
nicht recht zu der Personlichkeit stimmen. Ruhiger und natiir-
1 Erganzt Waffen, Harnischrander, Schriftrolle.
2 Ein ahnliches Motiv zeigt eine der nicht restaurierten Lusthaus-
biisten, aufgestellt auf einer spatgotischen Eonsole im Hof des Schlosses
Lichtenstein (Abb. s. Tafel . Seniors Autorschaft ist nicht ausgeschlossen.
Za vergleichen ist auch der cWelser», Bl. 19 des Augsburger Geschlechter-
buchs, allerdings nur fiir die Behandlung des Bartes.
3 Erganzungen: Die rechte Hand rait dem Streitkolben, das Schwert
in der linken.
4 Erganzungen: Finger der rechten, Fingerspitzen der linken Hand.
Schwert, Vorderstiick des rechten FuBes.
- 238 —
licher gibt sich der Zuhorende, der mit den Handen Schwert
und Lanze umfafit 1 .
Der neunte in der Reihe fallt durch seine verkiinstelte
Stellung am meisten auf und gibt oft AnlaB zu abfalligen Kri-
tiken. In der Tat liegt hier eine unnotige und nichtgelungene
Abschweifung in den Stil des Augsburger Geschlechterbuchs vor.
Was der Meister geben wollte, war eine Figur, die weder aus-
gesprochen nach links noch nach rechts sich wendete. Denn
sonst entstand eine Parallelitat, wie man sie bei Nr. 4 und 5
unangenehm empfindet. Eine ruhige Frontalfigur schien ihm
offenbar in diesen Zusammenhang nicht zu passen. So entstand
etwas, was fast an einen Schlangenmenschen erinnert : der
linke FuB ist gerade nach rechts gerichtet, der rechte vorschrei-
tende wahrend der Bewegung nach vorn gedreht, der Rumpt
frontal, der Kopf blickt nach links. Beobachtet man die GroBe
der Drehung, die der nach vorn gedruckte linke Arm ausfuhren
muBte, so zeigt sich, daB die Stellung nicht bloB gesucht ist,
sondern hochstens fiir einen Moment festgehalten werden kann.
Der Kopf zahlt zu den gelungensten der Reihe. Unter den
drei letzten Figuren, die uberhaupt unseren Anforderungen
an furstliche Personlichkeiten wieder mehr entsprechen,
pragen sich seine lebhaften, feingeschnittenen Ztige am besten
ein. Wahrend Nr. 7 und 8 durchaus in der Linie der
friiheren Schlorschen Kunst liegen, bedeuten solche Kopfe
wie 9 und 10 einen groBen Schritt nach vorwarts. Von
Handwerklichkeit und AeuBerlichkeit ist hier nichts mehr zu
spiiren *.
Nr. 10, in der Stellung dem Greiner (Nr. 6) verwandt, gibt
zum ersten Mai einen reinen, vortrefllich herausgearbeiteten,
Profilkopf ; die eingesattelte Nase, die etwas zusammengekniffenen
Lippen zeigen Schlors Charakterisierungskunst auf engem Rauin
1 Erganzungen: Bei Nr. 7 Helmvisier, Kopf des Schwertgriffs, Kette,
Dolch, rechte FuBspitze, Spitzen am unteren Harnischrand. Bei Nr. 8
Fingerspitzen an beiden Handen, die Wappen, der untere Band des Panzers.
2 Erganzt: Bei Nr. 9 der hintere Helmrand, die Spitzen am unteren
Band des Panzers. — Die Stellung der Beine und des Kopfes konnte auf
Bl. 26 (cFennden*) des Ausburger Geschlechterbuchs zuriickgehen, wo sich
ahnliche und noch starkere Yerdrehungen ofters finden.
— 23S> —
in hellem Licht. Die ganz beruhigten Flachen der Riistung
steigern den Kopf in seiner Wirkung 1 .
Auch der letzte, der schrag nach vorn blickende Ulrich
der Stifter, ist einfach und zwanglos hingestellt. Die Abbiegung
des Spielbeins ist hier vermieden; es steht, stark nach links
vorn abgespreizt, auf der Erhohung des Lowenkopfes. Die
Figur lehnt sich infolgedessen nach rechts zuruck, aber lassiger
als Nr. 2, so daB hier der Kopf ein wenig gesenkt werden kann.
Nase und Lippen sind klein und scharf gezeichnet, das voile
Gesicht sonst wenig artikuliert. Lange voile Locken fallen auf
beiden Seiten herab. Ueber der Stirn ein mit Diamanten und
Rosetten besetzter Kopfbund. Das Gewand, abgesehen von den
wirksamen weiten Aermeloffnungen, bleibt etwas unlebendig*.
Schlor hat es verstanden, bis zum letzten Stuck Neues zu
geben. Fast immer ist nur das Aeufiere der Erscheinung, dieses
aber mit sicherem Griff gefafit. Er verrat in dem ganzen Denk-
mal ein gesundes, an einigen Stellen ein wirklich feines Gefiihl.
Mag die Durchbildung bei den spateren Gestalten etwas zu
wunschen iibrig lassen, in der Herausarbeitung der liaupt-
sachen versagt er nie. Statt iiber einige Entgleisungen sich
aufzuhalten, sollte man anerkennen, wieviel von seiner frischen
und kraftvollen Personlichkeit er hineinzulegen verstand in ein
Werk, das neben vielen beengenden Vorschriften doch auch
die Gefahr der Ermudung des Kiinstlers in sich schloB.
Die Grafenstandbilder sind nicht Schlors letzte Arbeit.
Allein das was er nachher geschaffen, scheint zum grofiten
Teil zerstort. Ueber seine lernere Tatigkeit im Dienst des
Herzog Ludwig fehlt es schon an urkundlichen Grundlagen,
weil die Bauakten iiber das Lusthaus nicht mehr vorhanden
sind 8 .
1 Erganzt: Das Schwert, die Hand samt dem Streitkolben.
2 Erganzt: Dolch und Schwert, linke FuBspitze.
8 Erhalten sind nur die bei Ohnesorge, Wendel Dietterlein, benutzten
Akten uber das «Malwerk». Es sei hier noch angefugt, daB auch die LR.
zwar iiber die Malerei and ihren Umfang, nicht aber iiber die bildnerischen
Arbeiten im Lusthaus Auskunft geben. Die Rechnungen der Stuttgarter
Bauverwaltung sind aus dieser Zeit nicht erhalten. Die LR. enthalten die
Gesamtsurame, die dem Bauverwalter monatlich zugestellt wurde, ohne
nahere Angabe iiber ihre Verwendung.
— 240 —
Die Untersuchung von Lusthausbiisten auf
SchloD Lichtenstein hat bis jetzt kein positives Ergebnis gehabt.
Keine einzige mochte ich mit Sicherheit als ein Werk Schlors
in Anspruch nehmen. Die Vergleichung von Personlichkeiten,
die in der Stuttgarter Ahnenreihe u n d am Lusthaus vorkommen
(Graf Heinrich und besonders Ulrich der Vielgeliebte) zeigt
grofle Unterschiede der kiinstlerischen Absicht wie der Dureh-
fiihrung'. Freilich erschwert die Restauration eines grofien
Teils der Biisten ein sicheres Urteil. Von den nicht restau-
rierten Stiicken wird man z. B. bei dem oben S. 237, Anm. 2
«rwahnten die Moglichkeit einer Anfertigung durch Schlor nicht
leugnen. Anklange an Einzelheiten Schlorscher Arbeiten linden
sich ofters, z. B. bei dem fast intakten Erich, Herzog von
Braunschweig (Walcher, Tafel XXI). Im allgemeinen aber
scheinen mir die Lusthausbiisten im Gesichtsausdruck teils zu
weich und leblos, teils zu zierlich und elegant fur Schlor.*.
Viel eher passen zu ihm sieben Reliefs aus Sand-
stein, die an verschiedenen Stellen des Schlosses Lichtenstein
in die Mauer eingelassen sind, und von denen funf Taten des
Herkules, zwei Szenen aus der biblischen Mythologie darstellen.
Die urspningliche Anbringung ist nur bei e i n e m Stuck
(Nr. 2) deutlich, dessen unterer Rand eine Bogenlinie darstellt:
es hat offenbar einen Tor- oder Fenstergiebel geschmuckt. Die
iibrigen weisen verschiedene GroBenverhaltnisse auf. Nr. 3, 5,
6 sind Quadrate von etwa 00 cm Seitenlange, vollstandig ge-
rahmt mit Leiste, Rundstab und Hohlkehle; Nr. 1, 4, 7 dagegen
Rechtecke von ca. 120 cm Hohe und 55 cm Breite (gemessen
an Nr. 1).
1 Auch der Vergleich der Herzogin Sabina in Tubingen mit der
betreffenden Lusthausbiiste (Walcher Tafel Xi schlieBt es beinahe aus, daB
Schlor dieselbe Persbnlichkeit in so vollig verschiedener Weise wieder-
gege ben hatte.
2 Schlor klagt in dem Brief an Oabelhover uber die geringe Bezah-
lnng der Bilder, die ihm und Roment eusammen in Auftrag gegeben worden
seien. Angenommen, die <acht Bilder» gehorten zu den Lusthausbiisten, so
besteht die Moglichkeit, daB Schlor aus dem angegebenen Grund sich
wenig Muhe mit seiner Arbeit gab. Dann waren gerade einige der ge-
ringeren unter den noch vorhandenen Stiicken in der Kapelle ihm zuzu-
schreiben. Gibt man dies zu, so liegt die weitere Annahme nahe, dafi man
auf Schlors Mitarbeit verzichtete.
— 241 —
Die Taten des Herkules scheinen als Thema
auch sonst beliebt gewesen zu sein. Sie sind z. B. auch in
einer Reihe von Medaillon-Reliefs aus Solenhofer Stein behandelt,
die an den Wanden des groBen Saals in der Residenz zu
L a n d s h u t angebracht und etwa 1540 in der Werkstatt
des Loy Hering entstanden sind. Unsere Reihe hat mit
ihnen nichts zu tun, sie geht vielmehr auf ein n i e d e r 1 a n-
disches Vorbild zuriick.
Urns Jahr 1553 schmiickte F r a n s F 1 o r i a das Haus
des Nicolas Jongelingk mit einem Zyklus von zehn Wandge-
malden, darstellend die Taten des Herkules. Nach Zeichnungen
des Florisschiilers Simon Janszone Kies gestochen von Cor-
nells C o r t erschienen sie 1563 bei Hieronymus Cort in
Antwerpen 1 . Da die erhaltenen fiinf Herkulesszenen alle die
Benutzung dieser Vorlage erkennen lassen, so darf man vielleicht
annehmen, dafi der Zyklus am Lusthaus urspriinglich, wie sein
Vorbild, aus zehn Stucken bestand. Ich fiihre die erhaltenen
auf in der Reihenfolge, die dureh die Zahlung der Stiche be-
dingt ist :
1. Herkules totet den Drachen, der die Aepfel der Hes-
p e r i d e n bewacht. (Vorbild: Stich Nr. 4) Standort:
im SchloBhof, links vom Eingang. Abb. s. Tafel. Der
rechte Rand samt Rahmen fehlt.
2. Der Kampf mit der lernaischen Hydra. (Vorbild :
Stich Nr. 5). Standort: in der Kapelle. Abb. s. Tafel.
Das Ganze ist so fragmentarisch erhalten, dafi die
Deutung sich nur aus dem Stich mit einiger Sicherheit
ergibt.
3. Herkules bezwingt den A c h e 1 o o s. (Niederwerfung
eines Stiers, Vorbild: Stich Nr. 6). Standort: hoch am
Mathildenturm, auBen links vom SchloBportal.
4. Herkules hebt den Antaeus empor. (Vorbild : Stich
Nr. 9). Standort : am Augustenturm. Der linke Rand
samt Rahmen fehlt.
i In Leblanc's Verzeichnis Nr. 133—142. Die Stiche selbst sind von
1 — 10 numeriert.
d. 16
— 242 —
5. Herkules nimmt dem Atlas seine Last ab. (Vorbild :
Stich Nr. 10). Standort: hoch am Eugenienturm, auBen
rechts vom SchloBportal.
f>. Eine Opferszene. Am Altar rechts und links je
ein alterer Mann; auf dem Altar wird ein Widder ver-
brannt. (Vorbild unbekannt). Standort : am Eugenien-
turm.
7. D e 1 i 1 a schneidet dem S i m s o n das Haar ab. Im
Hintergrund die Philister, vier Krieger mit gezuckten
Waffen. (Vorbild unbekannt). Standort: am Marienturm.
Der Korper des Simson, der seinen Kopf der Delila
in den SchoB legt, ist beinah ganz abgeblattert. Die
Schere in der Hand der Delila ist unverkennbar.
Die Benutzung des Vorbilds konnte naturlich keine mecha-
nische sein. Nicht bloB war eine Vereinfachung des Linien-
zugs geboten, da die Reliefs auf groBere Entfernung wirken
sollten ; sondern es kamen auch kompositionelle Aenderungen
hinzu, so bei Nr. 1 die Umwandlung des breiten in ein hohes
Format: diemachtigen, oben uberschnittenen Torpfeiler, zwischen
denen man auf dem Stich in den Garten der Hesperideh sieht,
sind bei Schlor weggefallen. Auch sonst ist die Anlehnung
eine ganz freie : die Haarbehandlung, die Stellung einzelner
Glieder und Gewandstucke ist verandert, mancher kleine Zug
unterdruckt, der Hintergrund schematisiert. Eigentiimlich ist,
daB die Reliefs teils im gleichen Sinn wie das Vorbild ausge-
fuhrt sind (so Nr. 1). teils im Gegensinne (so Nr. 5). — Zu
den beiden biblischen Stucken Nr. 6 und 7, die wohl einem
anderen Zyklus angehoren, aber von derselben Hand und aus
demselben Material (Sandstein) hergestellt sind, konnte ich bis-
her kein Vorbild entdecken. [nschriften finden sich nirgends,
vvahrend die Folge der Herkules-Kupferstiche jeder Szene ein
erkliirendes Distychon beigibt.
Die Zuschreibung dieser Stiicke an SchlGr stutzt sich aut
folgende Erwagungen. Die Reliefs sind (nach mundlicher Tra-
dition) zugleich mit den iibrigen Lusthausresten auf den Lichten-
stein gekommen. Schlor hatte nach seinem eigenen Zeugnis
Portale und Bildwerke am Lusthaus auszufuhren ; zunachst
— 243 —
1584 eine alabasterne Tur im Innern an dem groBen Saal
(Brief an Neustetter s. o. S. 194 f.) ; dann aber oflenbar noch
andere; denn bis 1587 ist er mit den «Portalien und Bildwerken*
am Lusthaus beschaftigt (Brief an Gabelkhover und ein wei teres
Zeugnis, s. o. S. 195 f.). Der Stil widerspricht der Zuschreibung
nicht. Allerdings ist er verschieden von dem der fruher be-
sprochenen Tafeln zum Glaubensbekenntnis. Das Relief ist
ilacher, der Hintergrund ist in malerischer Weise als Land-
schaft charakterisiert, iibrigens mit kindlicher Perspektive und
einfachen schematischen Mitteln. Aber zwischen den beiden
Reliefserien iiegen uber 20 Jahre; und auBerdem sind die
Szenen auf dem Liechtenstein auf den Anblick aus groBerer
Feme und von unten her berechnet. Die Figur des Herkules,
die stets an dem iibergeworfenen Lowenfell kenntlich ist, geht
mit den kurzen wollhaarigen Gestalten aus Schlors spaterer
Zeit gut zusammen. Einige Verdrehungen der Glieder fallen
nicht sehr ins Gewicht; Schlor ist in solchen Dingen sorglos 1 .
Restauriert ist keines der Reliefs. Soweit man sehen kann,
sind Nr. 3, 5, 6 besser erhalten, und vielleicht in der Mache
noch piinktlicher. Doch verrat auch bei den besser zugang-
lichen und mehr zerstorten Stiicken manches eine geschickte
und sichere Hand (das Ungetum bei Nr. 1 ; die schone juno-
artige Gestalt der Delila.<. — Schlusse auf Schlors Entwicklung
gestatten die Bruchstucke nicht. Auch wenn alles von seiner
Hand ist, so haben wir doch eine Arbeit vor uns, die oifenbar
rasch erledigt und bei der die Vorlagen, so gut es ging, in
Stein iibertragen wurden. —
Es gibt in Franken und manchen *ch\vabischen Kirchen noch
eine ziemliche Anzahl Grabm al e r aus den 80er und90er
Jahren, die mit Schlors Formenwelt und auch mit seiner
Auffassung manches gemein haben, die jedoch, wie ich glaube,
aus Schlors Werk auszuscheiden und Bildhauern zu geben
sind, die eine zeitlang unter seinem Einflufl gestanden haben.
1 Vgl. einzelne Motive der Grafenstandbilder und das oben erw&hnte
Portal an der SchloBkapelle ; die dort als Trager in die Volute eingespannte
Profilfigar mit dem verrenkten Aim paBt nicht blob zu dem Herkules,
sondern hat aach in sndern Lusthausresten Parallelen (Inv. Neckarkreis
S. 33).
— 244 —
Die Beurteilung der Herkunft dieser Werke wird von den
figurlichen Teilen auszugehen haben. Es ware naturlich nichl
ausgeschlossen, dafi Schlor auch in seinem letzten Jahrzehnt
noch neue Ornamentforroen aufgenommen bat, dagegen wird
man dem Meister der Grafenstandbilder nicht zutrauen, dafi
er in der Kunst des Portrats auf eine handwerkliche Stufe
zuruckgesunken ist, und ebensowenig, dafi er sich dem ver-
auBerlichenden Zug der repriisentativen Richtung noch ange-
paflt hat, die urn die Jahrhundertwende zur Herrschefl kam.
Ich begnfige mich, eine Anzahi Denkmaler aufzuzahlen, die ich
aus diesen Grunden Schlor abspreche, und enlhalle mich eines
Urteils dariiber, wie weit sie von direktpn Schiilern von ihm
herruhren mogen.
1. Denkmal des Conz von Vellberg (gest. 1592) und
seiner Gemahlin Elisabeth geb. von Hinderbach (ohne
Todesdatum). Kirche in StOckenburg. Chor.
2. Denkmal des Heinrich Steinhauser von Neidenfels zu
Rechenberg (gest. 1(508) und seiner Gemahlin geb. von
Wolmershauscn 'gest. 1593). Crailsheim, Johannis-
kirche gehort mil Nr. 1 wohl nahe zusammen).
3. Denkmal von Engelbold von Kallenthal (gest. 15S6)
und seiner Gemahlin Maria geb. von Degernau gest.
1005). Veitskapelle in Mulhausen a. Si.
4. Denkmal des Friedrich Schenken von Limpurg fgest.
1597) mit seinen zwei Frauen (gest. 1564 und 1000).
Kirche in Obersontheim O.-A. Gaildorf.
5. Wandepitaph des SchalTners Schwend und seiner Frau
/gest. 15!M). Hall, St. Johann. i Dieses Denkmal ist
so hoch aufgehangt, dafi die teilweise zerstorten Ge-
sichter nicht genau zu sehen sind. Es konnte hier auch
eine eigenhiindige Arbeit vorliegen;.
0. Wandepitaph des Schenken Christoph (gest. 1574^ und
seiner Familie. (iaildorf.Stadlpfarrkirche. DasOrnamon-
tale ware Schlor zuzulrauen, nicht aber die weiblichen
Figure 1 !]. Ich kann mich der Vermutung K. Ko|>chens
• S. 91 1 dati Schltir der Urheber sei, nicht anschlieBen.
Yidli'hht i>t das Denkmal zeitlich nahe an das de*
— 245 —
Schenken Heinrieh (f 1585) heranzuriicken : hier ist
trotz einzelner Schlorscher Motive die Herkunft aus
einer anderen Werkstatt ganz deutlich. Uebrigens sind
alle drei Denkmaler der Schenken in dieser Kirche
stark restauriert.
7. Epitaph des Albrecht von Crailsheim (gest. 1593) und
seiner Gemahlin Anna g. v. Crailsheim (Todesdatum
nicht mehr leserlich) in Braunsbach O.-A. Kiinzelsau.
(Abb. Tafel 22). Hier spricht vor allem die Anordnung
der Figuren. die den Kruzifixus fast verdecken, gegen
Schlor.
Schlor bietet das Bild eines vielbeschaftigten Meisters, der
langer als ein Menschenalter modern zu bleiben verstand. Trotz-
dem kann man nicht sagen, daB sein Wirken tiefe Spuren
hinterlassen hatte. Von dem einzigen, der als sein S c h ii 1 e r
sicher bezeugt ist, von C h r i s t o p h E g e r l , ist bis jetzt
kein Werk bekannt geworden. Ein anderer, Erhard Barg
von Gmund, war bei seinem Eintritt in Schlors Werkstatt
(1586) bereits ein selbstandiger Bildhauer ". Auch bei ihm fehlt
1 Geboren ira Creglingen 1544, als Schlors Gehilfe genannt in dem
Briefwechsel fiber das Hohenlohe-Grabmal, also 1576/77. Der Name taucht
soweit ich sehe, noch zweimal auf : 1) Bei dem. SchloBbau in Heiligen-
berg, Kr. Eonstanz. kommt 1569 ein Bildhauer des Namens als Diener des
Cberlinger Steinmetzen Hans Ortlein vor. (Klemm, WVjh. 1885, 198.)
Probst hat allerdings angenommen, dafi dieser Chr. E. aus Heiligenberg
selbst stamme. (Archiv fur christl. Kunst 1893, 27.) 2) Im Tfibinger
Taufbuch finde ich einen Christoph Eger, der nicht aus Tubingen zu
stammen scheint ; und bei dessen Tochter Anna Maria der Bildhauer
Christoph Jelin am 4. Juli 1591 Pate stand: es liegt nahe, daB wir hier
den Bildhauer aus Creglingen vor una haben. der also an dem Alabaster-
denkmal fur Herzog Ludwig, das damais entstand, beteiligt sein konnte.
Frankische Einflusse glaube ich in dem Denkmal des Burkhard von Ehingen
(f 1596) in Kilchberg zu erkennen (s. Tafel 7, das Denkmal rechts),
das sicher in Jelins Werkstatt entstand.
2 Das um 1570 errichtete Epi taph des Propstes Neustetter
in GroB-Komburg (Stiftskirche) ihm zuzuschreiben, wie dies im
Inventar (Jagstkreis I 624 ; Eopchen S. 88 f.) geschieht, ist eine sehr ge-
wagte Vermutung. Die Arbeiten, die Barg selbst in einem Briefe vom
14. Januar 1587 (Komburgische Akten fiber Barg. Filialarchiv) anffihrt,
stammen alle aus unmittelbar vorhergehender Zeit Es sind: 1) Zwei
Wappen fur das SchloB Gebsatte 1 bei Rothenburg o. T. 2) Drei St ii eke
zu der ersten Tur (offenbar in GroBkomburg), die er czugericht und aus-
— 246 -
es an Werken, aus denen sich seine Eigenart mit einiger
Sicherheit bestimmen lieBe.
Die Wirkung von Schlors Kunst ist offenbar auf das Gebiet
von Hall beschrankt geblieben. Auch hier machen sich bald
andere Einflusse geltend, die wohl von den Oehringer Denk-
malern ausgingen. Die Heilbronner Jakob Muller 1 und Melchior
Schmid, der Stuttgarter Georg Muller (oder Miler) vertreten
eine neue Richtung. Ihre Denkmaler (z. B. in Oppenweiler,
Oehringen, Crailsheim, Weilderstadt) zeigen, daB sie nicht in
Schlors Schule aufgewachsen sind.
DaB Schlors Name bald zurucktrat, dafiir gibt es ver-
schiedene Griinde. Einmal war das Beste an ihm, seine ur-
sprungliche Empfindung, seine markante Charakterisierungs-
gabe, eben nicht auf Schuler iibertragbar. Dann aber — und
das ist typisch fur die Bildhauer seiner Zeit — war er in der
Dekoration selbst nicht original gewesen. Die Formen, die
Schlor seit 1575 anwendet, und in seiner Heimat einbiirgert,
verleugnen ihre Herkunft aus den Werken der Ornamentzeichner
nicht. Der Bildhauer ubernimmt sie. er vereinfacht sie auch
fur seine Zwecke, aber die bewegende Kraft der Stilentwicklung
liegt doch nicht bei ihm : er ist im wesentlichen der geschickte
Techniker, der Mann, der alles kann, aber mit fremden Ge-
danken arbeitet. Da er selbst der Mode folgt, so fehlt ihm die
Kraft, auf andere einen tieferen EinfluB zu gewinnen. Den so
entstandenen Werken mussen die Kennzeichen hochster Kunst
abgehen : sie wirken mehr als Arrangement, denn als Organis-
mus. Der Beschauer vermifit der Notwendigkeit, mit der die
Einzelform aus der Idee gerade dieses Kunstwerks hervorgehen
sollte : sie ist ihm aufierlich angefiigt, und sie findet'sich tat-
sachlich ebenso auch an anderen Stellen.
Die Abhangigkeit von den Vorlagewerken driickt die kimst-
lerische Tatigkeit der Steinmetzen in ihrem Werl herab. Es ist,
als hatten sie von vornherein darauf verzichtet, auf die Ent-
gemacht» hat. 3) Eine tin dero Epitaphium gemachte Landschaft*. Damit
kann nur gemeint sein das imWurzburger Dom befindliche Epitaph
NeusteLters Bei diesem ist die Steinplatte hinter der Figur mit einem
Relief, das Stift GroBkombarg darstellend, geschmiickt.
J Vgl. iiber ihn v Ranch, W. Vjh. 1905, S. 85 ff.
— 247 -
wicklung der Zierfprmen einen bestimmenden EinfluB zu tiben.
Die Folge davon ist die Materialfremdheit der Dekorations-
-weise des spateren 16. Jahrhunderts. Niemand wird verkennen,
dafl aus den Formen selbst eine derbe, aber starke Phantasie
spricht, ein Verlangen nach gesattigter Flille, nach lautem,
iaberlautem Ausdruck, das im Barock seine Erfiillung findet.
Sie wollen als selbstandige kunstlerische Leistung gewurdigt
sein, so weit auch der Geschmaek unserer Zeit sich noch
immer von ihnen entfernt f'uhlen mag. Aber wie sie ihre Ent-
stehung nicht der Werkstatt des Steinmetzen verdanken, so
waltet auch bei ihrer praktischen Verwertung meist ein Mangel
an kiinstlerischer Disziplin, ein gleichgultiges Anhaufen hetero-
gener Details. Die Werke, denen etwas Fabrikmafiiges anhaftet,
und die uns darum von vornherein kalt lassen, sind nicht
selten.
Sem Schlor hat dem Zug der Zeit nicht widerstanden. Aber
er ist einer von den Wenigen, die doch ihr eigenes Gesicht
behalten; darum ist es der Miihe wert ihm nachzugehen. Sein
Wirken fallt in eine Zeit, wo in Franken nicht mehr wie einst
die bodenstandige Kunst fuhrender Stadte auch dem Schafien
in der «Provinz» Ziel und Richtung gab In den kleinen Sitzen
wie Hall muBte das Eindringen der neuen Formenwelt, zusammen
mit dem AbreiBen der kirchlichen Tradition eine Art kiinstle-
rischer Anarchie zur Folge haben. Manner wie Schlor sind es,
die hier, wo groBe bildhauerische Aufgaben fehlten, in der Grab-
malsplastik wieder einen festen Typus geschaffen haben. Die
Epitaphien in Hall und Umgebung aus den Jahren 1555—80 sind
weder einem Musterbuch entnommen, noch den Vorbildern einer
groBeren Werkstatt nachgeahmt: sie sind, wenn irgend etwas,
Schlors eigene Erfindung. Man muB zugeben, daB sie ihrer
Bestimmung mit feinem und schlichtem Sinn gerecht werden,
und daB sie, an den Statten, wo der Bruch mit deralten Kirche
so viele Kunstformen zum Absterben verurteilt hatte, ein Stuck
neugeschalTener protestantischer Kultur wiederspiegeln. — Bei
den spateren Werken wird man vor allem anerkennen, daB
Schlor das schmiickende Beiwerk niemals uberwuchern lieB. Er
ist gerade kein feinsinniger Dekorationskiinstler gewesen. Aber
die bewuBte Ueberordnung des Figurlichen erhielt seinen Werken
— 248 -
etwas von dem Ernst, den die Grabmalskunst in der Folgezeit
sehr zu ihrem Schaden mit theatralischer Prachtentfaltung ver-
tauschte. Mit den iibrigen, in diesen Blattern behandelten
Kiinstlem hat Schlor gemein, dafl das wurttembergische
Herzogshaus ihn, wenn nicht ans Licht gezogen, so doch in den
Stand gesetzt hat, sich an groBeren Aufgaben zu versuchen.
Vergleicht man sein bestes Werk, die Stuttgarter Ahnenreihe,
mit dem, was Auslander zu gleicher Zeit bei uns und in den
Nachbarlandern geschaffen haben, so besteht der frankische
Meister mit Ehren. Es gibt Grabmonumente jener Zeit, die
,mit Recht die Augen der Welt mehr auf sich Ziehen, als die in
Stuttgart und Tubingen. Aber beide haben auch vor dem
gefeierten Maximiliansgrab einen Ruhm voraus; sie sind Denk-
maler heimischer Kunst und eben darum vorbildlicher furst-
licher Kunstpflege.
AN HANG
(URKUN DEN-MATERIAL)..
I.
AKTEN ZUR GESCHICHTE DER FURSTENDENKMALER
IN DER STUTTGARTER STIFTSKIRCHE '.
Q a ell en:
1) Handschriftensammlung des K. Staatsarchivs Nr. 1 »/i.
2) Akten uber die Erneuemng der fiirstlichen Begrabnisse aus den
Jahren 1575—77. (Ueberschrift des Aktenbiindels s. u.) Staats-
archiv. Stift Stuttgart.
(Die Numerierung der einzeinen Stucke ruhrt von mir her, da
nicht alle Archivnummern tragen.)
1.
Die verachiedenen Exemplare des Gutachtens
von Ruttel sr. und Ruttel jr.
A) Andreas Ruttel der Aeltere verfaftte 1557 cine Genealogie des Wurt-
tembergischen Fiirstenhauses, and zwar, wie ans Herzog Chris tofs Erlali
vora 5. August 1558 (s. u. Nr. 3) hervorgeht, als Grandlage fiir die schon
damals geplante Renovation der Stuttgarter Grabsteine. Dieses Gutachten
1st enthalten in der Handschriftensaramlang des K. Staatsarchives Nr. V\t.
Es fuhrt den Titel:
•Kurzes Versaychnus i woraus der Arbor und geneaiogia der Hern nnd
Prewlin zu Wirteraberg gezogen worden.»
i Abkurzungen : E F G = Euer furstlidie Gnaden. — Ug-FuH =
Unser gnadiger Furst nnd Herr. ~ E E - Euer Ehrenfest. — pr. = prae-
■ontatum. - Reg. = Registrata; zeitgenossiseher Vermerk uber den Inhalt
eines Aktenstucks.
i.. *
— IV —
Zeit und Identitat der einzelnen Personlichkeiten werden in diesem
Schriftstiick erhartet durch die Inschriften der Grabsteine and Tafeln (an
der Chorwand der Stiftskirche) and durch Urkunden, die in der Regist-
ratar vorhanden war en.
Dann folgt:
•Kurtzer Bericht ufi den Heuratz- and andern briefen gezogen, so
fil bei der Registrator vorhanden, welche zn der Hern and Frewlin za
Wirtemberg genealogi dienlich.
1557
27. September. >
d. h. nochmals ein Repertorium iiber Urkunden, meist Heiratsbriefe.
Dann ein Blatt mit Siegelabzeichnungen, eine Ahnenreihe, aaf einem
Blatt zusammengestellt, endlich die weiteren Stiicke, betitelt
•Epitaphia der Hern von Wirtemberg. abgeschrieben von den tafeln,
so za Staotgarth in der stifftskirchen im Chor hangen.»
cHern zu Wirtemberg, wie die in des Stiffts Staotgarth selbuch ge-
schrieben sind.»
clnscriptiones der Wirtembergischen Grabs tain im Chor zae Staotgarth.
Abschrifften zwayer Grabstein za Reichenweyher.* >
Am Schluii:
«Sollichs alleB hatt Sekretarius Andreas Riittel in die Registrator
bericht A 6 1557. im September.*
B) Im Jahr 1566 entstand, vielleicht noch von dem alteren Ruttel
verfafit, ein neues Gutachten. Es findet sich bei den Akten betr. die Er-
neaerung der Stattgarter Begrabnisse. Auf dem Umschlag findet sich fol-
gender Titel:
•Memoriae sempiternae posteritatique lnclytae domas Wirtembergenria
Sacrum.
Anno Christi MDLXVI*
JuDgit concordia bonos*.
Aaf der Riickseite des Umschlags ist der Erlafi des Herzogs vom
5. Aag. 1558 abgeschrieben (s. u. Nr. 3.)
Das Gutachten selbst umfafit 20 Seiten folio. Es zahlt die in der
Stiftskirche vorhandenen Furstengrabmaler aut und beschreibt bei einigen
den Erhaltungszustand. So heifit es S. 3:
<Es ist vor etlich Jahren uff diesem stain allain das wappen Wurtem-
berg u. Mumpelgart mit zwayen Helmen In Kupffer u. mafi gesehen worden.
und kain weiter grabschrifft dann:
1 Gemeint sind die (nicht erhaltcnen) Steine der beiden Gemahlinnen
Graf Heiniichs: Elisabeth von Zweibriicken f 1487 Feb. 17. und Eva von
Salm f 152 1 April 26. Reichenweier (im OberelsaB, sudl. von Rappolts*
weiler) gehorte zu den links) heinischen Bes.tzungen Wurttembergs und
diente 1485—90 dem Grafen Heinrich f IM») als Residenz.
« Vgl. hiezu die Ueberschrift des Codex hist. fol. 130 der Landesbi-
bliothek iabgedruckt auch Vjh lb84, 165.)
- V —
Anno Dfli MCCCCLXXX
Kl Septembris obijt Ulricus 1 patriae cleriq amicus de . . . .
Heutiges tags ist alles hinweggerissen und weytter nicht dan allein
der Stein vorhanden.
S. 19 heitit es :
•Under diesem Grabstein liegt begraben Graue Heinrich von Wiirt-
temberg, nf welchen weder Grabschrifft noch Wappen anch niehmals ge-
hanen worden, also das des hochgemelten herns aufier der Taffell, so an
der Wand hangt. kein gedechtnufi vorhanden.
Starb ao etc. 1519. Am Palmabend seines Alters im. 73. Jar, nach
seines hern Vatters todtlichem Abgang im 39. Jar.
S. 20 unten {von anderer Hand beigefugt) :
Notandum
«Vorgemelte grabstein seindt da ein gewelb zo weylandt Herzog
Friderichen — — — Begrabnufi gcmacht, bifi an drey hinweggethan, die
Thotengebeiner In das gewelb in ein Bonders grab wider gelegt und ver-
senkt worden.»
0) Von diesen St&cken sind zu unterscheiden :
ein Gutachen des
Andreas Euttel junior,
vorhanden in zwei, etwas verschiedenen Exemplaren; das erste y eigenhandig
von Riittel jr. geschrieben, en thai t eine kurze Geschichte der Stuttgarter
Furstengrablege, im iibrigen wesentlich den gleichen Inhalt wie das vorher
Beschriebene (Grabmaler und Erhaltungszustand), ist also offenbar auf
Grund des Vorangehenden angefertigt worden ; in einzelnen Angaben ist
es etwas genauer. Es ist unterzeichnet :
•Andres Ruttel
m. p.>
Es folgt noch eine Zusammenstellung aller in der Stiftskirche begra-
benen fiirstlichen Ahnen, mit Zusatzen, teilweise von anderer Hand, und
eine Zusammenstellung der noch lesbaren Inschriften im Chor, geschrieben
von Ruttel jr.
Das zweite tragt einen Scftuteumschlag mit dem Titel
Epitaphia Illustrissimorum etc.
von Ruttel s Hand.
Innen findet sich der eigentliehe Titel dieser offenbar dem Herzog
vorgelegten Eeinsehrift, die an einigen Stellen erweitert ist.
1 Ulrich der Vielgeliebte.
— VI -
Der Titel lautet:
« Probationsach rift
die furatlich uurttembergiachen Begrebnuaaen Inn der Stifftkurchen in
Stuttgardten betreffend.
1574. A. Battel
m. p.»
Riittel jr. ist also Veriasser ; geachrieben ist alles aufier dem Titel
von anderer Hand. '
In diesem Gutachten heiBt es ganz am SchluB:
•Wo nun U g F u H jhe die zerbrochenen Grabstein mitihren Wappen
und Umbschriften wiederumb ergentzen zu lassen willens, mocht J. F. G
underthoniglich zu rhatten sein, daft crstlichs der groB Allthar aufi dem
Chor gethan. divcill man selbigcn ohn das niemand zue Nutz und dann
also daselbst herumb die Grabstein so noch gantz In Kupffer und melt
gemacht. an die wand ob dem gestucl anfgcricht wurden, wie dan die-
selben leichtlich undermauert, und oben mitt ainem gesimbs und Zierde
IngefaBt mogen [werden).
Souil aber die zerbrochen stein belangt, mochten auf dieselben
durchaus die wappen wie die an den Thafeln gemhalett mit Schilten Hel-
men und Helmdecken In meB gegossen ergentzt, und uber dieselben ain
Mefiin Tafeln zuer Inscription Anni Diei et Mensis gestelltt und einge-
faiit werden. Und dannoch die alltcn Stein am andern Orth, so man sie
umbkhert, und am gantzisten seyhen. hiertzue dienlich sein. Doch stehen
solches alles zuo J F G Verner bedenckhen und gevallen.»
Das Gutachten hat nach seinen Eingangsworten zur Yoraussetzung
einen (also 1574 ergangenen) Befehl des Herzogs Ludwig, « betreffend
unterschidlichen Bericht, welchermaBcn die uhrallten fiirstliche monuments
in der Stiflftskirchen widerumbcn mochten ernewert und gebessert warden*.
Dies ist der Sattler, Herzbge V, 30 gemeinte Befehl. Das von Sattler
und Pfaff als Antwort darauf angesehene Gutachten von Riittel und Osi-
ander erging aber erst ein Jahr spiiter und hat einen andern. wohl miind-
lichen Befehl zur Voraussetzung. (s. u.j
2.
Ueberachrift des Aktenbiindels.
•Bericht Bedencken Decreta und andere schrifften betreffend die fiirst-
liche Begrebdnussen Inn der Stifftkurchen S. Crucis zu Stuttgarten, wie die-
selben mochten hinfuro wiederumb ergenzt und ernevert werden
1575.
1576.
1577.
[AuBerdcm verschiedene Notizen Riittels jr. auf diesem Blatt, s. u.]
1 Eine teilweise Abschrift dieses Stiicks auch im Cod. hist. O. 18.
der Landesbibliothek.
- VII -
8.
Herzog Christ of an A. Riittel d. A el.
5. Aug. 1558.
Uusern gruoii zuvor, lieber getreuer. Nachdem wir dir vor dieser
Zeit beuelch geben lassen, mit unserm Baumaistem ' dich zu berathen, wie
and welchergestalt unserer Voreltern Grabstein wider za erneuern und zu
renovieren scien. So ist doch seiches bisher vcrpliben, und underlasscn
worden, Ist derohalben unser Beuelch, du wollest solches nochmalen
mit Ihnnen, den Bauemaistern fiirnemmen. Unterschidlichen Euer be-
denckhen, samt dem Ueberschlag, was die Costen mochten, schriftlich ver-
fassen, und die uns fiirderlichen zusenden. Verlassen wir uns. Dat. Kiir-
cheim den 5. Aug. ao 58.
Christof Herzog zu Wurttembeig.
Unsern Houegerichts Secretario und lieben getreuen Andreae Riittell.
4.
Gntachten von D. Lucas Osiander and Andreas Riittel d. J.
(pr. 7. Mara 1575)
Durchleuchtiger hochgeborner Fiirst E F G seyhen unser underthenig
schuldig gehorsam jederzeit willige Dienst zuvor.
G F u. H Uff EFG gnedigen beuelch welchermatien — dero — Voralthern
— — Monumenta alhie im Stifft wiederumb mochten zu ernewcrn sein,
uns Inhelliglich verainigen und zu berathschlagen, haben wir die sachen
bostes vleiB underthenig erwagen und nach Ingenomnen Augenschein souill
erfharn. das gedachte grabstein ettwas bosers (Vermog der abgerifinen
Visierungen) erscheinen, darzuo taglich jhe lenger jhe mehr Tempo ris iu-
juria Inn marckhlichen Abgang gerathen, das ob sie gleichwol singulare
Ornamentum vetustatis repraesentieren t so werden dieselben doch — —
von wegen der Ungleicheitt, alls ein zuosamen gebefiert corpus Vom Tag-
lichen Wandel nicht bestandig verpleiben, sondern in wenig Jahren wieder-
umben abgenofieu, und defihalben vergeblich Cost uflauffen. Derweegen
die nottnrft allein erfordert, dern fursten zue Wirttemberg sambt Ihren
gemhaheln Sepulchra zu ernewern, so u6 glaubwurdigen Documentis zu
beweisen seyhen, [da6 sie in diesem Stift begraben liegen]. 2 dergcstalt das
gedachte Monumenta nicht uf den Boden wie vorhin beschehen besonder
an die Mauren, hinder dem Allthar des Chors herumb, dessen woll geman-
gelt wftrdt [weil man ihn nicht zur Communion gebraucht] gestellt werden,
1 In diesen Jahren kann es zweifelhaft sein, ob Joachim Mayer
(f 15G0) oder schon Albrecht Dretsch gemeint ist.
2 Das in eckige Klammern Gesetzte sind Rundbemerkungcn von der
Hand Osianders.
— vni —
und dieweil die Stain von den Bildhawern lange zeyt dartzu groften Coaten
mdehten erf or d era [auch leichtlich von fnrwitzigen mntwilligen Jun^en
gesind verschlagen werden] Neben dem, wo solliche Monnmenta gleich
▼on Erz gegossen, das Pfnnd drey batzen oder wenigst zehn creutzer an-
laaffen, and dan mit der Illumination [weil der Measing sonst gern an-
laufft, nnd mit der Zeit gar unscheinlich werden mocht] doppelter Coat
wnrde angewendet; 1st aberrahals nnser nnderthonig bcdenken, das viil-
gemelte Monnmenta anch nicht von Mefiing (dieweil 1 dieselbige ohne Diffi-
enltet hinweggerissen [oder gebrochen], anch longinqnitate aetata [wie
gemeldt] anlauffend, verderbtt werden) ; besonder von Eysin Thafeln In
form der Eyttin Oefen, doch beBer erhebt weder 1 dieselbigen uf allte
Monier cam sois Imaginibas (wie dan gleichformige formnlaria [von vario
militari habitu antiqaissimo] Im Closter Schonthal, nnd anderen glanb-
wiirdigen Picturis zu nemen) za gieBen nnd mit Oelefarben zn illaminieren
oder weniger Costens halben mitt ainer Oelestainfarb (InmaBen der Pas-
sion in EFG Schlofi Cappel) anstreichen lassen [inmaBen dergieichen Eysene
Monnmenta (so mit farben ansgestrichen) in der Stifftskirchen zn aehnn,
welche am gieBen fein lnstig nnd rain gefallen].
Und sodaun die Thafel nngefharlich zwolff Schnoch lang nnd sechs
Sehnoch braitt cam antiqais imaginibas, za gieBen aberrahals die Not-
tnrft gibtt. Mag deBhalben der Ueberschlag von den Formschneidern and
GieBern, wieviil Centner ain Jede Thafl besonder haben, nnd der AbgnB
an gelltt aufflauffen, za erkhandigen sein.
Damit aber alter Monamenten affgeloffner Cost etwas gewiBers in
Erfahrung gebracht, so where nochmhals anger uaderthonig rhattsamlich
bedenckhen, EFG hatten zuuorderst zuor bestandigen Prob weylland dero
F.G. Uhranhern and Grane Heinrichen zao Wnrttemberg (welcher
begraben ligt) die erst eysin Tafelln gieBen lassen. and dan hernacher
zue dero gnedigea gefallen, mitt den uberigen verners fdrschreitten. Wooer
dann herwiderumb der Cost hoher denn zn nermaothea sein mochte, sich
erstrecken solltt, So khanden vill era ante Thafeln geringert nnd allein
die insignia cnm brcvi inscriptione sepalchrali in karzer form gegossen
werden. Welches alles zu E F G gnediger Approbation heimbstellen.
EFG
uoderthanige
gehorsame
Lucas Osiander, D.
Andres Riittel, m. p. *
Bemerkang :
Ein karzer Entwarf Osianders, ebenfalls bei den Akten z&hlt die wich-
tigsteu 12 Pankte auf. Dabei wird a. a. konstatiert, es seien noch einer
oder zwei der alten Steine ganz.
Der Entwurf tragt den Vermerk : 6. Martij 1575.
' = als.
* Beide Unterschriften cigenhandig.
— IX —
5.
Albrecht Dretsch an Andreas Riittel jr.
7. Marz 1575.
Gunstiger lieber Herr Ewer Concept und Copey hiebey ligend so ich
von Euch empfangen — — — hab ich desse Inn a Its Mit all em vleifi ain
mal zway drew iiberlesen nnd gefellt mir treffentlich wol nnd der maflen
von ench alfio zierlich 1 gestelt, das Ich kain buchstaben darinn zu ver-
endern waifi und bey mir gantz Nutzlich und berathenlich furgenommen
nnd derhalben solche copey und concept allain sauber abznschreiben und
zu ubergeben sein mocht verners beuelchs dariiber zu gewarten wie sichs
gepurt.
Actum den 7 martij Anno 75
E. williger
Albrecht Dretsch, pawmeister.
6.
Zwei Notizen Riittel*.
(Foliobogen ohne Nuramer).
No. 1. den 8. Aprilis ao. 75 1st mir aus beuelch M g F u. H duroh
Frantz Curtzen Secret. * angezeigt worden, das die letzt Visierung, die £.
Monumenta zu Stutgart betreffend sol in das werk gericht werden; neben
dem weiter zu erkhundigen, was der Formschneider von solcher Form zu
schneiden bewilligen mochte, dan zu wivil Zentner so solches Bild ge-
gossen anlauffen wiirde, samt den auffgeloffencn Eosten auch zuerfahren.
No. 2. Es ist von Albrecht Tretschen der Bildhawer zu Tiiwingen
M. Lenhard Bomhawer, furgeschlagen worden, welcher neben dem none
essen hat bewilligt die Form in billichen wercht 3 zu schneiden.
7.
Notizen Ruttels (21. Mai -20. Juni 1576).
(Kleiner Zettel, ohne Nummer).
Den 21. May ao 76 uft beuelch M g F u. H hab ich denn Herrn
Camraermeister und Rhaten angezeigt, das sie Michel Thauren neben dem
Bildschneider uff dem Eysenbergwerck zu Haydenheim* deBgleichen einen
1 Sollte der schrecklich schwerfallige Stii des vorhergehenden Stticks
damit wirklich im Ernst charakterisiert werden ?
* Urspriinglich Geheim-Kanzlist der Regiraentskanzlei, bekleidete er
damals den wichtigen Posten eines Kammersekretars der Hofkanzlei. vgl.
Dienerbuch 46, 103. Ueber Frantz Kurtz als Geheimschreiber Herzog Christofs
a. Pfister, Herzog Christof II, S. 48, 135.
3 Wahrscheinlich = Wert.
« Vgl. Beschreibnng des O.jA. Heidenheim (1844) S. 79-82.
— X —
Giiessern beschreiben sollen, am lengsten bis uff Zinstag nach Pfingstem*
alhie zu Stutg. anzukommen. Und ist obgemelten hern Rhaten von wegen
sein, Bildschneiders, ein schuld Zedel umb 2 f 40 k iiberantwurtet worden.
OammermaiBter
Moser
Rorach
Peter Wercn «
Am 12. Junij seiend obgemelte Personen zu Stutgarten erschienen
und die Visierung des Monumenti in funff Stuck zugicften beratschlagt
worden.
Dabei gewesen :
D. Osiander.
D. Georg [sc. Gadner], Michel Thauer
A. Rl. [- Andreas Riittel], Balthes Moser.
Eodem die M. Hanfi 3 Maler ein Elaine Visierung zuraissen beuolhen
worden durch D. Georg Gadncrn fur sich selbs ohne Vorwissen m. g. F. u. H.
20. Junij hab Ich M g F u. H dnrch den Gronbacher* den historischen
Fleugenwedel 4 sampt Graff Heinrichs Visierungen wiederumb uberant-
worten lassen.
8.
Michael Geitzkofler an Dr. Gadner.
20. Jul! 1576.
Edler hochgelerter dem Hern seind mein ganz willige Dienst jederzeit
zuuor, insond gunstig lieber Herr, Sein Schreiben vom 16. diB hab ich
empfangen. Und obwohl derzeit Kein trefflich Bildhawer zu Augspurg vor-
handen, so wiere doch Paulus Mair fiier andere berhuembt mit dem ich da-
bin gehandelt, da6 er sich auf den '2ij ft diB von hinnen erheben und nach
Stueggart ziehen wil, dem sol ein brief! e an dem hern gegeben werden,
und darauff alle anlaittung von Im empfachen, welliches ich dem hern zu
begerter antwurt unvermelt nit lassen sollen, und thue jederzeit, was Ime
dienstlich lieb ist.
Datum Augsp. den 20. Julij 76
Des hern
Dienstwilliger
Michael Geitzkofler.
i 12. Juni 1576.
* Cammermeister (oberster Beamter der Rentkamraer) war Balthasar
von Karpffen ; vielleicht ist auch Wolf von Zulnhardt gemeint. Moser kommt
nicht im Dienerbuch. Rorach war Expeditionsrath, Peter Wern Sekretar
bei der Rentkammer. (Dienerbuch 109, 124;.
« Hof maler Hans Steiner, auch Steinmer und Steinmar geschrieben,
f 1610.
* Um was fur eine Personlichkeit und urn was fur eine Sohrift (Ka»
ender?) es sich dabei handelt, war nicht zu eruieren.
— XI -
9.
Das Empfehlungflschreiben Geitzkoflei** fiir Mair.
vom 20. Juli 1576.
ist ganz kurz und en thai t nichts Neues.
10.
Dr. Gadner an Herzog Lad wig.
26. Juli 1576.
Durchleuchtiger hochgeborner G F u. H, af EFG genedigen rountlichen-
beuelch hab ich nachfrag gehalten, nach einera gueten bilthauer, der did*
vorhabenden epithia schneiden kunde, and hab ainen, genanto Maister pau-
lus maier, so ain Stainmetz and bilthauer, zu Augsburg erfraget, der
beedes in stain zu hauwen und in Holz zu schneiden bericht sein sollte-
Darauf hob ich vergangner tagen, dem fuggerisohen Bentmaister desshalben*
geschrieben, der mich beantwortet, wie EFG hiebei genediglich zu uer-
nemen haben, Sodann der gedacht maister seinem, in dem schreiben ver-
melten, erbieten nach, heut datumbs uff 1 sein wird, so ist sich zu uersehen,
er mochte bis Sambstag oder Sontag 2 alhie ankommen. Demnach werden
EFG jemand beuelhen, der nach notturfft mit Ime handele. So halt Ich
in underthenigkeit darfur, EFG werden die gestellte Visieren noch in der-
selben gemach haben, die wird man Ime notthalb furlegen miissen. Da
werden EFG auch genedige Verordnung thun, damit dieselben zu deren
handen gebracht werden, die mitt Ime handeln sollen. Thue EFG mich>
gehorsamlich beuelhen.
Datum Stuttgard den 26. Julij ao 76.
EFG
underthaniger Diener
Jeorg Gadner
Doctor.
Kingelegter Zettel:
Er selbst sowie B. Moser konnen die Verhandlungen wegen einer
dienstlichen Beise nicht fiihren. Der Herzog moge jemand anderes be-
stimmen.
Adresae: Unter dem Namen des Herzogs heilit es : «herrn D. L. Osian*
ders zu erbrechen». Dieser ist also in der Umgebung des Fursten.
i = aufgebrochen.
» 28. oder 29. Juli 1576.
— XII —
11.
D. L. Osiander an Riittel.
28. Juli 1576.
Gottes gnad zuuor and alles guts sambt erpietung meiner gutwilligen
NDienst. Ehrenuester furnehmer lieber Herr und gater freund, Nachdem
ein Bildhawer von Augspurg vielleicht morgen zu Stutgart wurdt ankom-
men, der ein form soil schneiden, zu ein epitaphio, zu uersuchen, wie
es sich von eysen wolte giefien lassen, Und aber Doctor Gadner, auch der
Herr Moser verreiten miissen, und zu besorgen, dafi Ir keiner mochte umb
den Weg sein, so ist M. g. F. u. H. gnediger befelh, Ir wollet das ge-
malte Muster (welches auff m. g. F. u. H tisch in J. F. G. stuben liegt.
und euch Maister Endrefi ' der Schneider und silberkemmerer zustellen solli
dem Bildhauer von Augspurg zustellen, und im fleiBig zaigen, das er e>
sol von funff Stucken schneiden, nemlich 1) das capital, Jt. die zwo seiten
columnen und dann das stuck under die fiiefi. Unnd das bild fur sich selbs,
und soil die Sach also anschicken, das sich die stuck fein zusamraenrichten
. lassen. Daran beschicht U g F u. H Mainung. Und wo es der maister wolte
zu stutgart machen (da er euch bei der Hand hett 8 ), wie hieuor die mai-
nung gewesen, werden Ime die Heren Chammerrhat wol wissen ein Zedel
zu geben, das er dieweil bis es verfertigt, mochte gen hofe gehen 3 : hie-
>mit thue ich
Dat. Herr en berg den 28. Julij ao 76.
Lucas Osiander, D. m. p.
12.
Riittel an D. Osiander 4 .
30. Juli 1576.
Mair sei am 29. angekoramen und wolle das Werk ubernehmen. Aber
die Visierung ist nicht zur Hand, da der Herzog den Schlussel zu seinem
«Studierstublein» bei sich hat ; die Herrn von der Rentkammer warten anf
8chriftlichen Befehl. Damit nun Mair, mit dem bisher <nichts Fruchtbar-
liches» abgehandelt werden konnte. nicht unnutz aufgehalten wird. bittet
R. um umgehende Instruktion.
1 Wahrscheinlich der unter den «Chammerdieuern» (Dienerbuch 205-
genannte «Enderiss Ganss, Schneider.* vgl. Dienerbuch 211.
* R. gait als Sachverstandiger in kunstlerischen Fragen. Vgl. Wi., S. 46.
3 Zum Essen. Vgl. die Notiz uber die Bedingungen, die Baumhauer
stellte. (Nr. 6).
4 Auch hier ist D. Osiander der Ratgeber des Herzogs in seiner un-
.mittelbaren Begleitung.
- XIII -
Beacheid: (31. Jnli ; aus Nagold datiert), auf der Rtickseite : Die
Kammerrate sollen die Sache unterstiitzen — — . tSonst liegt die Visie-
T-ung, wie 8%e D. J&rg gemacht. In M g F u. H gemach uf dem tiisch. Da-
rum solle daselbsten nochmalen mit allem fleiB nachgesucht werden.*
13.
Mairs Ueberschlag
(undatiert; nach der Reg. v. 2. Aug.)
Ain Verzaynus dises werckhs. was es ungefarlich costen and dar-
anif gen wurden, wie volgt :
Erstlich das werckh wurd und raiieste hoch werden in alem 11
werkschuch und die braiten 5 werkschuch und 4 Zoll ungefarlich.
Jetzund. wan ich es wil fleittig und kunstlich machen, wie dan die
fisierung, so SFG bei Hand, verdien ich 130 fl. daran, es sol auch ni
beser als die fisier vermag gemacht werden: sondern Beser 1 , Und wo SFG
Beschwer hatte, wil ich das werckh machen and nichts fordern, sonder
hab Ich wol gearbeit, hofe ich werd auch wol bezalt werden, den auch
verstendig, so die arbeit und Kunst vers tan den, inen heimgesetz haben*.
Was jetzund das GieBwerckh belanngt, achte ich darair, das zum
besten und zum kiinstlichsten und furstlichen sey, da ainer gegen hohen
und Niderstannd wol besten kan und mag, von meB zu gieBcn und alles
durchaus mufi holl werden, schatze ichs ungeferlich die Schwcre des
ganzen Werckhs duraus auf 4 1 !* Zentner und von einem Zentner 40 fl. 8
.zu giefien, es wirt und muefi auch das ganze werckh duraus fleiBig miiesen
verschniden und ausgeboliert werden.
Was jetzund das Eysenwerckh belangt, sage ich, das mans nit kan
fleiBig zu weg bringen und keine Kunst daran legen kan dan es am gieBen
nicht scharpf, zudems sich nicht lassen verschneiden auch alles hinden am
ruggen durchaus gelad* wird und wol erachten kan, das es das gantze
Werkh woll auf 10 Zentner schwer wird hinauslaffen, also habt ir mein ein-
feltige meinung und verstand. Was jetzund SFG zue meind, gilts mir gelich
Paullus mair Bildhauer
und Burger in augspurg
14.
Notiz Riittels (29. Juli-3. Aug.)
(auf dem Umschlag fur Nr. 9.)
Den 29. July ut s 5 ist M. PaulB Maier zu der Sonnen alhie ankom-
men und hernacher den 3. Augustj von Stutgarten hinwegzogen, derhalben
» Nicht boser, sondern besser.
2 Er stellt das Urteil liber den Preis sachverstandigen Lcuten anheim.
* Lesung nicht ganz sicher.
* Sinn offenbar = massiv. Sprachlich wohl ~ beladen, beschwert.
5 ut supra?
— XIV —
dan line ufi beuelch hern Balthassars Mosers dorch den landtschreihern
Erhart Stickeln 11 glden 11 Kr zur hin and widerzerung gegeben wordem,
doeh hat er zur Cronen 4 Malzeit nnd 2 Schlafftrnnk von obgemelten geH
selbs ansriehten muessen. nnd der Kastkeller 1 dem gedachten win dto
footer uff M G F n. H Kosten erlegen lassen lant Zed els.
15.
Gutachten der Rate.
4. Aug. 1576.
[offenbar zasammen mit dem Ueberschlag Mairs an den Herzog gesandt]
Nach einer Rekapitnlation des Tatbestands heiflt es :
«Dieweil dann solcher Bildhawer mit seiner Arbeit eben hoch,
nnd da aolche Begrabnussen von Eysinwerck EFG meinung nach gemacht
werden die vom gefell nit so rain allfi von Mafiwerckh, zue dem anch
das Eisin an dem gemenr von der Winterfeuchten (ob solche schon ver-
gnllt nnd angestrichenj Schaden etnpfahen, and verrosten wurdt, Im fahl
dann selbiges von mefiwerckh (da es am lustigsten and schonsten) gefertigt
werden, wurde es ein sehr grofien Unkosten, nnd jedes angeaar nf 400 fl.
erfordern ; So haben wir deswegen heut dato die sach anderhandt genom-
men, auch den Bawmeister Albrecht Tretschen and Friedrich Buchsen-
giefier- darzae gezogen, — — bedenckhen, EFG hetten jetzmallst
zar Prob allein zwaj monumenta, allfi dero Uranherrn and Aberahnherra,
weilland Grane Ul rich en and Graae Heinrichen Sohn and Vattern - —
— — , von mefiwerckh verfertigen, doch zoo or weitere Erkandignng holen
lassen, aU za Ulm, Nuremberg and Nerlingen, da es anch feine Bildhauer
and Formschneider haben soil, wie solche ufs allernehest* za machen,
nnd da EFG gesinnt. die also von mefiwerckh machen zu lassen, mochten-
dieselb, weil Friiderich Buchsengiefier die alhie im Zeughans zu giefien
getraut, dannoch damit etwas nehers 9 dann obgemellter Ueberschlag ver-
mag, zuekhommen.
Wolff von Ziilnhardt m. p.
Balth. Moser m. p.
Andres Riittel m. p.
1 Die Kastkellerei in Stuttgart war die rentkammerliche Kellereibe-
horde far Stadt nnd Amt, zugleich anch eine Art Zentralkellerei fur das
ganze Land.
* Friedrich Keftler, nicht der Dicnerbuch 564 genannte(f 1616), Bonders
sein Vater.
8 billigst, billiger.
- XV -
16.
Lucas Osiaoder an den Herzog
7. Aug. 1576.
G F u. H, Ich hab aile beigelegte Schrifften — — — — gelesen,
and wiewol ich nochmalen dafur hielte, daB es in Eysenwerck stacks-
weise zuwegen za pringen wer. and in den Kirchen zu Statgarten etliche
dergleichen eysene tafeln sein. welche mit farben. gold and silber fein
herausgestrichen, and dennoch sich von keinem Wetter oder Winterfeachte
noch der Zeit verendert, Jedoch da es je sollte von mefi gemacht werden,
and EF6 einen solchen grofien Kosten auffzuwenden nicht bedenklich, steht
solches zu EFG gatbedunken, — — .
Und schlecht der Bildhawer Paulas Maier von Augspurg den Zentner
Messing zu gieBen fur 40 fl. an, vermeind. daB ein stuckh werde ungefehr-
lich wegen fiinffthalben Centner, wurde ein stnck (souil den Messing be-
langt) kosten 180 fl. Wenn aber das pfundt Mefi oder Biichsen-
zeug kostet 3 batzen, so treffen 4'/« Centner (der Materj nach) 90 fl.
Was es aber ferner aufzuberaiten kosten wurde, selbige Arbeit weifl
ich nicht za schetzen, dann mir nicht wissend, welchergestalt EFG dem
Friderich Biichsengiesser in dergleichen sachen den willen zu rnachen
pflegen. ob es dem taglohn oder dem werck nach gerechnet werde.
Was den Bildhawer anlanget, wiewol er vom stuck 30 fl. fordert,
und es eben genug, wo nicht zuuil, jedoch. weil er bei der Hand ist, und
da man von anderen orten solte andere personen bekhommen. vielleicht
noch mehr kosten auflauffen mochte, Steht es zu EFG gnedigem willen,
ob sie es also wollen mit diesem Bildhawer (dem ohne das die Zerung
und sein VersaumnuB muB ausgerichtet werden) versuchen lassen, das er
zway monumenta schneide und folgends der BiichsengieBer nach und nach
selbige verfertige. Solte EFG ich zu underthenigem nicht verhalten. der-
wegen bittend. EFG wollen solches von mir (als dergleichen sachen nicht
verstendigen , Im besten und in gnaden vernemen.
— Act. Calb 7. Aug. anno etc. 76.
EFG
undertheniger
gehorsamer
Lucas Osiander, D.
Bescbeid (Ruckseite).
— So ist J. F G. gnediger beuelch, dafi man den Bildhawer
also zwey monumenta fur stiicksweise schneiden oder hawen und
dann dieselbe von Eysenwerckh giiessen und also hiemit versuchen lasse
. Und damit man hienach desto besser mit dem Eysenwerckh oder
Messing furgehen kondte, mochte Inmittels gehn Nurnberg Ulm und Ndrd-
lingen durch einen bekannten, als den Moser oder einen andern, umb fer-
I
— XVI —
neren bericht farderlieh geschrieben nnd erknndigt werden. ob soldi wercki
also von Eysen zu machen. wurdet ohnc zweifel. bis soldi bericht ein-
kombt, der Bildhaaer vcrtig, and kondte man hernach nsch gelegenheit
befandener sachen verners, was am Rathsamsten, farnemen. Act. CaJw
9. Augastij 1576.
M. propria.
17.
Paul Mair an Rfittel : 5. Sept. 1576.
(praes. 5. Okt 1576).
Adrcsse :
Dem Ehrsamen und farnemen hern Andreas Rittell fnrstlich nnd
wirttembergerisch seiner gennaden Verw alter meinem Insondern gunstigen
Herrn zu behandigen.
Stuggart.
Ersamer freundlicher lieber Herr Rittell Ench sein mein ganz under-
then ig dienst znvor bereit Nachdem ich nne tod Each abgeschayden and
anff dem berawett mir nngefarlich in 14 tagenn ain antwnrtt zuerbietten,
saint einer Verehrung l meiner mie ond Yersenmnns 1st mir die weyll aber
so lang worden nnd nicht hab kinden underlassen dieweil ich Einen botten
gehabt, Ench zn schreiben, nnd wist lieber Herr, das ich nicht wol heim
komen bin, dan das rofi mit mir auf der alb gefalen nnd mich hart ge-
trukh hatt, zum andern woll ich geren wissen, wie die sach mit der arbait
beschaffen war, ob 8FG and erst bedacht sich etwan von stain zne machen
nnd wan dem also das SG von stein haben wold, kind mans wol von
marbelstein schen machen, nnd alles darchans schen kan geboliertt wer-
den, wie ich dan Junkher Hanns woll vom stamheim nnd geisingen nechst
kinfftig bey 10 wnchen ain sollichen arbait aach gemacht hab, and mir
gleich gilt, ich arbait in Holz oder in stain wolte SG von marbellstain
haben, wil ich im ain sohgeschaffenen arbeit machen. bit Each ganz.frennd-
lich, wolt meiner im besten gedenckhenn der arbeit halben, nnd anch
meiner mie nnd Versenmang ich wils umb Each vergleichen, bit wolt mir
bey* Zeiger diesem bottenn wideramb bescheid schicken — Dat.
Angsparg den 5. septembris 76 jar.
E. W. U. 3
Paullus mair Bildhawr
der jang daselbs.
1 Verehrung ganz im Sinn von Honorierang, Honorar.
* = durch. Die Aasdrucksweise ist haufig.
» EWU = Euer Wurden untertaniger.
- XVII -
18.
Hair an Rttttel; 9. Okt. 1676
Laus deo anno 1576 den 9. Oktober in augspurg.
Ersamer Herr Rittell demnach ich Each nechst bey--
Einen augspurger geschryben, aber mir von Euch keine schriftliche Ant-
wort nicht worden ist, alloin mir der bott mintlich angezaigt von Each,
das ich miefi das werkh schneyden and alsdan noch von raefi gegossen •
werden: wolde ich geren von Each einen grundlichen Bericht haben, wie
ale sach beschaffen, derhalben mein gantz dienstlich bit, welt darmit ge-
muett sein, and an SFG anhalden, damit ich einen aigentlichen bericht
hab, aus der ursachen, das noch ein fiirtrefflichs werkh zu machen vor-
handen ist, derhalben ich geren wissen wold, woran ich war, kind ich
mich darnach za halden, was SFG begeren ist, ales miteinander anzunemen,
oder ain stuckh allain zum master za machen ist mir ales lieb wirt SG
wol sehen, and andern, die es dan verstannd, was mein arbait ist, bit Each
ganz dienstlich, wolt hierin gemiet sein, damit ich nicht verkirtz werd,'
und mir bey ainem augspurger botten schrifftlichen antwurtt zu-
schickenn. — — —
EWU
Panllus mair Bildhawr
der Jung daselbs.
19.
Rechnnng des Hofmalers Hans Steiner
(praes. 23. Okt. 1576).
«volgt was ich m. g. F. und H. gemaldt hab.
Anno 1574 den 10 augustus habendt mir JFG gnediglich auferlegt
und beuellen lassen, durch den hern Kewstratter Andreas RittelL dali JFG-
ain fiBierung stellen soil zu den fiirstlichen monumenta die 16 amatta 1
mit farben gemaldt mit schennen farben sampt 4 groBen bildern auf ain
Regallbogen in mainen Costen gar miesam hab daran verdiendt
Summa drey guldin.
[hiezu Randbemerkung Battels:
<Diese Visierung ist bey den andern Wiirttcmbergischen gehaymen
sachen, in ainen verschlossen triichlin, so in m. g. F und H Studierstiiblin.
steet, verwart und uffgehept worden*]
1 Lesung unsicher. Das Wort ist korrigiert.
- XVIII —
Weitters habendt mir JFG gnediglich anferlegt und beuellen lassea.
•das ich noch 3 fifiierungen stellen soil, aach za gemelltem BpenUffiu
durth den Hern Andreas Rittell das hab ich aneh gedan nab aach an ain
verdiendt ain halben guldtin dut sum ma zn samendt
anderthaiben guldin.
[hiezu Battel am Band:
«liegt bei den actis, ltra & signiert*]
Weitters hab ich anch ans benelch m. g. F and H ain groBe brinn-
ballfiBierung auf bapbeir gemaldt and aafgebapt aaf daeh 10 schuch hock
6 schach braidt ist aach miesam nabs aach in meinem cos ten gemaekt
hab anch daran verdiendt sex gnldin dan sie vill miieh genommen hat and
lange weill
dnt diese sum men sex gnldin.
[Am Band:
von Battel: «bei der Registrator vorhanden*
von epdterer Hand: «nit mehr dabey»]
Letzlich hab ich wiederam ein fifiierang aaf ain Begallbogen gerissen
• and gedast in gleicher gestalt wie die ober allain nit aaf die selbig ardt
mit den seillen nod Crambergemendt sansten aber mit den wepnerlewei
and gsimsen und zedell nnd Kapteli hab anch an gemeldter visiemng
verdiendt ain guldin.
[am Rand : ^wie bei dem vorigen Posten]
Dnndt diese 4 posten za samendt ailff gnldtin and achthalben batzen
gefertig anno 1576
EFG
nndertheniger
gehorsamer
hans Stainer
Mailer.
Anmerkung zu Nr. 19.
Seile, d. h. darch Lociher durcbgesteckte Schnure mit Fruchten etc
and «Crambergemendt», d. h. krumme, aafgerollte Pergamentstreifen, sind
sehr hantige and bekannte Heqnisiten der dekorativen Bekronungen an
Orabmalern und andern 'Monumenten jener Jahre. Mit «zedell» ist die In-
sehrifttafel gemeint, die oft in Form eines Pergamentstreifens gegeben
••wird. Ich gebe die Dentang mit Vorbehalt, weil die etwas fahrige Hand*
schrift des Hofmalers kein ganz sicheres Entziffern gestattet.
20.
Notlz Riittelfl.
(Foliobogen)
Den 16. Novembris ao 76 haben die hern Cammerrhat die sachcn
von wegen der f. Begrebdnossen zu Stutgarten farhanden genommen and
einhelliglich beseh lessen, daB die Visiernng sol gehn Ulm einem Bild-
— XIX —
schnitzer geschickt und erkhundiget werden, was fiir uncosten des schneidens
halb darnff gehn mochte, alfi dan hernacher gedachte Visierung hanfi Rayser
goldschmid gehn Augspurg iiberschicken und darbei schreiben, was er
ferner mit M. Pauls Maier Bildhawer und formschneider daselbsten handlen
sol, dieweil M g F u. H gnedig bedacht allein in eysen von funffstiicken
und nit mit Mossing schneiden zu lassen und deshalben bei Ime erkhuu-
digen, was er daruon zu schneiden begeren wi rd, soiches alsdan bei ehster
Gelegenheit zur Kanzlei beriohten.
Cammermeister
Chr. Thumas i
Balth. Moser
Die Visierung, so ich obgemelten hern Rhaten iibergeben. sol an der
hone 10 schuch und an der Braytin 6 schuch haben.
[am Rand: «liegt wiederumb bei den Akten»]
Nota :
herr Balthassar Moser hat gedachte Visierung mit sich gen Ulm ge-
furt und mit dem formschneider* abhandlen wollen, dieweil er aber zuuil
gefordert, 1st es also bis anhero verbliben.
21.
Mair an Riittel
8. Februar 1577.
Inhalt :
Auf sein friiheres Schreiben hat er die mundliche Antwort erhalten,
dab er den Auftrag bekomme. Er wartet aber immer noch auf genanere
Anweisung und mochte deshalb nochmals mahnen, seinetwegen und wegen
des (Augsburger) Gieiiers, «dan mir sunst auch ale beraitt an andern ortten
mit arbeitt wurden beladen werden*. Letztere6 moge dem Herzog vorge-
tragen werden. «Was aber das werckh belangt, bin ich und der Giefler da-
hin bedacht ein stuck, aus beuelch doch SFG, zue Augspurg zu machenn,
wo es S. G. also gefellig.* Doch ist er auch bereit, mit dem Giefier nach
Stuttgart zu kommen, und dort mit dem Herzog zu verhandeln. Er bittet
nochmals dafiir zu sorgen, daB sie nicht verkiirzt werden, und erinnert da-
ran, daft er seinerzeit seine Zusage erfullt und einen rechtschaffenen
GieBer beigebracht habe.
1 Damals Expeditionsrat bei der Rentkammer. Dienerbuch 14, 37, 109.
2 Vielleicht Hans Allgeyer? Von ihm gibt es ein nicht lang vorher
(1568) entstandenes Bronzeepitaph in der Pfarrkirche in Radolfzeli. VgL
Probst, Archiv far christliche Eunst. 1893, 26. (An Mair selbst zu denken,
erscheint, so wie der Text lautet, doch nicht das Nachstliegende.)
n **
— XX —
22.
Mair an Rtittel.
1. Mftrz 1577.
Mair ist bis jetzt ohne Antwort auf sein letztes Schreiben and bittet
dringend am Bescheid, <sonderlich auff des Gieflers an mich fulles anhal-
den>. Ist der Herzog noch der Meinang, einen MensingguB (!) machen zn
lassen, so will er samt dem GieBer auf seinen Wunsch sofort zuziehen, «aach
dasjenig, so ich Each verhaiflen, zae machen zur uererung, mit mir bringen*.
Er wiederholt das Angebot einer Marmorarbeit and bittet am Nachfra^e
bei Junker Hans Wolf von Stammheim uber das fur diesen gelieferte Werk.
Einliegend sendet er ein Schreiben an den Herzog selbst and bittet am
scbriftiiche Antwort.
Registrata: Praes. 6. Martij ao 77 respondi die VII ejasdem. [Ruttels
Hand].
23.
Mair an den Herzog.
1. Marz 1577.
In halt:
Recapitulation der bisherigen Verhandlungen und Bitte urn endgul-
tigen Auftrag. Marmorgrabsteine hat er auch candern fiirsten und Herrn»
gemacht.
Schlufi:
• Bitte auch EFG ganz underthenig wolle mir lasen bey diesem augs-
purger botten schrifftliche antwurtt widerfarenn lassen, da6 ich mich weiB
sampt dem GieBer zuuerhalden, dan sunst mir auch bei andestern von
arbeilt halben angeredt worden seyen, allein mir und zu forderst auff EFG
antwurtt gewardett, thon hiemit EFG im schutz des hechsten beuelhen
EFG undertheniger
Paullus Mair
Bildhauer und Mitburger
daselbs.
24.
Mair an Rtittel.
17. Marz 1577.
Laus Deo anno 1577 den 17 martij in augspurg.
Mein freundtlichen gruefi und gantz willig diennst zuuor gunstiger
Lieber Herr Ritell Euer Schreiben ich hab empfangen und vernomen in
dem ir meldet, daB dem Johan Raiser goldschmied die fysierung Ibergeben.
- XXI -
bin ieh ganz woll dermit zuefriedenn, dan er der Kunst and arbeitt wol
verstendig ist, beger aach anderst nit. wie ir wol in meinem nechsten
schreiben verstanden habt, das ich das werkh beger gat and fleyssig za
machenn, damit JFG ein Ehr und mir ein lob: zum andern irs welt JFG
fur halden, das es wol gewaltig und kiinstlich sehenn ward, wan der kiriB
erhaben gemacht ward, and nit gar zu flach : wie ich bey andern fiirsten
and Herzog gesehenn. dan ich gerne ain lob daruon wolte sagenn, and
kind wol erachtenn, das ichs mach wie dan JFG begert, aber meinen gaten
ratt geb ich allso darzu, wie ich dan auch miindlich mit dem hern zu stug-
gartt geredt hab, aach beger ich anderst nit, als ain werckh wie dan die
fysierung ausweist za machen kan man sehen was darauff gett beger nicht
mer als was ich verdien and wert ist: so kan ich mich mit der andern
arbait dorchaus geleich halden, mit der arbait und rait der bezalung, da-
mit JFG and mir billig und recht gescheh: dieweil vill der arbeit mueB
gemacht werden : ist es meines erachtens am besten. man versuch zuerst
mit ainem stuckh. Weitter so Schick ich Each das bach auf Euer begeren
darin Ir werdt allerlay fazyonen von kirifi linden die alt sennd ; was dan
darinnen zu dem werckh wurde dienlich sein, welt ihr fein mit ainem brief-
lich verzaichnen, and bit Each hieneben, welent das buoch also bey Eueren
ban den behalten, damit mir nichts werd hieraus abgezaichnett, darumb
ich each wohl vertrawe und besers K ferner : ich schon im werckh bin, so
icb Each verhaifien und wills gott baid soil ausgemacht werden, ich waifl
wol das es Euch and anderen woll gefallen wird, und alsdann wils gott
fleifiig Einmachen wil, und Each sol Iberantwurtt werden, mugt Irs wol
wan es Euwer gelegenhait ist: JFG oder Irem gemahl furtragen, ich kan
wol mit gottes Hilff der gleichen arbeit mer machen, hiemit im Schutz des
nechsten Euch thon beuelhenn. Amen.
E. underthenig:
Paullus Mair
Bildhawer etc.
25.
Umschlag mit Riittelschen Notizen.
Dez. 1576 — Juni 1578.
Dieser Umschlag, jetzt leer, enthielt ursprunglich die Skizze zu dem
Denkmal. Darauf beziehen sich die beiden Vermerke :
cpraeB. VII. Dec. 76 per Balth. Mo serum*
and
«17. Dec. Ao 76 M. Paulus Maijer Bildhawer gehn Augspurg uberschickU
i = und noch (um) Besseres (vertraue ich Euch).
!
- XXII —
AuBerdem hat Ruttel den Um sen lag zu folgenden Notizen benutzt :
«Den 22. Aprilis A° 77 hat mir M g ond H wideramb beuolhen graff
Heinrichs etc. Epitaphium in fanffstnck schneiden zu lassen*
•Rayser rediit ex Augusta 20. Aprilis A° 77».
<Nota. 18. Junij ao 78 hab ich gedachte Visierung von M g F and
H wideramb begert aber solehe nicht mehr bekommen khonden, dan sie
verlegt word en. »
26.
Weitere Notizen von Rnttels Rand.
[Sie finden sich teils auf einera Oktavblatt, teils auf dem Umschlag-
blatt fur den ganzen Faszikel.]
Das Oktavblatt lantet:
•Memo rata
Nota.
Johan Rayser 1st nach der frankfurter MeB von Stutgarten oft wider-
amb haymwerts gehn Angsparg gezogen und anzeigt, In 8 tagen wider-
amb bei M g F and H aihie zu erscheiaen.
Eodem die princeps Bobelingae fuit.
Act. d. XI. Aprilis A 77. Redijt ex Francofordia die 8. April. A-
ut s.
Nota. In vigilia Paschalis die VI Aprilis hat M g F und H widerumb
der monumentorum halber angemandL*
Die auf dem Umschlagbogen enthaltenen Notizen. soweit sie nicht
Wiederholungen sind. lauten folgendermafien :
•Den 27. augusti a° 77 bin ich wideramb der Begrebnussen halber
angemandt worden.
Den 16. sept a° eod. hab ich den Raysern alhie zu Stutgart ange-
mandt. discessit Stutgardia ad nundinas Francofordianas.
Den 22. Sept. hab ich Johan Raysern ein Schreiben an Paulus Mayern
gen augspurg uberantwortet.»
27.
Riittel an Mair (Konzept)
28. April 1577.
AuBen (Hand Riittels)
•Johan Raysern zugestelt zu uberantworten l
Die hohe . „ ^ I 10 .
_ des Monuments { a sch.»
Brayte | 6
Inhalt :
Rayser wird ihm, dem Mair, auch die «Visierung weiland des hoch-
gebornen Fursten und herns Graff Heinrichen zu W. etc. Begrebdnus and
Grabschrifft belang-end* iibergeben. Da nach BeschluB des Fursten das
an Mair zu iibergeben.
— XXIII -
Kpitaphiam von «Eysenwerck» gegossen werden soil, so soil Mair die Pa-
tronen in 5 Stiicken scbneiden «des fluli halbcn». Etwaige Mangel an der
Visierung soilen dem Fiirsten berichtet, andernfalls sofort mit dem Werk
begonnen werden.
Randbemerkung (Riitteh Hand) :
«Dieweil m. g. F. und H. euer Augspurgisch gschlechtbuch beih an-
dem nnd diesmals mit M. 0. Friedrich zu Brandenburg von Stuttgart aus
verruckt, wil ich zu S. F. G. Heimkunfft dasselbig erfordern und euch bei
ehster Gelegenheit widerumb iiberschickon.*
2«.
Mair an Riittel
23. Oku 1577.
(mit Bescheid vom 14. Nov.)
Inhalt :
Mair antwortct auf ein (nicht erhaltenes) Schreiben, das ihm Rayser
am 22. Okt. iibergeben hat. Wenn gesagt und auch dem Fiirsten hinter-
bracht worden sei, er habe die Arbeit liegen lassen, und andere Auftrage
angenoramen, so sei dies unwahr. Vielmehr habe er sofort nach Empfang
der Visierung begonnen und hoffe am 18. November fertig zu werden.
Hatte er mehr solcher Arbeit kundige Gesellen gefunden, so ware es noch
rascher gegangen. Er versichert, dafi er andere Auftrage gehabt, aber aus-
g;eschlagen habe, und fragt an, ob das fertige Werk in Augsburg besichtigt
oder von ihm nach Stuttgart gebracht werden soli.
Unterschrift
E. W. U.
Paullus Mair Bildhauer
P. N. B. M. »
Die Riickseite enthalt einen herzoglichen Bescheid. (Das Schreiben
wurde also dem Herzog vorgelegt.)
«Andreas Riittel solle zuuorderst MGF und H [mitteilen]. ob man
sollich werkh mit 2 Rossen herab furen konde oder ob nutzlicher, dafi
man solches aldoben aufdiuge oder wie es mit wenigsten costen gehn
Stutgart zu bringen. Alsdan will sich JFG verners defiwegen resoluieren.
Act. Schorndorff 14 Nouemb. 1577.
Ex. Connn. Dni Principis.
In dem Mairschen Schreiben findet sich am An fang folgende Band-
bemerkung von anderer Hand :
•Dies ist aus Anstiften des Raysers geschehen; dan er besorgt, die
Arbait mochte hinder sich gelegt worden sein».
1 Was diese Abkurzung bedeutet, vermag ich nicht anzugeben (per
nostrani propriam inanum?).
- XXIV —
29.
Riittelsche Notizen
(auf dem Umschlag des Bescheids za 28).
Den 18. Novembris ist Johan Rayser an hone gen Schorndorff ge"
ritten, und will alle sachen furderlich der fuehr halben verrichten. n*i
nmb fernern beschaid anhalten.
Den 20. Novembris hab ich Paulas Maier bei dem Hannfi Raysern
widerumb geschrieben, mich der fuhr halben und wievil Centner die form
schwer sein mochte, uff das beldest zu berichten.
Den 4. Decemb. 1577 1st obgeraeiter Bildhawer zu Stutgarten an-
komen.
30.
Osiander an Riittel.
22. Nov. 1577.
Inhalt:
Der Fiirst hat friiher befohlen, «ein form schneiden zu lassen, die in
sand getriickt volgends von eysen ein Epitaphium zu ainem Muster zn
Haidenhaim gegossen werde, damit man die Prob sehen und einen gewissen
Ueberschlag des costens machen und JFG sich endlich des ganzen Werks
halben resoluieren moge». Das Holzmodell, soil, um Kosten zu sparen, so-
fort nach Heidenheim gefiihrt werden, entweder als Riickfracht von dca
Fuhrleuten, die mit Wein nach Munchen fahren, oder mit Klosterfahr-
werken aus Konigsbronn oder Anhausen. Osiander bittet um Bericht uber
die Kosten der BUdhauerarbeit abgesehen vom Transport.
<Dat. Kirchaim under Teck 22. Nov. a° 77>.
31.
Goldschmid Rayser- Augsburg an Riittel.
29. Nov. 1577.
Erenttvester Her, E. E. Sein mein gantz wilge dienste zuuor, ferner
wist hiemitt dem Mayr byldheuwer das epenttaffion zu enttpfachen, darfur
man hatt nitt weniger als fl 8 nemen wellen der ungcschicken ladang
halber, hatts nit wollen nach dem Centtner annemen. Doch ist der mayster
auch darein gedingt, das er auch hinab fare. Wollte gerne neher sein ab-
komen 1 , aber dise ortts nit sein weilen. derhalb wollen ine fl 8 hollen
lassen. Domitt was den herrn lyeb und denstlych ist. Dattum den 29 no
vembri ano 77, zu Agstpurg.
= hattc gem billiger abgeschlossen.
— XXV -
32.
Rttttel an Osiander
5. Dez. 1577.
(mit Bescheid vom 7 Dezbr.)
Inhalt :
Johann Rayser, der am 20. Nov. zum Beriobt iiber das Qewicht des
Modeils aufgefordert wurde, hat unterdessen ohne Vorwissen des Bild-
hauers den Fuhrknecht eines Harbacher Burgers mit dem Transport be-
auftragt. Der am 4. Dez. in Stuttgart aogekommene Bildhauer will das
Modell weder ihm, nooh vollends den Raten zeigen, sondern beruft sich
allein anf den Herzog ; er wolltc es auch nicht in Heidenheim lassen, son-
dern hat es in Stnttgart -Inn die Canntziej Liberej uberliffert*. Riittel
hat es einstweilen in Verwahrung genommen und bittet urn Instruktion.
Bescheid.
•Die fnor solle bezalt l und der meister zum essen gehn hof gelassen
werden, bis M g F und H seibs dahin komt. Da es aber Ime so lange zu
warten beschwerlich, solle Andreas Riittel solches samt einem Chammer
Raht und zuuorderst dem Oberuogt Leyningen 2 auch ainem Bawmeister
besichtigen und mit Ime uf das genahest abhandlen und Ine damit ab-
nertigen.
Act. Bebenhausen 7. decemb. 1577.
Mauu propria.*
33.
Notizen Riittels.
(Foliobogen)
Dez. 1577.
Den 4. Dezember ao 1577 hat M. Paulus Mayer die geschnittene form
des Epitaphii gehn Stutgarten gebracht, ohnegefahrlich zu 4 Mi Centner
schwer, daruon — — — bezalt worden.
Den 12. Dezember 1577 hat M. Balthassar» schreiner, die geschnittne
form des Bildhawers von Augspurg In M g F und H Cammer uffgericht.
Den 13. ejusdem 1st von dem Balthas Moser auBer Beuelh M. g. F.
and H nach einem gieBer gen Haydenhaym abgeuertigt und Michel Thauren
deshalben zugeschrieben worden.
Den 14. ejusdem ist von M g F und H beuolhen worden mit dem
Bildhawer abzuhandlen.
* Der Betrag ist verrechnet L. R 1577(78. S. 370.
2 Dienerbuch 539 : Erasmus von Laymingen, in diesem Arat seit 1570.
3 wahrscheinlich Balthasar Kretzmaier.
— XXVI —
Uff Sontag 15 ejusd 1st allerdings mit M. Paulas Mayer Augspurgi-
schem Bildhawer im Beisein der Herrn Erasmus von Layningen, Oberuogts
zu Stutgart hem D. Lauxen Osiandern hoffpredigers, Andreas Rittels,
hannsen Stayners Hoffmalers und Hans Bawmanns Steynschneiders ' von
wegen der geschnittnen form — — — fiir alien uncosten and zerung hin
und wider abgeredet und beschlossen worden hunderdt Neuntzig vier gldn
und ain ortt zu erlegen.
Zedl so dem landschreiberey Verwalter geantwurt moge werden.
Unsere Landschreiberej Verwalter sollen M. Paulus Mayern
erlegen and bezalen, welches Inen In Irer Rechnung passiert soil werden.
Act. den 16. Decemb. a° etc. 77.
Not. Uff obgemelten tag haben der Her Oberuogt und ich mit ge-
dachtem Bildhauwer uff achzig weyter handlen and dem von der hie oben
Summa gelts abbrechen wollen abcr nichs fruchtbarlichs khonden ver-
richten.
Act. hora 3 pomeridiana.
Der Zedl in die landschreiberey ist dem hem Camer Secretario Mel-
chior Jaegern wideramb zu underschreiben geantwurt worden. Den 17.
decemb. Ist obgemelter Bildhawer bezalt und abgefertigt worden.
Eodem die Ist Gilg Hesser GieBer von Kunigsbrun* zu Statg an-
komen, darauff dan die form In M g F und H gemach wideramb abgehept
und In dem Thiergarten zerlegt ist worden.
Den 3 — hat Friederich Kesler dasiger Zeugmaister die Visie-
rung ufi beuelch M g F und H usser schneeschufi zu selbs handen ge-
nommen und dieselbig In das Zeughaus verwahren lassen.
34.
Aufzeichnung Mail's iiber die Kosten seiner Unterkunft.
(ohne Datum).
«Was ich meinem Wirth Hans Steckhen Schuldig bin und verzert hab.»
Erstlich wie ich vormals bej Im alhie mit ain em Pferdt, von wegen
JFG noch 6 maB haber und Stallmuech 4
Mer wie ich Jetz daB mal Alher kummen za morgen bei lm gessen kr. 15.
Mer umb 3 MaB wein und Brot zu under"* und schlafftrunck . . kr. 20.
Mer hat er mir 4 mal die oberstube eingewermet Jtr^HO.
J. sTlfl5
1 Hans Baumann, in den L R. fast immer Goldschmid genannt, ist
als Medailleur and Siegelschneider darch L. R. bezeugt. Vgl. fiber ihn such
Giefel, Lit. Beil. zum Staatsanzeiger 1904, 127.
* Ueber ihn ist bis jetzt nichts bekannt.
8 Datum fehlt.
4 Kein Betrag ausgesetzt.
s = Vesper.
- XXVII -
leh Paulus Mair Bildhawr and Mitbiirger in augspurg bekhenn wie-
ob stett das ich von wegen JFO Herzog Ludwigs zu W. das alda schuldig
bin, wie billich und Recht ist.
35.
Jacob Schropp 1 an Riittel.
14. Dez. 1577.
InhaU:
Anfrage, ob er auch zu der in Stuttgart stattfindenden Beratschlagung
uber den vorzunehmenden GuB vom fiirsten werde beigezogen werden,
wie er dies rait Riittel verabredet habe. Er hat namlich auf 18. Dezember 2
eine dringende Einladung nach Tubingen zum «Doktorat> des Sohnes von
Kirchenrats-Direktor Entzlin.
36.
Riittel an Schropp.
18. Dez. 1577.
Bericht uber die Verhandlung mit Mair, dann fahrt er fort:
•Was dan E E schreiben anlangt, khan ich derselben nicht bergen,
dafi der Kdnigsbrannisch GieBer Gilg genandt gesterigs tags bei uns an-
komraen und sich eines theils des corporis halben zu formen beschwerdt
vermainend dasseibig zu tieff geschnittcn sein, wiewol wir alberaits die-
form aufier M g F n. H Cammer in derc Thiergarten tragen lassen und
daselbsten abformen wollen, dan dreierlaj Sand 1 * dazn haben und danocht
besorgen miiessen, daB solcher sand vergebenlich sein werde. »
[Es folgt Personliches.] Dat. Stutg. 18. Dec. 77.
EE. dienstwilliger Schw[ager]
aizeit
A. R. m. p.
37.
Oktavblatt von Riittels Hand mit der Epitaph -I nschri ft.
Epitaphium Henrici Co Wirterabergensis. 4
IllustriBsimus Princcps et D. D. Henricus Comes Wirtembergae ac
montis Peligardi etc. fatis concessit in vigilia Palmarum Anno Christi
MDXIX Aet. LXXU.
1 Propst zu Denkendorf, 1578 oder 79 Abt in Maulbronn, f 1594.
Dienerbuch 274, 312.
2 Mairs Abfertigung und wohl auch Abreise fallt schon auf den
17. Dezember.
* Gemeint ist feiner und groberer Sand.
* Der Text stimmt mit der Inschrift an dem jetzt in Urach befind-
lichen Modell iiberein.
II.
DIE PERS0NAL1EN DES AUGSBURGER BILDHAUERS
«PAULUS MA1R DER JUNG*
(nach Forschungen ira Augsburger Stadtarchiv).
Um Mairs Personlichkeit festzustellen, bieten sieh im Augsburger Ar-
chiv vor allem die Steuerlisten dar.
Die Festsetzung der Steuerbetrage erfolgte jahrlich um Sankt 0*11
(16. Okt.) ; die Steuerpfiichtigen werden aufgezahlt nach ihrer Wobnnng.
Sonstige Beisatze jedoch, iiber Alter, Beruf, auch Wohnungswechsel. sind
ungemein selten, was die Nachforschung nach bestiramten Personlichkeiten
sehr erschwert. Zu einzelnen Banden sind imoderne) Register vorhanden.
Als ersten Anhaltspunkt benutzen wir die Tatsache, daB unser Bild-
hauer sich «Paullus Mair Bildhawer der Jung* unterschreibt. Da der Name,
. auch mit diesem Vornamen, damals in Augsburg nicht selten war, so hat
dieser Beisatz doch wohl den Zweck, ihn nicht von einem beliebigen
Namensvetter, sondern von einem alteren Bildhauer gleichen Naraens
zu unterscheiden. In der Tat findet sich nun in den Steuerbuchern von
1363 und 64 ein Paulus Mair, der aus spater zu erwahnenden Grunden aU
Bildhauer in Anspruch zu nehmen ist, als *Paulus Mair alt* bezeichnet.
Durfen wir nun, vorcrst hypothetisch, unsern P. M. als Sohn dieses
letzteren ansehen, so erscheint es gerechtfertigt, den
«Paul Mair alt>
zunachst einmal zuriickzuverfolgen. Ich stelle dabei das Ergebnis voran
und lasse die Belege folgen :
«Paul Mair alt> ist identisch mit Paul Erhardt, dem Sohn (vieileicht
Stiefsohn) des Augsburger Bildhauers Gregor Erhardt, fiber dessen
Werke in den letzten Jahren durch Mader und Schroder Licht verbreitet
worden ist.
- XXIX -
Im Jahr 1531 am Sonntag vor S. Gallen (Okt 1.0) erhielt • Paulas
erhart* Bildhauer die Gerechtigkeit seines Vaters >, Die Eintrage der
Steuerbucher zeigen, daB er bis zum Tod seines Vaters Oregor Erhart
mit diesem im selben Hans gewohnt hat; in der StraBe «Salta zam
8chlechtenbad>. Im Todesjahr Gregor Erharts, 1540, erscheint er erstmals
mit einem hoheren Steaerbetrag (30 Kr. 6 -*f, statt bloB 6 *f.) Im Jahr
1541 nan findet sich bei demselben Haas folgender Eintrag
Paulas mair erhart'
dt 30 Kr 6 J
Gregory erharts Witib I fl 15 Kr 6 J.
1542 ist die Familie umgezogen in die StraBe «Willig arm».
Der Eintrag (Blatt 39, b) lautet:
Paulius Erhardt 30 Kr 6 4
•Anna Mayrin 15 Kr 6 4 &bzogen.» * Trotz des ietzteron Vermerks
erscheint <Anna Mairin» noch bis 1549 neben <Paulus Erhardt*. Sie wohnen
bis 1548 Willig Arm, 1549 «am hindern Lech».
1550 lautet der Eintrag S. 55 a):
cjt 4 Panlus Erhardt 30 Kr 6 -J Anna Mairin ist tod und nichts vor-
handen.>
1551—53 wohnt Paul Erhardt allein.
1554 ist er nicht mehr zu finden. Statt dessen taucht (StraBe «Priel-
bruck gem Tor») S. 38 c ein « Panlus Mair» mit demselben Steuerbetrag auf.
Urn nan die beiden zu identifizieren, was nach dem Bisherigen natiir-
lich noch nicht angangig ware, gibt es zwei gewichtige Grunde :
1. Gregor Erhart hat sicher einen Stiefsohn mit Namen Onophrius
Mair gehabt, der bei ihm im Haus wohnte. Dieser Onophrius gibt 1520
keine Steuer wie immer in dem Jahr, wo sich einer selbstandig machte ,
nachher ziemlich mehr als sein Vater (4-6 fl.). Sein Beruf ist unbekannt.
Aber die Steuerliste von 1519 bezeichnet ihn als Sohn Gregor Erharts,
die von 1526 Gr. E. als Vater des Onofrius Mair.
Wir haben demgemaB anzunehraen, daB Gregor Erhart in spateren
Jahren eine Witwe geheiratet 5 hat. die Anna Mair hieB und 1549/50 starb.
Ihr Sohn aus I. Ehe hieB Onofrius; ihr Sohn aus II. Ehe Paul. Dieser
Paul, der Bildhauer wurde, hat sich nach dem Tod seines Vaters 1540
ziemlich lang noch nach diesem, spater aber nach seiner Mutter genannt.
Es erscheint sogar wahrscheinlich, daB er den Namen Erhart von Anfang
an bloB in den Stenerlisten fiihrte. Denn an zwei andern Stellen (im «Bau-
1 R. Vischer, Studien zur dcutschen Kunstgeschichte. 1886. S. 520.
2 Das Wort mair ist darchstrichen !
* = verzogen.
4 Item findet sich meist vor dem Namen des Hausbesitzers.
6 Oder viellcicht bloft zu sich ins Haus genommen.
- XXX —
meisterbuch» der Stadt Augsburg, dem stadtischen Aosgabenbucfa for Bau-
sachen) findet sich schon 1551 n. 1554 ein Bildhauer Paul Main 1
2. Bei Fraschi Epitaphia Avgustana II. 51 ist nns folgende Grabin-
scbrift aus dem alten Stefanskirchhof erhatten:
•Diese BegrdbnuB gehort dem Paul Erhart genannt Mair BQdhawer
und Mdchior Erhart genannt Mair Goldnchmid auch alien ihren Leibserben.
1608. >
Dieses 1608 errichtete Grabmal kann wohl kaum for den 1531 selb-
standig gewordenen Meister bestiramt gewesen sein, der dann etwa 100
Jahre alt geworden sein muBtc. Bezicht sich die Inschrift aber auf seinen
Sohn, so haben wir damit einen Beweis, daB auch in dem Enkel das An-
denken an seinen beruhmten GroBvater Gregor Erhart noch lebendig war,
dessen Namen er eigentlich zn fuhreu gehabt hatte ; ferner, daB der 1576
n. 77 in Wurttemberg erscheinende «Paul Mair der Jang* mit sehr groBer
Wahrscheinlichkeit dem Enkel Gregor Erharts gleichzusetzen ist.
Es erhebt sich nnn die Frage: Wie alt war der jungere Mair. als er
1576 die Beziehnngen zn Wurttemberg anknupfte?
Hiebei kommen uns drei « burgerbeschrcibungen* von Augsburg aus
den Jahren 1610, 1615, 1619 zu Hilfe.
Die von 1610 enthalt :
S. 78. Paul Mair, Bildhauer, 60 Jahre alt.
a 198. Paul Mair, Bildhauer, 84 Jahre alt.
Die von 1615:
S. 152. Paullus Mayr, Bildhauer, 70 Jahre alt.
a 14b. Paullus Mayr, Bildhauer, 38 Jahre alt.
Die von 1619 nur noch:
S. 222. Paul Mair. Bildhauer, 44 Jahre alt
DaB die Altersangaben dieser Burgerlisten nicht buchstablich genaa
genommen werden durfen, lehrt ein Blick anf diese Zusammenstellung ohne
weiteres.
Immerhin ist klar, dafi der fur uns in Betracht kommende Bildhaner
etwa 1545 — 50 geboren sein muBte, und daB er zwischen 1615 und 1619
gestorben ist.
Damit ist nun noch eine weitere Nachricht in Einklang zu bringen. Nach
dem Trauregister von 1563—69 haben < Paulas Mair Bildhauer* und Sabina
Hauberin, beede Burger* sich am 24. August 1563 <eelich zusammen ver-
pflicht». Darnach muB das Geburtsjahr des Mannes doch noch naher an
1540 als an 1545 herangerockt werden. Bei den Burgerbeschreibungea
> 1551. Sept 5: «4 >/- fl Muntz zahlt [an] Paulas Mair Bildhawer omb
2 staine Dischplatten.»
1554 Marz 10: «fl 1 Kr 40 zahlt Mair dem Maire Bildschnitzer*.
(Der erstere, also der auszahlende Beamte. ist der spater hingerich-
tete Hector Mair, vgl. fiber ihn A D Biogr. XX. 121.)
2 Der 1531 selbstandig gewordene Paul Erhart- Mair kann das nicht
sein, schon deshalb nicht, weil er als Witwer bezeichnet sein rafifite.
- XXXI —
von 1610 und 1615 ist dann sein Alter zu niedrig angegeben, eine Annahme,
die auf keine ernsten Schwierigkeiten stoBt.
Setzen wir so die Geburt unseres Kiinstlers etwa 1540, seine Heirat
1563, seinen Tod bald nach 1615 an, so stimmen die sonstigen Angaben
gat zu dieser Konstruktion :
1. Eben in dem Jahr der Heirat des jiingeren. 1563. wird der altere
Mair zam erstenmal in den Steuerlisten cPaul Mair alt» genannt.
2. Noch 1576 und 1577 nennt sich unser Meister «P. M. der Jung*.
In der Tat IaBt sich sein Vater noch bis 1580 deutlich verfolgen. Er
wohnt 1560-63 «in des Kusters Weiher», 1564—69 tauBerhalb S. Gallen
Tor» und zwar im Pfarrhof von S. Stefan.
1570 -72 zahlt er kcinen, 1573 nachtaglich 4 Steuerbetrage, woraus
mit Sicherheit zu entnehmen ist, dafi er 1570—72 von Augsburg abwesend
■war. 1574- 80 finden wir ihn in der StraBe «Salta ad S. Crucem* ; seit
1568 schickt er die Steuer dnrch eine Dienerin, durch «seinen Jungen>. 1577
«durch Weib». 1580 erscheint er mit dem Beisatz «8teinraegN (= Stein-
metz , eine willkommene Bcstatigung dessen, daB wir vorher auf der rich-
tigen Spur gewesen sind.
• Paul Mair jung» habe ich in den Steuerbuchern bisher nicht rait Sicher-
heit identifizieren konnen. Es fehlt hier der Einsatzpunkt , da er nicht,
wie sein Vater, im Anfang seiner Wirksamkeit das vaterliche Haus be-
wohnte. Es kann daher zunachst sein Steuerbetrag nicht festgestellt
werden. Dazu kommt. daB die Zahl der Paul Mair gegen das Ende des
Jahrhunderts entschieden im Wachsen ist.
Aufierhalb der eigentlichen Steuerlisten finde ich folgende Erwah-
nnngen :
1569 Paul Mair, Bildhauer (als Biirge)
1586 dasselbe.
1597 — — — als noch lebend.
1600 Mai 20 (Schuldbuch S. 98) quittiert P. M. Bildhauer fiber den
Ruckempfang von 200 fl., die er dem Pfarrer zu Kleinberghoven i geliehen
hatte.
1602 (Schuldbuch) Paul Mair, Bildhauer und sein Bruder Matthaus,
ebenfalls Bildhauer.
1605 Dez. 16: P. M. Bildh. und B. zu Augsburg stellt eine Schuld.
urkunde iiber 200 fl. aus.
1610, 1620, 1628 «Paul Mair Bildhauer* als Biirge erwahnt.
Von diesen Angaben kann die von 1569 sich noch auf den <p. M. alt»
beziehen, und seit 1620 ist sicher der im Jahr 1576 geborne dritte Bild-
hauer des Namens gemeint (s. o. S. XXX). Was dazwischen liegt, darf mit
Wahrscheinlichkeit unserem Meister zugeschrieben werden.
i Dorf im heutigen Bezirksamt Aichach (0. Bayern) nordostl. Augsburg.
III.
DIE STUTTGARTER DENKMALER NACH DEN
LANDSCHREIBEREI-RECHNUNGEN l .
(K. Filialarchiv Ludwigsburg.)
Die L. R. werden bezeichnet nach dem Jahrgang, der von Georgii
zu Georgii lauft, und -wo solche vorhanden sind. nach den Seitenzahlen,
nur im Notfali nach den Rubriken. (Aufzahlung derselben: Wurtt. Archiv-
Inventare I. Heft. S. 157.)
I. Paul Mair.
L. R. 8. fL Kr
1576/77 356 «Paul Maiern Bildhawern in Augspurg, so etlicher
monumenten und Epitapbien halber xur Rent-
kammer beschrieben worden, Zernng 1. Z. z.» 11, 44
77/78 345 cP - M fir ain geschniten form, Wei-
lundt u. g. F. u. H. Uhranherrns Grane Heinrichenn
zu Wurttembergs etc. Christ seliger Gedechtnufi
Monument, so alhie in der stifft Kirch enn ufge-
richt werden sol, 1. Z. z.» 194, 15
— 370 einem furman von Marbach vonn Graue Heinrichs
zu W. — etc. form eines Epitaphii, von Augspurg
alher zu fueren z 1 Z 8, —
1 Abkiirzungen: L. R. = Landschreiberei-Rechnnng. — z. 1. Z. =.-
«zalt laut Zettels*. — 1. D. u. Qu. = «laut Decrets und Quittung>.
— XXXIII —
II. Sem Sehlttr.
L. R. S. fl. Kr.
1576/77 360 «Dem Bildhawer von Hall alheer and wider an-
heimsch. 1. Z. 4. —
77/78 356 «Simon Schleer vonn Schwabischenn Hall, nmb
vier gehawene Bilder uff die Thor am Bennplats
Im Tuergartenn, Jedes per 40 Guldin und fnrlohn
20 fl, tnt 1. Qo. n. B. 180, —
— 374 «Denn faerlentheu so die bilder uf die Thor Inn
Thuergarten gehdrig alheer gefuert, Zehrang
s. 1. Z. 11, 20
Mer den Gesellen verehrt, lant ermelts ZettelB. l r —
78/79 359 «an Simonn Schleer Bildhawern zu Schwabischen
Hall fur ain Epitaphium Grave Heinrichs su Wirt"
iemberg etc. z. 1. Z. 200, —
79/80 357 «Sem Schleyer, Bildhawern zn Schwabischen Hall,
f&r das ander verfertigt Epitaphium Grout Ul-
richa su TF., 200 fl, and dann fur etlichen Un-
kosten 7 fl 12 Kr zalt tut 1. Z. 207, 12
79/80 357 «Maurern und andernn Handwerckslenthenn fur
lere Taglohn An Veruertigung der alten hern
von W. etc. Epitaphyorum, so der Bildhawer von
Schwabischen [Hall] gemacht. tut 1. Z. 10, 58
80/81 367 «Sem Schleer Bildhauern zu S. Hall fur das drit
und viert Epitaphium Beeden Herrn Qrauen Eber-
harten vonn W. etc. bezahlt, 1. Beuelchs u. Qu. 400, —
— — tMartin Rappen Schloasern far etliche eisin Klam-
mern — — zu obgemelten Epitaphien. 2, 04
80/81 357 Den Taglohnern, so obgeraelte Epitaphia haben
helffen uffrichten zur Belohnung, auch fiir etliche
Pfund Bley z. 1. Z. 2, 19
81/82 358 Drei Fuhrleuten — Taglohn — als Simon Schleer
— — die Epitaphien — uffgericht. 9, 80
— — Etlichen Steinmetzen, die ihro geholfen. 2, 15
— — Sem Schleer fiir das 5. und 6. veruertigt
Epitaphium der alten Herrn v. W. so er in der
Pfarrkirchen alhie uffgericht. z. I. B. 400, —
81/82 359 Sem Schlder fur das 7. und 8. Epitaphium
der alten Herrn v. W. so er in der Pfarrkirchen
alhie uffgericht. 400, —
82/83 - —
83/84 368 Sem Schleer fur die drey letetetm Epi-
taphien der alten Herrn zu Wiirttemberg, so er
(s. o.). 1. Z. 600, —
REGISTER.
(Die Denkraaler sind in diesem Verzeichnis nach ihren
Standorten geordnet.)
Augsburg.
Grabdenkmaler im Kreuzgang von
St. Anna 77.
Augsburger Geschlechterbuch 71 ff.
230 f. 237 f.
Barg. Erhard, Bildhauer von Gmund
1 75. 195. 245 f.
Bauiubauer, Leonhard, Bildhauer
von Ground 29. 37 ff. 136 ff.
Anhang S. IX.
Katalog der Werke 139.
Berneck, 0|A Nagold.
Denkmal Balthasar von Gultlingen
112. 114 ff.
— Peter von Gultlingen 152. 156.
Berwart. Blasius 29.
Beecblagformen 200 ff.
Braunsbach, 0!A Kiinzelsau.
Denkmal Albrecht von Crailsheim
245
Cannstatt
Grabmal Speidel-Uffkirche 233.
Christoph. Herzog von Wiirttem-
berg.
Tatigkeit fur die Stuttgarter Denk-
maler 42 f.
Christoph von Urach, Bildhauer
74. 85. 90 ff.
Crailsheim.
Grabdenkmaler in der Johannis-
kirche 82. 110. 183. 222 244.
Doctor. Sigmund, Bildhauer in Stutt-
gart 39. 195.
Donzdorf, O/A Geislingen.
Grabstein Wolf von Reohberg
(gest. 1540) 126. 143.
Dretsch. Albrecht 31. 48. 138.
d.
Dtirnnu, O/A Goppingen.
* Denkmal Hans Wolf von Zuln-
hardt 14') f.
Eberhard im Rart.
Ueberfuhrung seiner Gebeine nach
Tubingen 7.
Denkmal in Tubingen 101 ff
Eberhard. Prinz von Wurttem-
berg, Sohn Herzog Christophs.
Denkmal in Tubingen
Urkundliches 36 ff.
Beschreibung 139 f.
Einsiedel 7 f .
Eger, Christoph, Bildhauer 245.
Erhart, Gregor, Bildhauer 76.
Anhang S. XXVIII ff.
Floris, Frans, Maler.
Cyklus von Wandgemalden in.
Antwerpen. darst. dieTaten des
Herkules 241.
Forster, Conrad, Bildhauer 98.
Fugger. Hans 51. 77.
Gadner. Dr. Georg 50.
Oaildorf.
Denkmal des Schenken Christoph
202. 244.
Galler, Jerg, Maler 37.
Gebsattel bei Rothenburg o/T.
(SchloBchen) 245.
Geisingen. O/A Ludwigsburg.
Denkmal Hans von Stammheim
und Gemahlin 5a 63 ff.
Denkmal Hans Wolf von Stamm-
heim 63 f. 66 f.
Denkmal Anna von Stammheim
233 f.
Geitzkofler, Michael 51
**♦
— XXXVI —
Omlind
Denkmal JbrgGronbeck zu Nidern-
hofen 116. 126 f.
Grofikomburg bei Hall.
Epitaph von Loy Hering 143 f.
Grofisteinheim am Main.
Denkmal Fro win von Hutten 98.
Gundlieim bei Worms
Denkmal Siegfried von Oberstein
189 f.
Giiteratein.
Geschichte der Karthause 14 ff
Grabdenkmaier and ihre Schick-
sale 17 ff.
Hall.
Denkmal Agata Scbenczin 198.
— Katharina Ehrerin 199.
— Frau des Brenz 199.
— Feierabet 203.
— Vogelmann 205.
— Eisenmann 205.
— Weczel. Melchior 206.
— Weczel, Margarete, verw.
Bechstain 206.
„— Schaffner Schwend 244.
Kruzifix (Friedhof) 213 f.
Heilbronn am Neckar.
Arbeiten Seniors daselbst 193.
Heilsbronn bei Nftrnberg. **■*
Denkmal des Grafen Georg Fried-
rich von Ansbach 216 f
Epitaph von Loy Hering 187.
Heinrich, Graf von Wurttemberg,
Vater Herzog Ulrichs.
Biographisches 48.
Denkmal in Urach 67 ff.
— in Stuttgart 235.
Hering, Loy, Bildhauer in Eich-
statt 177. 198. 214.
Herrnsheim bei Worms.
Denkmal Margarete von Dalberg
96 f
— Wolf Kammerer v. Worms,
gen. von Dalberg 97 ff.
Horb.
Burrus denkmal (Liebfrauenkirche)
146.
Jelin, Christoph, Bildhauer in Tu-
bingen 49. 82. 86. 138. 179.
182. 246.
Werkstatt 232
Innsbruck.
Maximiliansgrabmal 210. 248.
Kern (von Forchtenberg).
* Bildhauerfamilie 232.
Kocherstetten, OiA Kunzelsau.
Denkmal Eberhard v. Layen 221.
— Eberhard v. Stetten 196. 225.
— Wolfgang v. Stetten 204.
Komburg. Stift
8. GroBkomburg.
KrauB, Mathis, Bildhauer in Stutt-
gart 195.
Kiirnbach (Baden).
Denkmal Sternenfels 178.
Leonberg.
Marktbrunnen 149.
Denkmaler in der Stadtkirche
168 ff.
Liechtenstein (Schlofi).
Lusthausbusten 196. 228. 232.
237. 240.
Reliefs vom Lusthaus 240 ff.
Lusthaus (ehemaliges, in Stuttgart).
Bauakten 239.
Biisten s. Lichtenstein.
Reliefs 240 ff.
Mair, Paul, Bildhauer.
Urkundhches 51 ff.
Werke 57 ff.
Personalien: Anhang S. XXVIII ff
Mechthild, Gemahlin Graf Lud-
wigs von Wurttemberg.
Denkmal in Giiterstein 19.
Beschreibung desselben 20.
Alter des Denkmals 21 ff.
Restauration in Tubingen 25. 182.
Mebkirch (Baden).
Grabdenkmaier in Erzgufi 76.
Michel von Hardt, Stuckateur in
Tubingen 93 f.
Miihlhausen am Neckar.
DenkmalJacob von Kaltental 125 ff.
— Engelhold von Kaltental (gest.
1558) 128.
— Engelbold von Kaltental (gest
1586) 244.
Miiller, Jacob, Bildhauer 246.
Muller (Miler), Georg, Bildhauer
246.
Munderkingen, O/A Ehingen.
Marktbrunnen 151.
Neufra a. d. Donau.
Grabdenkmaier in ErzguB 76.
Neuhausen (anf den Fildern).
Kruzifix (Friedhof) 212 f.
— XXXVII -
Oberbobiagea. A Gmund.
Denkmal Hans Wolff von Welwart
1*29 it
Obersteafeld, 0/A Marbach.
Denkmal Wolf v. Weiler 22a
— Christina v. Schwalbaoh 224 1
Bildstock anf Burg Lichtenberg
220.
Oberroth. 0/A Gaildorf.
Denkmal Heinrich Senft v. Sul-
burg 221 f.
Denkmal der Anna Keckin 198.
Obersoatheim, O'A Gaildorf.
Denkmal des Friedrich Scbenk
von Limpurg 244.
Oehaenbarg. 0/A Brackenheim.
Denkmal Walter von Sternenfels
a. a. 163.
Oehringen.
Grabdenkmaier in der Stiftskircbe
82.
Oppenweiler, 0/A Backnang.
Denkmal Friedrich v. Sturmfeder
188. 191 f.
Pforzheim.
Grablege in der SchloBkirche 9.
Raiser, Hans, Goldschmied 53.
Reutlingen
Maximilian6brannen (Fragmente)
150.
Kieden 0|A Hall.
Denkmal Heinrich Senft von Sal-
burg 222.
Rodlein, Hans, Bildhauer 82. 229.
Rollwerkformen 67. 74. 154. 200 ff.
Roment, Jacob, Bildhauer in Stutt-
gart 195. 1%.
Rfittel, Andreas, Vater und Sohn. 42.
<S*bina, Gcmahlin Herzog Ulrichs
von Wfirttemberg.
Denkmal in Tubingen
Urkundliches 31 ff.
Beschreibnng 215 f.
Reliefplatte mit Wappen in Tu-
bingen 33.
Sandbach im Odenwald.
Denkmal Scherpf 116.
Denkmal Graf Michael HI. von
Wertheim 177.
Scbertlin, Sebastian 59 ff.
— Johann Philipp 59.
— Johann Sebastian 59. 61.
Schickhart, Hans, Maler in Tu-
bingen 39. 144. 161.
Senior, Sem. Bildhauer 31 ff. 49.
55 t 173 ff. Anhang S. XXXIII.
Katalog der Werke 179.
Schmid, Josef. Bildhauer von Urach
11 ft 90 ft
Katalog der Werke 94.
Schmid. Melchior. Bildhauer von
Heilbronn 82. 246.
Schbntal
Grabdenkmaier der Berlichingen
u a. 47.
Simmern (Rhcinprovinz).
Grabdenkmaier in der evange-
lischen Kirche 74. 83.
Skizzen
zu den Gutersteiner Denkmalern
17 ff. 117,
zu den alten Grabsteinen in der
Stuttgarter Stiftskircbe 44 ff.
Steiner, Hans, Hofmaler 45 f. 54.
219.
Stockenbnrg, A Hall.
Denkmal Hieronymus v. Vellberg
192.
— Wolf v. Vellberg 90. 109 ff.
— Jorg v. Bemelberg 111. 183 ff.
— Margareta v. Vellberg 188.
— Hans Barthol. v. Vellberg 190f.
— Konrad v Vellberg 244.
— Bronnhofer 204.
Kruzifix 214.
Stratidorf, 0/A Gmund.
Denkmal Ulrich v. Rechberg 223.
Stuttgart.
Chor der Stiftskirche 2.
Hochaltar 4.
Geschichte der Furstendenkmaler
im Chor 41 ff.
Seniors Ahnenreihe 226 ff.
Denkmal Herter von Hertneck 146 ff.
Schauenburg 157.
Hohenlohe 194. 218 f.
Relieftafeln zum Glaubensbekennt-
nis 19:*. 206 ff.
Wappentafel am Alten SchloB
(1563) 209.
Biider auf die Tore am Rennplatz
225.
Portal zur Empore der Schloft-
kapelle 233. 243.
Talheim. 0/A Heilbronn.
Denkmal Christoph von Talheim
219 f.
— xxxvm —
Trarbach, von, Bildhauerfamilie 82.
178. 182. 232. cf. Vorwort.
TUbingen.
Chor der Stiftskirche 3 ff.
Bildersturm 3 ff
Apostelstatuen 6.
Denkmaler aus Stein.
MaBnahmen zur Aufstellung 26 ff.
Graf Ludwig 131 ff.
Mechthild 20 ff. 132.
Eberhard im Bart 101 ff.
Ulrich 101 ff.
Sabina 215 f. 240.
Christoph 136. J 57 ff.
Anna Maria 38. 161 f.
Prinzessin Anna 116 ff.
— Eva Christina 219.
Prinz Eberhard 159 f.
Denkmal Janowitz 112.
— v. First 141.
— v. Ostheim 142.
— Megetzer 152 ff.
— TruchsaB 154.
— Gockel 154. 157.
— Calwer 157.
— Chomberg 164 ff.
— Wurzelraann 169.
— Lentram 203.
— Andreae 34 74
— Studentenepitaphien 223.
— Schulenburg 83.
— Lindschold 83.
Erzgufitafeln
fur Eberhard im Bart 13.
— Ulrich 12 ff.
Rahmung dieser beiden 12. 105 ff.
SchloBportal (unteres) 86. 203. 231.
Georgsbrnnnen 149.
Ulrich, Herzog von Wurttembery;
Plane zu zwei Grablegen 1 ff.
Stellung zur Bilderfrage 4 ff.
Grabdenkmal in Tubingen 101 ff.
Unterriexingen, O/A Vaihingen.
Denkmal Sohenk von Winterstetten
225.
Urach.
Uracher Gotzentag 4. 5.
Holzmodell zn einem Epitaph for
Graf Heinrich von Mompelgard
67 ff. 230 f..
Grabsteine Nothafft und Mailer im
der Amanduskirche 100 f.
« Uracher Bildhauerschule> 111.
Wagner, Konrad, Stuckateur 47. 94.
Wertheim (Baden).
Grablege der Grafen von Wert-
heim 9.
Denkmaler Isenburg und Konig-
stein 229.
Wimpfen am Berg.
Gehause fiir eine Kreuzigungs-
gruppe 99.
Woller. Jacob, Bildhauer von Gmund
24 ff 123 ff.
Wiirzburg.
Grabdenkmaler aus der Mitte des
16. Jahrhunderts 176 f.
Epitaph Neustetter im Dom 246.
Zaberfeld, Of A Brackenheim.
Denkmal Veit von Sternenfels
(154). 163 f.
Ziiberlin, Jacob, Maler in Tubingen
46. 87.
BERICHTIGUNG.
Zu S. 60.
Sebastian Schertlin war, wie mir Herr Baron von Schertel in Halle
mitteilt, 1534 nicht neu geadelt, sondern in den Stand der nnmittelbarea
reichsfreien Ritterschaft erhoben worden.
Zu S. XVIII (Anhang).
Statt «Crumbergemendt» ist vielleicht zn lesen «Cumbergemendt» =•
Compartiment.
TAFELN
Taf. i
/wei GrabdenkmSler in GUterstein. Skizzen von 1 5 5-4.
Stuttgart, Staatsarchiv.
Taf. 2
oben: Mechihild Denkmal in GUtersiein. Skizze von 1554.
unten : Dcr TUbinger Chor. Ski/.zc von Jacob Woller i556.
Stuttgart, Staatsarchiv.
Tal. j
Tat. 4
Phot. Melzlg
Paul Mair. Uenkm.il Hans von Slammheim.
Geisingen.
Taf. 5
I'mlii-. Kunst- und AUrrturosJcnk Ic WOrllcmbiT|!>
Paul Mair. Holzroovkll ilir ein Krzj-uPJcnkmal.
Urach. SchloJ.
Taf. 6
Taf. 7
Josci Schmid, Denknvil Joliinn vol Khingen
Kilcltherg.
I'hoi, Kick
links).
Taf. 8
I'lioi. SintH-r.
Jacob Woller. Dcnkmnl Jucoh v. Kaltenthal.
MUhlhausen a. N.
Taf. 9
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Leonhard Baumh.iucr. Denkm.il Jcrg von Ehingcn frechts)
Kilchberg.
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Sem Schlor.
olicn : Josef Vogclmann (llnll)
unten : Wolfgang ion Stcitcn (Kochcrsietten).
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Sem Senior. Sutigart, Altos Schlol.
Relieftafeln zu den Glaubensartikeln.
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Scm SchlSr. Suttgart, Ahes Schlof.
Relieftafeln zu Jen Glaubensariikeln.
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Sent Schlor. (jraicnstnnJbildcr Nr. 4 u. 5.
Slutlg.irt, Sliftskirche.
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Sera Schlor (?)
Schlof Lichtensiein.
BUste vom Lusthaus.